Protocol of the Session on November 23, 2006

Ich eröffne die 3. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, unsere Zuhörer sowie die Medienvertreter und alle anderen sehr herzlich.

Geschäftliches: Frau Cerstin-Ullrike Richter-Kotowski von der Fraktion der CDU und Frau Dr. Sibyll-Anka Klotz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben am 17. November 2006 ihr Mandat niedergelegt. Am 20. November 2006 ist für Frau Richter-Kotowski Herr Joachim Luchterhand nachgerückt. – Herr Luchterhand! Herzlich willkommen! Auf eine gute Zusammenarbeit!

[Allgemeiner Beifall]

Für Frau Dr. Klotz ist Herr Stefan Ziller nachgerückt. – Herzlich willkommen, Herr Ziller! Auf eine gute Zusammenarbeit hier im Abgeordnetenhaus!

[Allgemeiner Beifall]

Ich möchte wieder auf die Ihnen vorliegende Konsensliste hinweisen. Sofern sich hiergegen kein Widerspruch erhebt, gelten die Überweisungen bzw. die Hinweise zum weiteren Verfahren als beschlossen.

Sodann rufe ich unter der

lfd. Nr. 1:

Wahl und Vereidigung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin

auf. Hierzu liegt mir bereits seit Montag ein Schreiben des Vorsitzenden der Fraktion der SPD, Herrn Müller, vor, das ich jetzt verlese:

Sehr geehrter Herr Präsident,

im Namen der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei des Abgeordnetenhauses von Berlin schlage ich Herrn Klaus Wowereit für das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin vor.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Müller

Vorsitzender

Für die erbetene Aussprache hat sich der Ältestenrat auf eine Redezeit von bis zu 20 Minuten pro Fraktion verständigt. In der Aussprache beginnt die Fraktion der SPD in Person des Vorsitzenden. – Herr Müller! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Abgeordnetenhaus wählt heute den Regierenden Bürgermeister, und man kann bezweifeln, ob eine Debatte vor der Wahl eines Regierungschefs und bevor eine Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat, eine sinnvolle Sache ist. Schaut man auf die Bundesebene und auf die Länder, die größ

tenteils anders verfahren, werden diese Zweifel genährt. Aber nun haben wir im Berliner Abgeordnetenhaus diese Debatte, und wir stellen uns ihr gern, denn wir haben mit Klaus Wowereit einen hervorragenden Regierenden Bürgermeister und ein Regierungsprogramm für die nächsten fünf Jahre, das unsere Stadt spürbar voranbringen wird.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir hatten schon zu Beginn der letzten Legislaturperiode sehr schwere Rahmenbedingungen, und ohne die Einleitung des überfälligen Mentalitätswechsels hätten wir nicht die Erfolge zu verzeichnen, auf die wir durchaus ein wenig stolz sein können. Berlin ist ein ganzes Stück weiter – in der Finanzpolitik, in der Bildungspolitik, aber auch bei der inneren Einheit der Stadt. Dazu hat gerade der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit maßgeblich beigetragen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Natürlich haben auch die anderen Mitglieder des Senats für Berlin in den letzten fünf Jahren eine hervorragende Arbeit geleistet, für die ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanke, insbesondere bei Klaus Böger, Karin Schubert und Thomas Flierl.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Rot-Rot wird auch in den nächsten fünf Jahren mit einem guten Team arbeiten. Die künftigen Senatsmitglieder sind Persönlichkeiten mit Lebens- und politischer Erfahrung und verfügen in ihren Sachgebieten über ein besonderes Profil. Es wird ein Senat mit einem Regierenden Bürgermeister an der Spitze sein, der mit Zuversicht, Optimismus und Kompetenz an die Arbeit geht und der die Potenziale der Stadt aktivieren wird.

Durch unsere Entscheidungen der letzten fünf Jahre haben wir die Voraussetzungen für die politische Gestaltung dieser Legislaturperiode geschaffen. Die Koalitionsvereinbarung von SPD und Linkspartei ist dafür eine ausgezeichnete Grundlage. Der Weg, den wir ab 2002 beschritten haben, war nicht einfach, weil wir auch Veränderungen in den Köpfen erreichen mussten. Es mussten einschneidende strukturelle Maßnahmen ergriffen werden, um den Weg aus der Schuldenfalle zu finden. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir es uns nicht leicht gemacht. Das gilt für viele Bereiche, für viele Strukturveränderungen in den Bereichen der Hochschulen, der Kultur, für den sozialen Wohnungsbau und insbesondere für den öffentlichen Dienst. Aber ein Ergebnis dieser Politik ist, dass wir für das Jahr 2007 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Ohne den eingeleiteten Mentalitätswechsel, ohne die strukturellen Einsparungen wäre dies nicht möglich gewesen. Wir haben damit die einzig richtige Antwort auf die Lage einer Stadt gegeben, in der sich bis dahin viele etwas vorgemacht haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir werden den Weg der Haushaltskonsolidierung – das will ich besonders betonen – selbstverständlich konsequent fortsetzen und unsere Steuermehreinnahmen in die Reduzierung der Kreditaufnahme stecken, um so Schritt

für Schritt aus der Schuldenfalle zu kommen, um politische Gestaltungsspielräume zurückzugewinnen und um die Stärken der Stadt ausbauen und finanzieren zu können. Darum geht es in der Finanzpolitik.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es ist schön, an der Stelle wenigstens von Frau Fugmann-Heesing Beifall zu bekommen! –

