Die zweite Botschaft ist: Eine Insolvenz heißt nicht Pleite. Wir sind im Sprachgebrauch da etwas luschig.
Die zweite Botschaft, die wir massiv aussenden müssen, ist: Dieses Werk ist, diese Werke sind einige der hochmodernsten in ganz Europa, wenn nicht sogar die modernsten. In Arnstadt ist in dem letzten Jahr noch einmal eine Investition von mehreren zig Millionen Euro getätigt worden. Modernstes Equipment, hoch qualifizierte – und ich sagte es bereits – hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dieses Werk ist einzigartig und hat auch deshalb eine Zukunft verdient. Führen wir uns kurz noch einmal vor Augen, wo wir herkommen: ErSol Solar
zellen im Jahr 2008, dann Übernahme 2014 Bosch, Einrichtung einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung und dann Übernahme im gleichen Jahr durch SolarWorld. SolarWorld setzt in den Standorten Freiberg und Arnstadt auf die Wertschöpfungskette. Ich habe mich bei mehreren Unternehmensbesuchen, auch in Freiberg, überzeugen können, dass das von höchster Qualität ist, eine Qualität, die es zu erhalten gilt.
Ich habe Gespräche aufgenommen – ich bin dankbar, dass das angeklungen ist – einmal mit Berlin. Ich habe engsten Kontakt mit Martin Dulig in Dresden. Wir haben mit Landräten gesprochen, mit Bürgermeistern, aber selbstverständlich auch mit den Betriebsräten, Gewerkschaften, mit der Firmenleitung in Arnstadt, mit dem Vorstand von SolarWorld in Bonn. Nach deren Angaben ist die Ursache dafür, dass die Insolvenz eingetreten ist, die, dass kurzfristig Aufträge storniert worden sind und man auf lange Sicht den Aktionären gegenüber nicht sicher sein konnte, ob die der Öffentlichkeit gegebenen Planzahlen eingehalten werden können. Das war die Ursache dafür, dass eine Insolvenz eingetreten ist. Das belegt einmal mehr, dass dieses Werk wettbewerbsfähig ist, dass diese Werke wettbewerbsfähig sind.
Es ist insofern schlicht, weil es zwei Dinge in den Vordergrund stellt, die ich abenteuerlich finde. Ich weiß jetzt nicht, ich habe nicht Wirtschaft studiert, ob ich Ihren Ansprüchen genüge, über Wirtschaft nachdenken zu dürfen. Das eine ist, Sie können doch nicht ernsthaft gegen einen globalen Markt sein, es sei denn, Sie mutieren zum Anhänger von Trump. Globalisierung hat immer Vor- und Nachteile, hat Licht- und Schattenseiten.
Aber wir müssen davon ausgehen, dass wir, ob wir es wollen oder nicht, in einer großen Welt wie in einem Dorf leben und dass die Produktion dort entstehen und dort zusammenfallen kann. Das ist das Erste, was Sie negieren. Sie können sich dagegenstellen, wie Sie wollen, Sie werden die Macht von Trump nicht aufbringen. Sie können diese Tendenz nicht aufhalten. Das Zweite, wo Sie meiner Ansicht nach ein schlichtes Verständnis haben, ist: Wirtschaft funktioniert einfach so, dass der Markt das machen muss. Die Industrie weiß schon ganz genau, welche Produkte der Käufer nachfragt; die entwickle ich und dann bringe ich sie auf den Markt – das ist Ihre schlichte Sichtweise. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Produktentwicklung, Entwicklung von Produktionssystemen, von Geschäftsmodellen, von Vertriebssystemen davon abhängen, dass es
eines Zusammenspiels von Forschung und Entwicklung und vor allen Dingen öffentlich geförderter Forschung und Entwicklung, Grundlagenforschung, Anwendungsforschung politischer Rahmenbedingungen und insbesondere dann, wenn es darum geht, ein neues Produkt, vielleicht eine neue Branche aus der Taufe zu heben, der öffentlichen Unterstützung bedarf, und zwar nicht nur in der Photovoltaik, in der Solarwirtschaft, sondern das gilt für sämtliche Branchen?
Ansonsten sind die immensen Investitionen nicht zu leisten, es sei denn, Sie setzen auf Investitionen, wie sie beispielsweise in den USA aus dem Boden sprießen, wo es eigentlich nichts anderes braucht als eine Fülle von Computern und das Internet. Deutschland ist produktorientiert, Deutschland setzt auf seine Produkte und Produktionssysteme. Die brauchen, wenn sie weiterentwickelt werden wollen, auch die Rahmenbedingungen und die Unterstützung der öffentlichen Hand. Genau das ist auch das Thema, worum es hier geht.
