Protocol of the Session on January 28, 2016

versuchen zu suggerieren, dass man das doch so einfach machen könnte. Sie müssten es wissen, Sie haben auch Juristen in Ihrer Fraktion. Eine Verfassung ändern – erstens einmal sollte man da sehr, sehr vorsichtig sein, an solche Dinge heranzugehen. Denn diese ist damals auch vom Volk mit großer Mehrheit beschlossen worden. Sie wissen natürlich, dass zwei Drittel Mehrheit notwendig sind, um überhaupt daran zu gehen. Die werden Sie – würde ich eine Wette wagen – in diesem Hohen Hause auf keinen Fall bekommen. Das wussten Sie natürlich. Deswegen haben Sie das Ganze hier eingebracht. Gestern ist mir bei einer wichtigen Sache von den Kollegen Klamauk nachgesagt worden. Ich gebe das heute zurück: Das ist echter Klamauk, der hier mit dieser ganzen Geschichte betrieben wird.

Sie sollten nicht vergessen oder alle sollten nicht vergessen, dass wir die gewählten Volksvertreter in diesem Lande sind. Wir sind die gewählten Volksvertreter. Wir haben auch diese Entscheidung, die hier ansteht – die haben wir zu entscheiden und nicht wieder heimlich still und leise zurückzugeben an das Volk. Das würde ich genauso bei anderer Gelegenheit sagen – irgendwann kommen wir auf Gebietsreform, wo man dann irgendwelche Tricks machen will und sagt: Entscheidet Ihr einmal, wir machen das Gesetz und Ihr entscheidet, wo der Kreissitz hinkommt. Das wäre genauso Drückebergerei – aber nur einmal so nebenbei.

Wenn ich mir vorstelle, wenn das wirklich so würde, wie Sie sich das vorstellen. Allein in der letzten Legislatur hatten wir fünf Neugliederungsgesetze, die aufgrund freiwilliger Zusammenschlüsse zusam

(Vizepräsidentin Jung)

mengekommen sind. Wir hätten diese Kommunen – das alles noch einmal dem Verfahren reingeben müssen und, und, und. Ich könnte Ihnen jetzt noch viele Dinge nennen. Ich bin eigentlich gespannt – uns fällt es verhältnismäßig leicht, das einfach zu sagen, weil es sowieso nicht wird –, was aber vor allen Dingen die Grünen und die Linken sagen. Die haben früh, mittags und abends immer gesagt: Ja, das muss man alles das Volk entscheiden lassen. Da bin ich mal sehr gespannt, was dort passiert. Und, meine Damen und Herren, es ist viel, viel wichtiger, das Volk zu beteiligen, das Volk mitzunehmen, den Bürger mitzunehmen, die Dinge nach außen zu tragen, und nicht das, was ein Parlament zu entscheiden hat, zurückzugeben. Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordneter Warnecke das Wort. Das steht bei mir auf der Liste. Nicht? Dann rufe ich den Abgeordneten Adams, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag! Herr Kollege Fiedler, da, wo wir uns immer einig sind, möchte ich das dann auch deutlich sagen: Ich kann mich Ihren Worten voll anschließen, will aber trotzdem noch mal auf den AfD-Antrag eingehen.

Herr Kießling, ich hätte erwartet, dass Sie in Ihrer Einbringung den einen Konflikt, der sich in Ihrem Antrag zur Änderung der Verfassung findet, auflösen. Schaut man sich unseren Artikel 83 an, dann wird dort immer von Gebietsänderungen an Gemeinden und Landkreisen gesprochen; das ist die Systematik, die Terminologie, in der die Thüringer Landesverfassung spricht. Sie haben – das fällt auf, wenn man reinschaut – sich aber eher am Artikel 29 des Grundgesetzes orientiert. Der redet dann nämlich, wenn er das Land ändern will oder Länder ändern will, von Änderungen im Bundesgebiet. Das würde von der Systematik aber nicht passen, dann müsste man insgesamt anpassen, sozusagen auch die ersten Absätze noch mal umändern, dann immer von der Änderung des Landesgebietes sprechen, um in einer gleichen Systematik zu sein. Sonst kommt man nämlich auf die Idee, dass die AfD vorhabe, das Gebiet des Landes Thüringen zu verändern, möglicherweise durch eine Verschweißung mit dem Land Hessen. Uns Grünen kann man das durchaus vorschlagen, aber ich glaube, dafür gibt es keine substanzielle Grundlage, mit Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern oder Franken

hier sozusagen in Verhandlung treten zu wollen. So vermessen wird – zumindest glaube ich das – nicht einmal die AfD sein.