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die Hauptstadt Berlin, die Visitenkarte Deutschlands, leistet selbstverständlich einen großen Beitrag für die Repräsentation des Gesamtstaates nach innen und außen. Für Berlin ist es ein ganz wichtiger und großer Schritt, dass die Rolle Berlins und die Verpflichtungen des Bundes endlich im Grundgesetz verankert wurden. Die Initiative von Klaus Wowereit war erfolgreich, sein beharrliches Engagement an der Stelle hat sich für Berlin gelohnt. Die Hauptstadtklausel gewinnt für Berlin – insbesondere nach dem Karlsruher Urteil – eine noch größere Bedeutung. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine bittere Niederlage für die Stadt. Aber die Klage war notwendig, und es war unsere Pflicht gegenüber den Berlinerinnen und Berlinern, auch die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die zu einer Verbesserung der finanziellen Lage Berlins beitragen können. Es ist selbstverständlich, dass wir nach diesem Urteil darauf drängen, dass in Deutschland endlich eine Debatte darüber geführt werden muss, was dem Bund und den Ländern ihre Hauptstadt wert ist. Es ist absolut richtig, wenn der Regierende Bürgermeister in dieser Situation selbstbewusst die Interessen der Hauptstadt vertritt.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Die Berlinerinnen und Berliner erwarten dieses Engagement,

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

und es müsste eine Selbstverständlichkeit sein, dass dieses Haus den Regierenden Bürgermeister bei diesen Interventionen und Aktivitäten unterstützt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Berlin hat als Hauptstadt und als europäische Metropole deutlich an Ansehen und Sympathie gewonnen,

[Gelächter bei den Grünen – Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

auch wenn das nicht alle Ministerpräsidenten gerne zur Kenntnis nehmen. Man muss sich in der Stadt nur einmal umsehen,

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

dann sieht man, wie viele begeisterte Menschen zu uns kommen.

[Zurufe von den Grünen]

Als eines der einflussreichsten politischen Zentren der Europäischen Union und durch sein kulturelles Erbe ist Berlin inzwischen eine der meistbesuchten Metropolen des Kontinents. Die Stadt ist ein bedeutender Verkehrs

knotenpunkt und ein wichtiges Wirtschafts-, Kultur- und Bildungszentrum Deutschlands. Herausragende Institutionen wie die Universitäten, Forschungseinrichtungen, Theater, Museen, aber auch Festivals sowie die Architektur Berlins genießen Weltruf.

Ein kürzlich veröffentlichter Innovationsindex belegt, dass Berlin im EU-Vergleich mit einem hervorragenden zweiten Platz zu den innovationsstärksten Standorten Europas gehört. Berlin ist eine Hightech-Hochburg mit den Kompetenzfeldern Biotechnologie, Medizintechnik, Informations- und Kommunikationstechnologie, Verkehrstechnik und Gesundheitswirtschaft. Wir haben die Wirtschaftsförderung insbesondere auf diese Bereiche zugeschnitten; allein 100 Millionen € Fördermittel kommen ihnen jährlich zugute. In der vergangenen Legislaturperiode haben wir konsequent auf diese Cluster und Kompetenzfelder gesetzt. Das Konzept von Adlershof und den anderen Technologiezentren ist aufgegangen und wird auch in Zukunft eine Erfolgsgeschichte sein – immer neue Unternehmensansiedlungen in Adlershof sind ein weiterer Beweis. Ausschlaggebend für die Standortentscheidung ist die Verbindung mit der bestehenden Struktur des Wirtschafts-, Forschungs- und Wissenschaftsstandortes Adlershof. Es ist wichtig, der Wirtschaft Perspektiven zu bieten, gerade nach Karlsruhe ist es umso notwendiger, neue wirtschaftspolitische Perspektiven für neue innovative Arbeitsplätze zu entwickeln. Wir brauchen neben der klassischen Industrie neue Produktionen. Wir sind eine investorenfreundliche Stadt, und wir werden daran arbeiten, noch mehr Investoren in diese Stadt zu bekommen. Zur Haushaltskonsolidierung kann man nicht nur auf die Ausgaben schielen; wichtig ist die Einnahmenseite, wichtig ist es, weitere neue zukunftsfähige Arbeitsplätze in unsere Stadt zu bekommen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Deswegen ist es absolut richtig, Berlin auch als eine Stadt des Wissens weiterzuentwickeln. Ich bin sicher, dass der künftige Bildungs- und Wissenschaftssenator der richtige Mann ist, um dem Standort Berlin neue Impulse zu geben und den eingeschlagenen Weg dynamisch fortzusetzen. Berlin will mit seiner Wissenschaftslandschaft glänzen, und dafür haben wir einen glänzenden Kopf nach Berlin geholt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Dr. Manuel Heide (CDU)]

Dem Flughafen BBI werden Milliardeninvestitionen in die Region und Tausende Arbeitsplätze folgen. Einer neuen Studie zufolge, die in dieser Woche veröffentlicht wurde, hat der Flughafen alle Chancen, ein großer Erfolg zu werden, nicht zuletzt, weil die Hauptstadt immer noch große Chancen hat, das Drehkreuz in Richtung Osteuropa zu werden. Die Studie hält auch das Erreichen von mehr als 20 Millionen Passagieren pro Jahr für möglich. Die ursprünglich für 2010 anvisierte Zahl von 15 Millionen Übernachtungen ist bereits jetzt erreicht, und erneut sind zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen. Mit diesem Ergebnis nimmt Berlin heute Platz 1 in Deutschland und Platz 3 in Europa hinter London und Paris ein. Diese

Entwicklung zeigt das Potenzial der Stadt und ist nicht zuletzt dem Regierenden Bürgermeister zu verdanken, der seit seiner Amtsübernahme ein exzellenter Berlinbotschafter im In- und Ausland ist und überall für Berlin und diesen Investitionsstandort wirbt.