Einen weiteren Haken hat das Gesetz, der hier auch schon mal anklang. Das Studentenwerk, das diese Umbenennung gar nicht will, muss die Umbenennung aus seinen eigenen Mitteln bezahlen. Das heißt doch automatisch, dass das Geld an anderen Stellen, für die das Geld eigentlich gebraucht wird, fehlt. Zum Beispiel bei der Verpflegung in den Mensen oder bei der Kinderbetreuung, die das Studentenwerk für die Kinder der Studenten zur Verfügung stellt.
Meine Damen und Herren, 100.000 Euro sind viel Geld, und ich kann Ihnen nur nahelegen, dass Sie 100.000 Euro statt in grammatikalischen Unsinn vielleicht lieber in die Kinderbetreuung des Studentenwerks investieren.
Abschließend möchte ich Ihnen noch nahelegen, auch an die Folgekosten des Gesetzes zu denken. Denn selbstverständlich kann eine bürgerliche Partei, wenn sie dann in Regierungsverantwortung kommt, nicht überall in Thüringen grammatikalisch falsche Schilder stehen lassen. Wenn wir Sie – wovon ich ausgehe – nicht von Ihrem Vorhaben abbringen können, dann möchte ich Sie doch wenigstens bitten, dass Sie die alten Schilder einlagern, denn die werden bald wieder gebraucht. Danke schön.
Vielen Dank, Frau Muhsal. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor, vonseiten der Landesregierung auch nicht, sodass ich zur Frage der Abstimmung über die Überweisung an den Ausschuss komme. Beantragt wurde keiner.
Ich vermute, es soll der Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft sein. Dann stimmen wir darüber ab. Wer für die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist Zustimmung aus den Koalitionsfraktionen sowie der CDU-Fraktion. Gegenstimmen? Gegenstimmen aus der AfD-Fraktion. Enthaltungen? Vielen Dank. Damit mit Mehrheit überwiesen. Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt.
Gesetz zur Änderung des Thüringer Anerkennungsgesetzes und anderer Gesetze Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/1972 ERSTE BERATUNG
Ich frage: Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Bitte, Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, 2014 wurde mit dem Thüringer Anerkennungsgesetz ein Rechtsanspruch auf Durchführung eines Anerkennungsverfahrens für im Ausland erworbene Berufsqualifikationen geschaffen. Durch weitestgehend übereinstimmende Regelungen in den Ländern wurde ein bundesweit nahezu einheitliches Anerkennungsverfahren mit transparenten Abläufen und Fristen etabliert. Alle Inhaberinnen und Inhaber eines ausländischen Berufsabschlusses können seitdem die Gleichwertigkeit ihres Abschlusses mit einem entsprechenden inländischen Berufsabschluss überprüfen lassen. Dies gilt sowohl für die landesrechtlich reglementierten Berufe wie zum Beispiel Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen und Erzieher, aber auch für die vielen nicht reglementierten Berufe wie beispielsweise Bankkauffrau/Bankkaufmann oder im Bereich der Mechatronik.
Bereits in den ersten acht Monaten nach dem Inkrafttreten des Thüringer Anerkennungsgesetzes im Mai 2014 haben 94 Personen von der Möglichkeit, ihren Berufsabschluss prüfen zu lassen, Gebrauch gemacht. Die Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor. Für die Zukunft ist allerdings damit zu rechnen, dass unter anderem auch durch die große Zahl der zugewanderten Personen die Zahl der Anerkennungsverfahren spürbar steigen wird. Für Geflüchtete spielt die Anerkennung ihrer im Heimatland erworbenen beruflichen Qualifikation eine wichtige Rolle für den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. Eine berufliche Gleichwertigkeitsbescheinigung ist in vielen Berufen hilfreich, in einigen Berufen ist die Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation zwingende Voraussetzung.
