Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung im Thüringer Landtag, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch unsere Gäste auf der Tribüne, die Zuschauer am Livestream sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Für die Plenarsitzung hat als Schriftführerin Frau Abgeordnete Rosin neben mir Platz genommen. Die Redeliste führt der Abgeordnete Kräuter.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Abgeordnete Lehmann, Frau Abgeordnete Muhsal und Herr Abgeordneter Walk.
Der Verein meditiative Thüringen hat für heute zu einem parlamentarischen Abend eingeladen, der nach dem Ende der Plenarsitzung gegen 19.00 Uhr beginnen soll.
Nun noch einige Hinweise zur Tagesordnung: Die Fraktionen waren im Ältestenrat übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 19 heute nach der Aktuellen Stunde, den Tagesordnungspunkt 21 am Freitag als ersten Punkt und die Wahlen in den Tagesordnungspunkten 22 und 23 am Donnerstag nach der Fragestunde aufzurufen. Da die Tagesordnungspunkte 2, 3 und 4 in den zuständigen Ausschüssen noch nicht abschließend beraten wurden, werden diese Tagesordnungspunkte von der Tagesordnung abgesetzt.
Die Fraktion der CDU hat die Nummer II ihres Antrags im Tagesordnungspunkt 15 „Drogenabhängige Schwangere und Mütter in Thüringen“ in Drucksache 6/3413 zurückgezogen. Damit wird nur über den Alternativantrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/3490 beraten.
Die Beschlussempfehlungen haben folgende Drucksachennummern: zu Tagesordnungspunkt 1 die Drucksache 6/5711, zu Tagesordnungspunkt 5 die Drucksache 6/5708, zu Tagesordnungspunkt 6 die Drucksache 6/5722, zu Tagesordnungspunkt 14 a die Drucksache 6/5735 und zu Tagesordnungspunkt 14 b die Drucksache 6/5736.
Zu Tagesordnungspunkt 1 wurde ein Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/5745 verteilt.
Der Arbeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2017 in Tagesordnungspunkt 21 hat die Drucksachennummer 6/5739.
Zu Tagesordnungspunkt 22 wurde bisher kein Wahlvorschlag eingereicht. Der Wahlvorschlag zu Tagesordnungspunkt 23 hat die Drucksachennummer 6/5721.
sachennummern 6/5694 bis 6/5697, 6/5705 bis 6/5707, 6/5709, 6/5710, 6/5712, 6/5713 und 6/5724 bis 6/5727 hinzu.
Frau Präsidentin, ich möchte beantragen, die Drucksache 6/5734 „Zukunftskonzept zur Verbesserung der Versorgung Schwangerer, Eltern und Kinder aus suchtbelasteten sowie psychisch belasteten Familien in Thüringen“ auf die Tagesordnung zu setzen, ein Antrag von CDU, Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, und bitte, diesen Antrag gemeinsam mit dem TOP 15 aufzurufen und in diesem Plenum, also am Freitag, auf jeden Fall abzuhandeln.
Gibt es weitere Wortmeldungen zur Tagesordnung? Das kann ich nicht erkennen. Dann stimmen wir ab über die Aufnahme des Antrags der Fraktionen der CDU, Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/5734 in die Tagesordnung und über die Fristverkürzung. Wird dem widersprochen? Sie, Herr Abgeordneter?
Gut. Dann stimmen wir über die Aufnahme in die Tagesordnung unter Fristverkürzung ab. Wir brauchen dafür jetzt eine Zweidrittelmehrheit. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der CDU und der Regierungskoalition und der fraktionslosen Abgeordneten Reinholz, Gentele und Krumpe. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Damit ist über die Aufnahme und die Fristverkürzung mit Zweidrittelmehrheit abgestimmt.
Dann stimmen wir über die Platzierung ab. Ich schlage Ihnen vor: als Tagesordnungspunkt 15 a in gemeinsamer Beratung mit Tagesordnungspunkt 15. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion sowie die fraktionslosen Abgeordneten. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Damit ist die Platzierung beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25, die Aktuelle Stunde. Alle Fraktionen haben eine Aktuelle Stunde eingereicht. Ich denke, die Regularien zur Aktuellen Stunde sind bekannt.
a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Tarifstreit an der Celenus Klinik in Bad Langensalza – Ein Kampf der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um ihre Grundrechte und für eine faire Tarifauseinandersetzung“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5674
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Sie zunächst bitten, Ihren Blick auf die Zuschauertribüne zu richten. Dort oben sitzen Frauen, die in der Celenus Klinik in Bad Langensalza beschäftigt sind,
vielmehr muss man leider sagen: beschäftigt waren. Schön, dass Sie heute hier sind und der Debatte hier im Landtag folgen!
