Protocol of the Session on January 28, 2016

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: 1 Ent- haltung!)

und 1 Enthaltung vom Kollegen Fiedler

(Beifall AfD)

ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Gegenstimmen aus den anderen Fraktionen des Hauses. Stimmenthaltungen? Bei keiner Stimmenthaltung ist die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz abgelehnt.

Ich schließe damit die Beratung und rufe auf den Tageordnungspunkt 9

Öffentlich geförderte Beschäftigung und Teilhabe der Langzeitarbeitslosen am Erwerbsleben in Thüringen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/825 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit - Drucksache 6/1341

Das Wort hat Abgeordnete Stange aus dem Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit zur Berichterstattung.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit zu dem Antrag der Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/825. Der Antrag wurde am 01.07.2015 eingereicht und in der Plenarsitzung am 09.07.2015 in erster Beratung gemeinsam behandelt. Das zuständige Ministerium für Soziales, Arbeit und Gesundheit hat, wie in Punkt I des Antrags gefordert, einen intensiven und ausführlichen Bericht gegeben. Über den wurde anschließend diskutiert. Der Antrag in Drucksache 6/825 wurde an den zuständigen Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit überwiesen. In der Ausschussberatung am 03.09.2015 wurde sich darauf verständigt, dass zu den Nummern II bis IV eine inhaltliche Beratung durchzuführen ist. Eine nochmalige Berichterstattung der zuständigen Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit, Frauen und Familie wurde im Ausschuss entgegengenommen. Ministerin Werner hat darüber berichtet, wie der Stand der Umsetzung der Programme und der Erarbeitungsstand sind. In der Ausschussberatung wurde sich auf Antrag der Fraktion Die Linke darauf verständigt, Herrn Senius, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, in die Sitzung am 19.11.2015 einzuladen und um Bericht zu bitten.

In der Ausschusssitzung am 19.11.2015 – wie bereits erwähnt – hat Herr Senius einen Bericht zu der Situation, also der Arbeitsmarktsituation, vor allem in Bezug auf Langzeitarbeitslose, gegeben. Die Ausschussmitglieder hatten die Gelegenheit, Fragen an ihn zu richten, und davon wurde – wie bereits erwähnt – auch Gebrauch gemacht. Des Weiteren wurde durch das zuständige Ministerium und durch die Vertreterinnen und Vertreter der GFAW darüber im Ausschuss informiert, wie der Erarbeitungsstand der Richtlinien für die Arbeitsmarktprogramme ist, und sie haben informiert, dass seit 6. Oktober 2015 die entsprechenden Richtlinien er

lassen worden sind und die Bearbeitung der Antragstellungen bereits begonnen hat.

Der Ausschuss hat in seiner Sitzung am 19.11.2015 die Empfehlung beschlossen, den Antrag hier anzunehmen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat Abgeordnete Holzapfel, Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir, bei diesem Thema daran zu erinnern, dass die soziale Marktwirtschaft, unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung, ganz entscheidend von der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger lebt, selbst Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall CDU)

Nur dort, wo diese Bereitschaft fehlt und auch gar nicht möglich ist – ich habe an dieser Stelle schon darüber geredet –, ist die Solidarität der Gemeinschaft gefragt und staatliches Handeln erforderlich.

