Protocol of the Session on April 21, 2016

Ja, nicht nur dahin, Herr Präsident, sondern auch noch SAG, BJS und MJV, federführend natürlich bei WW.

Jetzt wäre es nett, wenn Sie das alles noch mal übersetzen, damit wir das auch im Protokoll richtig stehen haben.

Aber gern. Also den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft, den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit, den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, federführend WW.

Wir kommen jetzt also zur Abstimmung über die Überweisungen, zunächst mal an den Wirtschaftsund Wissenschaftsausschuss. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind Stimmen aus allen Fraktionen. Vielen Dank.

(Abg. Herold)

Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Aus allen Fraktionen und den Kollegen Fraktionslosen.

Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ebenfalls aus allen Fraktionen.

Und wir kommen zur Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Wer dafür ist? Auch hier einmütig.

Die Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft, wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Prima.

Dann schließe ich diesen Tagesordnungspunkt und wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6

Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1979 ERSTE BERATUNG

Ich frage: Wünscht die Fraktion das Wort zur Begründung? Bitte schön, Herr Brandner, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, die Diskussion in Deutschland über die Aufnahme von Deutsch ins Grundgesetz oder in die Verfassung gibt es seit Langem, viel länger als die AfD. Also, mir ist diese Diskussion seit Mitte der 90er-Jahre bekannt. Vor einigen Jahren hat es sogar aus dem Berliner Landesparlament vom dortigen SPD-Abgeordneten Torsten Hilse einen Anstoß gegeben, Deutsch als Landessprache in die Berliner Verfassung aufzunehmen. Das hat in seiner Fraktion, der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Zustimmung hervorgerufen, wurde allerdings dann ausgebremst, wahrscheinlich weil der Fraktionsvorstand Angst hatte, der Deutschtümelei bezichtigt zu werden. Aber eine solche Befürchtung ist natürlich selbstredend abwegig. Denn es geht bei der verfassungsrechtlichen Festschreibung der Landessprache Deutsch nicht um Ideologie, sondern um ausdrückliche Wertschätzung, und zwar um die Wertschätzung eines allgemeinen Gutes, das heute zu Unrecht mit durchaus gravierenden Folgen und allzu oft vernachlässigt und gering geachtet wird, nämlich des Gutes der deutschen Sprache.

Gerade in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Fragmentierung, in Zeiten eines rapiden Verlusts der Sprachkultur in den Schulen, in den Medien, in der Wirtschaft, besonders in der Werbewirtschaft, gelegentlich auch im Landtag hier, aber auch in

Zeiten der Zuwanderung gerade fremdsprachiger Menschen ist es geboten, sich des Werts und der Bedeutung der deutschen Sprache für unser Zusammenleben bewusst zu werden.

(Beifall AfD)

Es ist daher geboten, das entsprechende Bewusstsein an prominenter Stelle zum Ausdruck zu bringen. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für das Grundgesetz, sondern auch für die einzelnen Bundesländer, namentlich für den Freistaat Thüringen, der ja ein Staat mit eigener Verfassung ist, und zwar mit einer Verfassung, die Wesentliches regelt, aber auch Sachen, die man für selbstverständlich halten könnte, nämlich ist in § 44 beispielsweise geregelt, dass Erfurt die Hauptstadt ist. Das hat Verfassungsrang. Ausführlich wird in der Verfassung auch das Staatswappen beschrieben, allerdings fehlt bisher eine Aussage dazu, was die Sprache dieses Landes ist. Und die Sprache ist nun mal, ob wir das wollen oder nicht, das alles und alle Verbindende in diesem Land. Also, es gibt relativ wenig Gemeinsamkeiten, auch in diesem Landtag, aber was uns alle verbindet, ist doch die deutsche Sprache.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für Sie, für die anderen nicht!)

Deshalb ist die Frage, warum dieses alles Verbindende nicht dort an prominenter Stelle hervorgehoben werden sollte. Wir alle sollten das ändern wollen und so handeln, wie wir das beantragen. Unsere schöne Sprache ist es wert, als Landessprache proklamiert zu werden. Wir werben ausdrücklich dafür und bitten um Ihrer aller Zustimmung. Eine solche Zustimmung sollte Ihnen umso leichter fallen, wenn Sie wissen, dass die Menschen im Land diesem Ansinnen überwiegend positiv gegenüberstehen. Hohe Zustimmungsraten sind da zu verzeichnen, die bei etwa 70 Prozent liegen, was die Zustimmungsrate angeht, Deutsch ins Grundgesetz aufzunehmen. Ich vermute, dass die Zustimmungsrate in Thüringen nicht anders sein wird.

