Protocol of the Session on June 1, 2017

Das ist also beispielsweise auch ein guter Ansatz, zu sagen, ab dem Punkt wäre auch das Recht auf Gnade, denke ich, gut zu verwehren.

Meine Damen und Herren, uns ist natürlich klar – Sie haben es schon gesagt –, wie Sie sich entscheiden, das ist schade. Wir finden es übrigens sehr gut, dass sich die CDU in dem Punkt mit unseren Argumenten auseinandergesetzt hat. Wir haben jetzt noch zwei Jahre von Ihrer Regierungszeit zu überstehen und wir werden dafür sorgen, dass die Leute in jedem Bürgerdialog von uns erfahren, wie Sie dieses System des Rechtsmissbrauchs stützen, wie Sie es versuchen am Leben zu erhalten, damit möglichst viel Recht gebrochen wird und Sie möglichst viele illegale Zuwanderer hier zulasten des Steuerzahlers in Thüringen behalten.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Das ist eine schamlose Unterstellung! Lügen ver- breiten Sie, Herr Möller!)

Das werden wir durch unsere Informationspolitik, durch unsere Informationsarbeit gewährleisten. Ansonsten steht es Ihnen frei, jetzt Ihre Entscheidung zu treffen. Danke.

(Beifall AfD)

Herr Abgeordneter Möller, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Es gibt eine weitere Redemeldung, Abgeordnete Marx, Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer noch irgendwie gedacht hat, es könnte redliche Motive für den Gesetzentwurf der AfD geben, der hat eben nur Herrn Möller sorgfältig zuhören müssen und wurde dann endgültig, letztmalig

(Abg. Möller)

eines Besseren belehrt. Zunächst mal ein fundamentaler Irrtum: Sie sprechen ständig davon, bei der Härtefallregelung ginge es um die Entscheidung Gnade vor Recht.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Genauso ist es!)

Das ist absolut falsch.

(Beifall DIE LINKE)

Eine Härtefallentscheidung ist kein Erlass einer Strafe ohne Rechtsgrund. Das Gnadenrecht, das klassische Gnadenrecht kennen wir aus dem Strafrecht, und da wird eine Strafe ohne jeden Rechtsgrund erlassen. Eine Härtefallentscheidung hingegen ist eine Entscheidung, die der Vermeidung unbilliger Härten dient, die eine rechtmäßige Entscheidung hervorrufen kann. Dafür gibt es eine gesetzliche Grundlage, die sich in § 23a des Aufenthaltsgesetzes findet.

Frau Abgeordnete Marx, gestatten Sie ein Anfrage des Abgeordneten Möller?

Vielen Dank! Ich würde gern mal wissen, Frau Kollegin Marx: Wo steht denn, dass es Gnade nur im Strafrecht gibt?

Ich versuche Ihnen gerade zu sagen, dass das Wort der Gnade im Ausländerrecht nicht vorkommt, sondern da gibt es die Härtefallregelung, und die unterscheidet sich. Sie aber setzen es ständig gleich, Sie haben es gleichgesetzt. Sie haben nicht von Härtefallentscheidung gesprochen, sondern immer und mehrfach davon – auch in Ihrem Gesetz und in Ihrer Rede –, hier würde Gnade vor Recht ergehen. Sie haben es dann sozusagen ideologisch weiter aufgebaut und aufgebauscht, dass Sie damit gesagt haben, das sei eine Entscheidung, die ideologisch vorverbohrte Menschen in Thüringen zu treffen hätten und die Sie deswegen politischen Mandatsträgern mehrheitlich übertragen wollen. Ich will Ihnen noch mal sagen: In § 23a Aufenthaltsgesetz gibt es auch schon diesen Begriff der unbilligen Härte, und legt unsere Verordnung, die Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission, für das Ausländerrecht aus. Und es gibt selbstverständlich auch keinen Anspruch von Betroffenen auf eine solche Härtefallentscheidung.