Wir teilen nicht die Auffassung der Links-Koalition, dass es in Thüringen des weiteren Ausbaus eines sozialen Arbeitsmarkts durch öffentlich geförderte Beschäftigung bedarf. Aus meiner Sicht suggeriert die Bezeichnung „sozialer Arbeitsmarkt“ viel zu sehr ein Gefühl, dass der erste oder – besser gesagt – der reguläre Arbeitsmarkt unsozial sei, was aber an der Realität vorbeigeht. Es ist unbestritten, meine Damen und Herren, dass wir alles daran setzen müssen, dass die Menschen, die schon lange nicht mehr eine passende Anstellung gefunden haben, wieder in Arbeit gebracht werden, aber nicht in einen künstlich geschaffenen sozialen Arbeitsmarkt, sondern in eine normale sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die Jobcenter haben eine Vielzahl an Instrumenten parat, um Langzeitarbeitslose wieder fit für den Job zu machen. Öffentlich geförderte Beschäftigung muss sich ausrichten am konkreten Einzelfall und so nah wie möglich am ersten Arbeitsmarkt platziert werden. Die Übergangsperspektive in den ersten Arbeitsmarkt muss grundsätzlich Vorrang vor einem dauerhaften Verbleib in geförderter Beschäftigung haben. Natürlich ist mir bekannt, dass es eine besondere Hausforderung ist, Menschen, die schon länger als ein Jahr ohne Arbeit sind, wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine noch größere Herausforderung ist es, wenn sie zudem in einem fortgeschrittenen Alter sind. Das Konzept der Linken sieht vor, für ältere Beschäftigte den Förderzeitraum als Übergang in die Rente zu nutzen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und zunehmender Fach

(Vizepräsidentin Jung)

kräfteengpässe kommt aber gerade der Beschäftigung von Älteren eine hohe Bedeutung zu. Die Erwerbstätigkeit und eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Diesen positiven Trend gilt es weiter zu verfolgen, um deren Arbeitsmarktchancen zu verbessern. Der Umweg über eine geförderte Beschäftigung in die Rente auf Kosten der Steuer- und Beitragszahler ist vor diesem Hintergrund kontraproduktiv.

Meine Damen und Herren, der Arbeitsmarkt in Thüringen ist aktuell sehr robust. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung vor 25 Jahren zu verzeichnen.

(Beifall CDU)

Unter den neuen Bundesländern nehmen wir die Spitzenstellung ein und haben schon längst zu den westdeutschen Flächenländern aufgeschlossen.

(Beifall CDU)

Damit es so bleibt, müssen wir darauf achten, dass es zu keiner Wettbewerbsverzerrung durch öffentlich geförderte Beschäftigung kommt. Deshalb müssen als Kriterien für solche Maßnahmen zwingend das Vorliegen eines öffentlichen Interesses, die Zusätzlichkeit für den regulären Arbeitsmarkt und die Wettbewerbsneutralität gelten. Für die CDU-Fraktion besitzen dabei die Grundprinzipien des SGB II eine klare Priorität: Fördern und Fordern. In Ihrem Antrag wird aber genau dieses Prinzip durch Freiwilligkeit ersetzt. Eine Freiwilligkeit, meine Damen und Herren, kann nicht sanktioniert werden. Diejenigen, die an dem Programm „Öffentlich geförderte Beschäftigung und gemeinwohlorientierte Arbeit“ partizipieren, haben keine Sanktionen zu befürchten, wenn sie sich beispielsweise einer Maßnahme entziehen. Insoweit sind die Grundprinzipien des SGB II nicht erfüllt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieses kann nach meiner Auffassung auch nicht im Sinne der SPD-Fraktion sein. Schließlich waren es die Sozialdemokraten, die mit der Arbeitsmarktreform das Prinzip „Fördern und Fordern“, wie wir heute wissen, eingeführt haben. Dass Sie dieses Prinzip nunmehr opfern, ist enttäuschend.

Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass die CDU-Fraktion schon im Juli des vergangenen Jahres auf eine Evaluierung der Arbeitsmarktprogramme gedrängt hat.

(Beifall CDU)

Für uns gilt nach wie vor, insbesondere in diesem Fall der Grundsatz: Erst prüfen, dann neu handeln. Allein das im Antrag erwähnte Programm kostet den Freistaat Thüringen in den nächsten zwei Jahren 15 Millionen Euro, wobei niemand von uns die Erfolgsaussichten abschätzen kann. 2 Millionen Euro kamen schon 2015 nicht mehr zur Auszah