Die Grundlage des Thüringer Anerkennungsgesetzes – eine EU-Richtlinie – wurde Ende Dezember 2013, also noch während des damaligen Gesetzgebungsverfahrens, geändert. Aus diesem Grund ist hier bereits nach nicht einmal zwei Jahren eine erste Änderung des Thüringer Anerkennungsgesetzes erforderlich. Der nun hier vorliegende Gesetzentwurf soll das Anerkennungsverfahren weiter
erleichtern und beschleunigen. Der Europäische Berufsausweis ermöglicht ein leichteres, transparenteres und vor allem nutzerfreundlicheres Anerkennungsverfahren. Das gesamte Verfahren kann elektronisch über eine extra hierfür geschaffene Plattform im Internet abgewickelt werden. In der ersten Phase wird der Europäische Berufsausweis zunächst für fünf Berufe eingeführt, weitere Berufe werden sehr wahrscheinlich folgen.
Aber auch denjenigen Antragstellerinnen und Antragstellern, denen keine volle Gleichwertigkeit ihres Berufsabschlusses attestiert werden kann, soll im Rahmen der rechtlichen Vorgaben zumindest ein teilweiser Arbeitsmarktzugang eröffnet werden. Besteht für einen abgrenzbaren Bereich eine ausreichende Qualifikation, soll für diesen Teilbereich eine Anerkennung ausgesprochen werden können. Dies kann zum Beispiel ausländischen Erzieherinnen und Erziehern eine Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen, als Erzieherin oder Erzieher ausschließlich in Krippen, Kindergärten oder Schulhorten.
Neu eingeführt wird auch ein europaweiter Vorwarnmechanismus bei bestimmten Berufsgruppen. Erhält jemand ein Berufsverbot oder eine Berufsbeschränkung, beispielsweise weil eine Pflegerin oder ein Pflegehelfer einen Patienten misshandelt hat, wird zukünftig nicht nur innerhalb Deutschlands vor dieser Person gewarnt, es werden auch alle EUMitgliedstaaten informiert. Diese Vorwarnungen sollen immer dann ergehen, wenn die Sicherheit oder Gesundheit von Menschen gefährdet ist, bei medizinischen Berufen oder im Bereich der Pflege. Aber auch dann, wenn besonders sensible Bereiche wie die Betreuung und Erziehung Minderjähriger betroffen sind, sind entsprechende Mitteilungen zum Schutz höherrangiger Rechtsgüter geboten. Auch wenn jemand zum Nachweis seiner ausländischen Berufsqualifikation gefälschte Unterlagen verwendet hat, soll eine entsprechende Vorwarnung ergehen.
Neu eingeführt wird auch, dass bei allen Antragstellerinnen und Antragstellern unabhängig davon, ob sie EU-Staatsbürgerinnen und -Staatsbürger sind oder aus einem Nicht-EU-Mitgliedstaat stammen, ihre durch lebenslanges Lernen gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse bei der Feststellung der Gleichwertigkeit zukünftig berücksichtigt werden.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Hoppe. Das Wort hat nun Abgeordnete Henfling für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da kommen Sie jetzt nicht drumherum, Herr Brandner!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann es kurz machen: Wir von Bündnis 90/Die Grünen sind der Meinung, dass dieses Anerkennungsgesetz ein wichtiges Gesetz ist. Es schafft zum einen eine Vereinheitlichung und Umsetzung einer längst verabschiedeten EU-Richtlinie und zum Zweiten eine Absenkung der Zugangsvoraussetzungen bei der Ausbildung in den Assistenz- und Helferberufen der Pflege, der auf den Hauptschulabschluss – das ist die Umsetzung des Beschlusses 89 der Sozialund Arbeitsministerkonferenz – abzielt. Zudem erkennt es den Heilpädagoginnenabschluss staatlich an.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir freuen uns deswegen auf die Beratung im dafür zuständigen Ausschuss.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Anerkennungsgesetzes ist umfangreich und gehaltvoll. In der Zeit möchte ich mich auf drei Schwerpunkte konzentrieren, die ein gewisses Gewicht in der politischen Debatte haben: die Mindestanforderungen für Ausbildungen in den Assistenz- und Helferberufen im Zusammenhang mit dem Mangel an geeigneten Fachkräften und einer älter werdenden Gesellschaft, die Anerkennung der Abschlüsse der Heilpädagogik und die Bedeutung dieser Fachrichtung und die Problematik der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in Deutschland.
