Frau Tasch, Herr Primas, seien Sie doch einmal unaufgeregt, ich habe hier den Beschluss der Fraktionsvorsitzendenkonferenz vom 23. Januar 2017, wenige Tage später hatten wir eine Sondersitzung zur Sicherheitslage, da haben Sie das referiert, was Sie damals beschlossen haben. Jetzt habe ich den Beschluss „Entschließung der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz“ vom 23. Mai vor mir und was glauben Sie, welchen Titel dieser Beschluss der Fraktionsvorsitzendenkonferenz trägt? – „Der Sicherheit verpflichtet“, also wortgleich das, was Sie hier eingebracht haben. Ich denke, man könnte tatsächlich auch meinen, Sie fühlen sich im Wahlkampf verpflichtet.
Denn schauen wir doch mal wirklich in diesen Beschluss der Fraktionsvorsitzendenkonferenz hinein, dort sagen Sie, dass die Menschen unsicher leben in SPD-regierten Ländern und noch sehr viel unsicherer in den Ländern, in denen Die Linke mitregiert. Dann führen Sie aus: „Alle Menschen in unserem Land haben aber das Recht so sicher zu leben wie in einem unionsgeführten Land.“
Meine Damen und Herren, mit Blick auf Thüringen will ich vielleicht auch mal sagen, was Sie damit ei
gentlich meinen. Ich will, weil Sie in diesem Beschluss auch die Wohnungseinbrüche genannt haben, Ihnen mal beispielsweise ein paar Zahlen nennen. In Thüringen beträgt die Häufigkeitszahl für Wohnungseinbrüche – das sind die angezeigten, bekannt gewordenen Wohnungseinbrüche auf 100.000 Einwohner – 64,9. In CDU-geführten Ländern beträgt die Häufigkeitszahl in Sachsen 114, in Sachsen-Anhalt 136, in Hessen 168 und im Saarland 195. Was heißt das dann, wenn Sie fordern, dass in Thüringen die Menschen so sicher leben sollen, wie in diesen unionsgeführten Ländern? Sie möchten offensichtlich, dass die Wohnungseinbrüche in Thüringen steigen. Das will ich Ihnen nicht unterstellen, aber ich will daran deutlich machen, dass über Sicherheitspolitik zu reden doch etwas mehr erfordert, als einfach nur platte Wahlkampfsprüche abzugeben.
Ich will auch deutlich machen, meine Damen und Herren, Sie schreiben es ja in Ihrem Antrag auf die Aktuelle Stunde, dass nach dem schrecklichen Terroranschlag auf Konzertbesucher im englischen Manchester auch in Thüringen über die Sicherheitslage im Freistaat und insbesondere bei Großveranstaltungen diskutiert wird. Ich habe Ihr Zitat zum Anlass genommen, einmal den Pressespiegel durchzuschauen und ich habe in der Tat einen einzigen Artikel gefunden, der genau dieses Thema aufgreift. In diesem Artikel sagen Konzertagenturen, Landespolizeidirektion, dass Thüringen sehr gut auf die Sicherheitslage vorbereitet ist, auf eventuelle Gefahren. Herr Walk hat das natürlich zu Recht gesagt, eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Der Einzige, der in diesem Artikel aber zitiert wird und der tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Manchester und der Sicherheitslage in Thüringen herstellt, ist Ihr Fraktionsvorsitzender Mike Mohring, der ja auch gleichzeitig Vorsitzender der Fraktionsvorsitzendenkonferenz ist. Wenn man so will, zitiert sich die CDU hier praktisch zur Begründung ihres Antrags selbst, an anderer Stelle haben Sie das auch schon kritisiert.
Meine Damen und Herren, ich will auch eines ganz deutlich sagen, denn in die Zeit der Fraktionsvorsitzendenkonferenz Ihrer Partei fiel auch in der Tat der Anschlag in Manchester: Wir als Linke, genau wie jeder andere vernunftbegabte Mensch in diesem Land, verurteilen diesen Anschlag, dieses mörderische Verbrechen mit mehr als 22 Todesopfern auf das Schärfste.
