Protocol of the Session on March 22, 2018

Primo Levi sagte und wir hören es jedes Jahr aufs Neue, wenn wir auf dem Appellplatz in Buchenwald stehen: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Das ist der Klangteppich dieser Erklärung. Es ist ja nicht die erste Erklärung, die der Thüringer Landtag zum Thema „Antisemitismus“ abgibt. Man könnte meinen, dass die Ablehnung des Antisemitismus eine Konstante der Thüringer Landespolitik ist. Aber es scheint im derzeitigen öffentlichen Diskurs, der nicht selten die Grenze zur Gewaltförmigkeit überschreitet, notwendig zu sein, die Nichttolerierung des Antisemitismus erneut zu betonen und als Landtag deutlich zu machen, dass in diesem Parlament – und die Landesregierung schließt sich dem ohne jede Einschränkung an – in unserem Freistaat, in diesem Land, das Heimat für alle Menschen sein soll, die sich zu diesem Land und der in diesem Land geltenden Grundordnung bekennen, Antisemitismus keinen Platz hat.

(Abg. Möller)

Insofern ist der Antrag, dem sich die Landesregierung – wie ich gesagt habe – vollumfänglich anschließt, ersichtlich notwendig. Denn er wendet sich zu Recht gegen jede Form des Antisemitismus. Und Antisemitismus ist kein Fall extremer Ränder. Er findet sich in der Mitte unserer Gesellschaft ebenso wie am politischen Rand. Er findet sich hinter mancher Verurteilung israelischer Politik und gerade – das ist heute hier auch deutlich geworden – weil es stets auch in der Linken inakzeptablen Antisemitismus gab und bedauerlicherweise in der gesellschaftspolitischen Linken auch heute noch gibt, dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass Antisemitismus in jeder Form inakzeptabel ist. Wir dürfen auch nicht die Augen davor verschließen, dass Antisemitismus auch von Menschen, die in unsere Heimat einwandern, dort zur staatlichen Räson gehört. Aus diesem Grund ist es auch nicht von der Hand zu weisen, dass Menschen, die in unser Land kommen, auch von in ihren Ländern dominierenden gesellschaftlichen Vorstellungen, die antisemitisch sind, geprägt sind. Deshalb ist es auch notwendig – und das hat die Landesregierung vom ersten Tag an gemeinsam mit dieser Koalition auch gemacht und mit vielen Akteuren, die in der Flüchtlingsarbeit engagiert waren und sind –, die Nichtinfragestellung des Existenzrechts Israels gehört zu den Grundkonstanten der Bundesrepublik Deutschland und an die haben sich alle zu halten, die in unserem Land leben und die dieses Land ihre Heimat nennen. Aber wir wissen auch aus dem ThüringenMonitor, dass über die Jahre circa 9 bis 15 Prozent der Befragten der Aussage zustimmen, die Juden hätten, ich zitiere „einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und würden nicht so recht zu uns passen“. Da sind noch nicht mal alle mitgezählt, die der Aussage zustimmen, dass Juden heute versuchen würden, Vorteile daraus zu ziehen, dass sie in der Nazizeit Opfer gewesen seien – 21 Prozent der in Thüringen Befragten. Oder diejenigen, die der Aussage zustimmen, dass man bei der Politik, die Israel macht, gut verstehen könne, dass man etwas gegen Juden hat – circa ein Viertel der Thüringer Bevölkerung. Der Thüringen-Monitor 2017 benennt das ganz klar: Judenfeindliche Einstellungen in der deutschen Bevölkerung sind bis heute präsent, das Phänomen ist in allen Bildungsschichten, sozialen Milieus und politischen Lagern vorzufinden. Insofern ist diese Erklärung, die der Landtag hier heute behandelt, keine Erklärung, die sich nur nach draußen richtet. Das ist eine Erklärung, die uns alle angeht, die uns alle berührt – jeden von uns.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In jeder unserer Familien, in jedem unserer Freundeskreise ist diese Erklärung Gegenstand dessen, was uns berührt. Wenn wir in Erfurt mit berechtigtem Stolz in der Alten Synagoge den durch einen

glücklichen Umstand wieder ausgegrabenen Hochzeitsschatz präsentieren und begeistert diese Kleinodien zeigen, dann ist dieses Zeigen und der Stolz darauf aber auch begleitet von dem beklemmenden Gefühl der Umstände, die zu dessen Vergrabung geführt haben. Denn es war einer der immer wieder auch in dieser Region vorkommenden Pogrome gegenüber der jüdischen Bevölkerung, die die deutsche Geschichte über die Zeitläufe, über Jahrhunderte geprägt haben.

