Protocol of the Session on April 22, 2016

(Beifall AfD)

Haben Sie sich beispielsweise Gedanken über die Vielzahl von formalisierten Belehrungshinweisen und Informationspflichten gemacht, die keinem Verbraucher wirklich etwas nützen, aber schon manchen potenziellen Unternehmensgründer, vor allem im Onlinebereich, abgeschreckt haben? Allein die Erstellung einer Homepage enthält für ein Start-up heute schon genügend gefährliche juristische Fallstricke für den unternehmerischen Erfolg.

Auch die neuen Antidiskriminierungsvorgaben sorgen für ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit, nicht nur bei der Einstellung von Mitarbeitern, sondern auch bei der Vermietung von Wohnungen und allen anderen Geschäftsbeziehungen. Noch eine Frage: Wer hat eigentlich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, den Mindestlohn und die damit verbundene Bürokratie eingeführt? Wie an so vielem, das unser Land den Bach hinunter gehen lässt, klebt auch an diesem Projekt die Marke der CDU und Angela Merkel.

(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- schaft: Die Rentenerhöhung der Ostdeut- schen verdankt sich dem Mindestlohn!)

Darüber können wir auch noch einmal sprechen, über die Rentenerhöhung und die Rentenpolitik der Regierungskoalition; sehr gern, Herr Tiefensee. Das ist aber heute nicht unser Thema.

Wir sehen, es gäbe für die CDU auf der Ebene der Politik, in der sie eine bestimmte Rolle spielt, eine Menge Reformbedarf zur Entlastung der Wirtschaft, aber es ist auch typisch für die CDU, nur aus der Opposition in den Ländern heraus, dem Bürokratieabbau das Wort zu reden – und dort, wo sie auch in der Regierung beteiligt ist, nichts zu tun. Insofern muss ich sogar mal dem Wirtschaftsminister hier zu meiner Linken recht geben.

Wenn Sie es also wirklich ernst meinen würden mit der Entlastung unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen, müssten Sie Ihr Anliegen bei Ihrer Bundesregierung vortragen, liebe CDUKollegen, denn die meisten bürokratischen Belastungen, unter denen die Wirtschaft leidet, können nur von dieser beendet werden. Falls Ihnen da ein bisschen Orientierung fehlt, helfen wir Ihnen natürlich auch gern weiter, und zwar mit unserem Alternativantrag und den darin geforderten Maßnahmen.

(Beifall AfD)

Wir fordern darin die Landesregierung auf, sich im Bundesrat mit einem Maßnahmenpaket für eine echte Entlastung des Mittelstands, aber auch der kleineren Unternehmen einzusetzen, dabei insbesondere die folgenden Punkte aufzugreifen: Da wäre zunächst die Bürokratie rund um die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zu nennen. Viele Unternehmen sind nach der aktuellen Rechtslage zur Schätzung der abzuführenden Beiträge und dann zur Korrektur der Fehler der Schätzungen im folgenden Monat gezwungen und müssen so die Lohnabrechnung für ihre Mitarbeiter zweimal anfassen, also statt zwölf Lohnabrechnungen pro Mitarbeiter 24 Lohnabrechnungen pro Mitarbeiter durchführen.

Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sind durch den hiermit verbundenen erhöhten EDVAufwand und Arbeitsaufwand in der Lohn- und Finanzbuchhaltung schwer belastet. Die Rücknahme dieser Regelung wird daher bereits seit Jahren unter anderem durch die Kammern gefordert, aber sie findet weder bei Ihnen noch bei Ihnen Gehör.

Daher fordern wir die Landesregierung auf, sich für eine unmittelbare, zeitlich nahe, spürbare Entlastung insbesondere der kleinen Unternehmen einzusetzen, indem die Bürokratie rund um die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge spürbar abgebaut wird, mindestens durch eine vereinfachte Beitragsschätzung für alle Unternehmen.

