Protocol of the Session on February 25, 2015

Denn es entscheiden hier nicht mehr objektive Gründe über den Verbleib eines Menschen in unserem Land, weil in einem Asylverfahren nach der Prüfung des Einzelfalls festgestellt wurde, dass diese Person ein Recht auf unseren Schutz hat. Nein, diese Einzelfallprüfung ist bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass derjenige eben kein Recht auf

(Abg. Rothe-Beinlich)

einen Verbleib in Deutschland hat und unser Land verlassen muss. Die Landesregierung konstruiert unter Zuhilfenahme des Klimas und des Wetters einen Grund, den Aufenthalt noch ein paar Monate zu verlängern. Das ist nicht im Sinne des Gesetzes, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, AfD)

In der Begründung für diese Maßnahme fällt immer wieder der Begriff der humanen Geste – eine sehr kurz gedachte Geste der Humanität. Schließlich folgt nach der Abschiebung im Frühjahr, nach dem Winterabschiebestopp, ein Sommer und unweigerlich der nächste Winter, den dann der Abgeschobene in seiner Heimat auch überstehen muss, und das jedes Jahr wieder, erneut.

(Beifall CDU, AfD)

Oder rechnen Sie damit, dass für viele dieser Menschen auch der nächste Winterabschiebestopp, den wir anscheinend in diesem Jahr 2015 auch wieder erleben werden, einen neuen Aufenthalt hier in Thüringen ermöglicht? Wie absurd dieses Winter-Argument ist, zeigt sich auch erst bei näherer Betrachtung. Herr Minister Lauinger sagte, es gäbe in jedem betroffenen Land Regionen, in denen im Winter schwierige klimatische Bedingungen herrschen. Das mag grundsätzlich stimmen. Ich frage mich dann nur: Was herrschen denn im Sommer für Bedingungen beispielsweise im Irak oder in Afghanistan? Ich habe das mal herausgesucht. In Bagdad, mittleres Temperaturmaximum im August 43,3 Grad, ohne Klimaanlage.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Oder Bombenwetter!)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie sind genauso schlimm wie Herr Höcke!)

(Unruhe DIE LINKE)

Kandahar, Afghanistan, mittleres Temperaturmaximum 40,2 Grad Celsius.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Bom- benwetter!)

Wenn Sie jetzt an einen Sommerabschiebestopp denken, meine Damen und Herren, bitte gleich wieder vergessen. Was ist denn nun schlimmer? Die 40 Grad im Sommer oder 5 Grad Temperaturminimum im Winter in Bagdad oder 0 Grad Temperaturminimum im Winter im Januar in Kandahar?

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Der Krieg in diesen Ländern!)

Ich kann es Ihnen sagen: Keines von beiden ist schlimmer.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Dann machen Sie doch Urlaub dort, Herrgott!)

Denn die Menschen leben in diesen Regionen seit Tausenden Jahren mit diesen klimatischen Bedingungen. Wenn das unzumutbar wäre, hätten wir dort jedes Jahr Völkerwanderungen. Die kann ich allerdings nicht erkennen, meine Damen und Herren.

(Unruhe CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Irgendwo ist immer schlechtes Wetter.

(Beifall CDU, AfD)

Wetter und Klima sind aber kein Abschiebehinderungsgrund, solange es sich nicht um eine Naturkatastrophe wie beispielsweise beim Tsunami in Banda Aceh handelt. Es gibt tatsächliche Hinderungsgründe für eine Abschiebung, beispielsweise das Fehlen der Reisefähigkeit aufgrund einer akuten Krankheit. Liegt ein solcher Grund allerdings nicht vor, muss jeder vollziehbar Ausreisepflichtige, wie es auf Amtsdeutsch so schön heißt, konsequent abgeschoben werden, unverzüglich und jederzeit. Ansonsten wird das gesamte Asylverfahren zur Farce, meine Damen und Herren. Vielen Dank.

(Beifall CDU, AfD)

Vielen Dank. Vonseiten der Abgeordneten liegen mir jetzt keine Redemeldungen mehr vor. Ich erteile hiermit das Wort Herrn Minister Lauinger für die Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, nach der etwas emotionalen Debatte versuche ich mich jetzt in einer eher emotionslosen Darstellung der Rechtslage. Das Thüringer Innenministerium hat am 9. Dezember 2014 nach einem entsprechenden Kabinettsbeschluss der Landesregierung eine Abschiebestoppanordnung auf der Grundlage von § 60 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes erlassen. Die Abschiebestoppregelung sieht vor, dass Abschiebungen in 15 näher bezeichnete Staaten, wie zum Beispiel Afghanistan, Irak oder Serbien, bis zum 31.03.2015 auszusetzen sind. Es handelte sich dabei um einen humanitären Akt, der aufgrund des bevorstehenden Winters keinen Aufschub geduldet hat. Nach bekannten Erkenntnissen ist gerade im Zusammenhang zwischen klimatischen Verhältnissen und der allgemeinen Unterbringungssituation zu befürchten, dass für die Betroffenen selbst die grundlegenden Bedingungen ihres Lebens nicht in allen Teilen ihres Herkunftslandes gewährleistet werden können. Deshalb ist die Nennung konkreter Staaten in unseren Augen notwendig, zumal wir keinen Einfluss darauf haben, in welche Landesteile die Flüchtlinge