Diese engagierten Frauen verdienen ihren Lebensunterhalt damit, sich den ganzen Tag liebevoll um andere Menschen zu kümmern und sie zu pflegen. Die Wertschätzung für die Pflegeberufe allein verdient es schon, eine Aktuelle Stunde anzusetzen.
Heute geht es aber um Arbeitnehmerinnen, die ihren Job verloren haben oder zu verlieren drohen, weil sie ihre Rechte durchsetzen wollen.
Meine Damen und Herren, ich will kurz darstellen, worum es geht: An der Celenus Klinik in Bad Langensalza ist ein Tarifstreit entbrannt, bei dem ein internationaler Gesundheitskonzern den Versuch unternimmt, Arbeitnehmerrechte auszuhöhlen. Wir von der SPD-Fraktion und auch ich persönlich sind der Meinung: Diese Regelung, diese Rechte sind unantastbar.
Doch zunächst ein paar Worte zum Hintergrund des Konflikts: Bereits 2013 forderte die zuständige Gewerkschaft ver.di die Rehaklinik aufgrund des extrem niedrigen Lohnniveaus zu Tarifverhandlungen auf. In den kommenden Jahren streikte die Belegschaft immer wieder. 2016 wurde der Abschluss eines Manteltarifvertrags erreicht. Dann wird die Klinik an Celenus verkauft; die Verhandlungen über die Vereinbarung zur Vergütung werden nicht zu Ende geführt und dafür kämpfen die Beschäftigten bis heute.
Von Verhandlungen kann inzwischen leider nicht mehr die Rede sein, weil der Arbeitgeber anstatt zu verhandeln nur noch Druck auf die Beschäftigten
ausübt, um die Tarifverhandlungen zu verhindern. So hat Celenus versucht, die Streiks gerichtlich untersagen zu lassen, was jedoch scheiterte. Einen traurigen Tiefpunkt erreichte diese Praxis im vergangenen Monat mit der Kündigung zweier Mitarbeiterinnen, weil sie nach Dienstschluss Informationen über einen anstehenden Streik in Patientenfächer verteilt haben. Vor 14 Tagen dann eine neue Stufe der Eskalation: Der Arbeitgeber nimmt die unbezahlte Freistellung von fünf Beschäftigten vor. Das ist gar kein Mittel im Arbeitskampf und das ist auch nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was dort gerade passiert.
Nach Ansicht mehrerer Fachanwälte sind diese Maßnahmen nicht nur völlig überzogen, sondern im großen Teil auch unzulässig, und erst recht dann, wenn sie sich gegen Betriebsratsmitglieder richten.
Die SPD-Fraktion hat sich mit den beiden gekündigten Mitarbeiterinnen und der gesamten streikenden Belegschaft solidarisiert. Für uns gilt eines uneingeschränkt: Streikrecht ist Grundrecht; es ist nicht verhandelbar.
Ich bin sehr froh, das möchte ich hier auch noch mal sehr deutlich sagen, dass die Kolleginnen und Kollegen in Bad Langensalza trotz der Härte der Auseinandersetzungen bereit sind, ihren Streik fortzusetzen, bis sich ihre Arbeitsbedingungen deutlich verbessert haben – und das auch, weil es ein verheerendes Signal ist, das von der Celenus GmbH ausgeht: zum einen weil wir zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Pflege gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne in der Pflege brauchen, aber auch weil die Rehaklinik für die Kurstadt Bad Langensalza von grundlegender Bedeutung und für die gute Arbeit ein Schlüssel ist, um die Einrichtung nachhaltig zu sichern. Der Versuch, mit allen Mitteln den Tarifverhandlungen aus dem Weg zu gehen und die streikenden Kolleginnen in ihrer Existenz zu bedrohen, ist ein Angriff auf die Beschäftigten der Klinik. Die Art und Weise ist aber auch ein Angriff auf alle Beschäftigten in Thüringen und damit eine Gefahr für Thüringen als Wirtschaftsstandort.
