Protocol of the Session on March 21, 2018

schon seit Jahrzehnten eine Selbstverwaltung der Justiz. Ich möchte es keinem, der hier im Saal sitzt, wünschen, dass er mal versuchen wollte, in Italien einen zivilrechtlichen Anspruch durchzusetzen. Wenn überhaupt, wartet er dann mindestens zehn Jahre. Da ist sein Vertragspartner, von dem er das Geld will, wahrscheinlich schon gestorben. Also das zeigt: Die Selbstverwaltung ist nicht unbedingt die tolle Lösung und kann sich genau auch ins Gegenteil auswirken.

Deshalb mein letzter Satz hier: Wir haben ein hervorragend funktionierendes Justizsystem, das in einem Ranking mit anderen Staaten an einer der vordersten Stellen steht. Mehr: Nur eine maßvolle Modernisierung des Dienstrechts gewährleistet, dass dies dann auch so bleibt und dafür wollen wir eintreten. Danke schön.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Blechschmidt für die Fraktion Die Linke das Wort.

Danke, Herr Präsident. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer und – mit Blick in den Raum – liebe Freunde und Sympathisanten der Justizpolitik, die noch hier sind!

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Was gibt es Spannenderes?)

Was gibt es Spannenderes? Es ist wohl wahr, es ist manchmal scheinbar ein bisschen trocken, aber es ist ein wichtiges Moment in unserer Gesellschaft. Ich bin dem Minister ausdrücklich dankbar für die umfangreiche Begründung, die er hier an den Tag gelegt hat, weil er damit einerseits deutlich gemacht hat, wie notwendig eine Modernisierung der Justizpolitik ist, und andererseits eben auch auf die eine oder andere Problematik hingewiesen hat, die – und da knüpfe ich an Kollegen Scherer sofort an – im Ausschuss durchaus noch zu besprechen ist. Trotzdem will ich grundsätzlich sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung zum Richter- und Staatsanwältegesetz wird von der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag ausdrücklich begrüßt. Dies schon deshalb, weil mit diesem Gesetzentwurf auch eine langjährige zentrale Forderung der PDS- bzw. Linken-Fraktion im Thüringer Landtag zum Thüringer Richterrecht umgesetzt wird. Das – und das ist ja schon angesprochen worden – sogenannte Letztentscheidungsrecht des Justizministers bei Personalentscheidungen, vor allem bei der Besetzung von Leitungsfunktionen bei Gerichten, wird abgeschafft und die Mitbestimmungsrechte im Bereich der Staatsanwaltschaft und Richterschaft werden gestärkt. Das ist ein wei

terer Fortschritt bei der Demokratisierung der Justiz und damit in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Zur Abschaffung des Letztentscheidungsrechts und zur weiteren Stärkung der Rechte des Richterwahlausschusses hatte die Fraktion Die Linke in der vergangenen Wahlperiode einen eigenen Gesetzentwurf im Thüringer Landtag eingebracht, der – bekanntermaßen – leider abgelehnt worden war. Die Linke wollte in diesem Gesetzentwurf so gut wie alle Personalentscheidungen im Bereich der Richterinnen und Richter in die Verantwortung des Richterwahlausschusses legen. Dieses Gremium ist nach unserem Verständnis besonders stark demokratisch legitimiert, weil darin die Abgeordneten als direkte Repräsentantinnen und Repräsentanten der Wählerinnen und Wähler in der Zweidrittelmehrheit sind. Doch für die oben genannte deutliche Kompetenzerweiterung des Gremiums ist auch eine Änderung des Artikels 89 der Thüringer Verfassung notwendig. Auch dieser von der Linken vorgelegten Verfassungsänderung wurde in der vergangenen Wahlperiode im Landtag nicht zugestimmt. Es ist auch jetzt scheinbar nicht ersichtlich, dass die CDU ihre Haltung aufgeben wird. Die zur Änderung des Artikels 89 der Thüringer Verfassung notwendige Zweidrittelmehrheit steht also immer noch nicht zur Verfügung. Mit einer Änderung des Artikels 89 wären auch weitere Überlegungen aus den Vereinen und Verbänden der Richterschaft nicht nur diskutabel, sondern gegebenenfalls veränderbar. Hier hoffen wir im Rahmen – unabhängig von einer Veränderung der Verfassung – der Ausschussarbeit – ich wiederhole mich – auf einen entsprechenden Diskussionsprozess.