(Abg. Herrgott)

zurückgeführt werden. Die Fraktion der AfD hat nunmehr ein Rechtsgutachten zur Überprüfung dieser Abschiebestoppregelung in Auftrag gegeben. Der Gutachter Herr Prof. Dr. Schachtschneider ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die AbschiebeStopp-Regelung rechtswidrig und unwirksam sei. Er begründet dies insbesondere damit, dass § 60 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes keine tragfähige Rechtsgrundlage für die Anordnung des Innenministers gewesen sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die in diesem Rechtsgutachten vertretene Rechtsauffassung wird von der Landesregierung ausdrücklich nicht geteilt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unabhängig von der Frage, dass es sich bei dem Aufenthaltsgesetz um ein Bundesgesetz und nicht um ein Landesgesetz handelt, sodass sich bereits aus diesem Grund die Frage stellt, ob der Thüringer Landtag tatsächlich der richtige Ort ist, um über die Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes zu diskutieren, ist die Vorschrift des § 60 a Abs. 1 seit der Neufassung des Ausländerrechts im Jahr 2004 im damals neu geschaffenen Aufenthaltsgesetz enthalten und seit dem 1. Januar 2005 in Kraft, das heißt seit mehr als zehn Jahren. Seit dieser Zeit, also seit mehr als zehn Jahren, ist die Regelung von keinem einzigen Gericht in Deutschland auch nur im Ansatz für rechtswidrig oder unwirksam erklärt worden. In der gesamten Wissenschaft und juristischen Kommentarliteratur gibt es keine einzige ernst zu nehmende Meinung, die die Auffassung vertritt, dass die Regelung des § 60 a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz rechtswidrig sein könnte. Dies lässt sich im Übrigen auch nicht damit begründen, dass die im Gesetz genannten Voraussetzungen, zum Beispiel der humanitären Gründe, auslegungsbedürftig sind. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in Gesetzen ist grundsätzlich Gesetzen systemimmanent und es ist genau Aufgabe der Justiz, in Gesetzen dann solche unbestimmten Rechtsbegriffe auszulegen. Es ist daher zweifelsfrei so, dass § 60 a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz eine wirksame Ermächtigungsgrundlage dafür darstellt, um aus humanitären Gründen als Landesregierung anzuordnen, dass die Abschiebung von Ausländern in bestimmte Staaten für einen Zeitraum von sechs Monaten ausgesetzt werden kann. Daran kann kein Zweifel bestehen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Doch, der besteht!)

Von dieser Regelung hat das Innenministerium Gebrauch gemacht, indem es angeordnet hat, vom 9. Dezember 2014 bis zum 31. März 2015 keine Abschiebungen in die dort genannten Staaten durchzuführen. Der humanitäre Akt, auf den sich die Landesregierung beruft, ist, dass nicht gewähr

leistet werden kann, dass aufgrund der dort herrschenden winterlichen Verhältnisse bei einer Rückkehr der Abzuschiebenden diese tatsächlich würdevoll und sicher aufgenommen werden. Die Landesregierung fühlt sich ausdrücklich einer humanitären Behandlung von Flüchtlingen verpflichtet, auch – und das sage ich an dieser Stelle ganz klar – wenn diese nach einem negativen Ausgang des Asylverfahrens wieder in ihre Heimat oder Herkunftsländer zurückkehren müssen. Aus diesem Grunde hat sie mit der Abschiebestoppregelung die zweifelsfrei geltende bundesrechtliche Ermächtigung genutzt und ein deutliches Zeichen der Humanität gesetzt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber nicht der Rechtsstaatlichkeit!)

Abschließend möchte ich noch auf zwei Punkte hinweisen, die mir wichtig sind: Thüringen war nicht das einzige Land, auch Schleswig-Holstein hat eine entsprechende Abschiebestoppregelung im Dezember letzten Jahres beschlossen. Ich gestehe Ihnen zu, dass diese Frage auch in anderen Bundesländern diskutiert worden ist. Es gab auch Stimmen, die Thüringen für diese Entscheidung kritisiert haben. Diese Kritik bezog sich jedoch immer und ausschließlich auf die politische Entscheidung. Auch Menschen, die diese Entscheidung für falsch gehalten haben, haben niemals die Rechtmäßigkeit der Thüringer Entscheidung in Zweifel gezogen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Lauinger. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten, schließe damit den dritten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den vierten Teil auf

d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Impfschutz gegen Masern lückenlos herstellen – über Notwendigkeit der Impfung aufklären und Gefahren für nicht geimpfte Kinder und Erwachsene aufzeigen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/277