Eine weitere Sache, die mich sehr verwundert hat, Herr Kießling: Sie haben der rot-rot-grünen Landesregierung vorgeworfen, dass wir uns gar nicht um die Verwaltung kümmern würden. Aber Sie haben sich mit Ihrem Gesetzesantrag hier auch nur ganz pur auf die Gebietsänderung bezogen. Also was ist denn Ihr Vorschlag? Man kann nicht immer im Glashaus sitzen und sagen, die anderen haben keine Vorschläge, und mit diesen Steinen um sich werfen.

Ganz einfach, ganz nüchtern gesagt: Es ist richtig, dass man Bürgerbeteiligung braucht. Und man braucht sie in einer klugen, und zwar konstruktiven Form, dass man Bürgern nicht etwas vorsetzt und sagt, „wollt ihr, wollt ihr nicht“, sondern mit den Bürgern das erarbeitet. Genau dieser Riesenaufgabe stellen wir uns und da sind wir dran mit dem Arbeiten. Das ist ein weiter Weg. Ich weiß, dass der Innenminister da an unserer Seite ist und auch offen ist. Das werden wir anbieten, diese Gebietsreform mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam zu machen. Aber nachher werden wir dann bei unserem Antrag darüber auch genauer diskutieren.

Herr Adams, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Gestatten Sie?

Na aber, ja, natürlich.

Herr Brandner.

Nur eine Verständnisfrage. Sie haben gerade Ausführungen zu Artikel 83 der Thüringer Verfassung gemacht.

Nein, da habe ich einen Fehler gemacht, es ist die 92.

Danke schön, das erhellt das.

Es liegt mir jetzt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Kießling vor.

(Abg. Fiedler)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Zuschauer, liebe Abgeordnete! Natürlich, Herr Adams, wollen wir keine Gebietszusammenlegung mit Hessen oder sonst wem machen, wir wollen lediglich die Mitbestimmung

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann schreiben Sie es doch auch hin!)

deswegen reden wir doch heute hier –, wir wollen lediglich die Mitbestimmung der Bürger bei der geplanten Gebietsreform, die Sie vorhaben.

Aber lassen Sie mich noch mal ausführen, vielleicht wird dann einiges klarer, was wir damit bezweckt haben. Unser Gesetzentwurf sieht eine kleine, aber sehr wichtige Änderung der Thüringer Verfassung vor. Es geht um die Möglichkeit, die Bürger in einem Volksentscheid zukünftig über Gebietsreformen abstimmen zu lassen. Damit übernehmen wir analog eine Regelung des Grundgesetzes – so, wie Sie es schon richtig erkannt haben, Herr Adams. Mit dieser Verfassungsreform wird der „Basta-Politik“ von Herrn Poppenhäger ein Riegel vorgeschoben. Allein stehen wir mit diesem Vorhaben jedenfalls nicht. Es gibt zahlreiche prominente Führsprecher für diese Idee, Landrätin Schweinsburg fordert bereits einen Volksentscheid über die Gebietsreform. Das Stimmungsbild des Landes gibt ihr auch recht dafür. Neben dem Landkreistag sieht auch der Gemeinde- und Städtebund das Vorhaben von Rot-Rot-Grün sehr, sehr kritisch. Den Aussagen des Abgeordneten Gruhner zu dem Thema lässt sich entnehmen, dass auch die Junge Union einen Volksentscheid befürwortet.

(Zwischenruf aus dem Hause: Nein!)

Nein? Die CDU hatte gerade anders gesprochen, ich weiß, aber der Landesjugendring befürwortet einen Volksentscheid.

