Ich möchte aus diesem Grund noch einmal § 1 des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes zitieren. Hier steht: „Dieses Gesetz regelt die Öffnungszeiten für Verkaufsstellen und das gewerbliche Anbieten von Waren außerhalb von Verkaufsstellen und dient dem Schutz der Sonn- und Feiertage sowie dem Arbeitnehmerschutz.“ Genau das macht das Gesetz mit diesen zwei freien Samstagen, das ist ein Beitrag zum Arbeitnehmerschutz, den die SPD-Sozialministerin in der vergangenen Legislatur – ich sage vorsichtig: damals auch noch gegen die Widerstände der CDU – durchgesetzt hat. Umso erfreulicher ist, dass wir da heute offensichtlich eine geschlossenere Position für die Beschäftigten in diesem Land haben.
Nein. Es macht einmal mehr deutlich, welche Diskrepanz zwischen dem Sinn dieses Gesetzes und der vorgeschlagenen Änderung durch die AfD-Fraktion besteht. Es ist nämlich so, dass es beim Thema „Ladenöffnung“ immer auch um Rahmenbedingungen geht, die eben massive Auswirkungen auf die Beschäftigten haben, die im Handel arbeiten. In Thüringen waren das im Jahr 2013 – das sind die aktuellsten Zahlen, die wir dazu haben – fast 42.000 Beschäftigte, die in den vergangenen Jahren, also seit Mitte der 90er-Jahre, mit massiven Flexibilisierungsanforderungen konfrontiert sind.
Wenn wir uns nämlich mal an die Entwicklung der Ladenöffnungszeiten erinnern, dann ist es so, dass es vor 1996 die Regelung gab, dass montags bis freitags von 7.00 bis 18.30 Uhr geöffnet war. Es gab einen langen Donnerstag, da konnte man bis 20.30 Uhr einkaufen, und samstags bis 14.00 Uhr. Viele von uns können sich daran gar nicht mehr erinnern, aber auch das war möglich. Ab November 1996 konnte dann montags bis freitags von 6.00 bis 20.00 Uhr verkauft werden, samstags bis 16.00 Uhr, einmal im Monat bis 18.00 Uhr. Ab Juni 2003 kann man dann auch regulär am Samstag bis 20.00 Uhr einkaufen, ab 2006 wurde der Ladenschluss Ländersache und seitdem ist es in Thüringen so, dass man werktags von 0.00 bis 24.00 Uhr öffnen kann, also rund um die Uhr, und samstags bis 20.00 Uhr und für die Sonn- und Feiertage Ausnahmeregelungen gemacht werden. Das heißt, bis 2006 gab es massive Ausweitungen im Ladenschluss, die zulasten der Beschäftigten gingen. Das muss man wissen, auch wenn man sich die Arbeitsbedingungen im Handel insgesamt anschaut. Wir haben dort viel und körperlich schwere Arbeit sowie eine geringe Vergütung, eine niedrige Tarifbindung. Ein schützender Flächentarif fehlt. Und das ist der andere Teil der Realität: Die Teilzeitquote steigt kontinuierlich an. 2008 waren es 55 Prozent aller Beschäftigten, 2013 60 Prozent der Beschäftigten im Handel, die in Teilzeit arbeiten. Wir dürfen nicht vergessen, all das schafft Flexibilität für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, auch wenn wir die an einer anderen Stelle einschränken. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob Löhne so niedrig sind, dass Beschäftige auf Provisionen angewiesen sind. Da schließe ich mich meiner Kollegin Ina Leukefeld an, da müssen wir eben daran arbeiten, dass die Löhne im Einzelhandel so gestaltet sind, dass man auch davon leben kann, wenn man keine Provision bekommt. Das wäre zunächst erst einmal der Anspruch, den wir formulieren.
