Protocol of the Session on June 17, 2015

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das ist weltfremd hier!)

Erstens wissen Sie genau, dass es dafür keinen Nachweis gibt. Zweitens sagen wir als CDU, dass Einkommensschwäche nichts mit Bildungsferne und mit mangelnder Erziehungskompetenz zu tun hat.

(Beifall CDU)

Nein, für uns ist eben arm nicht gleich dumm.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Genau! Richtig! Jawohl!)

Gerade Erziehungskompetenz hängt nicht vom Einkommen und nicht vom Geld ab.

(Beifall CDU)

Deswegen sage ich Ihnen: Hüten Sie sich vor solchen Äußerungen!

(Beifall CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen Familien die Freiheit geben, sich in dieser empfindlichen Lebensphase für eine Betreuung zu Hause entscheiden zu können. Wir wollen, dass diese Betreuung zu Hause nicht nur für die Familien möglich ist, die sich das finanziell leisten können, sondern wir wollen Wahlfreiheit.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 150 Euro, das ist doch kei- ne Wahlfreiheit!)

Zu dieser Wahlfreiheit gehört auch, dass man sich nicht aus finanziellen Gründen gegen eine Betreuung zu Hause entscheidet.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Leukefeld?

Am Ende meiner Rede, bitte.

Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, ob wir denn mit diesem Erziehungsgeld eine Wahlfreiheit haben, weil es de facto nur 150 Euro sind. Aber ich gebe zu bedenken: Derzeit haben wir in Thüringen bzw. in Deutschland noch das Betreuungsgeld. Wenn man dieses Geld zusammenrechnet und möglicherweise auch mal entgegenstellt, was man an Betreuungskosten in der Kita in diesem Zeitraum spart, dann ist das schon eine Erleichterung der Entscheidung. Ich hätte mich gefreut, wenn es denn zu wenig ist, dass wir vielleicht mal über den Ansatz diskutiert hätten, unser Erziehungsgeld weiterzuentwickeln zu einem Betreuungsbudget.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Lieberknecht, CDU: Ge- nau!)

Meinetwegen können doch alle Familien ein Budget bekommen und dann selbst entscheiden, gebe ich das Budget in die Kita oder nutze ich es, wenn ich zu Hause bleibe.

(Unruhe DIE LINKE)

Das wäre durchaus ein Gedanke gewesen und wir werden sehen, wie sich dieses Thema entwickelt, wenn das Bundesbetreuungsgeld auch noch wegfällt.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der heutigen Abschaffung des Erziehungsgelds erreichen Sie eines, nämlich, dass Sie gerade einkommensschwache Familien auf einen Weg drängen. Dabei denke ich zum Beispiel auch an die Studenten. Was machen denn Studenten? Die haben erst recht keine Möglichkeiten, diese Entscheidungen frei zu treffen. Deswegen ist das auch ein Beispiel, wo Sie mit dem Erziehungsgeld Entscheidungen der Betreuung in dieser sensiblen Phase vorgeben. Aber was wollen Sie denn? Das, was Frau Leukefeld im Ausschuss nämlich zugegeben hat, dass es am besten ist, wenn jedes Kind ab dem ersten Lebensjahr in einer Kita betreut wird. Das ist die Ideologie, die hinter Ihrem Vorhaben steckt. Am besten alle Kinder so früh wie möglich in eine staatliche Bildungseinrichtung.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Darum geht es überhaupt nicht!)

Da sage ich Ihnen ganz ehrlich: Hier geht es um das erste bis zweite Lebensjahr. Das ist eine sensible Phase.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wo- her wissen Sie das?)

Wenn Sie hier von frühkindlicher Bildung sprechen, dann frage ich mich, warum trauen Sie den Eltern nicht zu, dass sie diese Bildung zu Hause in diesem Zeitraum auch selbst erledigen können.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Weil das nicht mehr ausreicht!)

(Unruhe CDU)

Natürlich haben Eltern diese Kompetenz und wir trauen ihnen diese zu und deswegen sagen wir, in diesem Lebensalter ist die beste Bildung die von der Familie, aber wenn das in der Kita geschieht, ist das genauso gut.

(Beifall CDU)

Deswegen ist auch für uns diese Argumentation, die Sie bringen, man würde hier Familien etwas zahlen, weil sie eine Leistung nicht in Anspruch nehmen, der völlig falsche Ansatz. Diese Leistung

wird gewährt für die Erziehungsleistung, die zu Hause erbracht wird. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass Kinder in der gleichen Zeit in der Kita sein könnten. Zu den Kosten dort komme ich nachher noch.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Nein, zur Staatserziehung!)

