Protocol of the Session on September 29, 2016

2. Der Bund hat von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für Regelungen zur Arbeitszeit in Verkaufsstellen an Samstagen bisher nicht erschöpfend im Sinne des Artikels 72 Abs. 1 Grundgesetz Gebrauch gemacht.

In dem Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 5. September 2016 zu einem einschlägigen Verwaltungsstreitverfahren wird ausgeführt, dass der Arbeitnehmerschutz gegenüber den wirtschaftlichen Interessen überwiegt. In der Antwort der Landesregierung zur Kleinen Anfrage des Abgeordneten Bühl – Anfrage von Mitarbeitern eines Erfurter Möbelhauses zu Samstagsarbeit – habe ich bereits zum Thüringer Ladenöffnungsgesetz Stellung genommen. Ich möchte mich hier noch einmal darauf beziehen.

In einer Petition wird beklagt, dass das Beschäftigungsverbot insbesondere in der Möbelbranche existenziell sei und die Möglichkeit beschränkt wird, durch Samstagsarbeit die Lebensgrundlage zu verdienen. Soweit bei einem Vergütungskonzept auf der Grundlage von Provisionen Beschäftigte ein besonderes Interesse an ihrer Beschäftigung an Samstagen haben, möchte ich Folgendes zu bedenken geben: Wäre mit der Freistellung an zwei Samstagen kein besonderer Verdienstverlust verbunden, wäre auch eine andere Einsatzmotivation und Einsatzplanung des Personals zu erwarten. Darauf hat auch das Bundesverfassungsgericht selbst in der oben bereits erwähnten Entscheidung hingewiesen. Das Bundesverfassungsgericht sieht eine ausreichend verbleibende Dispositionsmöglichkeit eines Arbeitgebers, weshalb es dem Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbe

(Abg. Pfefferlein)

sondere dem Schutz der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie, als Gemeinwohlbelange ein höheres Gewicht einräumt.

Die Sicherung der physiologischen Erholung und sozialen Teilhabe durch zusammenhängende arbeitsfreie Wochenenden war schließlich auch das Anliegen des Gesetzgebers, denn arbeitsfreie Wochenenden mit zwei zusammenhängenden freien Tagen nehmen in der Regel positiven Einfluss auf die Regeneration der Arbeitskraft. Es werden hierbei deutlichere Effekte erreicht als bei nur einem arbeitsfreien Tag. Das regelmäßige arbeitsfreie Wochenende stellt einen wichtigen Ausgleich zu den gestiegenen Arbeitsbelastungen im Einzelhandel dar. Das ist sozusagen der gesundheitliche Aspekt, aber ich möchte auch ausdrücklich Frau Holzapfel zustimmen: Ein zusammenhängend freies Wochenende kommt insbesondere den Familien zugute und kann zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen. Dass dies tatsächlich so ist, wurde uns von vielen Betriebsräten ausdrücklich bestätigt, die die zwei arbeitsfreien Samstage im Monat als großen Gewinn für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewerten.

Die vorgeschlagene Einführung einer Ausnahmeregelung basierend auf der Erklärung der Bereitschaft zur Arbeitsleistung wird durch die Landesregierung sehr kritisch bewertet. Die Samstagsarbeit generell zuzulassen oder an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu knüpfen, würde dem beabsichtigten Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor übermäßiger Arbeit am Wochenende nicht gerecht.

Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Lehmann hat es sehr gut beschrieben. Ich stelle natürlich auch fest, dass zwischen den verschiedenen Akteuren kaum Kommunikation besteht. Deswegen hat die Landesregierung die Durchführung eines Branchendialogs geplant, bei dem es unter anderem auch um die Regelung der Arbeitszeitgestaltung gehen soll, beispielsweise auch zu den unterschiedlichen Regelungen für Bäckereien, Tankstellen und analoge Verkaufsstellen.

Lassen Sie mich dazu noch die Rechtslage darstellen: Nach § 9 Abs. 1 Thüringer Ladenöffnungsgesetz dürfen Bäcker- und Konditorwaren, Schnittund Topfblumen sowie pflanzliche Gebinde, soweit Blumen in erheblichem Umfang zum Verkaufsortiment gehören, Zeitungen und Zeitschriften sowie selbst erzeugte landwirtschaftliche Produkte in entsprechenden Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen im Zeitraum von 7.00 bis 17.00 Uhr für die Dauer von fünf zusammenhängenden Stunden verkauft werden. Mit der Begründung, dass Tankstellen, bis auf den 24. sowie 31. Dezember, ganztägig unter anderem für die Abgabe von Reisebedarf geöffnet haben dürfen, wird im vorgelegten Gesetzentwurf auf eine Benachteiligung der Bäcker sowie der Blumen- und Zeitschriftenhändler geschlossen.

