Protocol of the Session on April 21, 2016

Geld sparen wollen. Vor Kurzem musste ich sogar hören, dass einer der konservativen Kritiker dieser Reform behauptete, wir würden die Geburtenrate mit der Gebietsreform anheben wollen. Mit Sicherheit wollen wir das nicht, aber wir wollen einfach bei weniger Geld und weniger Menschen trotzdem Leistungsfähigkeit erhalten.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb ist unser Ziel nicht Geldsparen, nicht Politik nach Kassenlage zu machen, wie es die CDU gemacht hat, sondern wir wollen starke, dauerhaft leistungsfähige Strukturen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Jetzt komme ich ganz kurz dazu, dass Herr Mohring behauptet hat – das war der Punkt meiner Zwischenfrage gewesen –, Gebietsreformen würden gar nichts nützen. Mit dieser Mär muss man mal aufhören.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die CDU, die das seit Jahren erzählt, wird niemandem eine Studie, eine halbwegs belastbare Untersuchung zu der Frage zeigen können, wo man ein Bundesland mit Gebietsreform und das gleiche Bundesland ohne Gebietsreform dann vergleichen kann.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Sie sollten lieber Ihren eigenen Vorschlag begründen! Das können Sie nicht, weil Sie unsicher sind!)

Sie können die Zeit nicht zurückdrehen und Sie können keine zwei Parallelwelten schaffen, die Sie dann untersuchen können. Sie können nur versuchen, so wie es Willy Brandt gesagt hat, die Zukunft zu gestalten. Darum geht es heute. Dazu fordere ich Sie auch auf.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können auch kein Bundesland vorzeigen oder benennen, Herr Emde, in dem jemals eine so sinnlose Gebietsreform, wie Sie es darstellen, nach einer Wahl, die möglicherweise als Denkzettel verteilt worden wäre, jemals zurückgenommen wurde. Sie können kein Bundesland zeigen, wo man gesagt hätte: Wir haben ja viel zu große Landkreise und die müssen wir jetzt kleiner machen. Nein, Sie können nur sehen, wo verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker leistungsfähige Strukturen herstellen, so, wie wir das auch tun. Wer, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Wohin und das Warum kennt, hat auch keine Sorge, ein schwieriges Wie zu erklären.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unsere Maxime. Wir fordern die CDU auf, hieran mitzuwirken. Geben Sie doch Ihre Vorschlä

ge in den Ring! Machen Sie doch wenigstens einen Vorschlag! Machen Sie doch bitte nicht den gleichen Fehler wie beim Landeshaushalt 2016/2017,

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Man braucht keinen anderen Vorschlag, wenn Sie den ab- lehnen!)

dass Sie nichts anzubieten haben, um ein halbes Jahr später dann Ihren Irrtum erkennen zu müssen und mit vollkommen untragbaren Vorschlägen aufzuwarten.

(Unruhe CDU)

Unsere Vorschläge liegen mit dem Leitbild und mit diesem Gesetz heute auf dem Tisch. So werden wir das tun.

(Unruhe CDU)

Das Vorschaltgesetz wird in diesem Landtag vor der Sommerpause beschlossen werden. Darauf dürfen Sie vertrauen, so wie wir darauf vertrauen, dass dies der richtige Weg für Thüringen ist, weil es zum Gestalten der Zukunft, zu starken Landkreisen, leistungsfähigen Kommunen keine Alternative geben kann.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Mein Land- kreis ist stark, Herr Adams!)

(Unruhe CDU)

Ihr Landkreis ist genauso stark wie viele andere auch. Und wenn Sie nur in die Zukunft schauen, dann wissen Sie, dass Sie dahinter ein Fragezeichen machen müssen. Wir gestalten auch Ihren Landkreis, Kollege Emde. Wir bringen dieses Land voran. Ganz herzlichen Dank.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Was erzäh- len Sie denn für einen Müll!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Kön- nen Sie Beißringe verteilen, Frau Präsiden- tin?)

Sehr geehrter Herr Emde!

Es hat jetzt das Wort Abgeordneter Krumpe, fraktionslos.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen Abgeordnete, bei der Debatte um die Gebietsreform fällt mir auf, dass in hoher Präsenz viele Chefbürokraten wie Bürgermeister oder Landräte gegen die Gebietsreform wettern. Vermutlich geht es um Prestigeverlust; manche zittern sogar um ihren Job – und die lokalen Machtverhältnisse werden in Thü

(Abg. Adams)

ringen grundlegend durcheinandergewirbelt. Ich kann all diese Bedenken nachvollziehen.

(Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Quatsch!)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Unterstel- lung!)

Ich kann aber nicht nachvollziehen, warum man zur Verschleierung der wahren Gründe eine Scheindebatte vom Zaun brechen muss, die nun in ein angestrebtes Volksbegehren gipfeln soll.

(Beifall SPD)

Fakt ist, dass sich mit dem demografischen Wandel die Kaufkraft verändert, dass Produktionsstätten und damit Arbeitsstandorte verlagert werden und die Menschen selbstverständlich ihrer Arbeit hinterherziehen. Und Fakt ist auch, dass sich die kommunalen Einnahmen vorrangig aus der Einkommenund der Gewerbesteuer speisen. Und wenn man diese beiden Fakten miteinander verdrahtet, dann erkennt man die Entstehung regionaler Disparitäten, die nur durch eine Gemeindefusion ausgeglichen werden können.