Ich komme wieder zurück zum Fall Arnstadt und Freiberg. Eine dritte Botschaft, die klingt sehr gut in der Überschrift dieser Aktuellen Stunde an: Es geht nicht nur darum, auch und besonders, dass wir Arnstadt und Freiberg retten, um dieser Unternehmen willen. Nein, es geht darum, den Blick darauf zu richten, dass Deutschland, dass Europa mit dem Zusammenbruch, dem eventuell dauerhaften Zusammenbruch von SolarWorld, eine Kernkompetenz in einer der Schlüsseltechnologien Europas und der Welt verliert. Das muss verhindert werden. Die Dumpingangebote von China, das Unterbieten der Preise, die die Herstellungskosten darstellen, ist genau das – da spreche ich noch einmal Sie an, Herr Möller –, was zu einem fairen Handel und einem fairen Markt gehört. Ich bin bei Ihnen, dass der Markt wichtig ist. Wir brauchen einen offenen, da sind wir unterschiedlicher Meinung, und wir brauchen einen fairen Markt, da sind wir auch unterschiedlicher Meinung. Ansonsten würden Sie nämlich etwas dagegen sagen, dass China seine Solarzellen unter dem Herstellungswert auf den Markt wirft. Glücklicherweise haben wir seit 2014 Zollbeschränkungen, haben wir die Möglichkeit, die Pro
dukte mit Ausgleichszahlungen zu belegen und damit einigermaßen ein Gleichgewicht wiederherzustellen gegen Widerstände, nicht zuletzt auch gegen Widerstände aus Deutschland. Denken Sie an die Großhändler von Photovoltaikanlagen.
Die dritte Kernforderung ist: Diese Zölle, diese Beschränkungen müssen beibehalten werden. Wir müssen dafür sorgen, dass in der WTO die selbst gesetzten Maßstäbe weltweit gelten. Wenn einer sich aus dem Spielfeld begibt, wenn einer die Spielregeln verletzt, dann muss ihm Einhalt geboten werden, ansonsten droht nicht nur der Solarindustrie, der Stahlindustrie als nächster und weiteren der Garaus. Deshalb, meine Damen und Herren, will Deutschland seine Kernkompetenz in Schlüsseltechnologien erhalten, insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung, aber auch der Produktion. Will man auf die Erfolge zum Beispiel in Arnstadt aufsetzen, wo sämtliche Parameter der Solarzellen und der Solarmodule besser sind als die der chinesischen Produkte, will man also ähnlich wie in der Raumfahrt, ähnlich wenn es um Kernfusion geht und in anderen Schlüsselbranchen für die Zukunft, mit am Tisch bleiben, dann muss man verhindern, dass diese Branche und der größte Player dieser Branche zusammenbrechen.
Deshalb mein Appell von diesem Pult aus an die Bundesregierung, an die Europäische Union; wir werden uns zu gegebener Zeit auch lautstark vor Ort melden.
Ein letzter Satz: Herr Hausold hat nachgefragt, wie es mit der aktuellen Situation aussieht. Ich bin selbstverständlich mit Herrn Piepenburg, dem Insolvenzverwalter, in Verbindung. Ich bin dankbar, dass wir einen Insolvenzverwalter haben, der ganz hervorragend agiert, der schon in der Vergangenheit nachgewiesen hat, dass er Unternehmen gut retten kann. Die gute Nachricht, die ich überbringen kann, ist, dass er mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass das Produktionsvolumen im Juni und Juli in dieser Form und in dieser Kapazität weitergefahren werden kann. So rufe ich – ich schlage den Bogen zu meiner ersten Botschaft – der Belegschaft in Arnstadt und Freiberg zu: Wir werden alles Erdenkliche tun, wir stehen solidarisch, wir werden öffentlich deutlich machen, die Werke sind spitze, wir suchen einen Investor, der das erkennt und eine gute Zukunft für die beiden Standorte ermöglicht. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das sehe ich nicht. Damit schließe ich diesen Teil der Aktuellen Stunde.
b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Die Sicherheit verpflichtet – Terror in Thüringen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/3969
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Tribüne! Der schreckliche Anschlag von Manchester hat uns erneut auf ganz bestialische Art vor Augen geführt, dass der Terrorismus in Europa mitten unter uns ist und selbst vor friedlichen Konzertbesuchern nicht haltmacht. Und auch das ist leider Fakt: Clubs, Bars oder Konzerte wie in Manchester – also die sogenannten weichen Ziele – sind es, die islamistische Terroristen bevorzugen. Besonders abscheulich ist zudem die Tatsache, dass es der Attentäter offensichtlich auf viele junge Menschen abgesehen hatte, also Menschen, die ihr Leben noch vor sich hatten und mit in den Tod gerissen wurden. Unsere Gedanken sind daher bei den zahlreichen Opfern, bei den Verletzten, aber auch bei den Hinterbliebenen. Ihnen gilt heute, jetzt und hier unsere Anteilnahme.
