Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste, auf Antrag der Fraktion der CDU befassen wir uns in der heutigen Aktuellen Stunde mit dem Thema „Moralischer Druck auf Thüringer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister durch die Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich vielleicht vorab einige Worte zu der Stellung der Beauftragten in Thüringen sagen und – weil es ganz aktuell jetzt noch mal hochgeploppt ist – vielleicht auch zu der Weisungsgebundenheit. Ich spreche heute als Migrationsminister zu Ihnen und nicht Frau Kruppa selbst, da sie als Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge im Landtag selbst kein Rederecht hat. Die Beauftragte ist in ihrem Amt unabhängig und nicht weisungsgebunden und Interessenvertreterin einer bestimmten Personengruppe gegenüber der Landesregierung.
Herr Herrgott, wenn Sie das zitieren, was Sie hier zitiert haben, dann sollten Sie auch wissen, dass die Verbundenheit mit einer Kanzlei nicht bedeutet, dass man weiterhin als Rechtsanwältin tätig ist.
Die Zulassung von Frau Kruppa ruht, seit sie dieses Amt hat, und sie ist gerade nicht mehr als Rechtsanwältin tätig.
Also wenn Sie schon solche Vermutungen in den Raum stellen, dann sollten sie wenigstens richtig sein. Sie sind ganz einfach und schlicht und ergreifend falsch.
Ihr Amt wurde 1991 – auch das ist bemerkenswert – unter Regierung der CDU eingerichtet. Darauf verweise ich und betone das sehr gern, auch auf die von Ihrer Partei damals definierte Aufgabenbeschreibung – ich zitiere –: Die Beauftragte hat kraft ihres Amtes Stellung zu ausländerrelevanten Vorhaben und zu Programmen zu nehmen, die Ausländerarbeit Thüringens zu koordinieren, Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und Stellung zu Grundsatzfragen der Asylpolitik zu beziehen. – Das war Ihre Aufgabenbeschreibung, die Sie damals definiert haben.
Da stelle ich doch wirklich mit aller Deutlichkeit fest: Die Beauftragte hat mit ihrer Stellungnahme zur Seenotrettung und ihrer Einladung an die Kommunalvertreterinnen und -vertreter, ebenfalls Stellung zu diesem dramatischen aktuellen Thema zu beziehen, nichts anderes getan, als genau diese Aufgabe zu erfüllen, die Sie ihr damals gegeben haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor Europas Grenzen ertrinken täglich Schutzsuchende. Und Sie meinen tatsächlich, es sei unangebracht, wenn die hierfür zuständige Beauftragte sich zu
diesem Thema zu Wort meldet? Will jemand von Ihnen ernsthaft und aufrichtig behaupten, es gebe eine moralisch und juristisch vertretbare Rechtfertigung für diese unterlassene Hilfeleistung? Ich sage das klar und deutlich: Als Thüringer Minister und Vertreter der Landesregierung stelle ich mich ohne Wenn und Aber hinter diese Haltung der Beauftragten. Diese Haltung ist auch meine Position.
Frau Kruppa hat auf eine menschliche Katastrophe hingewiesen, zu der wir als Teil der Europäischen Union wohl oder übel Stellung beziehen müssen. Das hat sie sich nicht als Flüchtlingsbeauftragte ausgedacht. Die Realität an den Außengrenzen Europas ist es, die uns unter Druck setzt und die uns auffordert, uns zu positionieren.
Das, was Sie, werte Damen und Herren Abgeordnete der CDU-Fraktion, in Ihrer Begründung zur Themenanmeldung als versuchte Politisierung abwerten, ist die Einladung, sich zu den Grundwerten der Europäischen Verfassung und zu den Menschenrechten zu bekennen, da diese gerade von dem, was tagtäglich auf dem Mittelmeer geschieht, infrage gestellt werden. Auf nichts anderes – nicht mehr, aber auch nicht weniger – hat die Beauftragte in ihrem Schreiben an die Vertreterinnen und Vertreter von Städten und Kommunen und ihrem Entwurf für einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin verwiesen.
Mit ihrer Haltung und ihrem Vorgehen steht Frau Kruppa im Übrigen nicht allein. Viele haben sich bereits deutlich in dieser Frage positioniert: Verbände, Kirchen und auch andere Kommunalvertreter. Sie alle wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, dass Frau Kruppa gute Vorbilder für ihre Einladung zu einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin hatte. Parteiübergreifend haben sich viele Städte, zunächst die drei Rheinstädte Köln, Bonn und Düsseldorf, auf einen entsprechenden Brief geeinigt und diesen auch versandt. Mittlerweile sind viele diesem Beispiel gefolgt. Ich nenne nur einige Städte davon: Potsdam, Stuttgart, Freiburg, Regensburg, Bielefeld.
