Natürlich sage ich auch, eine Gemeinde muss nicht unbedingt bei 3.000 oder 5.000 Einwohnern politisch selbstständig sein. Deswegen sind die Verwaltungsgemeinschaften meiner Meinung nach eine gute Lösung, um Aufgaben mehrerer Gemeinden zu bündeln. Warum wollen wir funktionierende Strukturen zerstören?
Bleiben die Mindesteinwohnerzahlen so, wie der Entwurf es vorsieht, müssen sich 789 Städte und Gemeinden auflösen und mit anderen fusionieren, weil sie schon jetzt keine 6.000 Einwohner vorweisen. VGs und Gemeinden, die sich ihre Aufgaben vom Nachbarn erfüllen lassen, soll es nicht mehr geben. Ich halte es für einen Fehler, die VGs abzuschaffen. Auch die Zahl der Landkreise, mindestens 130.000 Einwohner laut Vorausberechnung 2035, wird sich etwa halbieren. Stimmt diese Prognose? Ich frage mich: Warum sind dann überall die Kindergärten voll? Die geburtenschwachen Jahrgänge sind wohl vorbei, denn seit 2013 sind die Bevölkerungszahlen in unserem Land wieder leicht am Wachsen. Wo wurde das in diesem Entwurf berücksichtigt? Wenn das Ziel der Reform darin besteht, leistungs- und verwaltungsstarke Einheiten zu schaffen, dann müsste auch die Effizienz der heutigen Strukturen aufgezeigt sein. Wo ist der Vergleich? Woher will man denn wissen, ob man ineffizient ist? Dieser Nachweis fehlt im Gesetzentwurf. Wie will man denn dann richtig vergleichen? Es fehlen Alternativvorschläge, um das gleiche Ziel mit geringeren Eingriffen in die kommunale Selbstverwaltung zu erreichen. Sie werden nicht genannt, geschweige denn gegen den Gesetzentwurf abgewogen. So lässt sich nicht nachvollziehen, ob das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Vorschaltgesetzes äußerten auch der Thüringische Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund. Hier ist dringend Nachholbedarf. Klären Sie uns richtig auf, räumen Sie alle Zweifel aus dem Weg.
Völlig unklar ist ebenso die nötige Ausgleichsmaßnahme für Städte, die den Kreissitz verlieren werden. Die Landesregierung will für die Gebietsreform
155 Millionen Euro bereitstellen, allerdings nur für die Teilentschuldung besonders hoch verschuldeter Gemeinden und als Verschmelzungsprämie für freiwillige Fusionen. Nur wenn Geld übrig bleibt, soll an den Ausgleich von besonderen Belastungen gedacht werden. Auch hier ist meiner Meinung nach Handlungsbedarf. Die Summen sind zu niedrig.
Eine zwangsweise Zusammenlegung von Landkreisen aus reinem politischen Selbstzweck lehne ich ab. Die Zahlen aus anderen Bundesländern zeigen, dass eine Kreisgebietsreform teurer wird. Wir sehen das an anderen Ländern – Sachsen, SachsenAnhalt –, wo größere Verwaltungseinheiten entstanden sind und wo die Pro-Kopf-Ausgaben pro Bürger, auf die Verwaltung umgerechnet, gestiegen und im Vergleich zu Thüringen auch höher sind. Es wäre beispielsweise auch ein Irrglaube, wenn man zwei Landkreise zusammenlegt, dass dadurch die Bauanträge geringer werden, nämlich wenn ich in einem Landkreis A 100 habe und im Landkreis B 100 habe, habe ich auch im Landkreis AB 200 Anträge. Das bedeutet, ich brauche das gleiche Personal, den gleichen Aufwand. Man würde zwar Landräte oder Beigeordnete einsparen, im Umkehrschluss aber größere Verwaltungsstrukturen schaffen. Wichtiger wäre meiner Meinung nach eine Funktionalreform. Man muss sich dabei Gedanken machen: Welche Aufgaben werden wo erledigt? Aufgaben muss man kommunalisieren, in der Form, dass diese in den Gemeinden vor Ort erledigt werden. Dieses Vorschaltgesetz in dieser Form brauchen wir nicht.