(Beifall AfD)

So, wie sich die Linke für die direkte Demokratie starkgemacht hat, würden wir von dieser Seite des Hauses eigentlich auch eine arge Unterstützung erwarten. Ich bin auf die Abstimmung nachher gespannt. Aber wenn man mit der direkten Demokratie nur Oppositionspolitik betreibt, wird man unseren Gesetzentwurf jetzt ablehnen müssen. Damit würde die Linke im Land Thüringen gegen die Linke im Bund stimmen, denn was schreiben denn zum Beispiel die Linken im Bund zum Thema? Ich zitiere aus der Linken-Seite: „Die repräsentative, parlamentarische Demokratie ist weder das letzte Wort des Grundgesetzes noch der Demokratie-Geschichte. Sie ist zu verbessern [...] durch Einführung von Elementen der direkten Demokratie und besserer Kontrollmöglichkeiten [...].“ – Punkt, Aus, Ende. Genau das wollen wir auch.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich glaube nicht, dass Sie das wollen!)

Auch das Bürgerbündnis „Mehr Demokratie“ e. V. setzt sich für eine Verbesserung der direkten Demokratie auf allen Ebenen ein, Herr Adams. Wie die direkt demokratische Mitwirkung von Grünen und SPD gegenüber Andersdenkenden aussieht, zeigt das derzeitige Schauspiel beim SWR. Das haben Sie sich sicherlich angesehen. Erpressung gehört dort zur Realität, um Meinungsfreiheit und Demokratie unterbinden zu wollen – wie man auch in „ZEIT ONLINE“ nachlesen kann. Mit dem Volksentscheid zur Legitimation der Gebietsreform bringen wir den Volkswillen zum Ausdruck. Wir knüpfen an Artikel 20 des Grundgesetzes an. Er sieht die Beteiligung des Volkes an der staatlichen Willensbildung vor. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen

(Beifall AfD)

und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Das können Sie gern nachlesen. Sie sprechen in Ihrem Leitbild stets von der kommunalen Eigenverantwortung und Selbstbestimmung. Jetzt ist die Möglichkeit gekommen, diese Versprechen einzulösen, liebe rot-rot-grüne Landesregierung.

Die Aufnahme direkt demokratischer Instrumente in die Gesetzgebung ist auch aus der Schweiz bekannt, doch man muss nicht so weit gehen. Die Änderung der Thüringer Verfassung geht konform mit dem Grundgesetz. Auch das Grundgesetz schreibt das verpflichtende Referendum vor, wenn das Bundesgebiet verändert wird. Wie bereits gesagt, ermöglicht unser Gesetzentwurf die Kontrolle der Regierung durch das Volk. Die „Basta-Politik“, wie schon erwähnt, würde damit genau unter diese Kontrolle des Volkes kommen und dieses verhindern. Mit dem verpflichtenden Volksentscheid wäre der Landtag angehalten, ein stimmiges Gesetz zu verabschieden. Ein Gesetz, das den Bedürfnissen der Regionen gerecht wird, das den Wünschen der Bürger entgegenkommt und das die Bürgermeister und Landräte befürworten. Es wäre dann auch nicht möglich, sich einfach über die Köpfe der Menschen hinwegzusetzen. Die Verfassung Bayerns sieht zum Beispiel in Artikel 75 das Recht vor, solch eine verpflichtende Befragung des Volkes bei jeder Verfassungsänderung durchzuführen. Das Ergebnis eines Volksentscheids ist natürlich nicht planbar. In diesem Haus gibt es zum Leidwesen der Demokratie sehr schräge Ansichten über den Sinn von Volksentscheiden. Entweder man traut dem Volk zu, sich eigenständig seine Meinung zu bilden, oder man traut es ihm nicht zu. Wenn man es nicht tut, dann setzt man – wie zum Beispiel den SWR – poli

tisch unter Druck und kümmert sich darum, dass echte Oppositionsparteien aus Diskussionsrunden ausgeladen werden. Aber man hat es nun geschafft, Gott sei Dank, dass auch die AfD nun dabei ist.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Volksentscheid wäre anders ausgegangen oder wie?)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun?)

Hören Sie einfach mal zu.