Wir stünden damit auch nicht alleine. Zahlreiche andere europäische Staaten haben der Wertschätzung der Sprache bereits längst Ausdruck verliehen. Die deutschsprachigen Länder Österreich und Liechtenstein haben es in ihre Verfassung geschrieben und die in Teilen deutschsprachige Schweiz auch.

Deutschland ist also das einzige deutschsprachige Land, in dem die Sprache nicht verfassungsrechtlich verankert ist. Sie finden zwar einzelgesetzliche Verankerungen in § 184 Gerichtsverfassungsgesetz und in § 23 VwVfG, aber die Krönung des Ganzen – also in die Verfassung aufgenommen zu werden – das fehlt noch.

Meine Damen und Herren, gestern haben wir den 17. Juni beschlossen. Herr Dittes war froh, als ers

(Präsident Carius)

tes Bundesland diesen 17. Juni als Feiertag einzuführen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Gedenktag!)

Wir sollten uns also nicht hinter dem Busch versteckt halten und als erstes Bundesland vorangehen, das die deutsche Sprache in die Verfassung aufnimmt. Wir stünden damit auch nicht alleine, meine Damen und Herren. Exemplarisch zu nennen sind Bulgarien, Estland, Frankreich, Kroatien, Malta, Polen, Slowenien und Ungarn. Von 28 EUMitgliedsländern haben 18 ihren Landessprachen Verfassungsrang gegeben. Das sollten wir in Thüringen auch können. Machen Sie dabei alle mit und schreiben Sie positive Geschichte für unsere Sprache und für unser Land!

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf eine hoffentlich unpolemisch geführte Debatte, die dann nicht dazu kommt: Ja, die Thüringer sprechen eh‘ kein Deutsch – wie das in der „Thüringer Allgemeinen“ oder wo das gestern kommentiert war, wir sprechen sowieso thüringisch.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht um eine wirklich ernste Sache, bei der Sie versuchen sollten, die Polemik außen vor zu lassen. Und ich bin sicher, wenn ich in Ihre Gesichter schaue,

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: … wird Ihnen das nicht gelingen!)

dass es auch so passieren wird.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen mit einem deutlichen Wort einer großen Thüringer Politikerin. „Sprache schafft Realität“ hat Frau Henfling von den Grünen gerade gesagt. Packen wir das hier an, schaffen wir auch hier Realitäten! Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön, Herr Brandner. Damit eröffne ich die Aussprache. Als Erste hat Abgeordnete Marx von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fange mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe an, das lautet: „Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.“

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt ist die Frage: Was hat denn unser Johann Wolfgang damit gemeint? Das bezieht sich nicht nur darauf, dass es hilfreich ist, Fremdsprachen zu

kennen, sondern dass man auch immer wissen muss, wo Sprache herkommt und wo Worte herkommen.

Eine meiner Lieblingslektüren als Kind war das etymologische Lexikon von Brockhaus, ein hochinteressanter, dicker Wälzer mit vielen Bänden. Hochinteressant finde ich das bis heute. Dort finden Sie Wortstämme erklärt. Wenn jetzt Herr Brandner sagt, dass die Landessprache in anderen Ländern jeweils in der Verfassung verankert ist, dann müsste er erst einmal schauen, ob es in der jeweiligen Landessprache einen Unterschied gibt, den es in der deutschen Sprache gibt, nämlich den Unterschied zwischen der Sprechsprache, also dem, was gesprochen ist, und der Amtssprache. Wir haben in Deutschland in unserem Rechtssystem eine Regelung, dass die Amtssprachen geregelt sind in verschiedenen Rechtsnormen, das heißt, die Sprache, in der sich der Staat gegenüber seinem Bürger ausdrückt und sich der Bürger auch gegenüber dem Staat ausdrücken muss, zum Beispiel auch gegenüber dem Gericht. Da steht dann auch, Gerichtssprache ist deutsch, weil es natürlich vernünftig ist, sich auf eine bestimmte Sprache zu einigen.