Wir verurteilen diese Tat nicht nur auf das Schärfste, wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass der Kampf und das Engagement gegen jedwede Form von Extremismus und Terrorismus noch lange nicht beendet ist. Ich will gern zitieren, was ganz aktuell der Verfassungsschutzpräsident Maaßen gesagt hat. Er sagt: „Ich kann keine Entwarnung geben – im Gegenteil.“ Anschläge, wie die in Berlin, seien laut Maaßen möglich, „weil der IS will, dass auch in Deutschland ein größerer Anschlag durchgeführt wird,“ – und nochmals Maaßen wörtlich – „und wenn er uns treffen kann,“ – also er meint den IS – „würde er es auch tun.“
Wir sagen: Wer unsere Gesellschaft und unsere Freiheit auf diese Art und Weise gefährdet, für den darf kein Platz in unserer Gesellschaft sein. Daher gebietet es die Verantwortung für die Menschen in
unserem Freistaat, Terroristen auch mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegenzutreten und entsprechende Bestrebungen bereits im Keim zu ersticken. Für eine effektive Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bedürfen unsere Sicherheitsbehörden allerdings technischer und personeller Verstärkung. Ich denke, wir wissen alle, mit ein paar wenigen Schutzhelmen und -westen ist es in diesem Bereich nicht getan. Aber auch die müssen sein – wir sind froh, dass sie jetzt endlich kommen.
Wir müssen vielmehr weitreichendere Maßnahmen, also insbesondere beim Personal und bei der technischen Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden, veranlassen, um gegen die Extremisten auch auf Augenhöhe gerüstet zu sein. Dass derartige Maßnahmen dringend geboten sind, zeigt nicht nur unsere seit Monaten stark überlastete Polizei, sondern auch die im Gegensatz zu anderen Bundesländern restriktive Sicherheitspolitik unserer rot-rotgrünen Landesregierung.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Enthaltungen und die Neinstimmen zu relevanten Sicherheitsgesetzen im Bundesrat.
Ich will es an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen: Innere Sicherheit ist Kernaufgabe des Staats und diese Sicherheit muss ein Staat auch leisten können. Dabei ist es ganz egal, ob das am Kyffhäuser ist, in Eisenach oder im Thüringer Wald.
Die seit zwei Jahren völlig geänderte Sicherheitslage im Land erfordert zunächst eine ständige Aktualisierung der bestehenden Sicherheitskonzepte. Dazu ist es erforderlich, eine umfassende Stärkung der Sicherheitsbehörden, jetzt sage ich, insbesondere auch des Verfassungsschutzes, vorzunehmen. Aber gerade diese Behörde, Herr Minister, ist ja insbesondere den Linken ein Dorn im Auge, soll immer weiter geschwächt, am liebsten sogar abgeschafft werden.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben die Polizei geschwächt! Die CDU hat Polizei abgebaut, abgebaut, ab- gebaut!)
Mit dieser Politik, sehr geehrte Damen und Herren, werter Kollege Adams, kann man weder das Sicherheitsgefühl der Menschen erhöhen noch dem Extremismus Einhalt gebieten.
Abschließend: Auch meiner Fraktion ist natürlich bewusst, absolute Sicherheit – also sozusagen ein Rundum-Sorglos-Paket – vor islamistischem Terrorismus wird es nicht geben, schlicht, weil es die nicht geben kann. Klar ist aber auch, es ist unsere
Pflicht und es ist unsere Verantwortung, alles Menschenmögliche zu tun, den größtmöglichen Schutz für die Menschen in Thüringen zu gewährleisten. Letzter Satz: Nicht zuletzt gilt mein Dank allen Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden, die tagtäglich für unser aller Schutz da sind. Ich bedanke mich.
Danke schön, Herr Abgeordneter Walk. Als Nächster hat Abgeordneter Dittes für die Fraktion Die Linke das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, „Die Sicherheit verpflichtet“ steht über dem Antrag der CDU-Fraktion zur Aktuellen Stunde. Man möchte auch meinen, man hätte den Titel anders wählen können, nämlich der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz verpflichtet. Denn jedes Mal, wenn die CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz einen Beschluss zur Sicherheitspolitik fasst, nimmt das die Thüringer CDU zum Anlass, den Thüringer Landtag dazu zu missbrauchen, deren Position, die sie in ihren Parteistrukturen beschlossen haben, zum Besten zu geben.