Protocol of the Session on May 5, 2017

Nur hat diese Forderung nach Abschaffung des § 86 im Strafgesetzbuch in der politischen Realität keine Wirklichkeit gefunden und nun versucht die AfD durch einen Statistiktrick im Prinzip dem Ansinnen ihres Fraktionsführers zu folgen. Der hat das im Übrigen damals mit der Mail begründet – da will ich zitieren: „Wir brauchen keine Begrifftabuisierung, keine Antidiskriminierungsgesetze und keine politische Strafjustiz. Hinfort damit, und zwar schnell!“

Jetzt kommt noch etwas ganz Besonderes. Deutschlandradio sprach Herrn Höcke darauf an und fragt ihn, wie denn das zu verstehen sei? Wie das denn mit demokratischen Werten in Übereinstimmung zu bringen ist. Höcke antwortete damals nicht etwa seine Forderung dementierend, er antwortete mit einem Verweis auf Erinnerungslücken und dass sein Computer nicht leistungsstark sei, das noch einmal nachzurecherchieren, meine Damen und Herren. Diese Behauptung, diese Verschleierung seiner Ideologie ist sogar noch dümmer als das „Mausgeruscht“ der Beatrix von Storch.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es reiht sich ein in die Auftritte der AfD, die den Nationalsozialismus verharmlosen, die die Erinnerungen an den Holocaust auslöschen wollen und die gemeinsam mit Neonazis und Volksverhetzern durch Erfurt marschieren. Da will ich auch explizit auf den 1. Mai dieses Jahres in Erfurt eingehen. Da wird vielleicht auch dem einen oder anderen deutlich, warum sich die AfD so plötzlich für rechte Propagandadelikte interessiert.

(Beifall SPD)

Die Sturmabteilung der NSDAP wurde 1945 verboten, ihr Emblem darf nicht verbreitet werden. Ich denke, nachvollziehbar sind die Gründe dafür, das unter Strafe zu stellen. Höcke will aber den Paragrafen – ich hatte es eben gesagt, der das unter Strafe stellt – abschaffen. Aber dass die AfD überhaupt keine Hemmungen hat, sich genau dieser Symbolik zu bedienen, zeigten die Flugblätter und Plakate der AfD für die Demonstration am 1. Mai in Erfurt.

(Beifall DIE LINKE)

Darauf zu sehen – ein Anstreicher mit SA-Mütze.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ihr habt eine Meise, eine Vollmeise! Entschuldigung!)

Der ist zwar nicht explizit verboten, macht aber sehr deutlich, wo die AfD steht und in welchen Traditionen sie sich stellen will und welche Symbolik sie tatsächlich bedienen will. Auch wenn Sie es nicht hören wollen, da auf der Ganz-rechts-außen-Seite, ich will es noch weiter ausführen und deutlich machen, warum Sie sich eben auch genau für rechte Propagandadelikte so sehr interessieren und warum Sie wollen, dass sie eben nicht mehr in der Statistik aufgeführt werden und damit

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Gibt das keinen Ordnungsruf für die Be- schimpfung „Sie haben eine Vollmeise, Herr Dittes.“?)

Gegenstand öffentlicher Diskussion werden. Denn es waren Herr Höcke und Frau Herold, die sich unbedingt am 1. Mai mit Herrn Bachmann in Erfurt ablichten lassen wollten, Herr Bachmann, der sogenannte Pegida-Gründer, verurteilt wegen Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl und Drogenhandel, aber eben auch rechtskräftig verurteilt wegen Volksverhetzung, weil er Flüchtlinge als „Gelumpe“, „Viehzeug“ und „Dreckspack“ beschimpft hat. Alles nach Höcke nicht strafrechtlich relevante Sachverhalte, deren Strafbarkeit man am liebsten verbieten oder untersagen lassen will, und da das nicht gelingt, dann eben aus der Statistik verschwinden lassen will.

Meine Damen und Herren, die Intention dieses Antrags ist eindeutig und ich will auch zum zweiten Punkt mal kurz eine Ausführung machen, denn zur Ablenkung seitens der AfD gehört auch die geforderte Mehrfachnennung bei den Staatsangehörigkeiten, denn es geht ja hier nicht um eine Information, die die AfD möglicherweise begehrt, weil einer der als Straftäter Verdächtigen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit hat, sondern es geht darum, doch deutlich zu machen, und das ist Ausdruck des Antrags der AfD, dass diejenigen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft haben, für die AfD in Wirklichkeit keine Deutschen sind. Hier wird eine Unterscheidung vorgenommen zwischen Menschen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nicht nach ihrer Staatsangehörigkeit und damit möglicherweise in einem Rechtsstatus wie das Wahlrecht oder die Wählbarkeit, sondern es wird eine Zuschreibung vorgenommen, die eben praktisch davon ausgeht, dass nicht der Rechtsstatus der Staatsangehörigkeit für die Unterscheidung von Menschen und ihren Rechtsansprüchen zur Grundlage genommen wird, sondern ihre biologische Herkunft, und das ist eben das Wesensmerkmal der AfD, was wir im Kern als rassistisch beschreiben und was auch in diesem Antrag zum Ausdruck kommt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Antrag der AfD entspricht somit ganz klar dem stereotypen Muster, wonach es eben besonders viele kriminelle Ausländer geben soll und rechte Straftaten gar nicht so schlimm seien oder durch Altparteien, Lügenmedien, Lügenpresse aufgebauscht würden. Aber, meine Damen und Herren, ein Blick in die Statistik zeigt, das ist faktenwidrig. Die AfD betreibt eine Bagatellisierung und Relativierung. Der werden wir uns widersetzen. Nicht widersetzen werden wir uns in der Tat einer Diskussion, ob man die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik oder die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität verbessern kann, aber der Antrag der AfD ist keine Grundlage für eine solche Diskussion. Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Möller, für die „Vollmeise“ muss ich Ihnen einen Ordnungsruf geben und

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Zu Recht!)

tue das damit. Als Nächster hat Abgeordneter Walk für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Tribüne! Kollege Henke und Kollege Dittes, worum geht es eigentlich heute im Kern? Ich will es kurz zusammenfassen und will ausdrücklich nicht auf irgendwelche Einzelfälle oder auf Zahlen eingehen. Es geht um die Polizeiliche Kriminalstatistik, kurz PKS, das haben wir schon mitbekommen, aber im Kern geht es um mögliche Änderungen der Erfassungsmodalitäten.

Zunächst zu den Aufgaben und der Bedeutung der PKS: Die PKS ist eine Zusammenstellung aller polizeibekannt gewordener strafrechtlicher Sachverhalte unter Beschränkung auf ihre erfassbaren wesentlichen Inhalte. Sie soll damit im Interesse einer wirksamen Kriminalitätsbekämpfung zu einem überschaubaren und möglichst verzerrungsfreien Bild der angezeigten Kriminalität führen. Diese Beschreibung ist entnommen aus der Richtlinie des Bundeskriminalamts, also einer Bundesbehörde, und die Richtlinie nennt sich genau: Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik in der Fassung vom 1. Januar 2015. Diese PKS-Richtlinie wurde bereits 1971 eingeführt, mit dem Ziel, eine einheitliche und bindende Erfassung des Kriminalitätsgeschehens und Ausgestaltung der Statistik, bundesweit – und das ist entscheidend –, bundesweit zu gewährleisten. Die PKS, ich will es noch einmal erwähnen, ist eine reine Arbeitsstatistik der Polizei auf dem Gebiet des Strafrechts und unterscheidet sich ganz wesentlich von den Statistiken der Justiz, die bekanntlich als Verfahrens- oder gar als Personenstatistik geführt werden.

Zweitens – und damit komme ich zur Frage der Zuständigkeit –: Wer ist für die PKS zuständig und damit auch für mögliche Änderungen und Anpassungen? Ein Blick in die Richtlinie bzw. in dem Fall in das BKA-Gesetz: § 2 Abs. 6 Ziffer 2 regelt das Erstellen der Kriminalstatistik durch das Bundeskriminalamt als sogenannte Zentralstelle und das BKA, ich erwähnte es bereits, ist eine Bundesbehörde.

Drittens und damit komme ich zum differenzierten Verfahren und zur Bund-Länder-Gremienstruktur der inneren Sicherheit. Mit Fragen, Herr Minister, der Änderung, Anpassung und Auslegung der PKS beschäftigt und befasst sich ein polizeiliches Fachgremium, das ist die Bund-Länder-Arbeitsgruppe PKS, und dieses Gremium arbeitet dann der AG Kripo zu. In der AG Kripo sitzen die Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamts, das ist also ebenfalls ein Fachgremium, und die leiten ihren Entscheidungsvorschlag dann an den Arbeitskreis II „Innere Sicherheit“ weiter.

Ich komme zum vierten Punkt. Warum habe ich das Verfahren so ausführlich beschrieben? Ich wollte erläutern und klarmachen, dass sich eben diese

(Abg. Dittes)

Fachgremien mit allen relevanten Fragen, die die PKS betreffen, schon seit Jahren ausreichend und bewährt befassen. Genau hier sitzen die Experten, die am besten wissen, was geboten ist. Wir meinen, hier sollte die Zuständigkeit auch verbleiben.

Damit komme ich zum letzten Punkt, zu meinem kurzen Fazit. Aus unserer Sicht ist der Antrag komplett überflüssig und deswegen werden wir diesem Antrag auch nicht zustimmen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Henke das Wort. Herr Abgeordneter Henke, Sie dürfen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, werte Gäste! Noch mal einen Dank an Herrn Dittes für seine eloquente Propagandarede, die er hier gehalten hat. „So lügt man mit Statistik“ – dieser Titel eines Buches des Statistikprofessors Walter Krämer

(Beifall AfD)

trifft leider auch auf einzelne Bestandteile der Polizeilichen Kriminalstatistik zu. Insbesondere ist es bei der Erfassung bzw. Nichterfassung der Staatsangehörigkeit und der politisch motivierten Kriminalität der Fall. Ob gewollt oder ungewollt, Fakt ist: Die Polizeiliche Kriminalstatistik stellt in beiden Fällen die Realität höchst verzerrt dar,

(Beifall AfD)

anstatt sie möglichst realitätsgetreu darzustellen.

Zunächst zur Staatsangehörigkeit: Im Glossar zu der von den Ländern gesammelten und vom Bund herausgegebenen Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2016 heißt es auf Seite 135: „Personen, die sowohl die deutsche als auch eine andere Staatsangehörigkeit besitzen, zählen als Deutsche.“ Anders gesagt werden die zahlreichen Doppel- und Mehrfachstaatler ausschließlich als Deutsche erfasst. Nach den letzten vorliegenden Zahlen, Zensus 2011, gab es in Deutschland 4,3 Millionen Bürger mit einer doppelten Staatsangehörigkeit. Allein zwischen 2002 und 2012 wurden fast 400.000 Türken eingebürgert, womit sie mit großem Abstand die größte Gruppe der im staatsrechtlichen Sinne neuen Deutschen darstellen. Es ist spätestens seit dem Türkeireferendum ein offenes Geheimnis, dass zumindest Doppelstaatler aus einem bestimmten Staat große Integrationsprobleme haben. Sonst hätten nicht fast zwei Drittel der Deutschtürken für einen autoritären Despoten gestimmt. Es gibt bislang wohl aus Gründen der politi

schen Korrektheit nur wenig Untersuchungen über die Kriminalitätsbelastung von Menschen mit einem Doppelpass. Umso wichtiger wäre es, alle Staatsangehörigkeiten in der Polizeilichen Kriminalstatistik zu erfassen. Eine aktuelle Studie des Bundeskriminalamts kommt zu dem erschreckenden Ergebnis, dass von den analysierten 677 Dschihadisten jeder Vierte eine doppelte Staatsangehörigkeit besaß.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah – das ist es!)

Die Zahlen für die Kriminalität zum Beispiel unter den Türken zeigen deutlich, diese waren sowohl 2015 als auch im letzten Jahr unter den Top 3 bei den nicht deutschen Tatverdächtigen. Was Vergewaltigungen angeht, standen sie 2016 bei den ausländischen Tatverdächtigen sogar an der Spitze. Es liegt daher zumindest die Annahme nahe, dass auch die eingebürgerten Türkischstämmigen überproportional oft kriminell werden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wegen des zweiten Passes oder wie?)

Klar ist, nur wenn man für die Menschen mit Doppelpass jede Staatsangehörigkeit erfasst, kann man für Aufklärung sorgen. Für uns ist daher einfach eine zwingende Schlussfolgerung, die Erfassungskriterien so zu ändern, dass bei mehrfachen Staatsangehörigkeiten alle Staatsangehörigkeiten, also auch die nichtdeutsche, erfasst werden.

(Beifall AfD)

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter ging übrigens 2006 noch weiter und forderte die Erfassung der früheren Staatsangehörigkeit bei Eingebürgerten. Das ist einfach nur Realismus. Realismus täte auch bei der Erfassung der politisch motivierten Kriminalität not. Hier wurde 2008 eine folgenreiche Änderung eingeführt. Alle Propagandadelikte, die nicht zugeordnet werden können, werden statt wie früher unter „sonstigen, nicht zuordenbaren Straftaten“ einfach unter „politisch motivierte Kriminalität – rechts“ subsumiert. Nur wenn eindeutig feststeht, dass die Tat rechtsmotiviert war, findet eine anderweitige Kategorisierung statt. Wenn man sich die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität rechts in Thüringen vor sowie nach dieser Änderung anschaut, sieht man, welch eine grob verzerrende irreführende Wirkung sie hat. So steigt urplötzlich die Fallzahl der politisch motivierten Kriminalität rechts von 753 Fällen auf 1.163 Fälle, die der sonstigen, nicht zuordenbaren Straftaten fiel übrigens im gleichen Zeitraum von 369 auf 61. Grund dafür, so das Innenministerium selbst, war die widersinnige Änderung bei den Erfassungskriterien. Die relativ starken Veränderungen im Bereich der PMK-rechts und der PMK-sonstige hängen auch zu einem ganz wesentlichen Teil mit veränderten Zuordnungskriterien zusammen, heißt es in der Pressemappe zur poli

(Abg. Walk)

tisch motivierten Kriminalität von 2008. Grund dafür ist, dass bei der politisch motivierten Kriminalität die Propagandadelikte dominieren. Sie stellen 2008 fast 74 Prozent aller rechten Straftaten dar. Während es aber 2007 nur 397 waren, sind es ein Jahr später, also nach der Änderung der Erfassung, 859 gewesen. Bei der PMK-sonstige, nicht zuzuordnende fiel dagegen, was Wunder, die Anzahl der Propagandadelikte um das Zehnfache, von 331 auf 31. Laut den aktuellen Zahlen der PKS für Thüringen machen Propagandadelikte, die der politisch motivierten Kriminalität – rechts zugeordnet werden, fast 95 Prozent aller Propagandastraftaten aus. Propagandadelikte, die bei der sonstigen politischen Kriminalität eingeordnet wurden, dagegen mit 42 Fällen nur 4 Prozent. Der Einstieg bei der politisch motivierten Kriminalität rechts ist also zu einem großen Teil auf die unsinnige Änderung der Erfassungskriterien zurückzuführen, nichts anderes als eine grobe Verzerrung und von so manchen wohl aus ideologischen Gründen begrüßte Manipulation mit Statistik. Mit gesundem Menschenverstand hat das nichts, mit Irreführung der Thüringer sehr viel zu tun.

(Beifall AfD)

Die Thüringer Landesregierung sollte sich daher in der Innenministerkonferenz dafür einsetzen, zur Regelung von 2008 zurückzukehren und nicht zuordenbare Propaganda-Delikte auch als solche zu erfassen. Das könnte sehr einfach sein, wenn man selbst nicht mit einem linksverdrehten Weltbild durch die Welt läuft. Realismus tut not, auch wenn er manchen wehtut, weil er der eigenen Vorstellung diametral entgegenläuft.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Den Schmerz spüren Sie ständig, oder?)

Ja, Frau König, die Wahrheit tut weh.