Danke schön. Es hat sich jetzt noch einmal Abgeordneter Henke von der AfD-Fraktion zu Wort gemeldet.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, ich habe mir die Gebietsreform einmal von der anderen Seite angeschaut. Ich bin nach Sachsen-Anhalt gefahren und habe mir das Ergebnis einer Gebietsreform vor Ort angeschaut in einer Gemeinde, die finanziell sehr gut aufgestellt war, die 500.000 Euro auf der hohen Kante hatte. Sechs Jahre nach der Gebietsreform ist diese Gemeinde pleite, ist auf Förderung des Landes angewiesen. Der Bürgermeister betreut zwölf Gemeinden ehrenamtlich für 500 Euro und ist gleichzeitig Angestellter
Wir müssen dringend gegen diese Gebietsreform vorgehen. Herr Kuschel, Sie hätten selbst nach Sachsen-Anhalt fahren können. Es sind genug Vertreter von Ihnen vor Ort. Mit denen hätten Sie mal reden sollen, die hätten Ihnen gesagt: Nehmt die Finger von dieser Gebietsreform. Genauso sehen wir das und dafür werden wir weiter einstehen. Vielen Dank.
Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Minister Poppenhäger hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.
Vielen Dank für die engagierte Debatte aller Fraktionen. Ich will nur auf wenige Punkte eingehen. Herr Abgeordneter Gentele, weil Sie zum Schluss geredet haben: Die Qualität der Verwaltung setzt oft auch eine kritische Größe voraus. Die Einstellung von qualifizierten Mitarbeitern ist bei Verwaltungen von Gemeinden, die vielleicht 300 Einwohner und Bürger haben, oft nicht möglich. Wir haben übrigens mittlerweile auch ein Qualitätsproblem. Selbst qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, wird zunehmend schwerer. Das darf man nicht aus den Augen verlieren. Herrn Abgeordneten Krumpe will ich zustimmen: Der Maßstab für uns, ohne ins Detail zu gehen, kann nur die Leistungsfähigkeit der Kommunen sein. Sie haben in Ihrem Beitrag deutlich gemacht, dass mein Vorschlag, der Vorschlag der Landesregierung am unteren Rand dessen ist, was in der Wissenschaft, aber auch in der Politik für die Gemeindegrößenklassen vertreten wird. Ich verrate auch kein Geheimnis: Das ist eine Größenordnung, der auch die CDU zugestimmt hätte, wenn es zu einer anderen Regierung gekommen wäre. Daran bitte ich noch einmal, sich zu erinnern, auch das sollte man nicht vergessen. Wir haben ja auch Sondierungsverhandlungen geführt.
Unser Maßstab ist die Leistungsfähigkeit der Kommunen. Und wir werben weiterhin, auch öffentlich natürlich, für die Zustimmung zu unserem Konzept. Ich sehe einen deutlichen Widerspruch bei dem, was die CDU von mir jetzt verlangt, heute hier einerseits gemessenen Schrittes zu gehen, nicht zu eilig zu sein, die Bürger nicht zu überfordern und vor allem die verfassungsrechtliche Reihenfolge
einzuhalten. Auf der anderen Seite, bevor überhaupt das Vorschaltgesetz da ist, soll ich jetzt eine Karte malen. Bevor das Parlament überhaupt beraten hat, welche Größenordnungen die verschiedenen Vorschläge haben, soll ich jetzt eine Karte malen, damit Herr Mohring zufrieden ist. Das werde ich nicht tun. Schon der Respekt vor dem Parlament, das heute nicht mal seine erste Beratung abgeschlossen hat, verbietet das.
Natürlich rede ich nicht nur mit 20 Bürgermeistern – das ist doch abwegig –, sondern erst am Montag haben wir im Gemeinde- und Städtebund sehr sachlich im Präsidium des Gemeinde- und Städtebunds geredet und selbst der Präsident des Gemeinde- und Städtebundes hat ausführlich dargelegt, wie er sich vor Ort bemüht, seine Gemeinde weiterzuentwickeln, auch durch einen kommunalen Zusammenschluss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage, ob dieser Prozess verfassungsfest gestaltet wird, hat das Parlament ab heute selbst in seiner Hand, nämlich durch seine sorgfältige und qualifizierte Beratung dieses Gesetzentwurfs. Und ich bin da überhaupt nicht bange, dass das Parlament in seinem Verfahren auch die verfassungsrechtlichen Leitlinien, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs natürlich beachtet und immer vor Augen hat.