Lassen Sie mich zu diesem Thema auch den Bielefelder Oberbürgermeister zitieren – Zitat –: „Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken, während sich die europäischen Länder nicht über Aufnahmequoten und Zuweisungsverfahren einigen können.“ Diese Kommunalvertreter übernehmen unter Verweis auf ihre Zuständigkeit als Flüchtlinge aufnehmende Städte und Gemeinden tatsächlich Verantwortung. Dabei haben sie ausdrücklich auch die Rückendeckung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, der hervorhebt, wie sehr sich Kommunen positiv in die Flüchtlingspolitik einbringen und sich dort engagieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, angesichts dieser dramatischen Situation, die wir erleben, stehen wir alle unter einem moralischen Druck. Es geht um Leben und Tod, es geht um ertrinken lassen oder retten. Europa muss sich in diesen Fragen entscheiden. Und wir alle sind ein Teil Europas.
Ich bin der Beauftragten daher dankbar, dass sie diese dringend notwendige Debatte in den Kommunalverwaltungen angestoßen hat. Sie mahnt dabei eine überfällige Diskussion an, die sicher nicht leicht und bequem ist – Herr Hartung hat darauf hingewiesen. Doch sie muss geführt werden und dabei geht es eben gerade nicht um diese von Ihnen problematisierten Fragen von Zuständigkeiten, sondern es geht ganz grundlegend um die Frage, ob wir, ob die europäischen Staaten die Grundsätze, auf denen die europäische Gemeinschaft gegründet ist, tatsächlich auch leben. Thüringen soll und darf sich dieser Debatte nicht entziehen. Auch Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, sollten sich nicht scheuen, hierzu sachlich und inhaltlich Stellung zu beziehen, nicht nur formal. Das sind wir den Menschen, um die es hier geht, schuldig.
Ich schließe den vierten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den fünften Teil der Aktuellen Stunde
e) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Nach der verhinderten Großveranstaltung von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten in Mattstedt – Gemeinsames Engagement weiter stärken“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/6094
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, am vergangenen Samstag sollte Thüringen zum wiederholten Male Austragungsort eines Rechtsrockkonzerts mit mehreren Tausend Neonazis werden. Mit den Rechtsrockveranstaltungen zuvor, unter anderem in Themar, ist Thüringen eine Wohlfühloase der rechtsextremen Veranstaltungs
szene geworden. Die Hintergründe und Ursachen dafür haben wir im Landtag hier in mehreren Aktuellen Stunden bereits vielfach debattiert, auch die verschiedenen Aspekte. Dennoch war auch jetzt wieder in einigen Beiträgen, auch in sozialen Netzwerken, zu lesen: Na ja, lass die doch ihre Musik machen, was ist denn daran so schlimm. – Das ist keine Musik, Rechtsrock ist keine Musik. Rechtsrock ist ein Brandbeschleuniger für Hassparaden, wie wir sie jetzt gerade wieder in Chemnitz in diesen Tagen erleben müssen.
Für uns als Demokratinnen und Demokraten ist dieser seit Jahren anhaltende Zustand unerträglich. Im Koalitionsvertrag haben wir darum vereinbart, Rassismus und Rechtsextremismus zurückzudrängen und dazu nicht nur präventiv, sondern auch konsequent repressiv vorzugehen, mit allen zulässigen und geeigneten Mitteln. Was den Erfolg repressiver Maßnahmen angeht, mussten wir in den vergangenen Jahren einige Niederlagen hinnehmen. Auch wenn ich den Reflex und den Wunsch nach dem Verbot solcher Veranstaltungen mit der Einschränkung des Versammlungsrechts nachvollziehen kann – viele können das –, ist es wichtig, zu betonen, welch hohes Gut dieses Grundrecht ist. Grundrechte gelten auch für diejenigen, welche diese Grundrechte abschaffen würden, wenn sie denn könnten. So einfach, wie es scheint, ist es nicht, ein Rechtsrockkonzert zu verbieten. Umso mehr möchte ich mich bedanken und möchten wir uns, denke ich, alle hier bedanken für den unermüdlichen Einsatz aller beteiligten Akteurinnen und Akteure, Behörden, Ämter und Institutionen, der dazu geführt hat, dass die Teilnehmerzahlen in Themar in diesem Jahr zurückgegangen sind, und in Mattstedt tatsächlich ein Veranstaltungsverbot erreicht werden konnte. Ganz besonders bedanke ich mich hier bei unserem Innenminister Georg Maier, der den Kampf gegen Rechtsrock zu Beginn seiner Amtszeit zur Chefsache gemacht und bewiesen hat, dass er dies auch ernst meint, trotz Rückschlägen.
Dank gilt auch den vielen Einsatzkräften der Polizei, die mit einem großflächigen Zurückweisungskonzept das Verbot erfolgreich durchgesetzt haben. Damit wurde ein deutliches Signal an die Bürgerinnen und Bürger von Mattstedt, an die zivilgesellschaftlichen Kräfte vor Ort und der Region gesetzt. Wir lassen euch nicht allein und stehen an eurer Seite im Kampf gegen Rechtsextremismus und gegen den braunen Mob. Ich freue mich, dass sich alle demokratischen Fraktionen an diesem Protest beteiligt haben.
