Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße unsere Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführerin Frau Abgeordnete Rosin neben mir Platz genommen. Die Redeliste führt Herr Abgeordneter Gruhner.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Abgeordnete Dr. Lukin, Herr Abgeordneter Reinholz, Ministerpräsident Ramelow, Minister Prof. Dr. Hoff, Minister Lauinger, Minister Dr. Poppenhäger und Ministerin Keller, zeitweise.
Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung mit den genannten Ergänzungen widersprochen? Das kann ich nicht erkennen.
Kein Flüchtlingsschutz für Wirtschaftsflüchtlinge – sichere Herkunftsstaaten erweitern Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/692 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/739
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste am Plenum Online, wir haben in den letzten Monaten eine besondere Zunahme von Asylanträgen vornehmlich aus den Staaten des westlichen Balkans erlebt. Die überwiegende Anzahl dieser Asylanträge hat keine Aussicht auf Erfolg. Auch die Voraussetzungen für einen anderen Schutzstatus mit vorübergehendem Bleiberecht in unserem Land sind gerade für Antragsteller aus dem Kosovo und aus Albanien nur bei einer sehr verschwindend geringen Anzahl an Personen gegeben. Das Instrument der sicheren Herkunftsstaaten ist aus unserer Sicht ein probates und bewährtes Mittel, um falsche Anreize von vornherein zu minimieren und im besten Fall Asylverfahren bei uns zu beschleunigen. Wir gewähren in Deutschland solidarisch den Menschen Schutz in unserem Land, die darauf einen begründeten Anspruch haben. Alle, die keinen begründeten Anspruch auf unseren Schutz haben, bekommen diesen auch nicht, und müssen in letzter Konsequenz zügig in ihre Heimatländer zurückkehren.
Daher fordern wir die Landesregierung auf, die Realitäten anzuerkennen und sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Balkanstaaten Kosovo und Albanien zügig zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Vielen Dank.
Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Abgeordnete Lehmann von der Fraktion der SPD.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich könnte es mir relativ leicht machen und sagen, dass ein Antrag auf Asyl in Deutschland zu stellen ein Grundrecht ist, das jeder Mensch hat, und dass wir den Antrag einfach schon deswegen ablehnen müssen,
weil die Regelung der sicheren Herkunftsstaaten genau dieses Recht einschränkt, weil das Hürden aufbaut, die andere Menschen, die diesen Antrag stellen, nicht hätten. Ich mache es mir aber nicht so leicht, das liegt auch daran, dass wir als Sozialdemokraten wissen, dass das nicht immer ganz einfach ist. Man ist leiderprobt. Ich würde Ihnen gern sachlich erklären, warum wir das ablehnen.
In Albanien und im Kosovo ist die Situation zum einen so, dass es systematische Ausgrenzungen, Korruptionen, Organisierte Kriminalität, Diskriminierung von Minderheiten, zum Beispiel von Roma, gibt. Es gibt keine effektive Strafverfolgung, es gibt die Blutrache – das ist eine verfolgungsrelevante Menschenrechtsverletzung – und es gibt Frauenhandel. All das sind Argumente, warum der Kosovo und Albanien keine sicheren Herkunftsstaaten sein können.
Wir wollen es auch deswegen, weil wir eine ernst zu nehmende Einzelfallprüfung wollen und keine Massenabfertigung.
Mit den sicheren Herkunftsstaaten ist das nicht mehr sichergestellt. Darüber hinaus hat die Frage, ob wir jetzt ein Land zu einem sicheren Herkunftsstaat machen – das sieht man zum Beispiel an den Balkanstaaten, die das auch momentan schon sind – keinen Effekt. Es gibt keinen Rückgang bei den Antragstellungen. Das heißt, das Instrument
wirkt auch nicht. Wenn Ihnen das noch nicht reicht, dann können wir sehen – es gab im März schon einmal aus Bayern einen Antrag im Bundesrat, der genau die gleichen Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten machen wollte. Der ist abgelehnt worden. Das heißt, es gibt nicht nur in diesem Haus keine Mehrheit für diesen Antrag,
es gibt sie auch auf Bundesebene nicht. Von daher wüsste ich nicht, warum wir in der Richtung aktiv werden sollten.
