Allerdings ist die Debatte, die ab dem 1. Januar in dieser Bundesrepublik einsetzte, tatsächlich eine, der man sich sachlich stellen muss, wo Menschen in diesem Land natürlich Fragen stellen, aber es sind nicht die Fragen, auf die Sie Ihre Antworten schon fertig haben, meine Damen und Herren der AfD, und jeden Mittwoch auf den Straßen und Plätzen in Thüringen beantworten wollen, sondern das sind die Fragen von Bürgerinnen und Bürgern: Wie ist denn eigentlich die reale Situation in diesem Land und wie verhält sich tatsächlich denn die Frage auch von Angsträumen, Angstzeiten, an denen Menschen für sich entscheiden, sich nicht mehr allein oder unabhängig von anderen aufzuhalten? Wir hätten hier durchaus sachlich diskutieren können über rassistische Demonstrationen, über Flüchtlinge, die bestimmte Stadtteile meiden, über Frauen, die Stadtfeste meiden, über Frauen, die die Dunkelheit allein meiden oder nur in Begleitung von Männern unterwegs sind. Denn die Frage von Angsträumen in dieser Gesellschaft ist durchaus eine sehr viel weitergehende, aber die wollen Sie gar nicht sachlich diskutieren; damit wollen Sie sich nicht inhaltlich auseinandersetzen. Ihnen geht es darum, auch dort, wo Ängste mit der realen Bedrohungssituation nicht übereinstimmen, diese Ängste weiter zu schüren. Sie wollen die Angsträume erweitern und Sie wollen durch eine Kategorisierung Menschen nach ethnischer Zugehörigkeit zu Tatverdächtigen erklären, was in der Folge dazu führt, dass Menschen wiederum Angst haben genau vor dem Zusammenleben mit beispielsweise Flüchtlingen und Migranten in diesem Land. Ich denke, das muss man auch ganz klar benennen, um was es Ihnen da eigentlich geht. Es geht um Ihre politische Suppe, es geht um die Weiterverbreitung und Manifestierung Ihrer rassistischen Einstellung.
Ich will am Beispiel Köln – Sie haben es angesprochen – durchaus einige Anmerkungen machen, weil es sich lohnt, über Sexualstraftaten und sexualisierte Übergriffe in dieser Gesellschaft zu reden. Frau Herold, Sie verschweigen, dass nur 14 Prozent der angezeigten Sexualstraftaten in diesem Land tatsächlich zu einer Verurteilung führen
und auch nur geschätzt 1 Prozent der Sexualstraftaten, der sexuellen Übergriffe auf Frauen in diesem Land überhaupt zur Anzeige kommen und der allergrößte Teil, nämlich vier von fünf Sexualstraften, in Beziehungen in diesem Land stattfinden.
Ich glaube, wir müssen nach Köln darüber reden, dass sexualisierte Gewalt, dass sexuelle Übergriffigkeit gegen Frauen kein Problem von Migranten ist, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, weil Bilder reproduziert werden, weil Männer in diese Situation hineinwachsen und sich entsprechend verhalten. Darüber müssen wir reden. Das betrifft Deutsche wie Migranten in diesem Land gleichermaßen.
Es ist doch schon absurd, meine Damen und Herren, wenn es Ihre Kollegen Ihrer Partei sind, die eine Straftat gegen die individuelle Freiheit, gegen die sexuelle Identität einer Frau umdeuten wollen als Angriff gegen Deutschland,
als Angriff oder als Missbrauch des Gastrechts. Das missbraucht das Opfer ein zweites Mal, denn es sind die tatsächlichen, ganz individuellen Opfer und Angriffe und Straftaten, die verfolgt werden müssen. Aber wer glaubt, diese individuelle Opfersituation, diese individuelle Straftat umdeuten zu können als Missbrauch des Gastrechts, der betreibt wirklich ein falsches und verlogenes Spiel.
Ich will Ihnen auch deutlich sagen, worüber wir nach Köln tatsächlich öffentlich diskutieren müssen und ich beziehe mich da auf eine Psychologin und Politikwissenschaftlerin, die im Verein Lara e. V. gegen sexuelle Gewalt sehr aktiv ist und sich seit Jahren diesem Thema widmet. Die stellt nach Köln nämlich eines fest: Dass wir erstmalig eine Debatte in Bezug auf sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen haben, wo Frauen als Opfern geglaubt wird. Und sie stellt sich die Frage: Warum ist das so? Sie sagt: Das ist gut, aber warum ist das so? Es ist aus ihrer Sicht etwas Neues.