In Thüringen gibt es insgesamt 322 Einrichtungen der Dauerpflege und acht Einrichtungen der Kurzzeitpflege. Bereits jetzt können 54 Einrichtungen nach der Heimpersonalverordnung den vorgegebenen Anteil an Fachkräften von 50 Prozent im Verhältnis zu den Betreuungskräften nicht mehr einhalten. Das fehlende Fachpersonal wird durch die Einrichtungen mithilfe von Hilfskräften ersetzt. Erst vor
wenigen Wochen konnten wir lesen, dass Thüringen der Pflegenotstand droht und es bis in das Jahr 2030 einen zusätzlichen Bedarf allein von 8.000 Pflegeplätzen in der vollstationären Dauerpflege sowie von 2.100 Mitarbeitern in der ambulanten Pflege gibt.
Bringen wir es auf den Punkt: Die demografische Entwicklung, gezeichnet von niedrigen Geburtenraten und einer steigenden Lebenserwartung, bedeutet für den Freistaat Thüringen einen rasch zunehmenden Anteil älterer und pflegebedürftiger Menschen. Gleichzeitig geht der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung erheblich zurück. Es stehen also immer weniger potenzielle Fachkräfte einem immer größeren Angebot an Arbeitsplätzen zur Verfügung. Dies gilt insbesondere für Ausbildungsplätze, die immer häufiger nicht besetzt werden können.
Auch das Thüringer Pflegepaket scheint keine Abhilfe zu schaffen. Der Beruf ist für junge Menschen schlicht und einfach nicht attraktiv. Das liegt zum einen an der schlechten Bezahlung. Diejenigen, die sich eine Tätigkeit im Pflegebereich vorstellen können, fliehen in die alten Bundesländer, um dort wesentlich mehr zu verdienen als im Niedriglohnland Thüringen. Die Ausbildung und auch die Tätigkeit in den Pflegeberufen müssen attraktiver werden, um den zukünftig zu erwartenden Voraussetzungen gewachsen zu sein. Dazu braucht es vor allem eines – Geld. Weil das nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, da es an anderer Stelle eingesetzt wird – zur Umbenennung von Schildern, die keiner braucht, zum Beispiel –, senkt man die Zugangsvoraussetzungen für die Pflegeberufe.
Ein Blick in die Ausbildungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt, dass 18,5 Prozent der Bewerber auf eine Ausbildungsstelle seit Beginn des Berichtsjahrs in Thüringen über einen Hauptschulabschluss verfügt haben. Ihr Anteil an den unversorgten Bewerbern ohne bekannte Alternative ist mit 2,9 Prozent im Berichtsjahr 2015/16 überproportional groß gewesen. Diese jungen Menschen haben ohne Zweifel eine Chance auf einen Ausbildungsabschluss verdient, der ihnen auch in ihrem späteren Erwerbsleben einiges an Sicherheit schenken wird. Nichtsdestotrotz fordern wir die Landesregierung auf, sich nicht auf diesem Teilergebnis auszuruhen.
Ich erinnere an die Diskussionen zum Gesetz über die freien Schulen, als deutlich wurde, dass eine Schlechterstellung der Finanzierung der freien Schulen zu einer Verschlechterung der Ausbildung in der Pflege führen wird. Wir fordern Sie auf, auch an diesen Stellen deutlich nachzubessern.
Der Bachelor-Studiengang mit dem schönen Namen „Heilpädagogik/Inclusive Studies“ an der Fachhochschule Nordhausen wurde zum Wintersemes
ter 2013/14 eingeführt. Absolventen sollen das sogenannte Inklusionsgebot gemäß der UN-Behindertenkonvention umsetzen. Leider genügt die Zeit nicht, um hier und jetzt eine Grundsatzdiskussion zu diesem Thema zu führen, aber es passt natürlich hervorragend in die Bemühungen der Landesregierung, alle Schulen zu inklusiven Schulen umzugestalten und so die Förderschulen abzuschaffen, sodass wir jetzt eine enorme Anzahl an zusätzlichen Fachkräften im Bereich der inklusiven Schulen brauchen werden.
