Protocol of the Session on March 1, 2017

Die Fahnen sind auf Halbmast gesetzt. Gestern wurden in der Nähe von Müllrose während ihres Dienstes für das Land Bran denburg zwei Polizisten getötet. Die beiden Beamten wurden von einem 24-Jährigen auf der Flucht vor der Polizei gezielt überfahren. Fassungslos stehen wir vor dieser brutalen Gewalt tat. Aus einem ganz normalen Dienstag wurde ein Albtraum.

Es macht zornig und traurig, dass so etwas in unserem Land geschehen ist. Wir trauern um die Toten und stehen in diesen schweren Stunden an der Seite ihrer Familien. Und wir denken mit Hochachtung und Respekt an die Polizistinnen und Polizis ten, die täglich ihren verantwortungsvollen und auch immer wieder gefahrvollen Dienst versehen und heute um ihre Kolle gen trauern.

Erheben Sie sich bitte zu einer Schweigeminute von Ihren Plät zen.

(Schweigeminute)

Danke.

Meine Damen und Herren, es fällt nicht leicht, einfach zur Ta gesordnung überzugehen. Aber ich begrüße Sie herzlich zur 41. Sitzung des Landtages Brandenburg. Ich begrüße ganz be sonders herzlich Schülerinnen und Schüler des Marie-CurieGymnasiums Dallgow-Döberitz sowie Schülerinnen und Schü ler der Sportschule Potsdam. Herzlich willkommen hier im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Wir haben in unseren Reihen heute wieder einen Jubilar, der seinen Geburtstag mit uns feiert. Herzlichen Glückwunsch, Herr Abgeordneter Genilke, Gesundheit und weiterhin auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Vor Eintritt in die Tagesordnung informiere ich Sie darüber, dass der Antrag „Vorhang auf für das Theater in der Fläche - Elemente zur Stärkung der Freien Theater in Brandenburg“, Drucksache 6/4491, 2. Neudruck, und der Antrag „Rassismus, Antisemitismus und die Verunglimpfung und Bedrohung von Bevölkerungsminderheiten haben keinen Platz in Branden burg“, Drucksache 6/6080, von den Antragstellern zurückgezo gen wurden.

Des Weiteren informiere ich Sie darüber, dass die CDU-Frakti on am 09.01.2017 Neuwahlen des Fraktionsvorstandes durch geführt hat. Herr Abgeordneter Senftleben ist als Fraktionsvor sitzender wiedergewählt worden, Frau Abgeordnete Richstein und Herr Abgeordneter Wichmann wurden als stellvertretende Fraktionsvorsitzende gewählt. Zum Parlamentarischen Ge schäftsführer wurde Herr Abgeordneter Dr. Redmann gewählt. Ihnen allen herzlichen Glückwunsch und auf gute Zusammen arbeit!

(Allgemeiner Beifall - Vogel [B90/GRÜNE]: Alles neu! - Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, gibt es von Ihrer Seite Bemerkun gen zum Entwurf der Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Entwurf der Tagesordnung abstimmen. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Die Tagesordnung ist einstimmig angenommen.

Damit beginnen wir die heutige Sitzung, ich eröffne Tagesord nungspunkt 1:

Aktuelle Stunde

Thema: Ratlosigkeit in Brandenburg: Flughafen BER - besser spät als nie oder besser nie als zu spät?

Antrag

der Fraktion der AfD

Drucksache 6/6072

Ich eröffne die Aussprache. Zu uns spricht der Abgeordnete Kalbitz.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäs te! Diesen Januar wurde mal wieder die Eröffnung des Flugha fens „Willy Brandt“ von Ende 2017 auf irgendwann verscho ben. Wir sind mittlerweile bei der fünften Verschiebung: Das erste Mal wurde die Eröffnung im Juni 2010 von November 2011 auf Juni 2012 verschoben, dann im Mai 2012 von Juni 2012 auf März 2013, im September 2012 von März 2013 auf Oktober 2013 und im Januar 2013 von Oktober 2013 auf ir gendwann später. Aus fünf Jahren Bauzeit sind mittlerweile über zehn Jahre geworden. Und während am einen Ende noch gebaut wird, kann man am anderen Ende mit der Sanierung be ginnen. Der Flughafenkoordinator des Landes hat in der letzten Ausschusssitzung schon gesagt, man befinde sich mittlerweile in der Sanierungsphase.