Jetzt ist es so, dass die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel – das ist wie in allen anderen Branchen – durch Tarifverträge, durch Sozialpartner ausgehandelt werden, also zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen. Das ist der erste Schritt. Im zweiten Schritt braucht es natürlich eine gute Interessenvertretung im Betrieb. In Thüringen ist es aber so, dass schon die Bedingungen für den ersten Schritt fehlen. Es ist gut mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu sprechen, das mache ich auch. Die formulieren da regelmäßig die Sorge, die mit dem Ladenöffnungsgesetz verbunden ist. Wenn man mit ihnen darüber spricht, welchen Sinn das hat, dann ist das allerdings auch so, dass sie schon darstellen, dass sie damit umgehen können. Man muss aber auch mit dem anderen Tarifpartner sprechen – und das sind die Gewerkschaften, die dafür zuständig sind. Die beschreiben nämlich genau das Gegenteil. Die beschreiben eine Flucht aus der Sozialpartnerschaft und eine Sorge davor, dass es ei
ne Tarifflucht gibt, dass gar keine Gespräche mehr mit den Arbeitnehmervertretungen wahrgenommen werden und sich die Situation dadurch für die Beschäftigten kontinuierlich verschärft. Auch das Oberverwaltungsgericht hat jetzt Anfang September zum Beispiel noch einmal entschieden, dass die Arbeitsschutzbestimmungen, die wir hier formuliert haben, rechtlich haltbar sind. Es ist eine schwere Abwägung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen, die man da vornehmen kann. Allerdings sagen wir, dass es vor dem Hintergrund der Gesamtsituation der Beschäftigten im Einzelhandel einfach notwendig ist, sich hier hinter die Beschäftigten zu stellen. Die Änderungsvorschläge, die hier formuliert sind, sind einfach zu einseitig und zu unausgewogen. Deswegen sind wir der Meinung, dass wir das hier einfach derart weiterregeln müssen.
Ich möchte aber an der Stelle auch die Gelegenheit noch einmal nutzen, um an die Beschäftigten im Einzelhandel zu appellieren. Organisieren Sie sich in Betriebsräten, organisieren Sie sich innerhalb der Gewerkschaft, machen Sie von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Arbeitsbedingungen ganz konkret auch selbst zu gestalten, für eine Verbesserung einzutreten. Dieser Appell richtet sich aber nicht nur an die Beschäftigten im Einzelhandel, der richtet sich auch an die Arbeitgeber. Auch diese müssen sich in einem Arbeitgeberverband organisieren, um so für eine höhere Tarifbindung eintreten zu können und eine Verbesserung nicht nur für die Beschäftigten zu haben, sondern auch für die wirtschaftliche Situation.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf verkennt die Lage der Beschäftigten in Thüringen, er zeigt aber gleichzeitig, welchen Stellenwert Arbeitnehmerrechte und gute Arbeit für die AfD haben, nämlich keinen. Wir werden den vorliegenden Gesetzentwurf aus diesem Grund ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Lehmann. Als Nächster erhält Abgeordneter Möller für die Fraktion der AfD das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, vor einigen Monaten wandte sich der Besitzer einer Bäckereikette an uns, um uns über die bestehenden Regelungen und die damit verbundenen Probleme aus der Praxis eines traditionellen Bäckerbetriebs hier in Thüringen zu berichten. Neben der übermäßigen Bürokratie, die er genannt hat, die aber wohl jeden Un
ternehmer in Deutschland fast gleichermaßen betrifft, und einem Bildungsfreistellungsgesetz haben die Kleinbäckereien aber mit ihren Verkaufsstellen in Thüringen ein ganz spezielles Problem, nämlich das Thüringer Ladenöffnungsgesetz. Wir wollen den Versuch machen, mit unserem Gesetzentwurf vor allem das traditionelle Handwerk der Bäcker zu entlasten und den Arbeitnehmer dabei als das wahrzunehmen, was er ist, nämlich eine mündige Person, die selbst entscheiden kann, wann sie arbeitet, ob an Samstagen, an Dienstagen oder Donnerstagen.