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die Rahmenbedingungen heißt das für den Gesetzentwurf der Landesregierung, er schöpft alle derzeit mit einfachgesetzlicher Mehrheit erreichbaren Gestaltungsmöglichkeiten zur Stärkung von Mitbestimmung und Selbstverwaltung aus. Wichtig an dem Gesetzentwurf, vor allem am Punkt der Abschaffung des Letztentscheidungsrechts ist: Damit werden endlich seit Langem bestehende verbindliche Vorgaben der europäischen Ebene – so wie es der Minister beschrieben hat – hinsichtlich der Unabhängigkeit aufgegriffen und erfüllt. Schon vor Jahren wiesen der Thüringer Richterbund und die Neue Richtervereinigung Thüringen öffentlich darauf hin, dass die Abschaffung des Letztentscheidungsrechts des Justizministers zur Erfüllung dieser europäischen Vorgabe notwendig ist. Vor allem die CDU ließ sich aber durch diese fachlichen Hinweise nicht beeindrucken. Der in der vergangenen Wahlperiode geplante Gesetzentwurf der Landesregierung zur Novellierung des Richterrechts fiel ebenfalls dem Konflikt um das Letztentscheidungsrecht zum Opfer, soweit man dies als linke Opposition damals über die Medien verfolgen konnte. Umso besser ist, dass nun dieser Gesetzentwurf des

(Abg. Scherer)

Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hier auf dem Tisch liegt. Dieser Gesetzentwurf beweist erneut, Rot-Rot-Grün liefert, Rot-RotGrün hält sich an seinen Koalitionsvertrag, Rot-RotGrün liefert auch inhaltlich gut.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist umfangreich. Er nimmt auch ganz neue strukturelle Weichenstellungen vor, weil er auch die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mehr in den Fokus rückt. Damit setzt er das Signal, auch die Staatsanwaltschaft ist Teil der unabhängigen Justiz, so wie das strukturell schon in vielen anderen europäischen Ländern der Fall ist. Dass es in Deutschland mit der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften leider praktisch noch nicht ganz so weit ist, liegt an einem Bundesgesetz, dem Gerichtsverfassungsgesetz. Dieses Gesetz stammt noch aus den Anfängen oder mitten aus der Kaiserzeit. Damals waren demokratisch soziale oder föderale Prinzipien für einen Rechtsstaat eben noch Wunschtraum. Solange die im Gerichtsverfassungsgesetz verankerten Weisungsrechte des Justizministers, vor allem die im Einzelfall, noch fortbestehen, gibt es keine völlige Unabhängigkeit von Staatsanwaltschaften. Hier Änderungen herbeizuführen, ist Aufgabe des Bundesgesetzgebers. Mit der Einbeziehung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in das Gesetz – allerdings verfassungsrechtlich korrekt – mit eigenem Vertretungsgremium schöpft der vorliegende Gesetzentwurf auch in diesem Punkt die Möglichkeit der Landesgesetzgebung zu Reformen aus.

Auch bei dem oben angesprochenen Thema „Weisungsrecht“ hat das Thüringer Justizministerium, wenn auch durch den Bundesgesetzgeber begrenzt – und das hat der Minister selbst angesprochen –, seine Handlungsmöglichkeiten genutzt und in einer Art – ich bezeichne es jetzt mal so – Selbstbindungserklärung gegenüber der Thüringer Staatsanwaltschaft mitgeteilt: Der Minister wird die Weisungsrechte – so habe ich es verstanden – nur sehr, sehr eingeschränkt nutzen. Das ist aus linker Sicht mit Blick auf die Stärkung der Unabhängigkeit – ich wiederhole mich – zu begrüßen. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, „Unabhängigkeit“ heißt nicht, die Justiz schwebt völlig frei, sie kann machen, was sie will. Der Gesetzgeber darf ihr immer noch inhaltlich gesetzliche Vorgaben machen und Rahmenbedingungen für ihr Alltagshandeln setzen. Wenn Staatsanwaltschaften oder gar Gerichte in ihrem Handeln entgleisen, gibt es für Betroffene immer noch Rechtsbehelfe und Rechtsmittel, um sich zu schützen und zu wehren. Nach Verfassung muss es dieses Schutzinstrument auch geben. Das zeichnet einen, das zeichnet unseren Rechtsstaat aus.