Der rechtsextremen Szene wurde verdeutlicht: Ihr seid hier nicht willkommen und wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um euch zu behindern. Denn ein wichtiger Grundsatz der demo
kratischen Wertvorstellung ist auch das Verständnis von wehrhafter Demokratie und es ist mir sehr wichtig, auf Folgendes hinzuweisen: Demokratie kann nicht voreilig etwas verbieten, aber sie muss sich deshalb noch längst nicht alles gefallen lassen. Wie wichtig es ist, dass sich demokratische Akteure zu diesem Grundsatz bekennen und entschlossen danach handeln, zeigen leider auch wieder die aktuellen Hassparaden, die wir in Sachsen, in Chemnitz erleben müssen. Dass die Demokratie angesichts menschenverachtender Ideologie nicht wehrlos ist und es dazu konsequenten und permanenten Engagements bedarf, muss zum Selbstverständnis demokratischer Kräfte gehören. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, Rassismus ist keine Sorge von irgendwelchen besorgten Bürgern, sondern es ist verblendeter Hass und er ist deswegen auch in unserer Verfassung nicht hinzunehmen.
Mattstedt ist ein Etappensieg. Dass es sich nur um einen von vielen Schritten handeln wird, wird auch dadurch verdeutlicht, dass ein bekannter Rechtsextremist natürlich noch am selben Tag, an dem das Rechtsrockkonzert verboten wurde, im südthüringischen Kloster Veßra eine Ausweichveranstaltung mit circa 500 Personen auf seinem privaten Gelände durchführen konnte.
Wir wissen alle, dass wir zum Beispiel in Themar, Kloster Veßra oder Kirchheim, wo regelmäßig Konzerte und Liederabende der rechtsextremen Szene durchgeführt werden, vor anderen Herausforderungen beim Umgang mit diesen Veranstaltungen stehen. Aber dennoch: Für einen Erfolg gegen Rechtsextremismus und zur Verhinderung von weiteren Rechtsrockkonzerten braucht es weiterhin – wie jetzt hier in Mattstedt Gott sei Dank geschehen – einen Schulterschluss aller demokratischen Parteien, aller Behörden und der zivilgesellschaftlichen Kräfte. Dann – da bin ich zuversichtlich – werden wir unsere Demokratie gegen die Anfeindungen der Rechtsextremisten erfolgreich gemeinsam verteidigen. Vielen Dank.
Meine sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ja nun das Thema heute hier als letzte Aktuelle Stunde zu besprechen. Lassen Sie mich vorab sagen, dass ich froh bin, auch meine Fraktion, dass dieses Neonazikonzert verhindert werden konnte.
Da sind wir uns vollkommen einig und haben da überhaupt kein Problem, das auch laut und deutlich zu sagen und auch hier kundzutun.
Aber man muss bei dem Ganzen auch aufpassen. Das, was wir dieses Mal geschafft haben, wird uns wahrscheinlich nicht gleich wieder gelingen. Deswegen, meine Damen und Herren, macht es zwar Mut, dass es gelungen ist, das Ganze zu verhindern, aber alle, die sich mit der Materie beschäftigen und beschäftigt haben, wissen, dass das mit dem Grundbuch ein Glücksfall war – 1 Prozent und wer da welches Eigentum hat usw. usf. Ich danke auch ausdrücklich dem Bürgermeister und Gemeinderat, also der Landgemeinde, dem Landratsamt bis hin zum Innenminister, der sich hier eingebracht und sich Mühe gegeben hat – auch das muss man mal sagen.
Ihr müsst nicht klopfen, es kommt noch ein Aber: Aber, Herr Innenminister, wir alle wissen – der Präses, Herr Ruck, hat es dort ja wohl auch gesagt –, dass das ein Glücksfall war. Ich denke, wir können nicht auf Glücksfälle vertrauen, sondern müssen alle gemeinsam eine Möglichkeit finden, wie wir das weiter nach hinten stellen oder abschaffen. Es muss leider gesagt werden, meine Damen und Herren, dass wir wieder – Gott sei Dank! – circa 1.500 Bereitschaftspolizisten hatten, aber 2.300 und soundso viele Polizisten insgesamt. Wir haben sie alle aus Thüringen und den Umländern zusammengekratzt, damit wir hier die Dinge auch ordentlich händeln können.
Und dann, Herr Minister, komme ich irgendwo nicht nach. In der Zeitung stand – gestern oder heute – auf einmal eine Zahl von 14.000. Sie hätten gesagt, es wären bis zu 14.000 Teilnehmer erwartet worden.
Dann sagen Sie nachher was. Ich habe es heute zweimal gelesen, da habe ich gedacht, wer hat die Zahl erfunden. Es steht in der Presse, ich kann nicht genau sagen in welcher, die Entsprechenden können nachschauen. Ich habe gedacht, so was gibt es überhaupt nicht.