Die aktuelle Fassung des Ladenöffnungsgesetzes sieht vor, dass Verkaufsstellen für bestimmte Waren, unter anderem Bäckereiwaren, aber auch Blumengeschäfte und Verkaufsstellen für landwirtschaftliche Erzeugnisse an Sonn- und Feiertagen im Zeitraum von 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr nur für die Dauer von fünf zusammenhängenden Stunden geöffnet sein dürfen. Das heißt im Fall der BäckereiGeschäfte, man kann sich als Bäcker überlegen, ob man lieber morgens sein Geschäft mit Brötchen oder nachmittags mit Kuchen machen möchte, und der Kunde kann wiederum schauen, wo er morgens Brötchen kaufen kann und nachmittags Kuchen, jedenfalls wenn er bei einem traditionellen Bäckereibetrieb kaufen möchte. Der Kunde hat aber eben auch noch eine andere Möglichkeit, er kann beispielsweise an eine nahe gelegene Tankstelle gehen und dort Brötchen oder Kuchen kaufen. Das klappt ziemlich sicher, denn die haben ganztags geöffnet. Die Tankstellen durften das nämlich, der Bäcker hingegen nicht. Ihm bleibt nur die Option, seine Bäckerei zu schließen und anstelle dessen eine Tankstelle aufzumachen. Es ist nun mal so, nach dem Thüringer Ladenöffnungsgesetz sind die Regelungen für Tankstellen wesentlich liberaler als für kleine traditionelle Handwerksbetriebe wie Bäckereien. Warum das so ist, das haben Sie erläutert, aber so richtig eingängig ist es eigentlich nicht. Nun wissen wir, dass viele Tankstellen mittlerweile Minisupermärkte mit allem Drum und Dran sind und man dort von A bis Z alles kaufen kann. Wer Brötchen oder Kuchen haben will, der weiß, dass er das bei der Tankstelle zu fast jeder Zeit bekommt, wenn auch nicht in der Qualität der traditionellen Bäckerei. Der Kunde könnte sich natürlich auch vorab erst einmal kundig machen, wann welche Bäckerei geöffnet hat, aber das machen die meisten eben nicht und darunter leiden nicht nur die Bäcker, sondern auch die Floristen und andere Verkaufsstellen mit dieser entsprechenden Einschränkung. Die Bäckerinnung hat auf dieses Problem auf ihrer Jahresversammlung 2016 klar und deutlich hingewiesen. Nun werden Sie sagen, das haben Sie auch schon gemacht. Andere Bundesländer haben da ähnlich restriktive Regelungen. Aber schauen wir uns zum Beispiel mal Berlin an. Nach § 4 des Berliner Ladenöffnungsgesetzes – das ist übrigens auch eine Landesregierung, an der
die SPD beteiligt ist – dürfen entsprechende Verkaufsstellen von 7.00 bis 16.00 Uhr geöffnet haben. Das sollte doch zumindest zu denken geben, wenn unter einer sozialdemokratischen Partei eine solche Regelung möglich ist.
Nun kommen Sie mit der Überlegung, dass man mit einer Öffnung des Ladenöffnungsgesetzes die Selbstausbeutung der Verkäufer und Verkäuferinnen öffnet, aber niemand wird durch unsere Regelung gezwungen, als Bäcker so lange zu öffnen, und als Bäcker weiß man sehr wohl, wann man ein vernünftiges Geschäft macht. Diese Entscheidung kann der Bäcker viel besser treffen auf der Basis der Nachfrage, die sein Geschäft erfährt, jedenfalls besser als eine holzschnittartige Regelung im Ladenöffnungsgesetz.
Die zweite Änderung, die wir in unserem Gesetzentwurf vorsehen, soll verbesserte Bedingungen für den Arbeitnehmer im Einzelhandel schaffen; je nach Statistik arbeiten zwischen 45.000 und 58.000 Menschen im Thüringer Einzelhandel. Für sie alle gilt die Vorgabe, an nur zwei Samstagen im Monat arbeiten zu dürfen, völlig unabhängig davon, ob diese Regelung ihren Bedürfnissen entspricht. In der Öffentlichkeit wird in diesem Zusammenhang immer wieder der Brief der Mitarbeiter eines Erfurter Möbelhauses angebracht, der darauf abzielt, eine entsprechende Ausnahmeregelung zu erwirken, die es den Mitarbeitern ermöglicht, stärker von den Provisionen zu profitieren, die eben größtenteils samstags anfallen. Das ist halt so.
Es gibt aber auch weitere Fälle wie jene, die im Petitionsausschuss beraten worden sind. In einem davon hat sich eine Arbeitnehmerin, die ebenfalls im Einzelhandel tätig ist, an den Petitionsausschuss gewandt, da sie sich ebenfalls darin beschränkt sieht, ihre Verkaufstalente gewinnbringend zur Erzielung ihres Lebensunterhalts einzusetzen. Auch sie macht deutlich, dass Samstage im Einzelhandel und gerade in Möbelhäusern zu den umsatzstärksten Tagen zählen. Das hat nicht unbedingt nur etwas mit dem Lohn zu tun, sondern eben auch mit der Tatsache, dass da die Kunden frei haben und einkaufen können. In dem konkreten Fall macht die Provision bei dieser Verkäuferin zwei Drittel der Gesamtvergütung aus, von der eben ein Drittel auf Samstage entfällt.