Meine Damen und Herren, die Linke-Fraktion kann sich noch viel weitergehende unabhängige Prinzipien vorstellen. So gibt es seit Jahren Bedenken oder Überlegungen, dass auch das Modell einer Budgetierung der Gerichte geprüft werden sollte, um die Unabhängigkeit im Rahmen des Haushaltrechts auch unter finanziellen Gesichtspunkten abzubilden. Doch, wie schon am Beispiel des Weisungsrechtes dargestellt, können aus Gründen der Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern in den Ländern nur bestimmte „Baustellen“ angegangen werden.

Der heute zur Beratung vorliegende Gesetzentwurf, der wichtige, strukturelle Entscheidungen enthält, verdient eine ausführliche Weiterbehandlung im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, dem entsprechenden zuständigen Fachausschuss, was ich hiermit beantrage. Die Linke-Fraktion freut sich auf die umfangreiche und intensive – ich gehe davon aus – mündliche Anhörung zum Gesetzentwurf. Wie schon zu anderen Gesetzentwürfen wird Rot-Rot-Grün auch diese Anhörung sehr ernst nehmen. Niemand sollte sich wundern, wenn nach der Anhörung aus der Koalition Änderungsanträge auf den Tisch kommen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss: Die vom Gesetzentwurf betroffenen Bediensteten in der Justiz warten schon lange auf diese rechtliche Modernisierung. Diese Modernisierung hilft letztlich auch den Rechtsuchenden in Thüringen, die auf eine gut arbeitende Justiz angewiesen sind. So ist dieser Gesetzentwurf, diese Gesetzesreform dem ersten Anschein nach zum Trotz gerade keine Angelegenheit, die nur in ihrer Zahl überwiegende Berufsgruppen angeht und betrifft, sondern alle potenziell Rechtsuchenden und damit alle Menschen in Thüringen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächster hat Abgeordneter Helmerich für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Zuschauer, liebe Gäste! Zunächst darf ich dem Herrn Minister für die umfangreiche und gute Darstellung der Novellierung des Thüringer Richter- und Staatsanwältegesetzes danken. Seit 1994 gilt in Thüringen das Thüringer Richter- und Staatsanwältegesetz. In diesen bald 24 Jahren wurde es dreimal geändert. Zum Vergleich: Das Thüringer Beamtengesetz hat allein seit 2014 – also nicht einmal seit vier Jahren – genau so viele Änderungen erfahren, wie das Richtergesetz in 24 Jahren. Allein an diesem Vergleich

(Abg. Blechschmidt)

wird deutlich: Das Thüringer Recht rund um die Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte ist ein Sanierungsfall. Der uns vorliegende Gesetzentwurf ist nicht der erste Versuch, das Thüringer Richter- und Staatsanwältegesetz zu novellieren. In der letzten Wahlperiode scheiterte ein Entwurf des Justizministers am Widerstand des damaligen Koalitionspartners, der CDU, die zu umfangreichen Modernisierungen nicht gewillt war.

Wir als rot-rot-grüne Koalition haben uns deswegen in unserem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Überarbeitung neu anzugehen und ein modernes Gesetz für die Justiz zu schaffen. Die Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sollen den anderen Beamten in nichts nachstehen. Ein modernisiertes Beamtenrecht muss Vorbild für die Novelle des Richtergesetzes sein. Der Unabhängigkeit der Richterschaft als dritte Gewalt im Freistaat muss dabei Rechnung getragen werden. Der Entwurf für ein neues Richter- und Staatsanwältegesetz hält für dieses wichtige Vorhaben einige gute Ansätze bereit. So wird beispielsweise die Mitbestimmung durch die Teilnahme der Personalvertretungen an Auswahlgesprächen sowie durch regelmäßige Beteiligungsgespräche mit dem Ministerium gestärkt. Außerdem soll die Anlassbeurteilung einer Regelbeurteilung weichen, um das so wichtige System der Beurteilungen fairer zu gestalten. Diese Verbesserung für die Richter und Staatsanwälte möchte ich ausdrücklich begrüßen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung ist nicht frei von Kritik der Berufsverbände. Diese müssen wir als Parlamentarier ernst nehmen und überprüfen, ob es im weiteren Verfahren noch Nachbesserungen geben muss, zum Beispiel bei der Besetzung des Präsidialrats. Laut Entwurf können die Mitglieder der betroffenen Gerichtsbarkeit im Präsidialrat maximal einen Patt hervorrufen. Für zielführender halte ich es jedoch, wenn sie die jeweilige Mehrheit im Präsidialrat stellen würden, um Beförderungsentscheidungen innerhalb ihrer Gerichtsbarkeit durchzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Man hat ja den Eindruck, als wären Sie mit der Regie- rung gar nicht einig!)

