Ich frage die Landesregierung, ob Sie das Wort zur Begründung wünscht? Herr Minister Lauinger, wünschen Sie das Wort zur Begründung?
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich freue mich sehr, Ihnen heute eines der bedeutendsten Vorhaben des Justizressorts vorstellen zu dürfen: die Novellierung des Thüringer Richtergesetzes durch den Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte.
Das Thüringer Richtergesetz hat im Bundesvergleich anders als die Richtergesetze der anderen Länder seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1994 gerade erst einmal zwei nennenswerte Änderungen erfahren, zuletzt eine Änderung im Jahr 2003, also vor anderthalb Jahrzehnten. Seitdem war jedoch das allgemeine Dienstrecht vielfältigsten Veränderungen unterlegen. Die 2006 beschlossene Föderalismusreform, die Änderung in der Mitbestimmung, die allzeitigen Bestrebungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sie alle haben unsere Rechtslandschaft verändert. Das Thüringer Richtergesetz ist seit 2003 – ich habe es erwähnt – nie reformiert worden. Im Unterschied zu den meisten anderen Bundesländern liegt die Regelaltersgrenze für den Ruhestandseintritt für die Thüringer Richterinnen und Richter noch bei 65 Jahren, was – das muss man auch einmal klar betonen – zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Landesbediensteten, insbesondere auch zu Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, führt. Im System der Beteiligungsrechte der Thüringer Richter- und Staatsanwaltschaftsvertretungen hinkt das Thüringer Richtergesetz ebenfalls den Beteiligungsrechten der Personalvertretungen der Beamtinnen und Beamten deutlich hinterher. Die Verfahrensweise bei der Besetzung von Beförderungsämtern ist ein bereits langjähriger, wirklich langjähriger, Streitpunkt,
in dessen Fokus die Abschaffung des bisherigen ministeriellen Letztentscheidungsrechts steht. All dies, meine sehr geehrte Damen und Herren, gehen wir jetzt mit diesem Gesetzentwurf erstmals an. Die Koalitionsfraktionen haben sich im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode zu einer Novellierung des Thüringer Richtergesetzes verständigt, insbesondere zu einer Stärkung der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Mitbestimmungsrechte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die unabhängige Justiz als Garantin für einen demokratischen Rechtsstaat genießt bei den Bürgerinnen und Bürgern einen besonderen Vertrauensstatus – und das zu Recht. Denn Richterinnen und Richter des Freistaats leisten eine ebenso hervorragende Arbeit wie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Ihr täglicher Einsatz ist für das Funktionieren unseres Rechtsstaats und damit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung absolut elementar. Um diese hervorragende Arbeit weiter zu ermöglichen, bedarf es vor allem einer guten Personalausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Zugleich haben wir für eine angemessene Sachausstattung Sorge zu tragen, wozu es auch gehört, den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz auf die Beine zu stellen. Beide Aufgaben sind vorrangig und erklärte Ziele meines Hauses. Bei beiden Aufgaben haben wir in den letzten drei Jahren Beachtliches erreicht. Der elektronische Rechtsverkehr ist seit dem 1. Januar 2018 in der Thüringer Justiz gestartet. Im Personalbereich, wo wir insbesondere bei Richtern und Staatsanwälten und Richterinnen und Staatsanwältinnen eine teilweise verheerende demografische Situation haben, haben wir die Trendwende mit insgesamt mehr als 75 Neueinstellungen in dieser Legislaturperiode geschafft. Wir treffen damit wichtige Vorkehrungen für die zukünftigen ruhestandsbedingten Personalabgänge. Damit zeichnen wir uns aktuell – auch nach einer in der vergangenen Woche von dem ZDF-Magazin „Frontal 21“ ausgestrahlten Reportage – deutlich von dem Bundestrend ab. Mir ist bei alledem selbstverständlich bewusst, dass wir bei diesem Ergebnis nicht stehen bleiben dürfen und weiterhin für Thüringen auch aufgrund des immer stärkeren Konkurrenzdrucks um gute Assessorinnen und Assessoren werben müssen. Wir sind in vielfältiger Weise unterwegs, es ist uns in den letzten Monaten immer stärker gelungen, auch junge Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern dazu zu bewegen, nach Thüringen zu kommen. Uns ist es gelungen, einige der Thüringerinnen und Thüringer, die wir in den letzten zehn Jahren verloren haben, die in andere Bundesländer gegangen sind, weil es hier keine Chancen auf eine Neueinstellung gab, zu bewegen, wieder nach Thüringen zurückzukommen. All das sind für die personelle Entwicklung der Justiz ganz hervorragende Ergebnisse.