Die Landesregierung hat auf vorliegende Beschwerden im Fall des Briefs durch die Mitarbeiter des Möbelhauses und auch der Petition ähnlich reagiert und sich in der Argumentation darauf berufen, dass ein zusammenhängendes Wochenende Familien zugute käme und zu einer verbesserten Vereinbarkeit von Beruf und Familie führe. Auch dieses Argument ist eben sowohl von der CDU als auch von links und von der SPD gebracht worden. Es stellt sich aber die Frage, woher diese Erkenntnis kommt, dass das nun unbedingt familienfreund
licher ist. Sie müssten dabei mal erklären, wieso es familienfreundlicher ist, wenn man sein Kind für hohe Hortgebühren fremdbetreuen lassen muss oder das Kind nicht zum Freizeitsport fahren kann, weil man nämlich in der Woche arbeiten muss, weil man nämlich nicht am Samstag arbeiten kann. Ihre Vorstellungskraft sprengt es offensichtlich auch, dass der Lernerfolg bei Kindern, die Probleme in der Schule haben, sich dann eher einstellt, wenn sich ein Elternteil gemeinsam mit dem Kind nachmittags um Hausaufgaben oder Lernprobleme kümmern kann, nachmittags in der Woche, wenn das Kind auch aufnahmebereit ist. Aber nach Ihrem Konzept, was Sie parteiübergreifend verfolgen, nach Ihrem Konzept, in dem alles vorgeschrieben ist, müssen Eltern eben nachmittags in der Woche arbeiten, denn samstags ist es ja nur ausnahmsweise zulässig und in der Regel verboten. Man stellt sich auch die Frage, was das Problem der Landesregierung und auch der CDU ist, wenn eine Verkäuferin erkennt, dass sie sich den Urlaub mit ihrer Familie nur dann leisten kann, wenn sie an den provisionsreichen Samstagen arbeitet, zumindest für eine gewisse Zeit. Da frage ich mich: Warum wollen Sie das verbieten? Das wäre mal ein Detail, wo Sie erklären müssen, was daran familienfreundlich sein soll.
Ein generelles Beschäftigungsverbot an zwei Samstagen im Monat, unabhängig vom eigenen Familienstand oder familiären Bedürfnissen und Wünschen hat mit Arbeitnehmerschutz und Familienfreundlichkeit nichts zu tun.
Wir fragen uns auch, warum in anderen Bundesländern analoge Regelungen nicht vorhanden sind, Arbeitnehmer dort trotzdem tätig sind und diese Fachkräfte nicht nach Thüringen strömen, wenn hier doch alles so unglaublich familienfreundlich ist. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich um Familienfreundlichkeit kümmern wollen, dann sollten Sie sich auf andere Dinge fokussieren, zum Beispiel auf bezahlbare Kindergartenbeiträge oder unbefristete Jobs, für ein Ende der Kettenbefristung, wie Sie sie auch im staatlichen Bereich handhaben, zum Beispiel an Schulen oder an Universitäten. Da, meine Damen und Herren, können Sie sich austoben, wenn Sie für Familienfreundlichkeit sorgen. Das Ladenöffnungsgesetz ist nach unserer festen Überzeugung der falsche Ort dafür, jedenfalls was unseren Gesetzentwurf angeht.
Denn unser Gesetzentwurf traut dem Arbeitnehmer zu, seine Interessen eigenverantwortlich wahrzunehmen. Mit unserer Regelung ermöglichen wir ausschließlich dem Arbeitnehmer, nicht dem Arbeitgeber, die Entscheidung zu treffen. Für den Arbeitgeber gilt immer noch der Normalfall, nämlich zwei Samstage müssen grundsätzlich arbeitsfrei bleiben.