Ich rufe Frau Abgeordnete Birgit Pelke auf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz kurz einen Satz vorwegschicken:

(Minister Lauinger)

Aufgrund des Maserntods eines Kleinkindes in Berlin hat unsere Aktuelle Stunde eine besondere, eine traurige Aktualität erhalten und ich bin mir sicher, dass dieses Schicksal hätte verhindert werden können, wenn das Kind geimpft gewesen wäre.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Mittlerweile ist auch bekannt, dass es bereits in Erfurt zu Masernfällen gekommen ist. Seit heute Mittag wissen wir, dass es zwei Masernfälle in Erfurt gibt, und zwar in einer Kinderkrippe und auch in einer Erfurter Asylbewerbereinrichtung. Zwei Fälle derzeit, wie gesagt, sind festzuhalten.

Masern, meine Damen und Herren, gehören weltweit zu den ansteckendsten Krankheiten und in der Regel erkranken alle Personen, die Kontakt zu einem Erkrankten hatten, sofern sie nicht geimpft bzw. durch eine durchgemachte Masernerkrankung geschützt sind. Die Weltgesundheitsorganisation – WHO – hat sich zum Ziel gesetzt, die Masern weltweit auszurotten. Aufgrund breit angelegter Impfkampagnen weltweit sank die Zahl der Maserntoten zum Beispiel von 873.000 noch im Jahr 1999 auf 164.000 im Jahr 2008. Es gibt mittlerweile allerdings auch Länder, die frei von der Masernkrankheit sind, beispielsweise Skandinavien.

Es erkranken jedes Jahr in Deutschland mehrere Hundert Menschen an Masern und es kann auch – wie ich schon angesprochen habe – zu Todesfällen kommen, denn – so sagt auch die Weltgesundheitsbehörde – Masernausbrüche lassen sich erst verhindern, wenn mindestens 95 Prozent der Bevölkerung immun sind. Die Impfung gegen Masern besteht aus zwei zeitlich getrennten Impfungen. Nach den Empfehlungen der Impfkommission sollten die ersten Masernimpfungen meist in Kombination mit dem Schutz vor Mumps und Röteln vom 11. bis 14. Lebensmonat erfolgen, eine zweite Impfung optimalerweise zwischen dem 15. und 23. Lebensmonat, um auch jene Kinder zu erreichen, deren Immunsystem nach der ersten Impfung noch keinen ausreichenden Schutz aufgebaut hat.

Nicht geimpfte Kinder – lassen Sie mich das an dieser Stelle noch mal ganz deutlich sagen – sind vor allem auch für Kinder gefährlich, die die erste Masernimpfung erhalten haben und noch keinen kompletten Impfschutz aufgebaut haben oder die unter einem Jahr alt sind und deshalb zumeist noch nicht geimpft wurden, sowie diejenigen, die aufgrund einer Erkrankung nicht geimpft werden konnten.

Allen, die sagen, dass sie Vorbehalte gegen Impfen haben, lassen sich gesagt sein, Komplikationen treten nach Impfungen nur in sehr selten Fällen auf. Das Paul-Ehrlich-Institut dokumentiert diese jährlich. In den Fällen, in denen es zu Komplikationen kommt, sind diese meist nur leicht und nicht schwerwiegend oder lebensgefährlich, im Gegen

satz zur Erkrankung an sich, die ja auch bei Weitem schwerwiegende Folgen mit sich bringen kann.

Mittlerweile rufen auch die Krankenkassen auf, dass sich die Menschen bewegen sollten, ihren Impfstatus zu überprüfen, wie beispielsweise die Barmer Krankenkasse. Sie sagen, Masern sind mitnichten ausschließlich eine Kinderkrankheit. In den vergangenen Jahren erkrankten nicht nur Kleinkinder, sondern vermehrt auch Ältere, mehr als die Hälfte der Masernerkrankungen betreffen heute Jugendliche und Erwachsene. Sie sagt auch, dass die Masernimpfung eine hochwirksame Prävention ist, vor allem auch Eltern von Säuglingen sollten geimpft sein. Da Babys frühestens ab neun Monaten geimpft werden können, entstehe in dieser Zeit eine gefährliche Immunitätslücke.

Zu Thüringen: In Thüringen liegt die Impfquote bereits bei 93 Prozent. Wie gesagt, nur 7 Prozent der Kinder im entsprechenden Alter sind nicht geimpft. Damit sind wir bundesweit auf einem Spitzenplatz. Das ist gut so, darauf können wir stolz sein, aber es könnte auch noch mehr werden, ich sprach vorhin diese mindestens 95 Prozent an. Auch dass bei uns bei regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen der Impfstatus kontrolliert und auf Lücken hingewiesen wird, dass beraten wird, dass Eltern beraten werden, das ist, denke ich, ganz wichtig.