Nein, aber sagen Sie: Die Tausenden Frauen, die auch in den vergangenen Jahren Opfer von sexuellen Übergriffen geworden sind, haben gelogen? Es ist doch unverschämt, was Sie hier äußern. Es stellt überhaupt keiner infrage, dass die Darstellungen, die Anzeigen der Frauen der Wahrheit entsprechen, aber man muss sich doch die Frage stellen, warum plötzlich in diesem konkreten Zusammenhang den Frauen mehr Glauben geschenkt wird als in der Vergangenheit.
Ich will Ihnen die Antwort geben, und zwar ist das die Antwort von Ariane Brenssell, die sagt: „Den Frauen wird nur in Abgrenzung zu einer sehr spezifischen Konstruktion von Tätern geglaubt, einer rassistischen Konstruktion. Die Skandalisierung der Übergriffe funktionierte von Beginn an nur aufgrund ihrer rassistischen Konnotation.“ Meine Damen und Herren,
ich komme zum Ende, letzter Halbsatz –, genau das ist das Problem und genau das ist die Konsequenz, die wir aus Köln ziehen müssen.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Es ist zum Kotzen, was Sie sagen! Schämen Sie sich! Das ist doch unglaublich!)
Wir müssen den Opfern von sexueller Gewalt Glauben schenken und ihnen angemessenen Opferschutz geben, auch unter Verschärfung des Sexualstrafrechts.
Aber was wir nicht brauchen, ist eine rassistische Instrumentalisierung der Übergriffe aus Köln. Herzlichen Dank!
möchte im Namen meiner Fraktion dazu Stellung beziehen und ich werde mich nicht beteiligen, wer nun wann, wie, wo sexuell missbraucht wurde. Es ist schlimm genug, dass wir überhaupt insgesamt über so was reden müssen.
Die Gewährleistung der inneren Sicherheit gehört zu den wesentlichen Kernaufgaben des Landes. Die Erfüllung dieser Aufgabe dürfen die Bürger zu Recht von ihrem Staat erwarten. Gleichwohl gibt es entgegen dem Titel der Aktuellen Stunde keine Sicherheitsgarantie. Ich möchte den sehen, der eine Sicherheitsgarantie abgeben kann.
Ich habe doch gesagt, es gibt keine Sicherheitsgarantie. Wer auch immer das behauptet, der hat keine Ahnung. Tatsache ist aber, dass die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zum gegenwärtigen Zeitpunkt an einem Scheidepunkt angekommen ist und eine der größten Herausforderungen der – ich sage mal – Neuzeit auch im Freistaat darstellt. Verantwortlich dafür ist die angespannte Sicherheitslage in Europa, Deutschland und somit auch in Thüringen durch die wachsende Bedrohung durch religiösen Extremismus. Nach den Anschlägen von Paris und Istanbul steht fest, einige der Attentäter kamen getarnt als Flüchtlinge nach Europa – das wurde lange bestritten. Die Ermittlungen in Thüringen seit Dezember gegen vier mutmaßliche Mitglieder einer islamistischen Terrorgruppe sind der traurige Beleg dafür. Auch die Terrorwarnungen von Hannover im November 2015 oder kürzlich in München haben gezeigt, dass auch Deutschland im Fokus des internationalen Terrorismus steht. Nicht zuletzt die jüngsten Vorkommnisse in zahlreichen deutschen Städten in der Silvesternacht zeigen, dass es konkreten Anlass gibt, die Sicherheitsbemühungen des Staates nachhaltig zu erhöhen. Sie zeigen aber auch, dass es ganz offensichtlich einzelne Flüchtlinge gibt, die nicht wegen eines Verfolgungsschicksals, sondern zur Begehung von Straftaten zu uns kommen. Wer die Regeln unseres Rechtsstaats nicht achtet, kann auch dessen Schutz nicht einfordern.
Zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit im Freistaat sowie zur Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundwerte möchte ich exemplarisch einige wichtige Forderungen aus unserem Beschlusspapier in Volkenroda vom 8. Januar nennen: personelle und materielle Verstärkung des Verfassungsschutzes, umgehende Beendigung der von Rot-Grün verursachten Isolation Thüringens im Verfassungsschutzverbund, Aufgabe des Verzichts
auf V-Leute – diese stellen heute mehr denn je einen unverzichtbares nachrichtendienstliches Instrument dar – und, Frau Kollegin Finanzministerin, ich habe irgendwann mal gehört: Der Fiedler hat keine Ahnung, der will V-Leute ins Lager schicken – das ist doch dummer Quatsch. Wir müssen versuchen, die vorhandenen Menschen, alle die da sind, zu gewinnen, damit sie uns auf diesem Feld helfen.