Die Verschiebung der Eröffnung im Januar wird sicher nicht die letzte gewesen sein. Diese Verschiebungen sind alles ande re als ein Ruhmesblatt, sie sind schlicht peinlich.

Es ist nicht nur so, dass sich die Eröffnung immer wieder ver schoben hat, nein, auch die Kosten sind explodiert, und es ist fast schon beschämend, wie sich viele im Hause - draußen auch, muss man sagen - an die Verschwendung dieser Unsum men - 2 Milliarden Euro, also 2 000 Millionen Euro, im Sep tember 2006 5,4 Milliarden Euro, letztes Jahr waren es dann 6,5 Milliarden Euro - gewöhnt haben. Nicht zu Unrecht wurde der BER auch schon mal als der siebtteuerste Flughafen der Welt bezeichnet. Nach Investitionskosten pro Passagier ist er sogar der drittteuerste, und das, obwohl für ihn keine künstli chen Inseln aufgeschüttet werden mussten und er auch nicht am Südpol steht. Innerhalb von zehn Jahren war das mehr als eine Verdreifachung oder eine Steigerung von 325 Millionen Euro - und zwar pro Jahr.

Die durchschnittlichen Sachinvestitionen des Landes Branden burg lagen im selben Zeitraum bei etwa 135 Millionen Euro jähr lich. Der Flughafen wurde also jedes Jahr um mehr als das Dop pelte der Summe teurer, die das Land überhaupt investiert hat.

Wenn man die letzte Verschiebung hinzunimmt, kommt man mittlerweile auf über 7 Milliarden Euro. Als ich im Ausschuss die FBB gefragt habe, ob es schon eine Kostenplanung gebe, was die Verschiebung kalkulatorisch kosten werde, wurde ge sagt: Ja, die gebe es, aber sie würde nicht verraten werden. Das spricht auch für die Informationspolitik, der wir da ausgesetzt sind.

Vielleicht ist es auch noch mehr Geld; denn bei all den Hüt chenspielertricks zur Verschleierung der wahren Kosten hat man nicht den Eindruck, dass die Landesregierung selbst noch durchblickt - seriös ist etwas anderes.

Es ist auch eine Ironie der Geschichte, dass der Schuldenflug hafen nach dem SPD-Schuldenkanzler Willy Brandt benannt ist. Das Ende der Fahnenstange bei den Kosten dürfte noch nicht erreicht sein. Es gibt noch Erweiterungsmodule für den Flughafen, die für steigende Fluggastzahlen vorgesehen sind. Eventuell können sich die Brandenburger schon mal auf die nächsten zehn Jahre Pleiten, Pech und Pannen mit den damit verbundenen Kosten einstellen.

Im Endausbau sollen 50 Millionen Passagiere pro Jahr am BER abgefertigt werden. Wie die an- und abreisen sollen, bleibt auch ein Rätsel. Auf unsere wiederholte Frage zur Ver kehrsanbindung des BER hieß es im Ausschuss seitens des Mi nisteriums regelmäßig, die Kapazitäten in Schönefeld seien noch nicht ausgeschöpft, es gebe keinen Bedarf, nachzusteu ern. Ob die 50 Millionen Passagiere letztendlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommen sollen, bleibt im Dunkeln. Auf wel chen Flugrouten sollen die Flieger ein- und ausfliegen? Die ak tuelle Diskussion haben Sie verfolgt. Wie sieht das bei 50 Mil lionen Passagieren aus, gibt es dann vermehrt Nachtflüge? All das ist ungeklärt.

Lassen wir das einmal beiseite, solche Fragen scheinen sowohl die Landesregierung als auch die FBB zu überfordern. Viel leicht wird es zu den 50 Millionen Passagieren am BER auch nie kommen, weil die Landesregierung und die Flughafenge sellschaft über ihre eigenen Füße fallen. Daran wird auch das aktuelle Personalkarussell, auf das ich noch eingehe, nichts än dern.