(Beifall AfD)

Ein anderer wichtiger Aspekt, den unser Alternativantrag berücksichtigt, betrifft die Anpassung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter. Ja, selbst auf so kleiner Ebene kann man etwas für die Wirtschaft tun. Sogenannte geringwertige Wirtschaftsgüter können bereits im Jahr ihrer Anschaffung vollständig gewinnmindernd berücksichtigt werden, was zu erheblichen Arbeitserleichterungen für die Unternehmen führt. Der Höchstbetrag für geringwertige Wirtschaftsgüter verharrt seit Jahrzehnten auf demselben Niveau von 410 Euro; das heißt, die Politik hat die zwischenzeitlich erfolgten Wertentwicklungen komplett ignoriert. Es würde zu einer enormen Entlastung der Unternehmen führen, wenn die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf einen Betrag von 1.000 Euro angehoben wird.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Das ist aber Bundespolitik!)

Ja, das ist Bundespolitik. Da haben Sie bzw. hat Ihre Partei übrigens auch ein Wörtchen mitzureden und deswegen sollten Sie das einfach mal an Ihre Kollegen im Bund durchstellen. Das ist eine Möglichkeit, die die SPD hätte,

(Beifall AfD)

womit sie einmal positiv hervortreten könnte.

In dieselbe Liga, Herr Hey, fällt auch die Anhebung der umsatzsteuerlichen Kleinstbetragsgrenzen. Die erleichtern die Rechnungsprüfung für Rechnungen bis 150 Euro, weil für solche Rechnungen die Pflichtangaben reduziert sind. Europarechtlich zulässig wäre eine Erhöhung der Grenze für Kleinbetragsrechnungen auf 300 Euro. Gerade im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen würde dies eine spürbare Verfahrensvereinfachung und Bürokratieentlastung darstellen. Wie Sie sehen, kann man sich durchaus um genügend konkrete Probleme kümmern, wenn man es mit dem Bürokratieabbau für kleine und mittelständische Unternehmen ernst meinen will. Man braucht dafür nicht noch mehr Papier für irgendeine Bürokratievorprüfung zu entwerfen.

Natürlich fällt zum Thema „Bürokratie“ auch das Stichwort „Bildungsfreistellungsgesetz“. Nicht nur in unserem Alternativantrag, auch im Antrag der CDU ist es erwähnt. Aber im Gegensatz zur CDU sind wir uns sicher, dass es dieses Gesetz nicht braucht und dass die Wirtschaft hierdurch mit Bürokratiekosten belastet wird. Wir fordern daher nicht die Bewertung, sondern die sofortige Abschaffung des Bildungsfreistellungsgesetzes.

(Beifall AfD)

Bei allen, die jetzt als Gäste oder im Livestream allzu hoffnungsvoll sind, dass sich etwas für die Wirtschaft tut, dass die Bürokratie tatsächlich abgebaut und dereguliert wird, muss ich leider die Erwartung dämpfen: Die in Kürze stattfindende Abstimmung

wird uns mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wieder einmal das Ausmaß an Erkenntnisresistenz in der rot-rot-grünen Koalition zeigen. Ebenso wird sie uns zeigen, dass die CDU unter keinen Umständen die bürokratische Belastung angehen möchte, für die sie im Bund mitverantwortlich ist.

Es bleibt daher am Schluss meines Beitrags die Feststellung und ein Versprechen: Echten Bürokratieabbau wird es nur mit einer starken blauen Flanke in der Politik geben.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall AfD)

Die AfD, die als Einzige in diesem Landtag noch weiß, was wirklich mit sozialer Marktwirtschaft gemeint ist – wir haben es mal nachgelesen –,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau, Sie haben mal gelesen!)

wird auch weiterhin den Finger in die Wunde legen. Schaufensteranträge wie den von der CDU werden wir entzaubern

(Heiterkeit CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Zauberer von Oz! Hokuspo- kus!)

und die wirtschaftsfeindliche linke und rote und grüne Politik dieser Landesregierung und der Regierungsfraktionen werden wir klar benennen.