Aber hier und heute geht es um Wettbewerbsnachteile der Heilpädagogen, die an Thüringer Hochschulen ihre Abschlüsse erlangen werden. Natürlich darf es dafür keine Schlechterstellung geben. Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sollte insbesondere vor dem Hintergrund interessant sein, dass uns die Landesregierung noch vor wenigen Monaten weismachen wollte, dass Unmengen hoch qualifizierter Fachkräfte in unser Land kommen, die nur darauf warten, dem Fachkräftemangel in allen Bereichen entgegenzuwirken.
In der Regel hat der Gott der Bürokratie aber vor die Aufnahme einer Tätigkeit die Abarbeitung von Paragrafen gestellt. Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse hat – so konnten wir erst vor wenigen Wochen den Medien entnehmen – ein bislang sehr übersichtliches Ausmaß. Im Jahr 2015 erhielten lediglich zehn Antragsteller in Thüringen die Anerkennung ihrer im Heimatland erworbenen Berufsausbildung. Daran ändern auch die eben zitierten 94 zur Prüfung gestellten Anträge im Jahr 2014 nichts. Es ist nämlich nicht erwähnt worden, wie diese Prüfungen ausgegangen sind.
So wird man sicherlich nicht sagen können, dass der in bestimmten Bereichen vorhandene Fachkräftemangel kompensiert werden kann. Aus der Landeserstaufnahmestelle in Suhl hörte man bereits, dass dort einige Menschen eine Ausbildung aufnehmen wollen, da sie schon davon ausgehen, dass ihre im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse nicht für eine Anerkennung ausreichen. Vor diesem Hintergrund muss man sich schon fragen, welche Bedeutung die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse haben wird, wenn sie doch kaum genutzt wird.
Natürlich ergeben sich auch eine Reihe von Detailfragen, die wir hoffentlich während der Ausschussberatungen klären können. Wir fragen uns beispielsweise, wie die Regelung zu verstehen ist, dass in der Regel Nachweise der Berufsqualifikationen in deutscher Sprache vorgelegt werden müssen und nicht generell. Wir fragen uns, was wir unter „nonformalen Qualifikationen des lebenslangen Lernens“ zu verstehen haben, um die die Berufsqualifikationen ergänzt werden. Wir fragen uns, ob es sinnvoll ist, die Vorlage einfacher Kopien zu er
An dieser Stelle möchte ich auf Zeitungsberichte verweisen wie vom „Focus“ vom 6. November 2015, wo berichtet wurde, dass die Deutsche Botschaft in Beirut Alarm geschlagen hat, weil in erheblichem Ausmaß Fälschungen von Abschlüssen, Studienzertifikaten, Abiturzeugnissen und Identitätsnachweisen in der Gruppe der einreisebegehrenden Syrer die Runde machen. Wir fragen uns auch, was der Prozess der bundesweit eingeführten Anerkennungsverfahren mit der von Ihnen gern strapazierten „Willkommenskultur“ zu tun hat und haben den Eindruck, dass Sie unbedingt diesen Begriff irgendwo im Gesetzentwurf unterbringen wollen. Wenn wir ein einfaches und transparentes Einwanderungsgesetz hätten, würde sich diese Floskel erübrigen.
Ausdrücklich begrüßen wir die Regelung zur Evaluation, denn ein solches Bürokratiemonster, über das wir hier reden, sollte schon auf seine Wirksamkeit hin untersucht werden, gerade wenn man sich die von mir genannten Fallzahlen ansieht. Insofern sehen wir den Ausschussberatungen und gegebenenfalls den Anhörungen entgegen. Danke schön.
Vielen Dank. Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft beantragt worden. Bitte schön, Herr Blechschmidt.
Ja, nicht nur dahin, Herr Präsident, sondern auch noch SAG, BJS und MJV, federführend natürlich bei WW.