Ich will Ihnen aber auch noch mal erklären, warum Goethe das von den fremden Sprachen gesagt hat: Weil vieles, was wir als deutsche Wörter erkennen oder verwenden, gar nicht deutsche Wörter sind. Es ist ja nicht nur der große Vorsitzende der größten und besten Oppositionspartei, die wir in Thüringen je hatten, der geistiges Manna irgendwoher zieht – ein hebräisches Wort –, sondern es gibt andere Wörter – ich möchte das gar nicht ins Lächerliche ziehen –, wie zum Beispiel das Wort „Kiosk“, das jeder von Ihnen kennt, mit dem wir alle groß geworden sind, als wir unser erstes Eis gekauft haben. Das stammt aus dem Mittelpersischen und ist dann über die Türkei und über Frankreich schließlich bis nach Deutschland eingewandert. Jeder wird Ihnen sagen: Das ist ein deutsches Wort. Mitnichten!

So ist Sprache etwas, das sich entwickelt aus dem Zusammenspiel von verschiedenen Kulturen und auch von Migrationsströmen natürlich, die es in der Menschheitsgeschichte immer gegeben hat. Sprache ist deswegen nichts Statisches. Deswegen macht es auch Sinn, dass es neben den Regelungen der Amtssprachen, die es in vielen Gesetzen gibt, eine Regelung einer Landessprache als Sprechsprache in keinem Bundesland in der Landesverfassung gibt. Wir haben in Landesverfassungen lediglich dann Regelungen zu Sprache, wenn der Schutz von anderen Minderheitssprachen geregelt wird, zum Beispiel das Sorbische in Sachsen oder Brandenburg oder das Niederdeutsch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Als zusätzliche Amtssprachen gibt es – wie gesagt – Niederdeutsch, Dänisch und Friesisch als Amtssprache neben Deutsch in Teilen Schleswig-Hol

(Abg. Brandner)

steins. Da gibt es sogar eine dänische Minderheit, die auch noch besondere Rechte im Parlament hat.

In der Antragsbegründung – und Herr Brandner, Sie haben es eben noch einmal gesagt – heißt es, eine Landessprache sei in Zeiten der Globalisierung und internationaler Migrationsströme mehr als ein symbolischer Akt. Sie haben auch gesagt, dass Sie die Sorge haben, dass die Verwässerung der deutschen Sprache unmittelbar bevorstehe. Gibt es denn dafür Anlass? Haben wir nicht einen riesen Run auch gerade der flüchtenden Menschen, die zu uns kommen, auf Deutsch-Kurse? Will denn nicht jeder diese deutsche Sprache erlernen? Mich hat es schon immer gewundert, wie viele Künstler mittlerweile auch Deutsch als Kunstsprache oder als ihre Ausdruckssprache wählen, die gar nicht ursprünglich in Deutschland geboren sind oder einen deutschen Familienhintergrund haben. Aber was dann auch noch die Frage ist, wenn es denn mehr als ein symbolischer Akt sein soll: Welchen Inhalt hätte dann Ihre Regelung, Deutsch als Sprechsprache in die Verfassung zu schreiben? Darf dann niemand mehr eine andere Sprache in der Öffentlichkeit sprechen? Wie kommunizieren wir dann mit unseren ausländischen Gästen, die auch immer mal wieder hier in den Landtag kommen, mit Geschäftsreisenden oder Studierenden, die nur unzureichend die Landessprache sprechen? Darf es, wenn wir Deutsch als Sprechsprache in die Verfassung schreiben würden, dann noch Unterricht, Vorlesungen und Vorträge in anderen Sprachen geben? Und was ist eigentlich Deutsch? Das muss man dann schon auch fragen, wenn das die Sprechsprache sein soll. Zählen dazu auch die Thüringer Dialekte, zum Beispiel das Fränkische im Süden unseres Landes?

(Beifall SPD)

Die elementarste Frage – und da muss man bei Ihnen auch immer vorsichtig sein und nachfragen –: Sollen dann Sanktionsmechanismen eingeführt werden, wenn man die Sprechsprache Deutsch mit Verfassungsrang nicht spricht? Muss man dann künftig in ein Spracherziehungslager kommen, wenn man das Wort „Kiosk“ verwendet?

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Frau Marx, das ist unsachlich. Das ist wirklich unsach- lich. Versuchen Sie doch einmal, eine sachli- che Rede hinzubekommen!)

Hören Sie sich das doch mal an! Das entscheide immer noch ich! Sprache dient der Verständigung und nicht der Ausgrenzung!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mit einem Zitat von Christian Morgenstern enden: „Wie ist jede – aber auch jede – Sprache schön, wenn in ihr nicht nur geschwätzt, sondern gesagt wird.“ Herzlichen Dank.