Damit ich nicht missverstanden werde: Die Tarifautonomie ist ein vom Grundgesetz geschütztes Recht. Und das ist auch gut so. Die Praktiken, die von der Celenus GmbH ausgehen, machen aber das Gegenteil: Sie sind dazu geeignet, dieses Recht auszuhöhlen, und deswegen lehnen wir sie ab. Wir fordern Celenus dazu auf, die Kündigung der beiden Mitarbeiterinnen zurückzunehmen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Das Unternehmen darf sich einer gerechten Bezahlung
für qualifizierte und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verweigern. Eine Verhandlung mit ver.di und ein Abschluss eines verbindlichen Tarifvertrags halten wir nicht nur für selbstverständlich, sondern für unumgänglich.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte Sie inständig: Lassen wir es nicht zu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Thüringen ihre Rechte abgesprochen werden. Für viele von uns, die als Beamte oder Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst tätig sind, scheint das manchmal weit weg, dass tatsächlich Kündigungen ausgesprochen werden, wenn ein Arbeitskampf droht. Umso wichtiger ist es, dass unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Mitmenschen in dieser Ungerechtigkeit nicht alleingelassen werden. Liebe Carmen, liebe Heike, liebe Jacqueline, liebe Silke, liebe Juliane, liebe Sandy, liebe Angela, ihr habt unseren Respekt und unsere Unterstützung. Wir lassen euch nicht alleine, wir stehen in diesem Kampf an eurer Seite – dafür steht die SPD seit mehr als 150 Jahren. Ich fordere alle anderen Abgeordneten auf, es uns gleichzutun. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, werte Gäste auf der Tribüne, der Begründung Ihres Antrags, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, ist zu entnehmen – ich zitiere mit Ihrer Genehmigung –: „Vielmehr wird befürchtet, dass der grundgesetzlich geschützte Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern durch Tarifverhandlungen und Tarifverträge seitens des Konzerns ignoriert wird.“ Hintergrund ist eine aktuelle Tarifauseinandersetzung der Celenus Klinik an der Salza in Bad Langensalza. Als langjährige Betriebsratsvorsitzende – zunächst in einem Einzelunternehmen und später auch in einem Konzern – weiß ich, wie wichtig es ist, einen stabilen und verlässlichen Interessenausgleich zwischen den Tarifparteien zu gewährleisten.
Das Aushandeln von Tarifverträgen zwischen den Tarifparteien ist Bestandteil der Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes und dadurch verfassungsrechtlich garantiert. Sie ist frei von staatlicher Einflussnahme. Dass wir in unserem
Land besser als andere in Europa durch die Krisen der vergangenen Jahre gekommen sind, dazu hat das gemeinsame verantwortliche Handeln von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einen wesentlichen Beitrag geleistet. Die Tarifautonomie ist von zentraler Bedeutung für unsere Arbeits- und Wirtschaftswelt. Sie ist ein Eckpfeiler der freien sozialen Marktwirtschaft. Die Tarifautonomie sichert verantwortliche Abschlüsse, die zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über den Wert der Arbeit in der jeweiligen Branche ausgehandelt werden. Sie basieren auf einer partnerschaftlichen kompromiss- und konsensorientierten Wirtschaftstradition. Diese Tradition hat den sozialen Frieden im Land und damit auch ein Stück Stabilität für die gesamte Wirtschaft gesichert. Den Arbeitgebern hat sie Wettbewerbssicherheit gegeben, da in den Branchen, soweit allgemein verbindlich festgestellt, gleiche Lebensverhältnisse gelten, und sie hat auch für eine Friedenspflicht gesorgt. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bietet diese Tradition Schutz sowie Einkommenssicherheit und auch die Chance zur Mitbestimmung. Tarifautonomie ist und bleibt unverzichtbar. Allerdings verschließe ich auch nicht die Augen vor den Problemen, die insbesondere die Gewerkschaften trotz der vorgenannten Erfolge in den vergangenen 25 Jahren im Osten der Bundesrepublik zu verzeichnen haben. Wenn die Statistik stimmt – wie gesagt, wenn sie stimmt –, unterliegt nur noch jeder fünfte Betrieb einem Tarifvertrag. Die Entwicklung hat natürlich auch Auswirkungen auf die inneren Unternehmensstrukturen und die sozialpolitische Ordnungskompetenz innerhalb der Unternehmen.
Ich war erstaunt, meine Damen und Herren, als ich in Vorbereitung auf diese Aktuelle Stunde um einen Gesprächstermin in der Klinik an der Salza nachsuchte und feststellen musste – es wurde mir auch schriftlich bestätigt –, dass ich bisher die einzige Abgeordnete war, die sich die Sichtweise der Unternehmensseite anhören wollte. Für mich ist klar: Um den gordischen Knoten zu lösen, müssen die Parteien an den Verhandlungstisch zurückkehren. Hierzu empfehle ich den Weg über ein Schlichtungsverfahren.
Die Sorge, dass die im Grundgesetz garantierte Tarifautonomie in der Klinik an der Salza infrage gestellt wird und damit der geschützte Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern ausgehebelt werden kann, teile ich nicht.