Die Neuregelung bietet nur dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, darüber hinaus ausdrücklich auf eigenen Wunsch die Arbeitsleistung bereitzustellen. Jetzt kommen Sie sicherlich mit dem Argument, auch der Arbeitnehmer kann sich selbst ausbeuten und möglicherweise gegen die Macht des Arbeitgebers gar nicht wehren. Aber auch darauf kann ich Ihnen antworten: Die Regelung, die wir getroffen haben, orientiert sich am Mutterschutzgesetz – Herr Brandner hat es schon erwähnt. Das Mutterschutzgesetz, welches den Schutz eines der schutzwürdigsten Arbeitnehmer überhaupt regelt, ist sicherlich unverdächtig, die Ausbeutung von Arbeitnehmern zu fördern. Im Übrigen ist das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hier in Thüringen in der Regel ein sehr familiäres, zumindest in diesen kleinen, traditionellen Bäckereigeschäftsstellen. Hohe Löhne zur Bindung der Angestellten an das Unternehmen können sich die Unternehmer nämlich meist nicht leisten. Aber eine familiäre freundliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber kann diese Bindung durchaus herstellen. Zwang ist – falls Sie diesen befürchten – schon deshalb schwer vorstellbar, weil die beginnende demografische Katastrophe schließlich dafür sorgt, dass weniger Arbeitskräfte für die Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Selbst ein rücksichtsloser Unternehmer – und das dürfte die krasse Ausnahme sein, die meisten Unternehmer sind aus den genannten Gründen auf ein gutes Betriebsklima angewiesen – würde sich in dieser Situation dreimal überlegen, ob unter Inkaufnahme eines Rechtsbruchs – denn das wäre es außerdem – Druck auf Arbeitnehmer ausgeübt wird, die jederzeit irgendwo anders eine Anstellung finden können.
Es gibt also viele gute Gründe, den Gesetzentwurf umzusetzen. Daher beantragen wir die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft und hoffen dort auf eine konstruktive Diskussion.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Der von der AfD vorgelegte Gesetzentwurf zum Ladenöffnungsgesetz ist nach unserer Auffassung eine schlechte Kopie der FDP aus der letzten Legislatur.
Damals versuchte die FDP durch verschiedene Vorschläge, vor allen Dingen die Öffnungszeiten in der Weihnachtszeit zu beeinflussen. Ihr Gesetzent
wurf ist unsozial, unwirtschaftlich und unökologisch. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Ihr Gesetzentwurf ist nichts anderes als ein Einzelhandelsgesetz, welches die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerseite völlig vergisst.
Wie stellen Sie sich zum Beispiel vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich freiwillig bereit erklären, an mehreren Samstagen zu arbeiten, wenn ihre Einstellung davon abhängig ist. Das Thüringer Ladenöffnungsgesetz ist in erster Linie ein Arbeitsschutzgesetz und das haben Sie nicht verstanden. Arbeitsschutz umfasst nicht nur gesundheitliche Aspekte, sondern auch soziale. Sie wollen, dass Arbeitnehmerinnen – und es sind vor allem Frauen, die im Einzelhandel arbeiten – möglichst an Wochenenden arbeiten. Aber Sie sind gegen jegliche Fremdbetreuung! Das passt doch nicht zusammen.
Sie wollen, dass Frauen möglichst viele Kinder bekommen, aber sorgen nicht dafür, dass es auch am Wochenende Familienzeit gibt.
Es zeigt erneut: Vereinbarkeit von Familie und Beruf findet keinen Platz in der Politik der AfD. Längere Öffnungszeiten helfen nicht Familien beim Einkaufen, sondern schaden diesen in ihrer Lebenssituation. Jede weitere Ausweitung der Ladenöffnungszeiten geht zulasten der Familien. Das derzeit gültige Thüringer Ladenöffnungsgesetz hat die damalige schwarz-rote Koalition beschlossen und zum Ende des Jahres wurde eine sehr passende Evaluierung durchgeführt.