Ähnliches äußerte auch der Landesinnungsverband für das Thüringer Bäckerhandwerk gegenüber der Landesregierung und hat eine Lösung für Verkaufsstellen von Bäcker- und Konditorwaren mit angeschlossenem Café zu finden gefordert. Das mit wirtschaftlichen Erfordernissen begründete Anliegen nach Ausdehnung der zulässigen Verkaufszeiten wurde vom Bäckerinnungsverband zwischenzeitlich auf alle Bäckerei- und Konditoreibetriebe ausgedehnt, also nicht nur auf die Mischbetriebe.

Zur Sachlage: An Sonn- und Feiertagen sind Verkaufsstellen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Thüringer Ladenöffnungsgesetz für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen zu halten. Die rechtlichen Maßstäbe für die Zulassung von Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsbeschäftigungsverbot setzt das in Artikel 140 Grundgesetz/Artikel 139 Weimarer Reichsverfassung normierte Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. Dezember 2009 zum Berliner Ladenöffnungsgesetz unter anderem dazu ausgeführt: Für Ausnahmen bedarf es eines Sachgrunds. „Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches […] ‚Shoppinginteresse‘ potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen. Darüber hinaus müssen Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen. Dem Regel-Ausnahme-Gebot kommt generell umso mehr Bedeutung zu, je geringer das Gewicht derjenigen Gründe ist, zu denen der Sonn- und Feiertagsschutz ins Verhältnis gesetzt wird und je weitergreifend die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in Bezug auf das betroffene Gebiet sowie die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ausgestaltet ist. Deshalb müssen bei einer flächendeckenden und den gesamten Einzelhandel erfassenden Freigabe der Ladenöffnung rechtfertigende Gründe von besonderem Gewicht vorliegen, wenn mehrere Sonn- und Feiertage in Folge über jeweils viele Stunden hin freigegeben werden sollen.“ Das heißt, für die zum Teil weitergehenden Ausnahmeregelungen, unter anderem für den Verkauf von Reisebedarf an Tankstellen oder auf Bahnhöfen, gibt es Sachgründe, die über die Versorgung der Bevölkerung an Sonn- und Feiertagen mit frischen Backund Konditorwaren hinausgehen. Ein Vergleich mit den Ausnahmeregelungen anderer Länder zum Verkauf von Back- und Konditorwaren an Sonnund Feiertagen zeigt, dass die Landesgesetzgeber auch anderenorts grundsätzlich keine weitergehenden Bestimmungen für den Verkauf von Bäckerund Konditorwaren zugelassen haben. Eine Streichung der Fünf-Stunden-Grenze würde zu einem

(Ministerin Werner)

weitgehenden Eingriff in den Sonn- und Feiertagsschutz führen und nicht nur für Bäckereicafés gelten. Mit Wegfall der Fünf-Stunden-Begrenzung könnten Verkaufsstellen von Bäcker- und Konditorwaren zwar länger öffnen, aber nach § 10 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur für drei Stunden mit der Herstellung der Waren beschäftigen. Das heißt, Betriebe würden also zunehmend mit dem Arbeitszeitgesetz in Konflikt geraten. Von fachlicher Seite wird daher empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Damit kann ich die Aussprache schließen und wir kommen zur Abstimmung. Es sind mehrere Ausschussüberweisungen beantragt worden, wenn ich das richtig verstanden habe, Frau Holzapfel: der Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit, der Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft sowie – da es ein Gesetzentwurf aus dem Kreis der Fraktionen ist – wäre der Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz dann ausschlaggebend, sodass wir jetzt darüber abstimmen.

Zunächst einmal: Wer für die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit wäre, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion. Danke schön. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen. Ich glaube, das war mit Mehrheit abgelehnt.

Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen. Auch mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Justiz, Migration und Verbraucherschutz. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Die AfD-Fraktion, die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen und von Herrn Abgeordneten Gentele. Damit mit Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 10

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/2676 ERSTE BERATUNG

Frau Ministerin Klaubert wünscht das Wort zur Begründung. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich glaube, jeder wird zustimmen: Wir brauchen eine starke Erwachsenenbildung in Thüringen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Wissen verdoppelt sich in immer kürzeren Abständen, die Arbeitswelt hat sich entsprechend geändert, Anforderungen im Berufsalltag wachsen, die digitale Welt bietet neue Herausforderungen und einmal erworbenes Wissen und Können werden immer häufiger auf den Prüfstand gestellt. Lebenslanges Lernen und lebensbegleitendes Lernen sind heute eine Selbstverständlichkeit. Dafür brauchen wir eine leistungsstarke Erwachsenenbildung. Diese kann aber noch mehr. Manche Menschen brauchen einfach mehr Unterstützung. Funktionaler Analphabetismus ist weit mehr verbreitet, als man denkt. In Thüringen gibt es nach Schätzungen rund 200.000 Erwachsene, die nicht richtig lesen und schreiben können. Diese Menschen stehen dann eines Tages da und kommen nicht weiter – im Job, in der Organisation ihres eigenen Lebens. Erwachsenenbildung kann auch hier dafür sorgen, dass es im Leben keine verschlossenen Türen gibt, sondern dass die Türen auf bleiben. Auch für Menschen, die neu in Thüringen sind und unsere Sprache erst lernen müssen, können wir mit den Sprachlernangeboten in der Erwachsenenbildung einen wichtigen Beitrag für die Integration leisten.

Die Regierungsfraktionen sind sich dabei einig, dass man eine leistungsstarke Erwachsenenbildung braucht und diese im Gesetz verankert. Im Koalitionsvertrag ist das festgelegt worden. Die Novellierung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes legen wir dem Hohen Hause mit diesem Gesetzentwurf vor.

Vor einem Dreivierteljahr oder fast einem Jahr wurde die bisherige Gesetzesfassung per Landtagsbeschluss für ein Jahr verlängert. Das geschah damals in Übereinstimmung mit dem Landeskuratorium für Erwachsenenbildung, weil man sich die entsprechende Zeit nehmen wollte, um verschiedene Punkte in das neu zu formulierende Erwachsenenbildungsgesetz einzuarbeiten.

In aller Kürze möchte ich die wichtigsten Punkte skizzieren. Zum einen sorgen wir dafür, dass mehr Menschen mit Behinderung respektive Beeinträchtigungen die Angebote der Thüringer Erwachsenenbildung wahrnehmen können. Der Gedanke der Inklusion ist in der Erwachsenenbildung verankert

(Ministerin Werner)

und im November 2013 wurde dazu eine AG „Inklusive Erwachsenenbildung“ ins Leben gerufen. Diese Arbeitsgruppe hat den Auftrag, Leitlinien bzw. Handlungsempfehlungen für alle anerkannten Einrichtungen der Erwachsenenbildung zu entwickeln. Am 15. September, also kürzlich erst, fand eine Fachtagung „Inklusive Erwachsenenbildung“ statt. Auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung wurden Möglichkeiten, Bedingungen und Umsetzung einer inklusiven Erwachsenenbildung in Thüringen diskutiert. Weil ich selbst zu dieser Fachtagung anwesend war, kann ich nur zusammenfassend sagen: Auch hier gibt es viel zu tun.

Zweitens wollen wir den Gedanken der Qualitätssicherung stärken. Deswegen haben wir Regelungen aus der bisherigen Thüringer Verordnung über die Evaluation und Förderfähigkeit von Einrichtungen der Erwachsenenbildung in das Gesetz aufgenommen.

Drittens – ich deutete das Problem bereits an – wollen wir dem steigenden Bedarf an Alphabetisierungsangeboten begegnen, von funktionalen Analphabeten, also Menschen, die Schwierigkeiten mit Lesen und Schreiben haben, bis zu den Menschen, die die deutsche Sprache noch lernen möchten und müssen. In manchen Regionen ist die Nachfrage nach Bildungsangeboten und um das Thema „Sprache“ höher als das Angebot. Dort, wo es einen Mangel an Angeboten gibt und wo die Volkshochschulen diesen Mehrbedarf nicht decken können, sollen zukünftig auch freie Träger der Erwachsenenbildung Maßnahmen zur Alphabetisierung anbieten können.

Schließlich steht viertens eine Berichtspflicht im Gesetz, die der Qualitätssicherung und der Selbstkontrolle dient. Die Landesregierung wird dem Landtag künftig alle fünf Jahre schriftlich über die Entwicklung der Erwachsenenbildung berichten, so dieses Gesetz beschlossen wird. Und noch etwas ist uns wichtig: Erwachsenenbildung ist eine Daueraufgabe. Das Gesetz dient der Erfüllung dieser Daueraufgabe, und es soll deswegen unbefristet in Kraft treten.