Unsere Gedanken sind auch bei den Angehörigen dieser Opfer dieses barbarischen Angriffs. Der Anschlag in Manchester ist auch ein Anschlag auf die Freiheit, auf die freiheitliche Lebensform. Doch mit immer wiederkehrenden Reflexen wird die Union
der sicherheitspolitischen Herausforderung eben nicht gerecht werden, sie gehen dem IS sogar noch auf den Leim und helfen ihm sogar indirekt dabei, die Freiheitsrechte und die offene und freie Art in Europa zu leben, weiter einzuschränken. Denn was haben Sie tatsächlich auf Ihrer Fraktionsvorsitzendenkonferenz beschlossen und wollen das tatsächlich in den Ländern umsetzen? Sie haben die Aufstockung der Sicherheitsbehörden beschlossen. Sie haben den Ausbau der Vorratsdatenspeicherung, der Quellen-TKÜ, der DNA-Speicherung, der Videoüberwachung – ob nun stationär oder mobil – beschlossen. Da sage ich Ihnen ganz ehrlich: All das, was Sie hier fordern, existiert in Großbritannien in einem sehr viel größeren Ausmaß und hat eben nicht zu dieser Sicherheit geführt, die Sie hier vorgeben, schaffen zu wollen. Deswegen sage ich: Unsere Antwort auf Manchester ist, darauf zu achten, dass Freiheit und Sicherheit, Bürgerrechte und notwendige Maßnahmen zum Schutz in einem wirklich vernünftigen Verhältnis bleiben, in einer notwendigen Balance. Ihre Vorschläge werden diese Balance zerstören, und zwar zulasten der Freiheit in Europa. Herzlichen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Gäste hier im Thüringer Landtag, sehr geehrter Herr Präsident! An einem Tag wie heute, an dem wir alle mit der Nachricht wach geworden sind, dass es in Kabul ganz in der Nähe der Deutschen Botschaft wieder einen großen Terroranschlag gegeben hat – viele Angestellte der Deutschen Botschaft sind möglicherweise verletzt worden und noch viele andere Menschen mehr –, kommt uns der Terrorismus besonders nah. Wir vergessen dabei, dass es weltweit fast an jedem Tag terroristische Anschläge gibt und alle Opfer sind immer unschuldige Menschen, die davon betroffen sind. So ist es auch in der letzten Woche gewesen, in der wir in Manchester, hier in Europa, in einem Nachbarland, hinnehmen und wahrnehmen mussten, dass es wieder einen bestialischen Terroranschlag gegeben hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war sicherlich der Anlass für die CDU. Ich hätte gar nicht unterstellt, dass es die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU gewesen ist.
Wie können wir denn in Thüringen, so wie es der Titel der Aktuellen Stunde der CDU nahelegt, den Terror mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen? Meine sehr verehrten Damen und Herren, eines ist wieder klar – wir müssen uns als Erstes die Frage stellen: Was wollen Terroristen? Terroristen wollen Angst verbreiten. Sie wollen den Staat an den Pranger stellen und sagen, der kann euch nicht helfen, liebe Menschen, weil wir mit alltäglichen Werkzeugen und Mitteln angreifen können. Vom Lkw bis zu Dingen, die wir alle im Baumarkt kaufen können – damit werden wir euch angreifen. Das schafft Unsicherheit und Angst. Wenn man dem entgegentreten will, sollte man vor allen Dingen nicht eine terroristische Bedrohung herbeireden oder das im Freistaat Thüringen so darstellen, als ob dieser ein besonderer Ort von Unsicherheit sei, nur weil dieser Freistaat keinen CDU-Innenminister hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es ist absurd, was die CDU hier mit dem Wahlkampf machen will. Die Angst vor Terror taugt nicht für den Wahlkampf, werte Vertreter der CDU.
Es taugt auch nicht im Kampf gegen den Terror, immer wieder von der Videoüberwachung als Allheilmittel zu sprechen. Wir alle wissen – Kollege Dittes hat es gerade eben gesagt –, Großbritannien ist dort Vorreiter. Es gibt kein Land in Europa, in dem es mehr Videoüberwachung, mehr Kontrolle im öffentlichen Raum gibt als in Großbritannien. Dennoch müssen wir feststellen, dass die Sicherheitsbehörden dort trotz dieser Mittel dieses schlimme Attentat nicht verhindern konnten. Der Umkehrschluss muss doch sein, dass wir uns andere, weitergehende Fragen stellen müssen: Wie kommen wir an diesen Terrorismus heran?