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Damit bin ich am Ende meines Vortrags angekommen. Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Jetzt sind Sie dran.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Hausold zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Jetzt kommt der Vorzeigeunternehmer der Linken! Ich hole mir mal eine Bockwurst!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegen von der CDU, Kollege Dr. Voigt, in einem sind wir uns, glaube ich, erst mal sogar einig: Über kleine und mittelständische Unternehmen in Thüringen die politische Debatte zu führen, besteht ständig Notwendigkeit. Es steht auch diesem Hause gut zu Gesicht, dass wir uns dazu und zu einzelnen Fragen miteinander entsprechend ins Benehmen setzen. Allerdings will ich

(Abg. Möller)

auch darauf verweisen, dass im weiteren Teil meiner Bemerkungen in dieser Debatte deutlich werden wird, dass unsere Positionen hier durchaus auseinandergehen, aber dafür sind wir schließlich unter Demokraten in der Erörterung wichtiger politischer Fragen für dieses Land. Herr Dr. Voigt, Sie haben auch die Situation in der Thüringer Wirtschaft unter dieser rot-rot-grünen Landesregierung recht kritisch dargestellt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Für die Thüringer Wirtschaft!)

Es wird Sie nicht verwundern, dass ich da etwas anderer Auffassung bin. Ich bin auch der Auffassung, dass wir ein bisschen mehr bei den Fakten bleiben müssen. Dann können wir aus meiner Sicht nicht zu solchen Einschätzungen kommen, wie Bürokratie und Regelungswut und alles andere sozusagen fast den Untergang unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen zukünftig heraufbeschwören kann, denn da, meine Damen und Herren, sprechen die Fakten eindeutig eine andere Sprache in unserem Land.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben eine Thüringer Wirtschaft und Industrie auch im kleinen und mittelständischen Bereich, die sich insgesamt trotz aller Unwägbarkeiten und Probleme, die vielfach auch in Korrespondenz mit Außenwirtschaft und anderen wirtschaftlichen Entwicklungen stehen, gut entwickelt. Das betrifft die Auftragslage – ich will Sie hier nicht unbedingt mit einzelnen Zahlen bombardieren –, das betrifft die Binnennachfrageentwicklung, das betrifft insgesamt auch das Auslandsgeschäft.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Dann müssen wir mal schauen, wo das Wirt- schaftswachstum hinläuft!)

Wir hatten gerade die Wirtschaftsdelegation mit dem Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsminister und vielen Wirtschaftsleuten in Russland in den letzten Tagen. Ich will das hier auch einmal sagen: Das ist für die Thüringer Wirtschaft ein ungemeiner Gewinn und wird auch so eingeschätzt. Selbst in schwierigen politischen Zeiten wollen wir und will diese Regierung – sie will es nicht nur, sie tut es auch – etwas zum Beispiel für die weitere Entwicklung der Außenwirtschaftsbeziehungen der Thüringer Unternehmen tun, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gehört doch auch in den Fokus unserer Bewertung und Einschätzung. Wir haben, da bin ich beim Thema „Arbeitgeberseite/Arbeitnehmerseite“, weiter einen Rückgang der Arbeitslosigkeit in Thüringen zu verzeichnen. Das ist auch so, obwohl „die Kritiker des Mindestlohns“ immer heraufbeschworen

haben, dass gerade das nicht passieren wird. Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall: Diese Mindestlohnregelung ist ein Segen, das will ich so sagen, auch für die Thüringer Wirtschaft, die das im Übrigen auch selbst so einschätzt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun ist natürlich im politischen Raum klar, dass bei den Auseinandersetzungen und politischen Bewertungen, Entwicklungsrichtungen usw. die Meinungen in dem demokratischen Diskurs auseinandergehen. Aber ich will schon sagen, das, was ich gegenwärtig in Gesprächen mit Unternehmen, Kammern usw. selbst erlebe – an der Stelle kann ich auch die Einschätzung des Ministers bestätigen –, was ich zum Beispiel auf dem Jahresempfang der IHK und der Handwerkskammer hier in Erfurt gehört habe, was die Bewertung der Landesregierung und demzufolge das Setzen der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen durch diese Landesregierung von den maßgeblichen Vertretern betrifft, ist zum überwiegenden Teil positiv, meine Damen und Herren. Kritik wird es im Detail immer geben müssen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)