Wenn wir heute den Antrag für das UNESCO-Weltkulturerbe stellen – mittelalterlich-jüdisches Erbe –, dann ist in diesem Weltkulturerbeantrag die gesamte Geschichte jüdischen Erbes und dessen Schlechtbehandlung über die Zeitläufe mit enthalten. Geschichte ist keine Einbahnstraße, Geschichte ist kein Fahrrad, auf das man sich setzen und einfach in eine andere Richtung fahren kann. Geschichte ist etwas, das sich Gesteinsschicht für Gesteinsschicht übereinanderlegt und das man nur im Ganzen haben kann. Und das ist das, was in dem von mir zitierten Satz von Primo Levi enthalten ist und was diese Erklärung deutlich macht: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Und es ist seit bald 70 Jahren der erste Satz unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Seit 70 Jahren feiern wir auch unsere staatlichen Beziehungen zu Israel.

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass eine Grundkonstante deutscher Politik die Anerkennung und auch die Verteidigung des Existenzrechts Israels gegenüber denjenigen ist, die es infrage stellen. Insoweit erkläre ich meinen tiefen Respekt vor dem Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Prof. Dr. Reinhard Schramm für seinen sehr deutlichen Hinweis auf die wachsenden Ängste unter den Mitgliedern seiner Gemeinde, die wir ernst nehmen müssen. Es betrifft eben nicht nur den Rabbiner, wenn er und seine Frau auf offener Straße beschimpft werden; die Gefahr für die ganze Gesellschaft dürfen wir nicht unterschätzen.

Ich selbst trage den Namen Benjamin – in der Bibel der Sohn Isaaks. Ich trage den Namen Immanuel – ich verweise auf Hisaya. Ich habe keine Lust, in einer Gesellschaft zu leben, in der man für seinen jüdischen Namen diskriminiert wird, indem gesagt wird: Geh nach Hause. Ich habe keine Lust, in einem Land zu leben, in dem ich E-Mails bekomme, in denen mir gesagt wird: Jüdische Namen reichen wohl nicht, jetzt musst du auch noch Kommunist sein. In einem solchen Land kann und will ich nicht leben. Ich möchte in einem Land leben, in dem ich im besten Sinne – wie in dem Redebeitrag, den ich vorhin gehalten habe – sagen kann: Heißt in unserer Heimat konservativ zu sein, nicht auch, dass jeder nach seiner Fasson glücklich sein soll?

(Beifall DIE LINKE)

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Insoweit müssen wir alle bereit sein, uns in den anderen hineinzuversetzen – wie das mit dem Projekt der Zentralwohlfahrtsstelle versucht wird, das mit Mitteln des Landesprogramms Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit gefördert wird, ein Projekt, das mit den zentralen Schwerpunkten Rassismusund Antisemitismusprävention sowie Stärkung von Vielfalt und Diversität alle Formen von dem in den Blick nimmt, was eine Fraktion hier immer als Begriff infrage stellt und ihn ideologisiert meint: alle Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in ihrer historischen und aktuellen Dimension.

Ich verweise auf die Landeszentrale für politische Bildung, einen entsprechenden Schwerpunkt. Ich verweise auf unsere Gedenkstättenarbeit und könnte noch viel zu diesem Thema sagen. All das, was hier gesagt worden ist, was ich selbst aus der Arbeit der Landesregierung noch anfügen könnte, unterstreicht die Bedeutung dessen, worum es mit diesem Antrag heute geht: Antisemitismus kann man nicht erst bekämpfen, wenn es zu spät ist. Wir müssen Antisemitismus als ständigen Feind in seinen Wurzeln bekämpfen – und wir müssen dies gemeinsam tun. Es geht nicht darum, dass hier einer dem anderen zeigt, dass er besonders nicht-antisemitisch ist. Das, was wir tun, muss sich in unserem Handeln ausdrücken. Nur wenn unsere Worte und unser Handeln übereinstimmen, geht es um konsistente Politik. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist für den Antrag der Fraktionen der CDU, Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU und der Abgeordnete Gentele. Gegenstimmen? Gibt es keine. Stimmenthaltungen? Das ist die Fraktion der AfD.

Dann stimmen wir jetzt über die Ausschussüberweisung des Alternativantrags der Fraktion der AfD an den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU und der Abgeordnete Gentele. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Bevor wir in die Mittagspause bis 13.50 Uhr gehen, möchte ich noch bekannt geben, dass sich der Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz 5 Minuten nach Beginn der Mittagspause im Raum F 004 trifft, der Untersuchungsausschuss 6/1 im Raum F 202

und der Freundeskreis Litauen im Raum F 056. Wir setzen dann mit der Fragestunde fort.

Wir nehmen die Sitzung wieder auf und ich rufe auf Tagesordnungspunkt 18

Fragestunde

Zuerst haben wir die Anfrage des Abgeordneten Henke. Herr Abgeordneter Henke, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Vorsitzender.