Sie bauen jetzt Ihren Gesetzentwurf und auch Ihre Begründung, die Sie hier vorgetragen haben, auf

Ihrer ideologischen Einschätzung auf – die haben Sie ja mehrfach vorgetragen –, dass in dieser Härtefallkommission bisher Menschen vertreten sind, die von Amts wegen hier weitere Schlupflöcher für illegale Einwanderer eröffnen wollten, weil man ja auch berufsmäßig mit diesen Menschen Geld verdiene. Wenn man sich mal die personelle Zusammensetzung der Härtefallkommission künftig nach Ihrem Gesetzentwurf und die bisherige Härtefallkommissionszusammensetzung anschaut, da möchte ich Ihnen hier noch mal genau aufzählen, welche Leute dieses Verdikt, dieses Urteil, diese Unterstellung trifft: Das ist einmal die Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge beim Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, das ist der Vorsitzende des Petitionsausschusses – den soll es künftig auch nicht mehr geben, das ist auch so eine verdächtige Persönlichkeit – und es sind die Vertreter der beiden christlichen Kirchen hier in Thüringen, der römisch-katholischen Kirche und der evangelisch-lutherischen Kirche. Das sind die, die für Sie sozusagen nicht die Gewähr dafür bieten, dass dort vernünftige Entscheidungen gefällt werden, sondern dass hier ideologisch verbohrte Entscheidungen gefällt werden, weil sich solche Leute, wie Sie mehrfach betont haben, quasi schon wegen ihrer Herkunft, wegen ihrer Tätigkeit in sozialen Bereichen des Verdachts aussetzen, hier eben irgendwelche Ausländer zu bevorzugen.

Da muss ich mich auch noch mal an Herrn Heym wenden: Herr Heym, Sie haben gesagt, Sie hätten der Schilderung der Kollegin am Anfang über Fälle der Härtefallkommission irgendwie Sympathien oder Eindruck abgewinnen können und Sie wollten als CDU deswegen diesen Antrag, diesen Gesetzesantrag der AfD an den Ausschuss überweisen. Herr Heym, ich bitte Sie, noch mal darüber nachzudenken. Dass Sie als CDU einen Gesetzesvorschlag, einen solchen Gesetzentwurf – ich habe es hier noch mal wiederholt und es ist mehrfach gesagt worden –, der die beiden Vertreter der christlichen Kirchen diffamiert, überweisen wollen, da wird mir wirklich ein bisschen angst und bange.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Nein, das ist doch aber von Herrn Möller eben gesagt worden, Herr Heym. Er hat gesagt: Diese Personen, die da bisher sitzen, entscheiden nach egoistischen, sozialwirtschaftlichen, sozialromantisch verklärten Vorstellungen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Lassen Sie uns doch im Ausschuss darüber reden!)

Das sind die vier – ich habe sie genannt –: Migrationsbeauftragte, der Vorsitzende des Petitionsausschusses – kennen Sie den zufällig? – und der Vertreter der römisch-katholischen Kirche und der Ver

treter der evangelisch-lutherischen Kirche. Die vier gehören nach dem Gesetzentwurf raus. Und das wollen Sie durch Ihre Überweisung irgendwie – finden Sie das erwägenswert?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wir reden doch gern mit Ihnen!)

Ich muss jetzt mal sagen, heute ist Donnerstag, ein Plenardonnerstag, und jeden Donnerstagmorgen sitzen wir in einer ökumenischen Gemeinschaftsandacht zusammen, da sind auch etliche Vertreter Ihrer Fraktion dabei. Und vielleicht auch noch mal an die wirklich christlichen Vertreter der christlichen Partei, die ich auch heute Morgen wieder in der Andacht treffen durfte, die Frage: Muss das sein, dass ein Antrag mit einer solchen Diffamierung von Ihrer Partei für wert erachtet wird, weiterdiskutiert zu werden? Und diese angeblich unzuverlässigen Persönlichkeiten sollen jetzt durch Vertreter der politischen Parteien ersetzt werden. Das sagen gerade Sie! Ihr Vorsitzender war jüngst in Baden-Württemberg zu einer Wahlkampferöffnung und hat allen gesagt, dass das Wichtigste ist, das politische Establishment zu bekämpfen; die müssen raus aus Gremien, wo sie nicht hingehören.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wir sind doch Demokraten! Was ist denn daran so schlimm?)

Hier soll nun die Entscheidung darüber, was ein Härtefall ist, zu einer politischen Mehrheitsentscheidung von Parlamentariern werden, zu einer parteipolitischen Entscheidung.

(Unruhe AfD)

Da haben Sie doch schon wieder gezeigt, dass Sie den Begriff des Härtefalls weder verstanden haben noch verstehen wollen, und jetzt hören Sie mir ja auch nicht zu.

Meine Damen und Herren, die Einzige, die jetzt ihr Rederecht im Landtag hat, ist die Abgeordnete Marx.