Mit den Vergleichen ist es ja immer so: Diese holen einen sehr schnell ein! Die Vorliebe des CDU-Fraktionsvorsitzenden für Kinderfilme, die er heute noch mal kundgetan hat – „Kevin allein zu Haus“ hat er gesagt. Damit hat er wohl mich gemeint im Vergleich,
weil heute der Ministerpräsident auf der Rückreise aus Russland ist und er hat wohl angespielt auf diesen Kinderfilm „Kevin allein zu Haus“. Ich will ihn erinnern, er guckt ja die Filme offenbar gern. Wie geht denn das Ganze aus? Es geht ja so aus: Der Kevin – das ist ja ein gewitztes Kind –, der weiß sich allen Widrigkeiten zu wehren und am Schluss sitzen die bösen Buben im Gefängnis und Kevin hat gewonnen. So geht der Film. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, durch die Redezeit des Ministers haben jetzt alle Fraktionen noch 3 Minuten und 30 Sekunden Redezeit. Wünscht jemand noch das Wort? Das kann ich nicht erkennen. Dann gehe ich davon aus, auch wenn es niemand explizit
Ich wollte jetzt Ihren Gedankengang nicht unterbrechen. Ich gehe davon aus, wir meinen dasselbe. An den Innen- und Kommunalausschuss hätten wir es gern überwiesen, an den Haushalts- und Finanzausschuss und an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.
Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, 3,30 Euro werde ich natürlich gerne annehmen und kommunale Selbstverwaltung – Gebietsreform nicht. Ich war jetzt aber gerade draußen, deswegen komme ich wieder rein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren – ich muss erst mal Luft holen, so schnell bin ich jetzt hier rein –, wenn ich das Ganze betrachte, mein Fraktionsvorsitzender hat ja die wichtigsten Dinge alle schon gesagt. Aber ich will Ihnen mal noch eines mit auf den Weg geben: Ich bin nun mal, ob es Ihnen gefällt oder nicht gefällt, über 25 Jahre ehrenamtlicher Bürgermeister. Und da kann der Minister noch so viele Rechenbeispiele bringen, dass zum Beispiel meine Gemeinde in Kürze 40 Prozent verliert. Das ist alles Lug und Trug, kann ich nur sagen.
Wenn ich allein sehe, was bei uns für Häuser gebaut werden, wo die älteren Menschen wegsterben, dann ziehen gleich drei oder vier neue hin etc. pp. Bei uns funktioniert es: Wir haben eine Grundschule, wir haben eine Verwaltungsgemeinschaft, wir haben einen Bäckerladen und, und, und. Sie können noch so viele solche Dinge bringen, es glaubt Ihnen niemand. Und deswegen, meine Damen und Herren, aus meiner Erfahrung – und ich habe Gebietsreformen schon mitgemacht und da kann ich aus Erfahrung reden, es war damals auch nicht einfach. Es war nämlich kurz nach der friedli
chen Revolution und die Menschen wollten erst einmal ihre Dinge umsetzen und das haben sie gemacht. Und da gab es die Kreisgebietsreform – mit Richard Dewes haben wir das damals gemacht, der hat noch verstanden, dass man die Leute mitnehmen muss –, da haben wir damals das Instrument der Verwaltungsgemeinschaft geschaffen. Wir haben das ganz bewusst geschaffen, damit die kommunale Selbstständigkeit unter dem Dach einer Verwaltung, die sehr eng gestrickt ist, ordentlich funktioniert. Und das wollen Sie alles kaputt machen in diesem Land jetzt. Sie wollen Hunderte von Kommunen kaputt machen.
Hier draußen hat gerade jemand gesagt, Herr Adams wollte es zwar nicht kapieren: Die werden enteignet, ihnen wird die Hoheit weggenommen,
Das würde Dir Freude bereiten, wenn ich aufhöre. Dein Südthüringer Kreis, den Du vorgeschlagen hast, den will auch keiner haben, nicht mal die Eigenen wollen ihn haben.