Die Mittel für die Erwachsenenbildung sollen ab dem Jahr 2018 um circa 1,2 Millionen Euro erhöht werden, sofern der Landeshaushalt 2018/2019 entsprechende Mittel bereitstellt. Das ist ein Plus von rund 20 Prozent; derzeit haben wir in diesem Bereich 6,7 Millionen Euro verankert. Konkret heißt das dann, dass Volkshochschulen und freie Träger zusätzlich 30.000 Euro pro Einrichtung für Personal- und Sachkosten erhalten würden. Ich verweise aber ausdrücklich darauf: Damit ist bei Weitem noch nicht der Gesamtbedarf gedeckt. Das kann sich jeder vor Augen führen, der einmal mit Erwachsenenbildnern spricht. Zum anderen übergeben wir diese Aufgabe natürlich an den Haushalts

gesetzgeber in der Blickrichtung auf den Haushalt 2018/2019.

Die Novellierung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Landeskuratorium für Erwachsenenbildung. Seit dem Januar 2015 – also nachdem entschieden worden ist, dass man das alte Gesetz noch einmal verlängert – hat eine Arbeitsgruppe dazu getagt und einvernehmliche Vorschläge erarbeitet. Deswegen möchte ich ganz herzlichen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit sagen. Auf der einen Seite waren das die Volkshochschulen, auf der anderen Seite die freien Träger der anerkannten Einrichtungen in der Erwachsenenbildung und zum Dritten ganz persönlich Herr Prof. Dr. Schäfer von der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena.

Durch die Begleitung, durch das Zusammenwirken konnte ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, den Frau Staatssekretärin Ohler dem Landeskuratorium für Erwachsenenbildung am 15. September vorgestellt hat und der nun den Landtag erreicht. Das Kabinett hat den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes beschlossen. Ich bitte darum, dass dieser Entwurf konstruktiv und zügig miteinander beraten wird. Wir brauchen eine starke Erwachsenenbildung und mit diesem Gesetz sorgen wir dafür, dass Erwachsenenbildung in Thüringen weiterhin leistungsstark bleibt. Ich bitte um Zustimmung nach Beratung des Gesetzentwurfs.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Damit eröffne ich die Beratung. Als Erster erhält Abgeordneter Grob für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, mit Ihrem ersten Satz – wir brauchen eine leistungsstarke Erwachsenenbildung – gehe ich komplett mit, aber wir haben bis jetzt auch keine schlechte Erwachsenenbildung gehabt. Die allgemeine Erwachsenenbildung ist ein wichtiger Bestandteil der Thüringer Bildungslandschaft, die grundsätzlich allen Menschen unseres Freistaats offensteht. Seit dem Jahr 2005 verfügt Thüringen über ein Erwachsenenbildungsgesetz, welches die Erwachsenenbildung neben der frühkindlichen Bildung, Schul- und Hochschulbildung als eigenen gleichberechtigten Bereich des Bildungswesens verankert. Sie verfolgt das Ziel, zur Selbstverantwortung und Selbstbestimmung des Menschen beizutragen. Denn wer sich heute den Anforderungen flexibler Arbeitswelten stellen will, braucht nicht nur eine qualifizierte berufliche Ausbil

(Ministerin Dr. Klaubert)

dung, sondern muss auch seine Kenntnisse und Fähigkeiten ein Berufsleben lang weiterentwickeln. Die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen ist daher wichtiger denn je. Gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen bei der Integration von Flüchtlingen ist unser dichtes Netz an Einrichtungen der Erwachsenenbildung von enormer Bedeutung. Denn nimmt man diese Herausforderungen in ihrer gesellschaftlichen Tragweite wirklich ernst, so braucht es möglichst wohnortnahe Angebote für Qualifizierungen aller Art. Der Bedarf an Sprachkursen und Alphabetisierungsmaßnahmen wird weiter steigen. Außerdem werden auch zahlreiche Angebote zum Nachholen von Schulabschlüssen oder zur beruflichen Beratung und Weiterqualifizierung unerlässlich sein.