Für die vom Fluglärm betroffenen Anwohner wäre das vermut lich immer noch das geringere Übel. Dass Fluglärm die Ge sundheit gefährdet, brauche ich hier im Hause niemandem zu erzählen. Hätte man all das berücksichtigt - das ist inzwischen klar, auch wenn es ungern ausgesprochen wird -, hätte man den Flughafen BER am jetzigen Standort nie bauen dürfen. Allein in Brandenburg sind in Blankenfelde-Mahlow etwa 25 000 und in Schulzendorf sowie Eichwalde noch einmal etwa 15 000 Bürger besonders betroffen. Das zeigt sich auch an der anhal tend hohen Zahl der Fluglärmbeschwerden, die es schon jetzt gibt.

Der jetzige Standort konnte auch nur deshalb durchgesetzt werden, weil man ein umfangreiches Schallschutzprogramm versprach. Da sind wir schon beim nächsten Skandal. Mit der Umsetzung, nachdem die Betroffenen ihre Ansprüche ange meldet haben, ist nämlich die FBB beauftragt. Wir erinnern uns an die Historie: Eine besondere Absurdität lag darin, dass man sagte: „Na ja, die Schallschutzmaßnahme ist mit dem Bescheid quasi abgeschlossen“, und den Menschen damit deutlich ma chen wollte, dass dieses Blatt Papier sie vor Fluglärm schützen

soll, wenn teilweise noch gar keine praktischen Maßnahmen erfolgt sind. In den Anhörungen hat man den Eindruck gewon nen, dass die FBB in einigen Fällen versucht, die betroffenen Bürger so lange mit Formularen zu nerven, bis einige entnervt aufgeben, die nicht die Energie und die Zeit haben, sich durch zuklagen. Da verlangt die Flughafengesellschaft Bauunterla gen - teilweise aus den 20er-Jahren, wie eine Dame in der An hörung sehr eindrucksvoll belegt hat -, deren Beibringung nicht immer einfach ist. Ebenfalls haben wir im Ausschuss ge lernt, dass die Beurteilung dann die FBB vornimmt. Es ist inte ressant, dass eine Flughafengesellschaft sich auch noch als Bauaufsichtsbehörde aufspielt.

Haben die Betroffenen es dann doch einmal geschafft, kommt das Nächste: Innendämmung, Außendämmung. Wird innen ge dämmt, haben die Betroffenen eine Baustelle im Haus, die Räume sind danach signifikant kleiner. Wieso man nicht außen dämmen kann, konnte man uns nicht schlüssig erklären. Auf die Idee, die besonders betroffenen Häuser einfach zu einem angemessenen Preis aufzukaufen, ist auch noch niemand ge kommen. An fehlenden Mitteln kann es nicht liegen, die wer den ja üppig vergeben. Statt pragmatische Lösungen zu suchen, blockiert die Flughafengesellschaft Ansprüche der Betroffenen und belehrt diese auch noch oberlehrerhaft.

Die Skandalreihung wäre damit abgeschlossen. Ich könnte noch auf technische Aspekte eingehen, das würde aber Stunden dauern. Deshalb ist diese Aktuelle Stunde wichtig. Bei der Pressekonferenz meinte ein Redakteur, das könne man doch auch lassen. Man kann es eben nicht lassen, denn diese Proble matik ist so aktuell, dass es - auch wenn man jetzt versucht, durch Drehen des Personalkarussells Besserungen zu errei chen, was nichts bringen wird - kein „Weiter so!“ geben darf. Deshalb ist es wichtig - das ist das, was wir parlamentarisch tun können -, den Finger in die Wunde zu legen und die Lan desregierung aufzufordern, nicht mehr einfach weiterzu wurschteln - nichts anderes ist es. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Barthel für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Der BER ist das größte und wichtigste Infrastrukturprojekt der Hauptstadtregion BerlinBrandenburg.

