Über 40 Millionen Euro bei 50 Prozent derer, die bisher Erziehungsgeld beantragt haben. Sie haben im Ausschuss zugesagt, das Geld würden die Kommunen bekommen. Ich bin gespannt, wie schnell die Kommunen das Geld bekommen und wie schnell die Kommunen tatsächlich in der Lage sind, diese Plätze zu schaffen und letztendlich diese Bedingungen herzustellen, die dafür notwendig sind.
Da reden wir auch nur von den Plätzen, den Investitionskosten und den Betriebskosten. Wir reden noch nicht davon, wie viel Kosten zusätzlich entstehen für die Übernahme der Elternbeiträge durch die Landratsämter und kreisfreien Städte gemäß § 90 SGB VIII. Auch das sind Kosten, die anfallen. Ich bin gespannt, wie sich das Ganze entwickelt.
Was letztendlich in der Ausschussberatung auch sehr deutlich wurde, ist der große Rückhalt, den dieses Erziehungsgeld in Thüringen genießt. Natürlich, man kann es immer so oder so sehen. Aber Fakt ist eins: Wir hatten das bis dato erfolgreichste Online-Forum im Thüringer Landtag. Wir hatten 134 Beiträge und lediglich vier von den 134 haben sich gegen das Erziehungsgeld ausgesprochen.
die gerade im Bereich der 18- bis 39-Jährigen ganz deutlich gezeigt hat, dass das Erziehungsgeld in Thüringen befürwortet wird. Ich hätte mir gewünscht, wenn Sie dieses Online-Forum intensiv ausgewertet hätten, denn so manche Familie hat da einen persönlichen Einblick in ihre Entscheidung für das Erziehungsgeld geliefert. Vielleicht hätten Sie dann doch das eine oder andere auch mal anders gesehen.
Es gab aber auch eine schriftliche Anhörung. Wir hatten zwölf Stellungnahmen, die eingegangen sind. Von diesen zwölf Stellungnahmen waren allein acht, die sich für das Erziehungsgeld und gegen die Abschaffung ausgesprochen haben. Ich finde, das ist auch sehr deutlich und war teilweise nicht zu erahnen, da beispielsweise der Landkreistag ganz deutliche Worte gefunden hat. Die gingen natürlich in die Richtung, dass zusätzliche Kosten entstehen, aber es gab auch einen Hinweis auf die Auswertung der Familienoffensive von 2009 durch ein Gutachten, was zu dem Ergebnis kommt, dass das Erziehungsgeld auch ökonomisch präventiv gegen Familien- und Kinderarmut wirkt. Auch das ist
ein Hinweis, den man nicht unterschätzen darf und der für unsere Beratung ganz wichtig ist, denn das Erziehungsgeld kommt tatsächlich direkt bei jeder Familie unabhängig vom Einkommen an.
Ein Letztes möchte ich Ihnen gern aus der schriftlichen Anhörung zitieren mit Ihrer Erlaubnis. Uns hat nämlich ein Gutachten der Wissenschaft erreicht, die angeblich so einheitlich das Erziehungsgeld ablehnt.
In diesem Gutachten heißt es, ich zitiere: „Aus kindlicher Perspektive und bei einer umfassenden Integration vorliegender entwicklungspsychologischer, medizinischer und neurobiologischer Daten ist für einjährige Kinder, die mit dem Thüringer Erziehungsgeld adressiert werden, im Regelfall der familiären Betreuung gegenüber einer außerfamiliären Gruppenbetreuung in Krippe oder Tagespflege Vorrang einzuräumen. [...] Familiäre Betreuung und Erziehung für Einjährige gegenüber anderen Betreuungsformen [gilt es] gezielt zu fördern.“ Dieses Gutachten von Dr. med. Rainer Böhm, was uns zugegangen ist, zeigt eben auch, dass das Erziehungsgeld in der Wissenschaft schon lange nicht mehr einheitlich abgelehnt wird.
Letztlich – ich habe es schon angesprochen – gibt es mittlerweile ein Petitionsverfahren und in kürzester Zeit haben es engagierte Frauen, Mütter, Familien geschafft, über 3.000 Unterschriften zu sammeln. Diese wurden der Vorsitzenden des Sozialausschusses und dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses übergeben. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich allen danken, die da nicht nur gesammelt und unterschrieben haben, sondern auch denjenigen, die nicht nachlassen, das Vorhaben dieser Petition zu unterstützen. Ich kann nur alle auffordern – unabhängig von der heutigen Entscheidung – die Petition online mitzuzeichnen und
dafür zu sorgen, dass Rot-Rot-Grün endlich die Lebensrealität auch im Rahmen einer Anhörung hier im Landtag vor Augen geführt wird.