lung. Zusammenfassend ist festzustellen, dass es im Ausschuss keine überzeugende Antwort für die Sicherstellung einer strikten Wettbewerbsneutralität gegeben hat. Es wurde lediglich auf eine mögliche Nachjustierung dieses Begriffs hingewiesen. Dies, meine Damen und Herren, ist für uns kein überzeugendes Konzept. Wenn es unserem Freistaat weiterhin gut gehen soll und wenn wir wollen, dass Thüringen seine Spitzenstellung, die es in den letzten 25 Jahren hart erarbeitet hat, auch für die Zukunft behält, dann, sage ich Ihnen als arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion, sollten wir als Politiker auf ein festes Bündnis mit der Wirtschaft vertrauen und sie hat auch die Verpflichtung. Sie ist verpflichtet, der sozialen Marktwirtschaft ihren Tribut zu zollen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordnete Leukefeld das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Holzapfel, ich vermute, es wird uns auch heute nicht gelingen, die grundsätzliche Differenz, die wir zu diesem Thema haben, auszuräumen.

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Nein!)

Trotzdem will ich sagen, haben die Debatte und die vorliegenden Förderprogramme eine interessante Diskussion gebracht und auch eine große öffentliche Resonanz erfahren.

Ich möchte einige Dinge hier noch einmal kurz ansprechen, ohne das in Gänze auszuweiten. Aber das feste Bündnis mit der Wirtschaft, was Frau Holzapfel angesprochen hat, das ist sehr schön, das wollen wir auch und daran wird auch gearbeitet. Es hilft bloß leider nicht, diese mehr oder weniger 30.000 Langzeitarbeitslosen in Arbeit zu bringen. Das hat sich nun in vielen Jahren auch unter Ihrer Regierung gezeigt. Ende des Jahres gab es eine Veröffentlichung, ich darf vielleicht kurz daraus zitieren, in welcher der Chef der BA-Regionaldirektion Kay Senius gesagt hat, so ist es hier aufgeschrieben: „Das zu Ende gegangene Jahr war am Thüringer Arbeitsmarkt eigentlich ein gutes – außer für Langzeitarbeitslose. 37 Prozent aller Arbeitslosen sind langzeitarbeitslos. Die Zahl hat sich in den letzten Jahren eher nicht reduziert.“ Wir haben einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor oder öffentlich geförderte Beschäftigung eher nicht gehabt.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Warum auch?)

(Abg. Holzapfel)

Bürgerarbeit als Bundesprogramm, was auch in Thüringen vielen Menschen geholfen hat, ist ausgelaufen und nicht durch ein neues ersetzt worden. Und, meine Damen und Herren, viele von Ihnen sind doch in den Kommunen, in den Städten und Gemeinden aktiv und wissen und kennen sich dort aus, genau wie ich. Sie wissen doch, wie viel Arbeit da ist, die derzeit nicht geleistet wird, weil sie nicht finanziert wird. Deswegen war das auch ein Kernprojekt der Linken, was jetzt Form und Gestalt annimmt. Unsere Auffassung war, wir machen zwei Dinge: Wir helfen Betroffenen ohne Zwang, das ist richtig, freiwillig, weil, die wollen arbeiten. Das ist in vielen, vielen Fällen längst nachgewiesen, dass die nicht alle in der Ecke vor dem Fernseher sitzen mit der Tasse Kaffee oder dem Glas Bier in der Hand und dort versacken, sondern die wollen etwas tun. Zweitens sorgen wir dafür, dass in den Kommunen Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge – nicht in Konkurrenz zur Wirtschaft – im Nonprofit-Bereich eben auch erfüllt werden. Da partizipieren alle davon. Insofern, wie gesagt, gab das auch eine gute Resonanz. Es sind mittlerweile – das wird die Ministerin vielleicht noch deutlicher sagen – um die 1.000 Anträge gestellt, viele im Bereich Soziales, aber eben auch im Bereich Umwelt, Denkmalschutz, im Bereich der Kultur, des Sports bis hin zum Tierschutz, wo also Arbeit auch fehlt. Sie wissen auch, dass es ein zweistufiges Verfahren gibt. Es wird also schon kontrolliert, dass alle die Betroffenen – von den Kammern bis zu den Landräten, bis zum Jobcenter und Vereinen und Verbänden – in diesen Prozess einbezogen sind, sodass wir nicht ganz unbürokratisch, aber eine gute Gewähr dafür haben, dass eben bestehende Arbeitsplätze nicht verdrängt werden.