Der Härtefall – dazu haben Sie dann weiter argumentiert, auch die Kollegin, die ihre Beispielfälle hier erzählt hat – darf vor allen Dingen auch nichts kosten. Also ganz schlimm, da hat doch jemand einen Härtefall bekommen, der hat 20.000 Euro Behandlungskosten durch eine schwere Erkrankung verursacht.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nicht „je- mand“! 139 Fälle!)

Der ist härtefallunwürdig nach Ihrer Meinung. Also was ist denn das für eine menschenverachtende Position,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass ein Härtefall nur dann ein netter Härtefall ist, wenn er ansonsten keine Probleme hat und auch keine Probleme bringt? Was ist denn das für eine Position?

Ich kann deswegen nur sagen, ich bin entsetzt über das zutage getretene Menschenbild nicht nur in dem Gesetzentwurf selbst, sondern auch in den Wortbeiträgen, die Sie hier geleistet haben, über die Diffamierung des Vorsitzenden des Petitionsausschusses, des Vertreters der römisch-katholischen Kirche, des Vertreters der evangelisch-lutherischen Kirche und der Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge beim Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Deswegen werden wir Ihren Gesetzentwurf nicht irgendwohin überweisen, sondern hier heute hängen lassen und beim nächsten Mal ablehnen.

Ich kann nur wirklich noch mal eindringlich an die christlichen Vertreter der CDU appellieren, einen solchen Gesetzentwurf nicht zu überweisen. Das ist ein fatales und ein falsches Signal, gerade auch gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern der christlichen Kirchen in diesem christlich geprägten Thüringen, in dem wir gerade Reformationsjubiläum feiern. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Für die Landesregierung hat Minister Lauinger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich habe sehr interessiert zugehört und würde Frau Marx in einem Punkt zustimmen: Herr Möller, Sie haben nicht mal im Ansatz verstanden, was Sinn und Zweck der Härtefallkommission ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Von Rechtsmissbrauch zu reden, wenn die gesetzliche Grundlage zur Einrichtung einer solchen Kommission ausdrücklich geregelt ist, Befugnisse und Aufgaben dieser Kommission ausdrücklich geregelt sind und eine solche Kommission dann Entscheidungen trifft – die mögen Sie ja vielleicht für falsch halten, das mag Ihr gutes Recht sein –, aber das Wort „Rechtsmissbrauch“ in den Mund zu nehmen für all die Arbeit einer Kommission, die all das hat, gesetzliche Grundlagen, Regeln, Vorschriften, und

(Abg. Marx)

die dann Entscheidungen trifft, das ist schon ziemlich unverfroren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich versuche es trotzdem noch mal, mich mit Ihrem Gesetzentwurf auseinanderzusetzen. Sie beantragen also hier mit Ihrem Antrag, die Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission durch ein Thüringer Gesetz über die Härtefallkommission zu ersetzen. Dem Gesetzgeber steht es tatsächlich nach Artikel 80 Abs. 4 des Grundgesetzes jederzeit frei, ein Gesetz zu erlassen, wenn es in einem Bundesgesetz eine Verordnungsermächtigung für die Landesregierung, wie hier in § 23a Aufenthaltsgesetz, gibt. Jedoch sollte eine Notwendigkeit gegeben sein, einen Sachverhalt durch ein Gesetz zu regeln anstatt durch eine Regierungsverordnung. Dass eine solche Notwendigkeit hier nicht besteht, ist offensichtlich.

Die Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission in ihrer ursprünglichen Fassung wurde bereits im Jahr 2005 auf der Grundlage des § 23 Aufenthaltsgesetz von der damaligen Landesregierung erlassen – also keine Landesregierung, wie Sie immer sagen, die alles falsch macht, von Rot-RotGrün, sondern eine ganz andere Landesregierung. Bei Einführung dieser Regelung durch das Gesetz zum 01.01.2005 wurde zunächst eine Befristung bis zum 31.12.2009 vorgesehen, da es bis dato keine Erfahrungen mit einer solchen Regelung gab. Dementsprechend wurde auch die Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission befristet. Da man aber bereits 2009 – also auch noch deutlich vor dieser Regierung – abschätzen konnte, dass die Härtefallkommission erfolgreich arbeitet, wurde die Befristung zunächst um fünf Jahre verlängert und dann 2014 ganz aufgehoben.