Auch bei der Besetzung des Richterwahlausschusses sehe ich noch Möglichkeiten zur Veränderung. Ist eine Zweidrittelmehrheit von Abgeordneten in dem Gremium wirklich notwendig? Welche Vorund Nachteile kann es haben, einen anwaltlichen Vertreter oder eine anwaltliche Vertreterin im Richterwahlausschuss zu haben? Diese Fragen sollten wir als Abgeordnete gemeinsam im Rahmen der Beratung des Justizausschusses diskutieren.

Ein wichtiger Punkt ist sicher auch das Beurteilungswesen. Es gilt, der Richter oder die Richterin

mit den besten Beurteilungen wird bei Beförderungen berücksichtigt. Deswegen ist das Zustandekommen von Beurteilungen ein sensibles Thema. Die wesentlichen Grundsätze der Beurteilung, insbesondere Beurteilungskriterien, müssen demnach im Gesetz geregelt sein und können nicht vollständig auf eine Verordnung abgewälzt werden. Die genaue Überprüfung im Justizausschuss wird zeigen, ob wir hier als Gesetzgeber die Verordnungsermächtigung noch ergänzen oder konkretisieren müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Rahmen einer Anhörung sollten wir ganz besonders darauf achtgeben, dass die Richterschaft und Staatsanwaltschaft in Sachen Mitbestimmung den anderen Beamten im Freistaat in nichts nachstehen. Dieses Thema werden wir sicher im Laufe unserer Beratung im Justizausschuss vertiefen.

Zuletzt möchte ich noch einmal daran erinnern, ein Gesetz für Richter und Staatsanwälte, das klingt für alle, die nicht gerade diesen Beruf ausüben, sehr weit weg. Aber das ist es nicht. Wir alle erwarten effiziente und leistungsfähige Gerichte und Staatsanwaltschaften. Dafür braucht es die notwendigen Rahmenbedingungen in einem zeitgemäßen, modernen Thüringer Richter- und Staatsanwältegesetz. Ich freue mich auf eine gute Beratung im Justizausschuss und auf eine spannende Anhörung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Möller für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Also zunächst mal, lieber Kollege Helmerich, hoffe ich, dass die Debatte im Justizausschuss spannender wird als Ihre Rede von eben. Ansonsten möchte ich noch anmerken, dass man im Grunde zu dem Gesetzentwurf, der hier debattiert wird, gar nicht so viel sagen muss, denn er soll ja die Verhältnisse der Richter und Staatsanwälte, die entscheidenden Rahmenbedingungen des Landes setzen, wurde aber bereits vor der ersten Debatte im Landtag vom Thüringer Richterbund, also von den Betroffenen, in der Luft zerrissen. Man muss sich nur mal die Kritikpunkte, die Kernpunkte der Kritik des Thüringer Richterbundes durchlesen, die übrigens zentrale Aspekte des verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsprinzips betreffen, wo es also um die Frage geht, wie viel Einfluss sollen die Exekutive und die Legislative auf die Judikative haben. Der Richterbund stellt aus unserer Sicht zu Recht fest: Dieser Einfluss ist auch

(Abg. Helmerich)

bei diesem Entwurf immer noch zu hoch. Man hat ihn nur besser versteckt.

(Beifall AfD)

Ich will das am Beispiel der Debatte zwischen dem Chef des Thüringer Richterbundes, Holger Pröbstel, und dem Justizminister klarmachen, am Recht des Ministers, Personalentscheidungen, zum Beispiel Beförderungen, mitzuentscheiden: Bei beabsichtigten Beförderungen ist nach dem Regelungsentwurf die Beteiligung des Präsidialrats, also einer von zwei Richtervertretungen erforderlich. Das klingt ja erst mal gut. Nun wird es sicherlich aber ab und an mal vorkommen, dass der Präsidialrat als Richtervertretung der vorgeschlagenen Beförderungsmaßnahme nicht zustimmt, weil er zum Beispiel die Motive des Justizministers im Einzelfall nicht nachvollziehen kann. Da muss grundsätzlich ein Einigungsversuch nach diesem Gesetzentwurf erfolgen. Wenn der scheitert, dann kommt der Richterwahlausschuss zum Zug. Dieser Richterwahlausschuss – das ist ja auch schon zum Teil angesprochen worden – ist übrigens mehrheitlich durch Abgeordnete des Landtags besetzt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Sie verweigern sich!)