(Lachen bei der AfD - Zuruf des Abgeordneten Galau [AfD])

Auch wenn er am falschen Standort realisiert wird, zeigt er schon heute einiges von seinem Potenzial. Ein wachsender Be darf an Ansiedlungsflächen für Industrie und Gewerbe, aber auch Wohnen lässt die Preise im Flughafenumfeld rasant stei gen. Das trifft nicht nur für die Gemeinde Schönefeld, sondern auch für meinen Heimatort Großbeeren und den Landkreis Teltow-Fläming insgesamt zu. Zu dieser Erkenntnis ist unter anderem die aktuelle Studie der IHK Potsdam zur Gewerbeflä chenentwicklung im Landkreis Teltow-Fläming gekommen.

Aber nicht nur die Flächennachfrage ist gestiegen; auch die Zahl der Arbeitsplätze im Flughafenumfeld befindet sich in ei nem deutlichen Aufwärtstrend. Dass wir hier erst am Anfang einer möglichen Entwicklung stehen, hat mir, meinen Kollegen Homeyer und Loehr sowie anderen Anwesenden eine TownHall-Veranstaltung im Januar dieses Jahres mit 60 Fachleuten aus der Wirtschafts- und Kommunalpolitik Brandenburgs und Berlins gezeigt.

(Zuruf von der CDU: So viele!)

Umso unbefriedigender ist, dass der Flughafen in den letzten Tagen wieder negative Schlagzeilen produziert hat.

(Dr. Gauland [AfD]: Immer wieder!)

Damit meine ich den Fortgang des Projektes, also die Baustel le, sowie das Bild in der öffentlichen Wahrnehmung. Gerade in den letzten Monaten war durch die Genehmigung des 5. und 6. Nachtrags doch Zuversicht entstanden - zumindest bei mir -, dass sich das Projekt auf der Zielgeraden befindet.

(Lachen bei der AfD - Dr. Gauland [AfD]: Zielgerade!)

Umso überraschender war die Meldung über die mangelnde Funktionstüchtigkeit der eingebauten Türen und der Sprinkler anlage.

(Zuruf von der AfD: Ups!)

Eine Erklärung, warum es einen Unterschied zwischen bausei tiger Fertigstellung und voller Einsatzfähigkeit gibt, hilft da auch wenig. Fakt ist: Wenn wesentliche Teile des Systems nicht funktionieren, kann der Flughafen nicht in Betrieb gehen. Das sollte ein Fachmann wie der Technikchef des BER wissen und rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen einleiten. Aus meiner Sicht gehört dazu auch eine rechtzeitige und umfassen de Information an die Geschäftsführung. Offensichtlich hat an dieser Stelle weder die Bauüberwachung funktioniert, noch wurde ausreichend informiert und rechtzeitig gegengesteuert.

Da dies nicht das erste technische Problem am Flughafen ist und war, muss sich die Geschäftsführung zwangsläufig die Frage nach den Ursachen und dem Umgang mit den Problemen gefallen lassen. Diese haben wir im Sonderausschuss mehrfach gestellt. Wenn die Geschäftsführung von der Richtigkeit und Zuverlässigkeit der Prozesse bei der Bauüberwachung über zeugt ist und keine systematischen Fehler erkennen kann, er gibt sich daraus zwangsläufig die Frage nach dem menschli chen Faktor. Es steht also die Frage im Raum: Ist derjenige, der die technische Fertigstellung zu verantworten hat, die richtige Person oder braucht es andere Kompetenzen?

Sicher ist es das gute Recht des Geschäftsführers, sich sein Personal auszusuchen, es auszutauschen, wenn erteilte Aufga ben nicht sach- und fristgerecht erledigt werden. Ein Personal wechsel sollte aber immer das letzte Mittel sein, um eine kom plizierte Situation aufzulösen. Die Historie des Flughafens, der Baustelle zeigt ganz deutlich, dass Personalwechsel - insbeson dere auf Ebene der Projektsteuerung - nicht den erhofften Er folg gezeitigt,

(Beifall SPD sowie des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜ NE])