Protocol of the Session on April 22, 2016

Ich spreche mich dafür aus, dass wir einen Punkt – da komme ich noch mal kurz zu Sigmar Gabriel zurück – in der Landesregierung, aber auch im Landtag gründlich bedenken, nämlich die Frage: Was ist eigentlich, wenn wir eine neue Belastung einführen? Können wir nicht – so wie er vorschlägt – eins zu eins eine weitere Belastung abbauen, damit es quasi einen Gleichstand gibt? Das werden wir prüfen und ich denke, wir können Ihnen da die Antwort geben.

Bildungsfreistellung: Ich weiß, Sie opponieren dagegen, obwohl sich die Kammern längst mit diesem Bildungsfreistellungsgesetz abgefunden haben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: „Abgefun- den“ ist ein gutes Wort!)

Ich bitte Sie noch einmal, Folgendes zu bedenken: Wenn man für den Mittelstand spricht, meine Damen und Herren, dann spricht man nicht nur für die Arbeitgeber. Unternehmen setzen sich aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie Sie als angeblich mittelstandsfreundlich den Scheinwerfer, den Fokus immer nur auf die Arbeitgeber richten.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Nein, diese Landesregierung, dieser Landtag – RotRot-Grün – hat beides im Blick, weil wir wissen: Wirtschaftliche Kraft entsteht nur, wenn wir die Arbeitnehmerschaft mit ihren Belangen, mit ihren Notwendigkeiten genauso im Blick haben wie die Arbeitgeber. Jetzt haben wir in dem Bildungsfreistellungsgesetz eine Grenze festgelegt – ab fünf Beschäftigten aufwärts. Sie wissen, dass wir ungefähr 88.000 Unternehmen haben, 680.000 Beschäftigte. Wir haben nachgeschaut: Rund 550.000 Beschäftigte sind also von diesem Gesetz betroffen. Wir haben intensiv darüber diskutiert, wie wir das Proze

(Minister Tiefensee)

dere verschlanken, die Kosten senken können. Wir wissen aus den Erfahrungen anderer Bundesländer, dass die Nachfrage begrenzt sein wird. Im Durchschnitt etwa 0,8 Prozent der Beschäftigten fragen eine solche Bildungsfreistellung nach. Wir haben verankert, dass man acht Wochen vorher beantragen muss, und wir gehen davon aus, dass der Arbeitgeber nichts anderes zu tun hat, als sich so zu verhalten, als ob der Angestellte, der Mitarbeiter einen Erholungsurlaub beantragt. Das wird wohl zu machen sein. Ich gebe aber zu, Herr Dr. Voigt, dass in der Übergangszeit bei der Einführung des Bildungsfreistellungsgesetzes durchaus zusätzliche Belastungen auftreten können, bis sich dieser Punkt eingeschwungen hat.

Dann fragen Sie danach, wie wir in der kommenden Zeit, in den kommenden Monaten des Jahres 2016 gedenken Gesetze zu verändern. Hier schlage ich Ihnen Folgendes vor. Es ist ein Katalog von zehn, zwölf Gesetzen, der beginnt beim Vergabegesetz meines Hauses, enthält im Umweltbereich eine Menge, was den Wasserschutz angeht, beim TMIL geht es um die Fragen der Bauordnung, Verwaltungskosten bei der Kollegin Heike Taubert. Das würde ich Ihnen gern in der Ausschussbefassung, so sie denn beschlossen wird, detailliert darlegen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Wenn Sie „Ausschussbefassung“ sagen, wird bei de- nen immer dagegen gestimmt. Das ist der Erfahrungswert!)

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Nein!)

Okay, dann würde ich Ihnen zusagen: Sollte dagegen gestimmt werden, sehr verehrter Herr Dr. Voigt, dann machen wir entweder ein Privatissimum oder ich werde Ihnen das schriftlich darlegen.

Jetzt hat der Herr Kollege Krumpe einen sehr interessanten Vorschlag gemacht, nämlich die Frage der Clearing-Stelle. Die Clearing-Stelle diskutiere ich, seit ich im Amt bin, intensiv mit den Kammern. Hierzu ist Folgendes zu sagen: Wir haben – das kann man am Bildungsfreistellungsgesetz sehr schön durchexerzieren und das ist auch für Dr. Voigt noch einmal sehr interessant – vor der eigentlichen Anhörung, die zu einem Gesetz regelmäßig stattfindet, zusammen mit dem Bildungsministerium ein sogenanntes Werkstattgespräch eingeführt, das noch einmal mehr öffnet, dass wir der Öffentlichkeit namentlich den Unternehmen, ihren Verbänden Gelegenheit geben, sich zu einem Gesetz, zu einer Rechtsverordnung zu äußern.

Wir haben in unserem Haus eine Clearing-Stelle, sie besteht aus einer Person in der Abteilung 3. Diese Clearing-Stelle nimmt das, was aus solchen Anhörungen zutage tritt, was uns schriftlich vermittelt wird, zur Kenntnis und spiegelt es an die Kammern zurück. Wir haben in den Kammern die Möglichkeit, all das, was von der Bevölkerung, von den

kleinen und mittelständischen Unternehmen an Anregungen kommt, aufzunehmen und wiederum dem Ministerium zurückzuspiegeln.

Ich denke, wir brauchen nicht noch eine zusätzliche Stelle, sondern wir sollten sie insofern qualifizieren, als dass wir ihnen im Rahmen der Befassung mit Rechtsvorschriften und Gesetzen darüber berichten. Aber lassen Sie uns in die Diskussion treten, ob vielleicht die Kammern im Sinne eines neuerlichen qualitativen Sprungs die Clearing-Stelle ihrerseits noch verbessern können. Das ist eine interessante Idee, der wir weiter nachgehen werden.

Jetzt frage ich Sie abschließend, ob wir im Ausschuss noch detaillierter darüber berichten sollen, meine Damen und Herren. Alle Informationen, sowohl die, die bei den Kammern vorliegen, als auch die bei uns, die auf dem Wege eines Werkstattgespräches, von Mails oder Zuschriften, die wir bekommen, oder im Rahmen der regulären Anhörung auf uns zukommen, sind abrufbar. Ich würde Sie umgekehrt bitten, jetzt nicht einen regelmäßigen Bericht zu erbitten, sondern uns gezielt bei der Befassung mit neuerlichen Rechtsvorschriften anzusprechen. Wir sind dann gern bereit, Ihnen eine Synopse, eine Zusammenfassung der entsprechenden Informationen zu geben.

So weit, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesem Thema. Ich möchte abschließend sagen: Sie rennen bei Rot-Rot-Grün, bei der Regierung und beim Landtag – wie ich sicher weiß – offene Türen ein, wenn es darum geht, das Fundament unserer Thüringer Wirtschaft, unserer Wirtschaft in Deutschland zu stärken, dort Entlastungen zu ermöglichen, wo sie gegeben sind. Wir brauchen nicht Ihre Anregungen, es bedarf nicht eines solchen Antrags, dass wir hier weiterhin tätig werden, dennoch erwarte ich eine spannende Diskussion. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Beratungen zu Sofortberichten werden in doppelter, langer Redezeit abgehalten. Wünscht jemand die Fortberatung zum Sofortbericht? Die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, der CDU – davon gehe ich aus, obwohl sich keiner meldet, doch – und der AfD. Deshalb eröffne ich auf Verlangen aller Fraktionen die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags und die Aussprache zu den Nummern II und III des Antrags der Fraktion der CDU und zu dem Alternativantrag der Fraktion der AfD. Als ersten Redner rufe ich Abgeordneten Möller, Fraktion der AfD, auf.

(Minister Tiefensee)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Kleine und mittelständische Unternehmen sind das wirtschaftliche Fundament unseres Landes. Große Konzerne haben wir hier in Thüringen nicht. Die sind deswegen alle in den Westen gegangen, weil es nach dem Zweiten Weltkrieg so war, dass alles, was unternehmerischen Sachverstand und zwei Beine hatte, schnellstmöglich in den Westen geflüchtet ist.

(Beifall AfD)

Geflüchtet sind solche Unternehmerpersönlichkeiten damals übrigens vor den Kommunisten, deren Unternehmerhass, den Umverteilungsfantasien und der Zentralverwaltungswirtschaft. Auch heute ist es so, dass Unternehmen lieber in Länder gehen, in denen der unternehmerische Handlungsspielraum mehr zählt als das dunkle Wollen von Besserwissern in der Regierung oder in Regierungsfraktionen.

(Beifall AfD)

Damit sind wir genau beim Problem hier in Thüringen. In den Reihen dieser Regierungsfraktionen, aber auch in der Regierung gibt es haufenweise Experten, die alles besser wissen. Sie wissen es besser, für welche Zwecke die Thüringer Unternehmen ihren Arbeitnehmern Urlaub zu geben haben. Sie wissen es besser, wie Thüringer Unternehmen ihr Personal auszuwählen haben und wann Thüringer Unternehmen vermeintlich diskriminieren. Sie wissen es besser, welche betrieblichen Kosten von Thüringer Unternehmen noch verkraftet werden können, egal, ob es die Lohnregulierung betrifft oder ob es die staatlich verordneten Energiepreise sind, die 10 Cent pro Kilowattstunde über den Strompreisen unserer Nachbarländer liegen. Sie wissen es besser, welche Produkte produziert werden sollten; man denke da nur an Ihre verklärte Sicht auf Elektromobile, die außer Ihnen seltsamerweise kaum einer will. Sie wissen sogar besser, welche Nationalität der Eigentümer eines Unternehmens haben soll – Kanadier bei K+S war überhaupt nichts für Sie.

Wenn man Ihren rot-rot-grünen Anspruch, wirtschaftspolitische Fragen zu regeln, betrachtet, dann müsste man in den Lebensläufen Ihrer Abgeordneten und Regierungsmitglieder Ehrfurcht gebietende und praktisch erprobte Wirtschaftskompetenz vermuten. Aber wie das eben so ist: Man sollte von der Fassade nicht auf die Substanz schließen.

(Beifall AfD)

Denn statt geballter Wirtschaftskompetenz findet man bei Ihnen Jungideologen und Agitatoren, die im ganzen Leben noch nie einer Arbeit in einem Unternehmen nachgegangen sind, geschweige denn eine Ahnung davon haben, wie ein Unterneh

men funktioniert, wie man es führt – Herr Blechschmidt –, wie man ein Produkt entwirft

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das habe ich auch schon hinter mir, also ent- schuldigen Sie mal bitte!)

das haben Sie auch schon gemacht? –, wie man es erfolgreich vermarktet, sich gegenüber der Konkurrenz behauptet oder wie sich marktwirtschaftlicher Leistungsdruck überhaupt anfühlt. Solche Experten sitzen für diese Koalition zum Beispiel im Wirtschaftsausschuss

(Zwischenruf Abg. Gentele, fraktionslos: Die, die Ahnung haben!)

oder sind in der Landesregierung für wichtige wirtschaftliche Weichenstellungen zuständig,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zum Beispiel, Herr Adams, für die Energiepolitik – nicht wahr? Jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich, jetzt fragt sich wahrscheinlich auch der Herr Wirtschaftsminister Tiefensee, warum ich ihm das alles erzähle, denn mit Sicherheit hat er das auch schon vorher gemerkt. Ich erzähle ihm das, weil er die Fehler gern bei anderen sucht. So hat er anlässlich der Haushaltsdebatte im letzten Jahr zum Besten gegeben, dass die AfD, indem sie von ihrem grundrechtlich verbrieften Demonstrationsrecht Gebrauch macht und dabei gegen die weltweit einzigartige Asylpolitik Stellung bezieht, der Wirtschaft unseres Freistaats schade. Die Wahrnehmung von Grundrechten schadet der Wirtschaft des Freistaats.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- schaft: Das sind die Parolen auf Ihren De- monstrationen, die der Wirtschaft schaden!)

Sehr geehrter Herr Tiefensee, lassen Sie mich es einmal so sagen: Das ist nichts anderes als ein Versuch dieser Koalition, die Folgen ihrer desaströsen Wirtschaftspolitik auf andere zu schieben.

(Beifall AfD)

Das machen Sie nämlich sehr gern. Denn wenn Unternehmen nicht nach Thüringen kommen, Herr Tiefensee, oder wenn sie Thüringen verlassen,

(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- schaft: Dann liegt das an Ihren Parolen!)

dann liegt das am Regulierungswahn Ihrer Koalition, an viel zu hohen Energiepreisen und an der überbordenden Bürokratie in unserem Land, gegen die Sie nichts tun wollen, allen anderen Verlautbarungen zum Trotz.

(Beifall AfD)

All das sind in der Tat, Herr Tiefensee, Belastungen des Mittelstands, allerdings – und damit komme ich zur CDU – sind dieser, der CDU-Fraktion, bei der Abfassung ihres Antrags eine paar entscheidende Denkfehler unterlaufen. Was soll es beispielsweise bringen, jemanden, der aufgrund ideologisch motivierter Zielstellungen vorsätzlich der Wirtschaft Belastungen aufbürdet, einen Leitfaden bewerten und einen neuen Leitfaden aufstellen zu lassen, der im Wesentlichen auch nur die Fragen stellt, ob mit einem Gesetz Belastungen für die Wirtschaft verbunden sind?

Meine Damen und Herren von der CDU, selbst wenn die Antwort auf die Fragen eines solchen Leitfadens positiv ausfallen würde: Das ist dieser Koalition egal. Das hat auch die Diskussion um die Bürokratie und um den Mindestlohn gezeigt – und ebenso um das Bildungsfreistellungsgesetz. Bei Gegenargumenten haben die Damen und Herren von Rot-Rot-Grün das getan, was sie schon immer getan haben und was sie auf der Parteischule gelernt haben: nämlich die Ohren auf Durchgang gestellt.

(Beifall AfD)

Warum reiben Sie, sehr geehrte Kollegen von der CDU-Fraktion, dieser Landesregierung, an der Sie ausnahmsweise einmal nicht beteiligt sind, einen solchen Leitfaden unter die Nase, obwohl sämtliche CDU-Regierungen, egal ob im Bund oder in den Ländern, sich selbst nicht an einen solchen Leitfaden halten? Da haben Sie vergessen, was für Erfüllungsaufwandsmonstrositäten Ihre Bundesregierung, an der Sie seit Jahren beteiligt sind, mitgetragen bzw. jedenfalls nicht abgeschafft hat.

(Beifall AfD)