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten gebührt als Repräsentanten und Entscheidungsträgern der Justiz nicht nur rechtlich eine besondere Stellung, vielmehr genießen sie – ich hatte das bereits erwähnt – aufgrund des ihnen verliehenen Amtsauftrags eine besonders hohe Vertrauensstellung in der Gesellschaft allgemein und bei den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern. Vertreter einzelner Berufsverbände kritisieren in den letzten Wochen vor allem die Abhängigkeit der Justiz von der Exekutive. Nur eine personell und haushalterisch völlig eigenständige Justiz könne, so wird argumentiert, ihre verfassungsrechtlich gebotene Unabhängigkeit wahren. Plakativ äußert sich das immer wieder in dem Zitat eines preußischen Justizministers aus dem 19. Jahrhundert, das die Vermutung nahelegt, die Politik wolle die Justiz am Gängelband halten, und mit einer zweiten sehr plakativen Äußerung des Thüringer Richterbunds, dass die Thüringer Justiz mit dem Richtergesetz nicht einmal in die EU aufgenommen werden könnte. Lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich sagen: Diese Auffassung werde ich nicht so stehen lassen und immer ganz deutlich widersprechen, weil sie von der Justiz in der Öffentlichkeit ein völlig falsches Bild zeichnet. Sie zeichnet das Bild, dass nur dieses eine Modell in der EU greifen würde. Das ist falsch, meine Damen und Herren. Die EU sagt ganz eindeutig, natürlich gibt es zwei Modelle, die für die EU akzeptabel sind. Das ist das Modell einer unabhängigen Justiz, es ist aber auch das Modell, dass die Verwaltung durch die Exekutive ausgeübt wird, wenn sichergestellt ist, dass Richter in Thüringen und in Deutschland unabhängig sind. Wer das tatsächlich mit einer solchen Formulierung anzweifelt, der begibt sich, glaube ich, in ein sehr gefährliches Fahrwasser, weil Richterinnen und Richter in Deutschland und in Thüringen unabhängig sind.
Es ist nicht nur so, dass dies in Deutschland so gesehen wird, sondern auch in europäischen Nachbarländern. Wenn damit versucht wird, auch in Deutschland Justiz in die Nähe zu tatsächlich problematischen Zuständen zu bringen – und das will ich nicht verhehlen, auch ich sehe Zustände, wie sie in Ungarn oder in Polen für die Justiz tatsächlich herrschen, als sehr problematisch an –, aber damit eine Verbindung zu Zuständen in Deutschland oder in Thüringen zu schaffen, halte ich für komplett inakzeptabel.
Wir haben – auch das will ich noch einmal betonen – gerade die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft durch den Erlass, auf den ich später noch einmal zu sprechen kommen werde, in Thüringen ausdrücklich gestärkt. Die Antwort auf die Frage, ob eine selbstverwaltete Justiz nach dem bisherigen Organisationsmodell vorzusehen ist, entscheidet
daher keineswegs – nach meiner Einschätzung – über die Frage der Unabhängigkeit der Judikative. Vielmehr sprechen – und das muss man an dieser Stelle auch mal klar betonen – gewichtige Gründe gegen eine vollständig selbstverwaltete Justiz. Sie ist weder mit dem Grundgesetz noch mit der Landesverfassung vereinbar, noch kann sie im Rahmen des bundesrechtlich vorgegebenen Systems errichtet werden. Keines der anderen Bundesländer – und sehr viele Bundesländer haben sich in den letzten Jahren aufgemacht und ihre Richter- und Staatsanwältegesetze reformiert – hat ein solches Selbstverwaltungsmodell im Rahmen der Novellierungen umgesetzt, und zwar unabhängig davon, wie die parteipolitische Ausrichtung der jeweiligen Landesregierung war. Und das sage ich an dieser Stelle auch klar: Auch eine rot-rot-grüne Landesregierung könnte dies nicht, denn Grundgesetz und Bundesrecht lassen dies nicht zu.
Ich bedaure es in diesem Zusammenhang, ungeachtet der bereits längeren Diskussion. Ich habe es ausgeführt, dass es vonseiten des Richterbunds da teilweise verkürzende und falsche Darstellungen gegeben hat. Ich habe in den letzten Tagen wieder gehört, dass der Richterbund enttäuscht wäre, da man ihm im Koalitionsvertrag etwas anderes versprochen hätte. Jetzt lese ich den Koalitionsvertrag an dieser Stelle noch mal vor, ich habe es mir ausdrücklich rausgesucht. Da haben wir nämlich vereinbart: „Die Mitbestimmung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten soll durch ein neues Richter- und Staatsanwältegesetz gestärkt und die Mitwirkungsmöglichkeiten der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Gremien erhöht werden.“ Das ist exakt das, was diese Landesregierung im Koalitionsvertrag versprochen hat. Nicht versprochen haben wir, wie jetzt suggeriert wird, wir wollen eine komplette Unabhängigkeit der Justiz. Es ist also falsch, wenn gesagt wird, man hätte den Thüringer Richterinnen und Richtern in diesem Zusammenhang etwas anderes versprochen.