Intensivierung des Informationsaustausches auf Landes- und Bundesebene sowie der EU im Hinblick auf sogenannte Gefährder, Entwicklung einer Präventionsstrategie gegen islamistische Gewalt umsetzen, zügige strafrechtliche Verfahren – ein Straftäter darf nicht erst Monate nach der Tat vor Gericht stehen, Herr Lauinger. Zur Gewährleistung der Sicherheit auf unseren öffentlichen Plätzen sind die gesetzlichen Möglichkeiten zur Videoüberwachung konsequent auszuschöpfen, umfassende Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Polizei unter besonderer Berücksichtigung der Einsatzbereitschaft sowie das Erstellen von entsprechenden Sicherheitskonzepten, Ausbau der Kapazitäten für die Ausbildung von Polizeianwärtern und – ich wiederhole es noch mal – maximal 180 Stellen sind möglich. Wenn man immer wieder andere Zahlen nennt, stimmt es einfach nicht. Ausbau der Nachwuchsgewinnung bei der Polizei, Aufgabe der beschlossenen Absenkung laut Beförderungsquote auf demotivierende 5 Prozent zugunsten einer leistungsbezogenen Beförderung.
Ich möchte aber die Aktuelle Stunde auch nutzen, um auf ein ganz anderes Problem in Thüringen hinzuweisen – insgesamt ist es das massive Erstarken und die Zunahme linksextremistischer Gewalt gegenüber dem Rechtsstaat. Ich erinnere: Am 3. Oktober 2015 – Tag der Deutschen Einheit – kam es am Rande einer Kundgebung von circa 200 Rechtsextremisten zu massiven Angriffen linksextremer Gegendemonstranten auf die Polizei und damit auf unseren Rechtsstaat. Unter anderem wurden Beamte mit Steinen beworfen, bespuckt – 15 Verletzte. Polizeioberrat Wehling aus Jena, der den Einsatz aus nächster Nähe begleitete, sprach damals von einer neuen Dimension der Gewalt, die er bis dato nicht kannte.
Am 19. Januar 2016 kam es am Rande einer AfDKundgebung – Jena habe ich jetzt gesagt, Polizisten wurden verletzt, vier Polizeibeamte etc. – zu schweren Krawallen linker Chaoten in Leipzig.
Als Letztes: Der Oberbürgermeister von Leipzig, Burkhard Jung, SPD, sagte, dass diese Gewalt von Anarchisten und sogenannten Autonomen offener Straßenterror sei und schockierend ist – Recht hat er!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Es ist natürlich sehr schwierig, wenn bei einem solchen Thema jeder mit einem vorbereiteten Zettel kommt und das sagt, was er schon immer mal sagen wollte. Zunächst möchte ich eines klarstellen: Opfer von Straftaten verdienen unser Mitleid und unsere Fürsorge, egal wo und bei welchem Anlass sie Opfer von Straftaten geworden sind. Täter oder Verdächtige müssen verfolgt bzw. Taten müssen aufgeklärt werden, egal um welchen Täter es sich handelt.
Da gibt es keine Vorurteile und keine Einsortierungen und davor sollten wir uns jetzt hüten. Deswegen habe ich ein Problem, wenn man dann den Bogen schlägt zur allgemeinen Terrorismusgefahr auf der einen Seite oder zur Flüchtlingsanzahl auf der anderen Seite. Tatsächlich ist es so, dass Opfer sexualisierter Gewalt zu werden in Deutschland nicht nur ein Problem mit Leuten mit Migrationshintergrund ist, denen man vielleicht das falsche Bild vermittelt hat, in Deutschland sei das keine besonders schwerwiegende Übergriffigkeit.
Es ist tatsächlich so, dass die Statistiken uns lehren – schon seit Jahren und auch schon bevor es Flüchtlinge gegeben hat –, dass es bestimmte Situationen und gesellschaftliche Anlässe gibt, bei denen solche Übergriffe massenhaft stattfinden. Wahr ist auch, dass sich sehr viele Frauen – ob das jetzt auf dem Oktoberfest, beim Fasching oder auf einem Rockfestival ist – davor scheuen, Anzeige zu erstatten, weil dann gesagt wird: Die Beweislage ist schwierig. Die Frauen müssen sich immer noch die Frage gefallen lassen: Was haben Sie selbst dazu beigetragen? All das ist Alltag – leider immer noch – in der Bundesrepublik Deutschland, egal aus welchem Bereich die Tätergruppen kommen und wo diese Taten passieren.