Protocol of the Session on January 28, 2015

Sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere die Kollegen von der CDU-Fraktion! Ich hatte gedacht, als Ihre Fraktion diese Aktuelle Stunde beantragte, dass das ein neuer Stil der Opposition sei. Denn in einer Situation, in der es zum Teil objektiv, zum Teil aber auch stark gefühlt eine große Unsicherheit in der Bevölkerung hinsichtlich terroristischer Gefahren, eine gefühlte Unsicherheit im Bereich der inneren Sicherheit gibt, könnte diese Aktuelle Stunde dazu dienen, ein Lob an die Landesregierung aussprechen zu wollen dafür,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

dass diese Landesregierung langjährige freie Stellen besetzt hat und in einer Situation, in der es zwingend erforderlich ist, dass das Präsidentenamt der Landespolizeidirektion besetzt wird und dass auch der Abteilungsleiter „Öffentliche Sicherheit“ im Innenministerium besetzt wird, dass also dies für Sie die Gelegenheit ist, der Landesregierung eine Art von Anerkennung auszusprechen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich merke, dass Sie aber dieses vordringliche Thema nicht aufrufen wollen, sondern sich auf ein Nebengleis begeben haben, von dem ich nicht weiß, ob es eine Sackgasse ist, aber das ich auch nicht zu bewerten habe. Zur Tatsache, dass dies in den Fallbeispielen, die Sie herausgegriffen haben, nicht angesprochen worden ist, würde ich sagen, dass möglicherweise in der Nichtnennung dieser beiden Entscheidungen auch eine Anerkennung seitens der Opposition der CDU enthalten ist, indem Sie

zumindest an diesen beiden Entscheidungen nichts zu kritisieren hatten. Das kann man ja als ein impliziertes Lob der Landesregierung wahrnehmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, ist erstmal nur der formale Hinweis darauf, dass ein ehemaliger Landrat die Position des Präsidenten des Landesverwaltungsamts eingenommen hat, ohne dass Sie damit eine Wertung vorgenommen haben. Sie haben nur eine Konnotation vorgenommen, ohne tatsächlich in der Sache darauf einzugehen, was eigentlich gegen die Besetzung des Landesverwaltungsamts mit einem erfahrenen ehemaligen Landrat spricht. In einem Landesverwaltungsamt, von dem wir wissen, dass wir dort in dieser Wahlperiode einen großen Umbau vornehmen werden, dass wir über eine Verwaltungs-, Funktionalund Gebietsreform diskutieren werden und in der natürlich ein Landesverwaltungsamt, insbesondere an der Schnittstelle zwischen Landesebene und kommunaler Ebene

(Unruhe CDU)

die Tatsache, dass ich rede, führt dazu, dass ich Sie leider nicht immer verstehen kann –, dass genau diese Schnittstellenfunktion des Landesverwaltungsamts mit einem Akteur besetzt ist, der auch diese Schnittstellenfunktion zwischen Landesebene und kommunaler Ebene wahrnehmen kann. Insofern finde ich, dass wir hier als Landesregierung Handlungsfähigkeit gezeigt haben entgegen Ihrer Befürchtung, die Landesregierung wäre nicht handlungsfähig.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Etwas erstaunt hat mich Ihre Aussage zum Rechnungshof. Vielleicht haben Sie sich da auch ein bisschen vergaloppiert. Wenn ich mich richtig erinnere – und Sie werden das mit Sicherheit besser wissen –, hat am 22. August durch Mehrheitsentscheidung im Landtag – und die Partei des Ministerpräsidenten stellte damals noch nicht den mehrheitstragenden Teil dieses Landtags – eine Vertagung stattgefunden, sodass die Nichtbesetzung der Direktorenstelle nicht dieser Landesregierung angekreidet werden kann,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern dass wir hier tatsächlich beim Landesrechnungshof eine Handlungsnotwendigkeit haben. Der Ministerpräsident hat mitgeteilt und Sie als Fraktionsvorsitzende genauso wie den Landtagspräsidenten eingeladen und hierzu haben auch Gespräche mit dem Rechnungshofpräsidenten stattgefunden, am 9. Februar in der Staatskanzlei ein Gespräch zu führen über die Notwendigkeiten und

Herausforderungen, die wir in der Handlungsfähigkeit des Rechnungshofs haben und in der Herstellung der Handlungsfähigkeit. Auch hier kann ich kein Verschulden der Landesregierung erkennen, Probleme, die im Land bestehen, nicht anzugehen.