Auch Informationskampagnen – da kann man jetzt über den Sinn und Zweck streiten – ändern an der Situation, die wir in diesen Ländern haben, nichts. Das heißt, wenn eine Person, die sich selbst einer Diskriminierung ausgesetzt sieht, deswegen nicht mehr nach Deutschland kommt, dann finde ich, ist das auch keine Möglichkeit, damit dauerhaft umzugehen. Auch die dauerhafte Unterbringung zum Beispiel in Erstaufnahmestellen bringt ganze Gruppen von Menschen in den Generalverdacht. Auch das widerspricht unserem Anspruch von Asylpolitik.
Womit Sie natürlich recht haben, ist, dass wir eine Beschleunigung von Verfahren brauchen. Das ist richtig. Aber diese Instrumente, die Sie hier vorschlagen, tragen dazu einfach nichts bei. Was wir mehr brauchen, ist mehr Personal im BAMF. Das ist angekündigt, wir hoffen, dass das kommt. Wir können das immer wieder sagen, auch die CDU ist noch Teil der Bundesregierung. Lassen Sie uns gemeinsam dafür streiten, dass wir mehr Personal haben, dass der Bund mehr Personal dafür bereitstellt, dass Verfahren beschleunigt werden. Die Anträge, die hier vorliegen, sind Schaufensterpolitik. Das löst weder die Probleme in den Herkunftsländern, das löst auch die Probleme, die wir hier in Thüringen und die wir im Bund haben, nicht, das löst die Probleme der Kommunen nicht. Von daher werden wir beide ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, zuerst verwirren sich die Worte, dann verwirren sich die Begriffe, und schließlich verwirren sich die Dinge, sagt eine jahrtausendalte chinesische Weisheit und das ist auch beim Antrag der CDU leider so. „Kein Flücht
lingsschutz für Wirtschaftsflüchtlinge – sichere Herkunftsstaaten erweitern“ lautet der Antrag. Zuerst einmal: Den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention erhält nur eine Person, die vor Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung flüchtet, nicht wegen Korruption, Frau Lehmann.
Eine Person, die wegen der Arbeit und der Hoffnung auf ein besseres Leben auswandert, hat sicherlich ein durchaus verständliches Motiv, ist aber nicht asylberechtigt, weil das Recht auf Asyl nur beim Vorliegen von staatlicher Verfolgung gegeben ist. Wer aus wirtschaftlichen Gründen aus seinem Heimatstaat auswandert, ist also kein Flüchtling, sondern er ist Zuwanderer, liebe CDU.
Das Flüchtlingsrecht und das Asylrecht sind keine Instrumente der Zuwanderung. Daher muss die Zuwanderung aus wirtschaftlichen Gründen auch begrifflich klar von der Asyl- und Flüchtlingspolitik getrennt werden – übrigens eine Position der AfD, die zuletzt sogar Herr Lauinger vertreten hat.
Die Zuwanderung sollte, wie es die AfD schon lange fordert, über ein Punktesystem erfolgen, die den wirtschaftlichen Bedarf von Deutschland berücksichtigt und eine Auswahl trifft, die auch die Integrationsfähigkeit und die Integrationswilligkeit der Zuwanderer in unsere Gesellschaft sicherstellt. Dies sieht die AfD, anders als die CDU, momentan nicht gewährleistet. Allerdings ist das heute auch kein Thema. Deswegen gehe ich darauf jetzt nicht näher ein.
Es geht um das Asylrecht und den Aufenthaltsstatus als Flüchtling in Deutschland und beides – das hat die CDU schon richtig gesagt – muss den Menschen vorbehalten bleiben, die von staatlicher Verfolgung bedroht sind. Das ist momentan, wenn wir uns die Thematik in Thüringen anschauen, nicht ansatzweise der Fall. Im Übrigen liegt das nicht etwa an den fehlenden Gesetzen, sondern es liegt schlicht und ergreifend am fehlenden Rechtsvollzug.