10 von 15 Mitgliedern des Richterwahlausschusses sind Abgeordnete, mindestens die Hälfte davon, eher mehr, durften also in der Regel schon mal Vertreter der jeweiligen Regierungskoalition sein, deren Vorstellungen natürlich bei Auseinandersetzungen mit der Richterschaft von denen des Justizministers in der Regel nicht wesentlich abweichen werden. Allein deshalb ergibt sich bereits über den Richterwahlausschuss eine Hausmacht des Justizministers oder der Regierungskoalition mit absoluter Blockadewirkung gegenüber allen Meinungen, die der Regierungskoalition bei Besetzungsfragen oder Beförderungsfragen zuwiderlaufen. Denn sollte sich im Richterwahlausschuss, trotzdem die Positionen im Grunde genommen schon so verteilt sind, mal eine signifikante Position gegen eine Maßnahme des Justizministers herausgebildet haben, so braucht diese Gegenposition eine Zweidrittelmehrheit, also nach Adam Riese zehn Stimmen. Selbst wenn diese Anzahl an Stimmen erreicht wird, müsste der Justizminister zum Wirksamwerden einer abweichenden Entscheidung immer noch zustimmen. Daran sieht man, die Macht bei der Besetzung von Richterämtern oder bei Beförderungen liegt nach wie vor konzentriert aufseiten der Regierungsfraktion und damit in der Hand des Justizministers. Da hat sich nichts wesentlich verbessert,

(Beifall AfD)

egal was Sie dazu sagen. Das hat der Thüringer Richterbund auch gut herausgearbeitet, weshalb wir uns in dem Punkt auch der Opposition in den Regierungsfraktionen – für die der Sprecher Oskar

Helmerich eben vorgetragen hat – anschließen und entsprechend Nachbesserungen zwingend für erforderlich halten. Denn diese Abhängigkeit der Judikative vom Einvernehmen der jeweiligen Landesregierung und der Regierungsfraktionen spricht dem Gewaltenteilungsgrundsatz Hohn und ist weit von den demokratischen, rechtsstaatlichen Standards, auch innerhalb der Europäischen Union, entfernt. Es spricht für das schlechte Gewissen der Landesregierung, dass sie diese Missachtung des Gewaltenteilungsprinzips ganz tief im Regelungswirrwarr des Gesetzentwurfs versteckt hat, sodass man sie sich eigentlich nur als Jurist erschließen kann. Vielleicht soweit zu diesen Kernanliegen.

(Beifall AfD)

Ansonsten wollte ich noch mal ganz kurz auf die Rede von Herrn Kollegen Scherer von der CDU eingehen. Herr Scherer, ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn im Richterwahlausschuss auch Vertreter der Rechtsanwaltschaft sitzen, denn die sind auch Organe der Rechtspflege, die gehören also aus unserer Sicht durchaus da mit rein. Da kann man durchaus auch über eine größere Beteiligung nachdenken.

Ihr Argument, dass die Selbstverwaltung der Justiz des Teufels wäre, weil in Italien die Prozessdauer doch so ewig lang ist: Also, mein lieber Herr Scherer, das ist unglaublich weit hergeholt. Wenn Sie sich mit den Vorfällen in Italien oder mit dem Prozess in Italien beschäftigen – mit dem Zivilprozess –, müssen Sie wissen, dass der an ganz vielen Stellen krankt, was sicherlich nicht zwingend ausschließlich darauf beruht, wer da befördert wird oder wie da die Einstellungspraxis ist. Eins sage ich Ihnen auch in dem Zusammenhang: Was die Reform des Zivilprozesses angeht, was zum Beispiel die elektronische Aktenführung angeht, ist Italien schon wesentlich weiter als wir. Wenn ich auf das Desaster schaue, das wir hier in Deutschland mit dem „besonderen elektronischen Anwaltspostfach“ haben, wenn ich an dieses Desaster nur denke und die Unfähigkeit, elektronische Aktenführung hinzubekommen, da sollten wir in Sachen „Italien“ ganz vorsichtig sein und bloß nicht arrogant wirken,

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Keine Ah- nung! Null Ahnung!)

bloß nicht arrogant auf die Italiener schauen. Das würde ich Ihnen in dem Punkt wirklich raten.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Hat er jetzt ein Herz für Ausländer?)