Lassen Sie mich vielleicht noch mal aus der Sicht des Staatskanzleichefs und Amtschefs einen Punkt ansprechen, der die Bestenauslese betrifft. Es hat in den letzten Tagen der Vorgängerregierung auch in der Staatskanzlei die Entscheidung gegeben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Leitungsbereich ohne Bestenauslese in die Abteilungen und Referate zu versetzen, zum Teil auch als Referatsleiter. Ich habe daran ganz bewusst keine Änderung vorgenommen, weil die Kolleginnen und Kollegen, um die es sich handelt, ja eine große Erfahrung mitbringen. Aber das Thema „Bestenauslese“ hat dabei überhaupt keine Rolle gespielt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern würde ich sagen, manchmal gilt der Satz: „Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben.“ Ganz zum Schluss: Ja, wir machen einen Verwaltungsumbau nach 24 Jahren, weil es nach 24 Jahren einen großen Regierungswechsel gegeben hat. Ich denke, die nächsten Monate werden zeigen, dass diese Entscheidungen, die wir als Landesregierung getroffen haben, richtig sind. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Prof. Hoff. Ich habe jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten, sodass ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde schließe.

Ich rufe auf den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Weniger Antibiotika - mehr Qualität für Thüringer Verbraucherinnen und Verbraucher“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/143

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Herrn Kobelt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Landtagsabge

(Minister Prof. Dr. Hoff)

ordnete! Es fällt mir jetzt etwas schwer, von dem Thema „Bestenliste“ ganz schnell auf Antibiotika umzuschalten, aber ich versuche es trotzdem. Vielleicht haben Sie schon etwas über antibiotikaresistente Keime auf Fleischprodukten gehört. Ich nehme an, dass niemand von Ihnen solche Keime auf der Wurst haben will. „Antibiotikaresistente Keime“ klingt ja auch schon irgendwie unappetitlich. Es ist nicht nur unappetitlich, sondern auch gefährlich und gerade für Kinder oder Allergiker sogar gesundheitsschädlich. Die Weltgesundheitsorganisation hat deshalb bereits 2012 gewarnt, dass Antibiotika gegen Bakterien nichts mehr ausrichten können. Mittlerweile werden in der Landwirtschaft aber dennoch doppelt so viele Antibiotika eingesetzt wie zum Beispiel in der Humanmedizin. Diese Gefahr hat offensichtlich schon der letzte Landtag gesehen und – nachdem Bündnis 90/Die Grünen das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben – einen Beschluss zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes auf die Wege gebracht. Ich freue mich, wenn zum Beispiel auch Herr Primas laut Pressemitteilung die Aktuelle Stunde nun sinnvoll nutzen und auch als Chance begreifen will. Ich hoffe aber auch, dass neben Absichtserklärungen der CDU gerade in dem Landwirtschaftsbereich, in dem Sie nun in Thüringen 24 Jahre die Verantwortung hatten, auch Taten und Veränderungen folgen. Herr Primas, Sie stellen zum Beispiel in Ihrer Rede vom 19.10.2012 zu diesem Thema fest: Haltungsbedingungen in der Landwirtschaft sollen nicht infrage gestellt werden. Sie bezeichnen darin den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung als unabdingbar. Ein „Weiter so“ wird jedoch für die Verbraucher keine Verbesserungen bringen. Denn gerade die Massentierhaltung auch in Thüringen mit zum Beispiel Geflügelzuchtanlagen mit bis zu 180.000 Tieren pro Anlage ist die Ursache für den unkontrollierten Einsatz von Antibiotika.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies hat aber für die Lebensmittelqualität und die Verbraucher erhebliche Auswirkungen. So wurden zum Beispiel im August 2014 bei einer deutschlandweiten Stichprobe auf Grillfleisch von Pute, Hähnchen und Schwein sogenannte Krankenhauskeime nachgewiesen. Im Januar 2015 hat der BUND eine Studie veröffentlicht, in der herauskam, dass auf 88 Prozent der Proben von Putenfleisch antibiotikaresistente Keime gefunden wurden. Grund für dieses Vorkommen ist eine Massentierproduktion, die ohne Antibiotika nicht auskommt. Denn fast 90 Prozent zum Beispiel der Mastputen in Deutschland erhalten nach BUND-Angaben keimtötende Medikamente. Auf dem Fleisch sitzen daher resistente Keime, die wir in der täglichen Nahrung zu uns nehmen. Das zeigt, dass Änderungen im Tierschutz und im Arzneimittelrecht unbedingt notwendig sind. Tierhalter wollen jedoch ihre Tiere anständig behandeln, aber bei einem Schwei