Es gibt ein Problem, das ist auch sehr deutlich geworden, das will ich hier auch benennen und möchte da voranstellen eine Formulierung, die auch der Chef der Regionaldirektion Kay Senius sowohl im Ausschuss als auch öffentlich mehrfach betont hat, ich darf das zitieren: „Es ist quantitativ ein kleines, aber qualitativ ein großes Programm, das durchaus zu einem Durchbruch und einer neuen Qualität in der Arbeitsförderung führen kann. Von Thüringen kann deshalb eine Signalwirkung ausgehen.“ Und ich sage: Kräftige solidarische Impulse für diejenigen, die von der positiven Entwicklung, auch vom Reichtum nicht partizipieren, und das betrifft Menschen, die hier schon lange leben, wie auch Menschen, die in Thüringen hinzugekommen sind. Die wollen wir fördern und unterstützen.

Da finde ich: Das Thüringer Beispiel kann und sollte Schule machen. Dass auch das auf dem Weg ist, haben uns zumindest die zugänglichen Dokumente der Arbeits- und Sozialministerkonferenz gezeigt, die hier in Thüringen federführend unter unserer Ministerin stattgefunden hat, wo ein Antrag beschlossen wurde, der darauf hinweist, dass bundesweit

eine solche Unterstützung öffentlich geförderter Beschäftigung auf den Weg gebracht werden sollte, wo auch gesagt wird, dass die Förderung von Langzeitarbeitslosen im öffentlichen Bereich bis heute keine hinreichende gesetzliche Grundlage hat und es immer nur befristete Sparprogramme gibt, dass der Förderdschungel, der da existiert, die unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen, es auch sehr schwer machen, hier voranzukommen. Es gibt noch viele restriktive Vorgaben.

Ich glaube, wir können hier durchaus Zeichen setzen und ich bin sicher, dass wir uns auf einem guten Weg befinden. Wir hätten gern, dass das ganze Programm noch ausgeweitet würde! 7,5 Millionen Euro im Jahr, das haben Sie gesagt, 15 Millionen Euro in zwei Jahren, sind nicht mehr und nicht weniger als 1.000 Arbeitsplätze. Sie lesen auch Zeitung und wissen, dass das Windhunderennen um diese Stellen begonnen hat – sowohl aus Sicht der Kommunen, aus Sicht von Vereinen und Verbänden und Trägern, aber auch von Betroffenen. Ich hoffe, dass die Vergabe transparent gehandhabt wird, dass diejenigen, die dort Anträge stellen in diesem zweistufigen Verfahren entsprechend der Möglichkeiten eine Berücksichtigung finden.

Zum Schluss vielleicht noch die zwei Gedanken, dass dieses Programm öffentlich geförderter Beschäftigung nicht wichtiger – aber auch nicht weniger wichtig ist als das zweite Programm, nämlich das Landesarbeitsmarktprogramm Thüringen, das LAT, in dem auch genauso viele finanzielle Mittel stecken. Beide sich ergänzende Programme sollen gute Effekte erzielen.

Was ich persönlich auch bedaure, ist, dass dieser Passiv-Aktiv-Transfer, von dem alle reden, aber den der Bund nicht praktiziert, derzeit keine Chance zur Umsetzung hat. Deswegen im Rahmen dieses Förderprogramms zwei Modellprojekte in Thüringen, die wir begleiten. Ich sage Ihnen, wenn das funktioniert, werden wir im Jahr 2017 ausgehend von Thüringen Druck auf den Bund ausüben und werden auch die Bundestagswahl dafür benutzen, um diesen Passiv-Aktiv-Transfer zu einem guten Ende zu führen, der ein Nullsummenspiel sein kann, weil erhebliche finanzielle Mittel für die Bewältigung der Langzeitarbeitslosigkeit ausgegeben werden. In diesem Sinne herzlichen Dank für die Diskussion und bleiben wir weiter dran!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Herold von der Fraktion der AfD zu Wort gemeldet.