Was hilft? Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hilft nur das eine und das hat diese rot-rotgrüne Landesregierung gemacht: Es ist die erste Landesregierung, die aufgehört hat, personell bei der Polizei zu sparen.
Es ist die erste Landesregierung, die das gemacht hat. Wir haben aufgehört, bei der Thüringer Polizei alles kaputtzusparen. Die CDU hatte mit ihren Innenministern immer wieder Pläne vorgelegt, die die Thüringer Polizei runtergespart, runtergespart, runtergespart haben. Wir haben damit einen Bruch gesetzt. Man darf gern sagen, dass dies auch noch nicht genug ist. Aber richtig ist: Diese Landesregie
rung hat hier einen Wechsel vollzogen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der einzig richtige Weg, denn wir brauchen Polizeibeamte in unserem Bundeskriminalamt wie auch im Landeskriminalamt, die die Zeit haben, an den Gefährdern dranzubleiben. Die meisten Gefährder, die am Ende zu Terroristen wurden und die schlimmen großen Attentate hier in Deutschland,
aber auch in Europa verübt haben, sind bekannte Gefährder gewesen. Sie waren auf dem Schirm der Sicherheitsbehörden, sind denen aber aus dem Blick geraten, weil sie zu viel zu tun hatten, weil sie das Personal nicht hatten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen eine Analysekapazität, die uns Antworten auf die Fragen gibt. Das muss über das, was das Bundeskriminalamt erarbeitet hat, hinausgehen, dass man nur sagt, das sind schwierige Familienbeziehungen gewesen, in denen all diese Attentäter aufgewachsen sind, weil es eben nicht hinreichend erklärt, warum jemand, der unter solchen Bedingungen aufgewachsen ist, am Ende bereit ist, sich und andere zu töten.
Wir brauchen die Analysekapazitäten, um da ranzukommen. Nur so schaffen wir Sicherheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, und nicht, indem wir Angst schüren. Vielen Dank.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ich kann da nahtlos anknüpfen, wo der Kollege Adams eben aufgehört hat. Wir müssen uns doch bei jeder dieser schrecklichen Taten – ja, und wer wäre nicht erschrocken gewesen in der letzten Woche auch angesichts der Tatsache, dass dort ein achtjähriges Kind das jüngste Opfer eines solchen Anschlags geworden ist – immer wieder fragen: Was ist da passiert, was sind das für Täter und was kann man noch verbessern und was kann man tun, um solche Taten möglichst verhindern zu können oder dem
vorzubeugen, dass sich junge Menschen – das war auch hier wieder ein sehr junger Attentäter – tatsächlich in eine Situation fanatisieren, in der sie unter Aufgabe, unter aus ihrer Sicht heldischer Opferung ihres eigenen Lebens Altersgenossen, eigentlich Freunde, Bekannte, Leute aus ihrem eigenen Umfeld in den Tod bomben? Das ist doch die schreckliche Erkenntnis bei jedem dieser Anschläge und auch die neue Form des Terrorismus der letzten Jahre, dass die Täter bereit sind, ihr eigenes Leben zu opfern. Das macht es dann so schwer, sie wirksam abzuschrecken, weil sie sich selbst vermeintlich als Helden darstellen.
Kollege Adams hat sehr wichtig und sehr richtig darauf hingewiesen: Wieder einmal ist es so gewesen, dass wir erkennen und erfahren mussten, dass der Täter bereits behördenbekannt gewesen ist. Das ist wirklich bei allen Anschlägen, die es in den letzten Jahren gegeben hat, immer wieder der Fall gewesen. Bei jedem einzelnen Anschlag mussten wir hinterher feststellen, die jeweiligen Täter waren bereits Behörden und Polizei als Gefährder bekannt. Deswegen ist es auch richtig, dass man infrage stellt, ob eine stärkere Vorabmassenüberwachung, Telekommunikationsüberwachung, Videoüberwachung daran etwas ändert, dass solche Menschen tatsächlich zum Vollzug ihrer Tat kommen. Kommt es nicht tatsächlich darauf an – ich meine, genau darauf kommt es an, wie auch Kollege Adams gerade schon richtig gesagt hat –: Wie gehen wir mit bereits erkannten Gefährdern denn tatsächlich um? Wo haben wir die polizeilichen Kapazitäten, dem besser zu begegnen? Was ist das für eine Gesellschaft?