Mit dem im November 2015 vorgelegten Änderungsgesetz wurde die Geltungsdauer des Erwachsenenbildungsgesetzes lediglich um ein Jahr verlängert, damals verbunden mit dem Ziel, ausreichend Zeit für eine umfassende Novellierung des Gesetzes zu haben. Nun wurde die erwartete Gesetzesnovelle vorgelegt und man muss leider sagen, der große Wurf ist es nicht geworden. Nun ja, es gibt nichts, was man nicht noch besser machen könnte. Die Träger der Erwachsenenbildung in Thüringen hatten eine Reihe von Forderungen, die jedoch nicht Eingang in den vorliegenden Gesetzentwurf fanden. Auch da muss ich sagen: Nicht alle Wünsche können immer erfüllt werden. Es muss immer abgewogen werden. Dazu gehören beispielsweise die Absenkung der Mindestteilnehmerzahl für Kurse und die Aufnahme neuer Formen der Wissensvermittlung. Gerade im ländlichen Raum ist das derzeit geltende Minimum von acht Kursteilnehmern oft nur schwer zu erreichen. Ich war selbst in einem Volkshochschulbeirat und kenne die Situation, wo wir oft händeringend noch nach ein oder zwei Teilnehmern gesucht haben, um dann dementsprechend auch die Förderung zu bekommen. Das war nicht immer leicht. Hier hätte es vielleicht eine etwas differenziertere Möglichkeit gegeben, eine geringere Zahl mit reinzubringen. Aber insofern sind die Träger der Erwachsenenbildung in Thüringen zu Recht enttäuscht, haben sie doch große Hoffnung in die Novellierung gesetzt. Immerhin hatten die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag die Stärkung der Erwachsenenbildung als vierte Säule des Thüringer Bildungssystems versprochen. Zwar ist es erfreulich, dass die Erwachsenenbildung in Thüringen künftig eine höhere Grundfinanzierung erhalten soll, allerdings ist das Verfahren etwas eigenwillig, dass ein Haushaltsvorbehalt Eingang in den Gesetzentwurf der Landesregierung gefunden hat. Dies lässt beinahe die Vermutung zu, dass sich die Bildungsministerin gegenüber der Finanzministerin nicht durchsetzen konnte und nun die Verantwortung an die regierungstragenden Fraktionen überträgt. Aber dies nur am Rande.

(Zwischenruf Dr. Klaubert, Ministerin für Bil- dung, Jugend und Sport: Wir sind noch nicht im Jahr 2018!)

Ich möchte betonen, dass wir als CDU-Fraktion dem Anliegen des Gesetzentwurfs grundsätzlich zustimmen können. Die wesentlichen Regelungen des bestehenden Erwachsenenbildungsgesetzes haben sich bewährt und werden daher auch beibehalten. Gleichzeitig wird auf aktuelle Herausforderungen eingegangen, beispielsweise in der Themenfindung, Bildungsberatung und Alphabetisierung.

Diese Alphabetisierung – Frau Ministerin, Sie haben es angesprochen – ist eine ganz schwierige Sache. Es ist nicht die Schwierigkeit, dort auch Leute zu bekommen, nur wie man sie dort hinbekommt, wie man sie anschreibt und wie man überhaupt über dritte, vierte, fünfte Freunde diese Leute heranbekommt – das ist eine wahnsinnige Arbeit, das habe ich selbst kennengelernt. Ich kann nur sagen, wir müssen da dranbleiben, das ist ganz wichtig für uns.

(Beifall CDU)

Auch die angedachte Entfristung des Gesetzentwurfs sehen wir positiv, denn die Förderung der Erwachsenenbildung ist und bleibt eine Daueraufgabe in Thüringen. Auch wenn wir uns mehr gewünscht hätten, so empfiehlt doch meine Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Die Einladungen zur Sitzung morgen früh sind schon rausgegangen. Wir tagen morgen um 8.30 Uhr und ich hoffe, dass wir die Einladungen nicht zurücknehmen brauchen. In diesem Sinne eine gute Beratung und unser Vorschlag: Überweisung an den Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Als Nächste erhält Abgeordnete Rosin für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist von jeher Hauptziel sozialdemokratischer Bildungspolitik, jedem Menschen die selbstbewusste und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben zu eröffnen. Dafür braucht es ein entsprechendes staatliches Engagement in der frühkindlichen Bildung, bestmögliche Rahmenbedingungen im Schulwesen und eine nachhaltige Unterstützung der Hochschulen. Auf diese Weise bieten wir allen gute Start- und Entwicklungschancen, um das eigene

(Abg. Grob)