Den Bericht können Sie gern noch einmal in der Drucksache 6/1565 mit dem Datum 29. Dezember 2015 nachlesen. Ja, zur Bindung der Angestellten an das Unternehmen es gibt Problemlagen durch die 2011 erfolgte Gesetzesänderung. Eine umstrittene Bestimmung, dass Verkäufer an mindestens zwei Samstagen im Monat nicht beschäftigt werden dürfen, wird von einem Teil der Arbeitgeber nicht gewünscht. Die Gewerkschaft ver.di lobt die Regelung und die Betriebsräte setzen sich ebenfalls für die Beibehaltung der deutschlandweit einmaligen Regelung ein. Als Ergebnis der Evaluierung wird klar, dass die Landesregierung zurzeit keinen Handlungsbedarf sieht und das sehen wir genauso. Auch wir haben uns intensiv mit Bäckerinnungen beraten, Betriebsräte angehört. Wir haben mit lokalen und regional arbeitenden Bäckerinnen und Bäckern gesprochen. Auch uns wurde gesagt, dass eine stärkere Möglichkeit zur Ausweitung der Öffnungszeiten möglicherweise sinnvoll wäre und damit eine Konkurrenz gegen Discounter und Tankstellen darstellen könnte. Aber wir haben auch gehört, dass gerade bei den kleinen Bäckereien, die Wert auf regional hergestellte Produkte legen, die längeren Ladenöffnungszeiten natürlich auch zu
Wir Grünen verstehen auch die Probleme und Herausforderungen, vor denen das Bäckerhandwerk an sich steht. 20 bis 30 Bäckereibetriebe schließen durchschnittlich pro Jahr. Gründe dafür sind mangelnder Nachwuchs, zu wenig Einnahmen und ein starker Konkurrenzdruck von Discountern.
Sehr geehrte Damen und Herren, im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün ist Folgendes vereinbart: Die Sonn- und Feiertagsarbeit soll auf das erforderliche Minimum beschränkt werden. Dazu stehen wir auch. Wir brauchen einen Einklang der Interessen des Einzelhandels, von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Angestellten im Einzelhandel. Der Sonn- und Feiertagsschutz ist nun mal ein Grundrecht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ein unverzichtbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Wir wollen, dass die Samstagsregelung in dem Maße erhalten bleibt, dass mindestens zwei zusammenhängende Tage für Arbeitnehmer frei bleiben. Wir müssen ein Zeichen setzen, um Privatleben und Arbeit wieder auszugleichen.
Ihr Gesetzentwurf ist weder arbeitnehmer- oder familienfreundlich noch wirtschaftsfreundlich. Wir Grüne verstehen das Ladenöffnungsgesetz als ein Arbeitsschutz- und kein Wirtschaftsförderungsgesetz. Wir wollen die Teilnahme an einem sozialen Leben fördern. Das gelingt aber nur mit geregelten und normalen Arbeitszeiten. Das Bundesverfassungsgericht – und Frau Holzapfel hat es vorhin auch schon gesagt – hat mit dem Beschluss vom 14. Januar 2015 die gesetzliche Bestimmung zur Beschränkung der Arbeit in Verkaufsstellen am Samstag als verfassungsgemäß bestätigt. Im Sinne der über 64.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Thüringer Einzelhandel sowie für die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler und im Kundeninteresse stimmen wir diesem Gesetzentwurf nicht zu. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Pfefferlein. Weitere Wortmeldungen vonseiten der Abgeordneten sehe ich nicht, sodass ich jetzt für die Landesregierung Frau Ministerin Werner das Wort erteile.
Danke, Herr Präsident. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, namens der Landesregierung nehme ich zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD wie folgt Stellung: Neben der Streichung der Bestimmung über die zwei arbeitsfreien Samstage im
Monat für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Verkaufsstellen wird mit dem Gesetzentwurf auch eine deutliche Ausdehnung der Ausnahmeregelung zum Verkauf bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen nach § 9 Thüringer Ladenöffnungsgesetz angestrebt. Es wurde schon gesagt, es ist nicht der erste Gesetzentwurf einer Fraktion, der die Öffnung der Beschäftigungsbeschränkung an Samstagen verfolgt. Vergleichbare Gesetzentwürfe wie den der damaligen Fraktion der FDP im Jahr 2013 hatte der Thüringer Landtag in der Vergangenheit abgelehnt.
Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2015 zur Verfassungsbeschwerde gegen § 12 Abs. 3 des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes wurde die gesetzliche Bestimmung zur Beschränkung der Arbeit in Verkaufsstellen an Samstagen mit folgenden Leitsätzen als verfassungsgemäß bestätigt.
1. Eine landesrechtliche Begrenzung der Samstagsarbeit in Verkaufsstellen ist dem Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz zuzuordnen. Die Kompetenz für das Recht des Ladenschlusses in Artikel 74 erstreckt sich nicht auf arbeitszeitrechtliche Regelungen.
2. Der Bund hat von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für Regelungen zur Arbeitszeit in Verkaufsstellen an Samstagen bisher nicht erschöpfend im Sinne des Artikels 72 Abs. 1 Grundgesetz Gebrauch gemacht.