Herr Walk, Sie hatten vorhin gesagt, die Täter, die solche verachtenswerten Taten begehen, haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Die Wahrheit ist leider auch, dass sie aus unseren Gesellschaften kommen. Also man stellt sich immer vor, dass Täter aus den Reihen des IS kommen, dass die irgendwie möglichst drei Wochen vorher eingereist sind und dann ihren perfiden Plan verwirklicht haben. Aber ebenso wie diese Täter leider dann im Nachhinein immer polizeibekannt gewesen sind, haben wir auch sehr viele Täter, die in den jeweiligen Ländern sogar geboren und aufgewachsen sind. Das heißt, sie sind eigentlich sogar Teil der Gesellschaft gewesen, gegen die sie sich letztlich gewandt haben. Das ist die nächste Herausforderung an uns alle. Das erinnert uns natürlich auch an andere extremistische Gewalttaten, an andere terroristische Taten, beispielsweise auch die, die ihren Anfang hier in Thüringen genommen haben. Wir haben im NSU ja auch drei junge Menschen gehabt, die sich mitten unter uns in Thüringen radikalisiert haben, um dann menschenverachtende Straftaten zu begehen.
Deswegen müssen wir uns auch immer fragen: Wie soll eine Gesellschaft aussehen, die solchen Gewaltexzessen vorbeugt und die junge Menschen, die sich hier – gerade wieder in Manchester, ein junger Mensch – als Täter hergeben, davon abhält, sich in diese angebliche Heldentat zu flüchten und für was weiß ich welche Ziele einzutreten? Wir brauchen – und das ist richtig und wir haben in Thüringen damit wirklich auch begonnen, die Polizei wieder besser auszustatten – natürlich auch genügend Ermittlungskapazität, genügend qualifizierte Ermittler, genügend Möglichkeiten, Gefährder zielgerichtet zu überwachen und dann auch in ihrem Umfeld dafür zu sorgen, dass sie solche Pläne nicht verwirklichen können. Kein einziges der Gesetze, die mehr Massenüberwachung im Vorfeld bedingen, wird uns dabei helfen. Das ist die traurige Erfahrung, die wir immer wieder gemacht haben. Ich wünsche mir sehr, dass es lange dauert, bis wir wieder eine solche schlimme Nachricht verdauen müssen. Aber wir haben auch gelernt, wir können solche Anschläge tatsächlich nicht bis ins Letzte verhindern. Was wir tun können, nämlich Polizeiarbeit, Ermittlungsarbeit besser zu qualifizieren, das sollten wir tun, und das machen wir auch gerade hier in Thüringen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Abgeordnete, werte Gäste! Meine drei Vorredner haben jetzt natürlich eine Menge Schlafsand ausgeschüttet. Die Realität in diesem Land sieht wirklich ganz anders aus. Wir müssen uns mittlerweile Gedanken machen, um auf Weihnachtsmärkten Sicherheitsbarrieren aufzustellen, um für jedes kleine Volksfest irgendein Sicherheitskonzept zu erarbeiten. Das ist die Realität im Jahr 2017. Vor zwei, drei Jahren hat daran noch kein Mensch gedacht und das hat Ursachen.
Um zu Beginn etwas ganz Wichtiges klarzustellen: Manchester liegt entgegen der Begründung der CDU in der Aktuellen Stunde nach wie vor in England und nicht in Schottland. Oder wollten Sie mit der Zuordnung dieser nordwestlichen Industriestadt zu Schottland nach dem Brexit ein Zeichen setzen? Ich weiß es nicht. Wie auch immer.
Trotz der handwerklichen Unzulänglichkeit in Ihrer Begründung ist der islamistische Terrorismus leider immer noch aktuell. Zu verdanken ist das maßgeblich Ihrer Bundeskanzlerin,