nefleischpreis von 1,25 Euro pro Kilogramm, den sie bekommen, wird das sehr schwierig. Die ökonomischen Zwänge sind zum Teil so stark, dass die Gefahr besteht, Abstriche beim Tierschutz zu machen, um die Rentabilität zu sichern. Wir dagegen sind der Ansicht, dass eine Tierhaltung ohne prophylaktischen Antibiotikaeinsatz mit längeren Wachstumszeiten, geringeren Besatzdichten und weniger Tieraustausch sehr wohl möglich ist. Wir brauchen die Förderung nachhaltiger Haltungssysteme, besonders bei Hühnern, Puten und Schweinen. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine Verringerung des hohen Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung.

Gleichzeitig fordern wir, dass der Einsatz von Reserveantibiotika verboten wird, denn das sind die Mittel, die im Ernstfall Menschenleben retten müssen. Hier fordern wir die Landesregierung auf, sich im Bundesrat für ein Verbot von Reserveantibiotika in der Landwirtschaft einzusetzen. Da gibt es aktuell Anträge von Bundesländern und wir freuen uns, wenn diesen zugestimmt wird.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Außerdem werden wir uns als Grüne-Fraktion für mehr Qualität in der Landwirtschaft starkmachen. Wir begrüßen ausdrücklich das Ziel von Ministerpräsident Ramelow, dass sich Thüringen über hohe Qualität vom Markt absetzen kann. Gerade die landwirtschaftlichen Betriebe, die viel Wert auf Tierwohl, regionale Kreisläufe und eine maßgebliche Verminderung des Antibiotikaeinsatzes legen, müssen wir unterstützen, diese Qualität auch dem Verbraucher sichtbar zu machen. Daher unterstützen wir ausdrücklich die Initiative von Baden-Württemberg, bei Fleisch zu einer Kennzeichnung nach Haltungsarten zu kommen. Wir bitten auch hier die Landesregierung um ihre Unterstützung, das voranzutreiben.

Sehr geehrte Kollegen Landtagsabgeordnete, es muss nicht alles bio sein. Die Verbraucher haben aber ein Recht darauf zu erkennen, welche Lebensmittel für ihre Gesundheit und die der Tiere stehen. Für einen Wandel in der Landwirtschaft zu mehr Qualität, mehr Tierwohl und weniger Antibiotika bitte ich Sie um Ihre Unterstützung und freue mich auf die Arbeit daran.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kobelt. Jetzt erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Egon Primas.

(Abg. Kobelt)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung hat uns in der Vergangenheit intensiv beschäftigt, weil es ein außerordentlich wichtiges Thema ist. Deshalb herzlichen Dank an die Grünen, dass sie heute das Thema hier aufrufen.