In diesem Zusammenhang will ich ausdrücklich darauf hinweisen: Uns geht es genau um die Adressaten des Erziehungsgeldes, die eben zwischen eins und zwei ihr Kind zuhause betreut haben. Für diese Familien bieten Sie keine Alternative an. Das kostenfreie Kitajahr spielt da überhaupt keine Rolle. Es geht um die, die sagen, sie möchten ihr Kind in dieser sensiblen Lebensphase zu Hause betreuen, so wie es Artikel 17 Abs. 2 der Verfassung vorsieht, nämlich: „Wer in häuslicher Gemeinschaft Kinder erzieht oder für andere sorgt, verdient Förderung und Entlastung.“
Ich bin gespannt, wie Sie diesem Verfassungsgebot zukünftig gerecht werden, wenn das Erziehungsgeld abgeschafft ist. Das beziehe ich im Übrigen auch auf die Förderung von Mehrkindfamilien, denn gerade diese Mehrkindfamilien haben aufgrund der Stufenregelung beim Erziehungsgeld besonders vom Erziehungsgeld profitiert und sind dadurch entlastet worden. Für diese Familien müssen wir Entlastung schaffen. Und wenn man sich vor Augen hält, dass in den vergangenen zehn Jahren bei diesen Familien ein Rückgang von über die Hälfte erfolgt ist, nämlich wir von 25.000 Mehrkindfamilien nur noch 12.000 zählen, dann sollte das unsere Politik alarmieren, zumal dieser Adressatenkreis der größte Anteil derer war, die das Erziehungsgeld beantragt haben.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich aber noch ein paar Worte zum Rechnungshof loswerden. Leider ist er heute nicht da, aber mich interessiert schon, warum der Rechnungshof nicht die Rechtsfolgekosten dieses Gesetzes geprüft und von sich aus thematisiert hat. Das Erziehungsgeld war in Thüringen dem Land viel günstiger als die Kitabetreuungsplätze, die wir jetzt schaffen müssen.
Und das sollte der Rechnungshof sich vorlegen lassen, prüfen und insbesondere auch die Frage klären, ob das frei werdende Geld für ein kostenfreies Kitajahr gut angelegt ist oder ob nicht vielleicht solche Mittel auch zur Haushaltskonsolidierung dienen sollten.
Mir bleibt nur zu sagen, heute ist ein trauriger Tag der Familienpolitik in Thüringen. Die alternativlose Streichung einer familienpolitischen Leistung schadet unserem Land und die heutige Abschaffung geht zulasten Tausender Familien. Wie gesagt, Sie schaden damit nicht der CDU, sondern den Thürin
ger Familien. Ich finde, Sie sollten in sich gehen und sich noch mal überlegen, ob es Ihnen das wert ist. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Meißner, eine Frage: Warum unterstellen Sie uns immer wider besseres Wissen, die Wahlfreiheit würde eingeschränkt?
Zwei für 150 Euro, oder wenn es mehr Kinder sind – für 250 Euro macht das niemand, wenn er nicht davon überzeugt ist. Das würde ich gern von Ihnen noch einmal hören: Wieso schränken wir Wahlfreiheit ein?
Ich habe ja gesagt, tatsächliche Wahlfreiheit wäre sicherlich gegeben, wenn der Satz noch höher wäre. Aber Fakt ist eins: Für einkommensschwache Familien bzw. für Familien, die kein Einkommen haben, ist die Entscheidung, gebe ich mein Kind in die Kita, wo die Betreuungskosten anfallen, oder betreue ich es zu Hause, wo ich überhaupt keine Kosten habe, ein Unterschied.
Deswegen ermöglicht das Erziehungsgeld zumindest die Möglichkeit, eine freie Entscheidung zu treffen.
Danke für das Zulassen der Zwischenfrage. Frau Meißner, können Sie mir denn erklären, wie Sie aus 134 Teilnehmern, also 0,0061 Prozent der Thüringer Bevölkerung, eine vermeintliche Mehrheit konstruieren?