(Abg. Leukefeld)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucher auf der Tribüne und Zuschauer im Internet! Das von Ihnen ins Leben gerufene Landesprogramm für öffentlich geförderte Beschäftigung halten wir nach wie vor für kein geeignetes Mittel, um der Langzeitarbeitslosigkeit in Thüringen entgegenzuwirken. Ihr Wunsch, Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen zurück ins Arbeitsleben zu bringen, ist zunächst einmal gut. Aber vergessen Sie bitte nicht dabei, welchen Umfang wir betrachten, wenn wir von dieser Gruppe von Arbeitslosen sprechen.

In Thüringen gibt es 80.000 Arbeitslose, 30.000 davon sind langzeitarbeitslos, 15.000 Personen schon länger als zwei Jahre nicht mehr in Erwerbsarbeit. Besonders auffällig ist, dass die Zahl dieser Langzeitarbeitslosen stagniert. Sie haben recht, wir brauchen hier einen neuen Ansatz, eine innovative Herangehensweise zur Lösung des Problems. Was allerdings an Ihrem Projekt innovativ sein soll, das im „Freien Wort“ vom 7. Januar zu Recht mit „Die Rückkehr der ABM“ beschrieben wurde, konnte mir bisher keiner erklären. „Eine dauerhafte Beschäftigung entstand jedoch hier nur selten.“, schreibt das „Freie Wort“. Es gilt für die ABM und wird auch für diese Gemeinwohlarbeit gelten. Es gibt 500 Projektplätze. Das bedeutet, bezogen auf 30.000 Langzeigarbeitslose, sind es 1,67 Prozent. Selbst bei einer 100-prozentigen Vermittlung der Beschäftigten aus diesen Projektplätzen auf den ersten Arbeitsmarkt würden wir nur von 500 Arbeitslosen weniger reden und die fallen kaum ins Gewicht. Auch angesichts der Migrantenströme, die nach Thüringen kommen und von denen, wie wir letztens bei einem Hintergrundgespräch mit den arbeitsmarktpolitischen Sprechern und maßgeblichen Personen vom Arbeitsamt entnehmen konnten, 87 Prozent über keine Berufsausbildung verfügen und wo wir damit rechnen müssen, dass mindestens die Hälfte derer für wenigstens fünf Jahre in der Arbeitslosigkeit landet, und fünf Jahre sind Langzeitarbeitslosigkeit. Auf Thüringen bezogen heißt es bei 30.000 Ankömmlingen 2015, 5.000 Kinder abgezogen, 25.000 Personen. Sind wir großzügig, ziehen noch 5.000 Frauen ab, die auch nicht dem Arbeitsmarkt kurzfristig zur Verfügung stehen werden. Das heißt, wir haben in Thüringen auf einen Schlag 20.000 Langzeitarbeitslose mehr. Die Zahlen machen deutlich, wie gering die Reichweite Ihres Programms ist und dass man ohne Zweifel sagen kann, dass es sich dabei nur um einen teuren Tropfen auf den heißen Stein handelt. Nicht nur quantitativ, auch qualitativ ist das Programm höchst skeptisch zu betrachten. Es ist erstens zu bezweifeln, dass die Menschen aus solchen Projektstellen in den ersten Arbeitsmarkt wechseln, und zweitens ist nicht abschließend geklärt, ob es nicht doch eine Verdrängung von Arbeitsplätzen vom ersten Ar

beitsmarkt geben wird. Es besteht die reale Gefahr, dass neue Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich nicht entstehen, weil der einfache Arbeitsmarkt zu einem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt umgewandelt wird.

Wir haben ein grundsätzliches Problem in Deutschland und das ist die große Zahl der gering qualifizierten Langzeitarbeitslosen, deren Chancen auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt gegen null ging. Diese Menschen erhalten derzeit Sozialleistungen, obwohl die meisten von ihnen sich ganz sicher lieber aktiv in die Gesellschaft einbringen würden. Wir müssen offen diskutieren, wie wir dieses Ziel erreichen können.