Sprengstoff- und Chemikalienfunde bei einem Mitglied des Bündnisses „Zivilcourage und Menschenrechte“

Bei einem in den Medien, beispielsweise in der „Thüringer Allgemeinen“ am 15. und 16. März 2018, als Mitglied des Bündnisses „Zivilcourage und Menschenrechte" bezeichneten und einem weiteren Tatverdächtigen wurden während einer polizeilichen Durchsuchung in Rudolstadt und in UhlstädtKirchhasel Sprengstoff und große Mengen Chemikalien gefunden. Es bestünde der Verdacht auf Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens. Das Bündnis für „Zivilcourage und Menschenrechte" wird unter anderem von Gliederungen der Parteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen unterstützt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wurde das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ in den vergangenen Jahren im Zeitraum von 2013 bis heute mit Haushaltsmitteln des Freistaates Thüringen gefördert? Wenn ja, in welcher Höhe – bitte nach Jahren getrennt angeben?

2. Ist der Landesregierung bekannt, ob der Mitarbeiter des Bündnisses „Zivilcourage und Menschenrechte“ aus Haushaltsmitteln des Freistaates Thüringen bezahlt wird oder aus anderen Finanzquellen und wenn ja, aus welchen?

Vielen Dank. Es antwortet für die Landesregierung das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, Frau Staatssekretärin Ohler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Henke beantworte ich im Namen der Landesregierung wie folgt:

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Gestatten Sie zunächst eine Vorbemerkung. Das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt ist ein loser Zusammenschluss von Vertreterinnen und Vertretern von Kirchen, Sozialträgern, Unternehmern und Einzelpersonen der Region, der rechtsextremistischen Aktivitäten, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Region entgegengetreten ist. Das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt hat im Jahr 2016 im Rahmen der Demokratiepreisverleihung einen Anerkennungspreis erhalten, der mit 500 Euro dotiert ist. Der Preis ging nicht an eine Einzelperson, sondern an das Bündnis, und zwar für sein Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Das Bündnis hat sich unverzüglich nach Bekanntwerden der Vorwürfe in aller Deutlichkeit vom Tatverdächtigen distanziert. Dies war aus Sicht der Landesregierung richtig und notwendig. Für Gewalt oder Pläne zur Gewaltausübung kann es keinerlei Toleranz geben.

Zu Frage 1: Das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt ist keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern wie einleitend ausgeführt ein loser Zusammenschluss von Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft. Demnach fehlt schon die Voraussetzung für eine Beantragung von Fördermitteln und es wurden auch keine Fördermittel an das Bündnis gezahlt.

Zu Frage 2: Die in der Frage angesprochene Person hat keine finanziellen Mittel vom Freistaat erhalten. Zu anderen Finanzierungsquellen liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Wir danken jetzt dafür, Frau Staatssekretärin, dass Sie so freundlich den technischen Ausfall ausgeglichen haben. Herr Henke, Sie haben noch eine Nachfrage? Bitte.

Ja, eine kurze Nachfrage: Ist der Landesregierung bekannt, ob auch noch andere Interessenten infrage kommen könnten, die von der Landesregierung bezahlt werden und dort bei dem Verein für Zivilcourage angestellt sind oder gearbeitet haben?

Die Frage impliziert schon, dass wir überhaupt irgendjemanden bezahlen würden, der in dem Verein tätig ist bzw. in dem Bündnis. Das kann ich nicht bestätigen.

Weil sich ja herausgestellt hat, dass das Büro vorne dem DGB gehört und hinten nur angemietet ist, und das Bündnis – Da ist Ihnen nichts bekannt? –

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Welches Büro?)

Dazu kann ich jetzt im Moment nichts weiter sagen.

und der Verein für Zivilcourage hinten drinsitzt. Dazu ist Ihnen nichts bekannt?

Dazu habe ich jetzt keine Informationen.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Der hat kein Büro!)

Gut, das waren jetzt zwei Fragen. Danke schön. Vielen Dank noch mal, Frau Staatssekretärin, für die Improvisationsbereitschaft. Wir kommen nun zur Anfrage des Abgeordneten Kräuter von der Fraktion Die Linke in der Drucksache 6/5422. Herr Abgeordneter Kräuter, bitte.

Ruhendstellung von Beamtenverhältnissen

Nach Kenntnis des Fragestellers sind die ehemalige Leiterin des Finanzamts Gera und heutige Oberbürgermeisterin der Stadt Gera und eine weitere Beamtin des Finanzamts Gera Landesbeamte des Freistaats Thüringen. Während die ehemalige Leiterin des Finanzamts Gera nach der letzten Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Gera im Jahr 2012 das Amt als Oberbürgermeisterin der Stadt Gera angenommen hat, ist eine weitere Landesbeamtin des Finanzamts Gera in die Stadtverwaltung Gera gewechselt. Beide Beamtenverhältnisse sind nach Kenntnis des Fragestellers ruhend gestellt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wer hat nach Kenntnis der Landesregierung die Entscheidungen zur Ruhendstellung der Beamtenverhältnisse von den benannten Landesbeamtinnen zur Ausübung eines kommunalen Wahlamts beziehungsweise zur Ausübung einer Tätigkeit bei einem anderen Dienstherrn mit welcher Begründung getroffen?

2. Welche Rechtsgrundlage kam bei der Entscheidung zur Anwendung?

3. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung grundsätzlich zur Ruhendstellung von Beamtenver

(Staatssekretärin Ohler)