Ein paar Worte zur Ausschussberatung: Die Ausschussberatung hat das deutlich gemacht, was Sie vorhatten. Sie wollten so schnell wie möglich mit so wenig Menschen wie möglich sprechen und auch keine Fragen zulassen und beantworten müssen – und das so schnell wie möglich. Das ist Ihnen auf die Füße gefallen! Dieser Gesetzentwurf muss mit einer ganz schön heißen Nadel gestrickt worden sein. Wenn man denkt, Sie hatten jetzt fast zehn Jahre Zeit, um den Gesetzentwurf rechtsgültig zu schreiben, dann ist man fehlgelaufen. Denn eines der ersten Gesetzesvorhaben von Rot-Rot-Grün war verfassungswidrig. Sie haben einen Entwurf vorgelegt, der aufgrund einer echten Rückwirkung nicht verfassungsgemäß ist und deswegen von Ihnen selbst geändert werden musste.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

In diesem Zusammenhang danke ich allen, die darauf aufmerksam gemacht haben, den vielen Familien, die sich im Online-Forum beteiligt haben

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Oh Mann!)

und letztlich auch dem Gutachten der Landtagsverwaltung, was ich in Auftrag gegeben habe, was das letztendlich belegt.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Wir sind lernfähig!)

Wir haben mit Ihrem Änderungsantrag zwar das Erziehungsgeld um ein Jahr gerettet, das heißt, das Gesetz wird jetzt erst Gültigkeit erlangen für alle Kinder, die ab 1. Juli geboren werden, aber Fakt ist doch eins: Sie haben weder das laufende Petitionsverfahren berücksichtigt noch die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Da haben wir einen Antrag gestellt. Wir wollten, dass das Verfahren/die Ausschussberatung ausgesetzt wird, bis das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Aber auch da geht es Ihnen nicht schnell genug. Abschaffen, egal mit welchen Konsequenzen!

(Beifall CDU)

Was auch deutlich geworden ist, dass Sie eigentlich mit so wenig Betroffenen wie möglich über dieses Thema reden wollten. Wir haben eine mündliche Anhörung beantragt und wollten den fachlichen Austausch im Ausschuss ermöglichen. Das wurde abgelehnt. Dass Sie letztendlich das Petitionsverfahren ignorieren, ist für mich auch ein Zeichen da

für, dass Sie den Austausch mit Familien, die das Erziehungsgeld befürworten, meiden. Was letztendlich für mich sehr erschreckend war, war die Feststellung, dass es Ihnen eigentlich gar nicht um eine Ausschussberatung ging. Wenn ich mich recht erinnere, letzte Woche war Ihrerseits nicht wirklich geplant, sich über dieses Thema inhaltlich auszutauschen. Unsere Fraktion war es, die die Nachfragen gestellt hat, die die Anhörung ausgewertet hat und die letztendlich versucht hat, Argumente auszutauschen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das kenne ich doch nur zu gut!)

In dieser Anhörung kriegten wir dann zu hören, wir sollten doch jetzt aufhören, Fragen zu stellen, das Ding sei doch jetzt durch, die Argumente seien ausgetauscht. Nein, für uns waren die Argumente nicht ausgetauscht. Und das gipfelte letztendlich in Fragen, die nicht beantwortet werden konnten oder wollten, insbesondere Fragen, die immense Bedeutung haben bezüglich der Auswirkung des Gesetzes. Denn daran wurde deutlich, dass die Gesetzesfolgen absolut spekulativ sind. Es gab nämlich eine Frage, die wir ans Ministerium gerichtet haben und im Übrigen auch an den Rechnungshof, der es leider nicht geschafft hat, eine einfache mathematische Rechnung mit Antworten für uns durchzuführen.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Hat sich schon geäußert!)

Und die Frage lautete: Die Landesregierung wird aufgefordert, für 2015 bis 2020 jeweils Jahresprognosen vorzulegen, wie sich mit der Abschaffung des Landeserziehungsgelds die Anzahl der in öffentlicher Kinderbetreuung betreuten Kinder verändert, wenn 15, 25, 35 oder 50 Prozent der bisherigen Gruppe von Beziehern von Landeserziehungsgeld ihre Kinder in öffentlich geförderte Kinderbetreuung geben. Das war leider nicht möglich. Ich gebe zu, es war eine Anfrage von der AfD. Aber ich helfe gerne nach, weil das Ministerium sich ja geweigert hat, das zu beantworten. Und ich bin bei der Rechnung auf Zahlen gekommen, die sich wirklich vor allen Dingen die Kommunen auf der Zunge zergehen lassen sollten. Zwischen 2011 und 2014 waren es durchschnittlich 11.400 bewilligte Anträge auf Erziehungsgeld. Würden jetzt in den nächsten Jahren nur 50 Prozent von diesen, also 5.700 KitaPlätze, gebraucht, dann würden bei einem durchschnittlichen Kostensatz pro Platz in Höhe von 7.045 Euro im Jahr pro Jahr Kosten in Höhe von 40,156 Millionen Euro anfallen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Hört, hört!)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: 40 Millionen mehr!)

(Unruhe CDU)