(Beifall SPD)

Wie sollen denn defizitäre Gemeinden jemals aus ihrer Bittstellerrolle herauskommen, wenn ihre Leistungsschwäche einen nachhaltigen Beitrag in der Wettbewerbs- und Attraktivitätssteigerung in ihrem zuständigen Verwaltungsgebiet nicht zulässt?

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Gegenüber den VGs sind Einheitsgemeinden handlungsstärker, sie sind schlagkräftiger, sie sind direkter legitimiert und können deshalb verdient den Namen „Selbstverwaltung“ auch tragen und stehen im Weiteren gegenüber dem Land viel mächtiger da.

Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, warum entgegen verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung und wissenschaftlicher Best Practice die Mindesteinwohnerzahl auf einem solch niedrigen Niveau festgelegt worden ist. Aus meiner Sicht muss unbedingt das Risiko vermieden werden, dass in zehn Jahren die Erkenntnis reift, dass mit diesem geringen Niveau keine optimalen Rahmenbedingungen zur Leistungssteigerung geschaffen wurden. Im Anschluss dieser umfassenden Reform müssen die betroffenen Gebietskörperschaften auf Kontinuität vertrauen können und deshalb spreche ich mich für eine Mindestanzahl von 10.000 Einwohnern aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Gebietsreform kann auch das Risiko der Budgetmaximierung durch Bürokraten gesenkt werden, denn die Durchsetzung der Ziele einer Budgetmaximierung wirkt sich im hohen Maße auf die Kosteneffizienz der Leistungserstellung in der öffentlichen Verwaltung aus. Deshalb schlage ich die Änderung der Thüringer Kommunalordnung vor, in der die inputorientierte Budgetierung durch eine obliga

torische outputorientierte Budgetierung vorgeschrieben wird, und zwar auch und insbesondere für die Kernverwaltung. Diese Vorgabe ermöglicht ein wirksames Controlling, Benchmarking und interkommunale Vergleiche für ein breites Portfolio von Verwaltungsdienstleistungen. Dass Kommunen mit dem maximalen Ressourcenverbrauch belohnt werden, anstatt die mit der optimalen Leistung, verstößt gegen alle Regeln der öffentlichen Betriebswirtschaftslehre und ist keinem Steuerzahler vermittelbar. Spätestens bei der Umsetzung des Aktionsplans „Strategie für E-Government und IT“ werden die Inkompatibilitäten zwischen der antiquierten inputorientierten Verwaltungssteuerung und dem Willen, Verwaltungsdienstleistungen bürgernah und elektronisch bereitzustellen, sichtbar, denn ein erfolgreiches kommunales E-Government setzt wirkungsorientiertes Controlling, das heißt eine extern geprägte Sichtweise auf die öffentlichen Dienstleistungen, voraus. Eine solche Sichtweise ist mit einer inputorientierten Verwaltungssteuerung nicht möglich. Ändert sich die Verwaltungssteuerung nicht grundlegend, so kann das Potenzial der Verwaltung 4.0 nicht gehoben werden und das wäre tatsächlich der Worst Case. Denn das Potenzial der Verwaltung 4.0 ist enorm, da die täglichen Sachbearbeitertätigkeiten in der heutigen Verwaltung zu einem hohen Anteil algorithmierbar sind und sich deshalb hervorragend für die Dunkelverarbeitung eignen. Um all diese Vorteile auszuschöpfen, muss neben der Gebiets- auch eine Verwaltungsreform auf den Weg gebracht werden, die sich zwingend mit der Schließung der Managementlücke, der Legitimationslücke, der Attraktivitätslücke im öffentlichen Dienst und mit der Strategielücke in der Verwaltungssteuerung befasst. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat Abgeordneter Gentele das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete und liebe Besucher und Fernsehzuschauer, in der uns vorliegenden Drucksache 6/2000 liegt der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Gebietsreform vor. Der erste Schritt ist das sogenannte Vorschaltgesetz. Das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform, das am 12. April zum zweiten Mal Beratungsgegenstand des Landeskabinetts war, ist heute Gegenstand der Beratung hier im Plenum. Schauen wir uns diesen Entwurf einmal an. Schade, dass so wenige CDUAbgeordnete da sind, fällt mir gerade auf.

Hier steht, selbstständige Gemeinden, die die Verwaltungsgemeinschaft verlassen wollen, brauchen dafür nicht mehr die mehrheitliche Zustimmung der

(Abg. Krumpe)

VG-Mitglieder. Ist das demokratisch, frage ich Sie, Herr Poppenhäger? Die Antragsfrist für freiwillige Auflösungen und Gemeindeneubildungen endet am 31. Oktober 2017 – das finde ich etwas zu kurz. Ich bin nach wie vor für einen freiwilligen Zusammenschluss und lasse Gemeinden selbst entscheiden, mit wem sie sich zusammenschließen wollen oder nicht. Das ist so wie zwischen Mann und Frau: Wenn Sie sich lieben, dann sollen Sie eine Ehe schließen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Außer im Islam! Da geht das anders!)

Das kann sein, Herr Brandner.

Natürlich sage ich auch, eine Gemeinde muss nicht unbedingt bei 3.000 oder 5.000 Einwohnern politisch selbstständig sein. Deswegen sind die Verwaltungsgemeinschaften meiner Meinung nach eine gute Lösung, um Aufgaben mehrerer Gemeinden zu bündeln. Warum wollen wir funktionierende Strukturen zerstören?