Wenn man dem Volk keine eigene Meinungsbildung zutraut, dann steht man wie die Linken in der Tradition der Linken-Erziehungsdiktaturen. Was die Linke in der Sitzung im September hier zu Volksentscheiden gesagt hat, ist erschreckend. Es zeigt, welch Geistes Kind die Linke ist. Es ist unfassbar, dass man sich hier als demokratisch gewählte Volksvertreter hinstellt und sagt, das Volk muss gefälligst erzogen werden, damit es direkte Demokratie ausüben darf. So sagt Die Linke: Volksentscheide zum Gütertransport auf der Schiene sind gut, aber Volksentscheide zum Minarettverbot sind schlecht, Volksentscheide zu Tunneln, zu Eisenbahnen sind gut, aber Volksentscheide zum Thema Masseneinwanderung sind schlecht. Das ist die ideologische Umerziehung, an dem nicht nur die Menschen in der DDR leiden mussten, daran leidet die ganze Bundesrepublik. Wir als AfD-Fraktion sehen das anders, denn wir sind Vertreter des Volkes. Wir sind vom Bürger gewählt für eine bestimmte Zeit und sollten dem Volke dienen. So wie die anderen hier auch. Was das Volk nicht möchte, ist eine Bevormundung, denn die gab es schon. Eine Gebietsreform, die sich dem Votum des Volkes stellt, ist natürlich anspruchsvoll. Aber sie zeigt, dass die Politik das Volk mitnehmen möchte. In Zeiten, in denen die Wahlbeteiligung bei knapp 50 Prozent liegt, sollte man sich dieser Herausforderung stellen oder man macht die „Basta-Politik“ wie Minister Poppenhäger. Dann darf man sich aber nicht wundern, wenn die Menschen der Politik den Rücken kehren. Dann sind die Politiker keine echten Volksvertreter mehr. Natürlich muss man sich Gedanken machen, was passiert, wenn das Volk solch eine Gebietsänderung ablehnt. Das ist die Frage. Denn ein Volksentscheid sollte nicht der Blockade der Regierung dienen. Die Folgen einer abgelehnten Gebietsreform können aber festgeschrieben werden. Sie sollen oder sie wollen die Strukturen anpassen, weil zukünftig angeblich das Geld fehlt. Wenn die Menschen in Thüringen Ihre Gebietsreform ablehnen, dann müssen Sie sich vor Ort diesen Problemen stellen. Vielleicht sind die Bürger bereit, für den Erhalt der regionalen Identität auf bestimmte Dinge zu verzichten. Vielleicht gelingt es den lokalen Behörden, mit elektronischer

Verwaltung selbst die Einsparungen zu erbringen. Wenn die Menschen keine Großkreise wollen, dann muss das die Landesregierung akzeptieren. Man kann den Betroffenen die Konsequenzen einer abgelehnten Gebietsreform aufzeigen. Dann sollten die Bürger selbst entscheiden, was für sie besser oder schlechter ist.

Wir trauen den Menschen diese Entscheidung zu. Deswegen setzen wir uns für diese Verfassungsänderung zugunsten des Volksentscheids für unsere Bürger in Thüringen ein. Wir beantragen daher die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und auch an den Ausschuss Inneres und Kommunales mit der Federführung für den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.

Ich möchte meine Rede mit einem kurzen Zitat schließen.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Auch vorgelesen, oder frei gehalten?)

Von einem Laotse von 553 vor Christus, das darf ich doch ablesen: „Zeige einem schlauen Menschen einen Fehler und er wird sich bedanken.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: So wie die bisherige Rede!)

Zeige einem dummen Menschen einen Fehler und er wird dich beleidigen.“ Vielen lieben Dank und ich bin mal gespannt auf Ihre Abstimmung.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Sind Sie bei Facebook?)

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Kuschel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manche Gesetzentwürfe erfüllen den Status des politischen Klamauks. Da hätten Sie noch ein paar Tage warten müssen, weil dann Karneval ist, da hätte das besser gepasst. Aber es ist wichtig für die Öffentlichkeit, zumindest darzustellen, dass die Koalition beim bevorstehenden Reformverfahren der Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform sehr viel Wert auf Bürgerbeteiligung legt und wir dafür eine Vielzahl von Instrumenten anbieten.