Ich illustriere das mal an einem Beispiel oder an ein paar Zahlen: Nach einem aktuellen Bericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom Mai haben wir bundesweit eine Gesamtschutzquote für alle Herkunftsländer, die bei 34,7 Prozent liegt, nicht bei 45,1 Prozent, wie Sie, liebe CDU-Kollegen, das gesagt haben oder in Ihren Antrag geschrieben haben. Ich weiß nicht, wo Sie diese Zahl abgeschrieben haben, aber jedenfalls nicht beim
Die Asylbewerber, die unter diese Gesamtschutzquote fallen, erhalten also einen legalen Aufenthaltsstatus. Alle anderen haben keinen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus und sind ausreisepflichtig. Für Sie, liebe Kollegen von Rot-Rot-Grün: Das heißt nicht, dass diese Menschen illegal sind, aber der Aufenthaltsstatus ist es eben.
Die daraus folgende Ausreisepflicht wird nicht ansatzweise im ausreichenden Maß durchgesetzt. Ende 2014 waren 150.000 abgelehnte Asylbewerber in Deutschland ausreisepflichtig, davon 40.000 unmittelbar ausreisepflichtig. Tatsächlich abgeschoben wurden 2014 lediglich 11.000 Ausländer. Nach Auskunft des Bundesministeriums Anfang dieses Jahres hielten sich zum damaligen Zeitpunkt insgesamt circa 600.000 abgelehnte Asylbewerber in Deutschland auf. Da merken Sie schon: Hier erfolgt Zuwanderung über ein rechtliches Instrument – das Asyl –, wofür das Asyl überhaupt nicht geeignet ist und gemacht wurde.
Mittlerweile dürften es übrigens noch viel mehr sein. Es stellt sich die Frage, warum geltendes Recht in diesem gigantischen Umfang nicht vollzogen wird. Dabei hilft ein Blick nach Thüringen. Denn hier in Thüringen werden die Probleme, die für den Bund bereits symptomatisch sind, noch mal ganz exemplarisch und auf die Spitze getrieben. Zusammengerechnet kam bundesweit aus den Staaten des Westbalkans im Februar und März dieses Jahres die Hälfte aller Antragsteller, bei uns waren es 45 Prozent. Dabei sind das Staaten, in denen es keine politische Verfolgung gibt. Eigentlich ist das auch klar, denn die Westbalkanstaaten, meine Damen und Herren, sind auf dem Weg in die EU. Logischerweise liegt die Gesamtschutzquote bei Menschen aus diesen Ländern dann auch nahe 0 Prozent.
Zurzeit braucht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge trotz der vorrangigen Bearbeitung von Anträgen aus dem Kosovo mehrere Monate für einen Asylantrag von Leuten aus diesen Westbalkanstaaten. Auch der Kosovo zählt zu diesen Herkunftsländern, in denen es keine staatliche Verfolgung gibt. Da mag es Korruption geben, da mag es sicherlich auch mal die eine oder andere private Ausgrenzung geben, aber das ist, wie gesagt, keine staatliche Verfolgung. Da müssten Sie sich nur mal mit der Genfer Flüchtlingskonvention auseinandersetzen.
Trotzdem hat sich die Landesregierung im Rahmen einer Telefonkonferenz der Innenminister von Bund und Ländern im Februar 2014 dem Vorhaben der Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern, in Kooperation mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Bearbeitungszeit bei Asylantragstellern aus dem Kosovo auf 14 Tage zu senken, nicht angeschlossen. Außer Bayern sind es übrigens alles Länder, die rot-grün bzw. grün-rot regiert werden.
(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Da merkt man den Unterschied, was die Linke in der Regierung ausmacht!)
Also, man kann durchaus sagen: Im rot-grünen Lager gibt es durchaus Politiker, die die Realitäten erkannt haben und nicht, wie Sie, noch irgendwelchen Träumereien hinterherhängen.