Meine Damen und Herren, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Klarheit zu schaffen und das Vertrauen der Verbraucher zu sichern, das ist das Gebot der Stunde. Die Politik ist sich parteiübergreifend bemerkenswert einig, dass man veranlassen sollte, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zwingend zu senken, um Resistenzen zu vermeiden und damit die Verbraucher effektiv zu schützen. Wir müssen immer wieder verdeutlichen, was die möglichen Konsequenzen des Antibiotikaeinsatzes bei Nutztieren sind und worüber es aufzuklären gilt. Ich sage auch ganz klar, wenn wir die aktuelle Debatte sinnvoll nutzen und als Chance begreifen wollen, dann müssen wir mit allen Beteiligten über Tiergesundheit, Hygiene, Impfstoffprogramme, Haltungsbedingungen und vieles mehr diskutieren, um die Ursachen des Problems zu erfassen und abstellen zu können, anstatt den Arzneimitteleinsatz per se anzuprangern. Ich möchte daher an den Beschluss des Landtags – Sie sagten es schon – vom Oktober 2012 erinnern, den seinerzeit CDU und SPD initiiert hatten. Der Beschluss berücksichtigt einen ganzheitlichen Ansatz bei der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes im Hinblick auf Hygienemaßnahmen, Impfprogramme, Veränderungen der Haltungsbedingungen und andere präventive Maßnahmen. Er war viel pragmatischer und zielgerichteter als der ursprüngliche Antrag der Grünen, die übrigens damals – ich erinnere nur vorsichtig daran – noch das Fleischessen verbieten wollten. Das tun sie wohl heute nicht mehr – Gott sei Dank, ich hätte mich eh nicht daran gehalten.

Aber im Ernst, meine Damen und Herren, wenn wir das so lax diskutieren, so ruhig, stelle ich die Frage, damit uns die Dimension mal klar wird, worüber wir reden: Was glaubt man wohl, was die Stadt Hamburg pro Tag an Verbrauch an Hähnchen hat?

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Viel!)

Wie viel?

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zu viel!)

Zu viel.

(Heiterkeit CDU, AfD)

80.000 pro Tag. Jetzt müssen Sie sich vorstellen, die wollen Sie alle auf dem Balkon einzeln halten. Das wird nichts.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen uns dann schon ein bisschen pragmatisch um die ganze Geschichte kümmern und da wird es interessant. Es ist gut, wenn wir im Landtag darüber diskutieren, welche konkreten Maßnahmen die bisherige Verbraucherschutzministerin Taubert ergriffen hat, den Beschluss von CDU und SPD umzusetzen. Bestimmt wird uns Frau Ministerin noch erzählen, was die Vorgängerregierung veranlasst hat und was auf Bundesebene getan wurde. Vielleicht reicht dazu die Aktuelle Stunde nicht aus, meine Damen und Herren. Wir werden es dann besprechen; das ist ja unbenommen, dass wir das in den Fachausschüssen zu diesem Thema weiter vertiefen. Ich denke, das ist so wichtig, dass wir das schon machen sollten.

Die neue Landesregierung fordere ich auf, das Ziel der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes mit dem gleichen Nachdruck zu verfolgen, wie das in den letzten Jahren durch die zuständigen Ministerien getan worden ist.

Meine Damen und Herren, schließlich wurden seit dem Landtagsbeschluss einige Erfolge erzielt – nur noch mal, dass Sie es im Kopf haben: So wurden mit der Novelle des Arzneimittelgesetzes 2013 die Grundlagen geschaffen, Antibiotikaverbrauchsdaten zu erfassen, auszuwerten und daraus konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen bzw. Auflagen für die Betriebe zu machen, die zu viel verbrauchen. Ich weiß darüber hinaus, dass die Thüringer auf Beamtenebene zahlreiche Maßnahmen des Bundes mitgestaltet haben und dass einschlägige Handlungsempfehlungen sowohl für die Tierärzteschaft als auch für die Tierhalter neu gefasst und konkretisiert wurden. Ärzte und Tierhalter haben somit die notwendigen und nötigen Leitlinien mit der aktuellen Rechtslage und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Hand und sie haben es in der Hand, den Einsatz von Antibiotika auf das Nötigste zu begrenzen, meine Damen und Herren. Recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Primas. Jetzt hat das Wort die Frau Abgeordnete Diana Skibbe.