Ein zweiter Punkt, der mich persönlich auch durchaus sehr geärgert hat, ist eine Darstellung, die da lautet, man hätte das Letztentscheidungsrecht, um das es ja im Wesentlichen gehen wird, auch nicht aufgegeben. Natürlich haben wir es aufgegeben. Bisher war es so, dass im Streitpunkt letztendlich der Justizminister entschieden hat. Wenn dieses Gesetz so kommt, wie es jetzt vorgelegt ist, wird es der Justizminister nicht mehr entscheiden können, sondern es ist so, dass wir im Konsens entscheiden müssen.
Aber es ist auch nicht der Fall – weil es so suggeriert wird –, dass dieses Letztentscheidungsrecht auf die gewählten Gremien der Richter übergeht. Das ist auch nicht der Fall, sondern es ist der Zwang zum Konsens – ein Modell, das übrigens andere Länder ganz erfolgreich an dieser Stelle so angewandt haben. Ich habe diesen Job sehr lange gemacht und habe immer noch sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die ich aus der Zeit, in der ich selbst 22 Jahre Richter war, kenne. Ich glaube, es ist wirklich nicht so, dass diese Ansicht, die teilweise geäußert wird, die Ansicht der großen Mehrheit der Thüringer Richterinnen und Richter ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat sich im vorliegenden Gesetzentwurf auch und sehr bewusst an Regelungen anderer Länder orientiert, insbesondere an den Regelungen im Richter- und Staatsanwältegesetz des Landes Baden-Württemberg, aber auch an Novellierungen, wie sie in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern vorgenommen worden sind. Auch an dieser Stelle hier noch einmal der Hinweis, dass dies Landesregierungen von ganz unterschiedlichen parteipolitischen Konstellationen sind, was zeigen soll, dass solche Novellierungen oftmals keine Frage von Parteipolitik sind, sondern von sinnvollen Regelungen. Ebenso wie in BadenWürttemberg und ganz aktuell auch in Bayern soll die Stellung der Staatsanwaltschaft als Garant für eine objektive Strafrechtspflege durch ein Richterund – ich betone ausdrücklich „und“ – Staatsanwältegesetz betont werden.
An dieser Stelle möchte ich ganz bewusst den Zusammenhang – ich habe es eben schon einmal erwähnt – mit meiner im vergangenen Jahr vorgenommenen Selbstverpflichtung herstellen, nämlich der Selbstverpflichtung, das Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften zu begrenzen. Kernziel des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs ist die Erweiterung und Ausgestaltung der Beteiligungsrechte der Richter- und Staatsanwaltschaften. Bislang sieht das Thüringer Richtergesetz für eine begrenzte Zahl von Beteiligungstatbeständen ein im Wesentlichen einheitliches Beteiligungsverfahren für die Richter- und Staatsanwaltschaftsvertretungen ohne volle Mitbestimmung vor. Mit den Neuregelungen werden eine an den personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsrechten orientierte Mitbestimmung und ein entsprechend gestuftes Mitbestimmungsverfahren eingeführt. Für die landesrechtlichen Regelungen zu den Beteiligungsrechten der Richtervertretungen ist zu beachten, dass der Landesgesetzgeber auch an Rahmenvorschriften im Bundesrecht gebunden ist. Für die Beteiligung der Richterschaft an allgemeinen, sozialen, personellen Angelegenheiten gibt es deshalb nicht nur eine Personalvertretung, sondern die Richter- und die Präsidialräte. Die Aufgabenzuweisungen an diese
Im Gesetzesvorhaben haben wir bewusst darauf verzichtet, weitere Beteiligungsrechte der Vertretungen für die Einstellung von Proberichterinnen und Proberichtern und deren Ernennung in ein Amt auf Lebenszeit einzuführen. Der Verfassungsgeber – und das haben wir natürlich zu beachten – hat in Artikel 89 Absatz 2 Satz 1 der Thüringer Verfassung die alleinige Zuständigkeit des Justizministers für die Einstellung festgelegt und für die Lebenszeiternennung nur die Zustimmung des Richterwahlausschusses vorgesehen.
Die seinerzeitige Einschätzung, dass bei der Einstellung geeigneter Bewerberinnen und Bewerber eine schnelle Entscheidung erforderlich ist, ist gerade heute angesichts sinkender Absolventenzahlen und dem bundesweiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe aktueller denn je. Damit meine ich nicht nur die Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Bundesländern, sondern vor allem auch und gerade die Konkurrenzsituation zwischen dem öffentlichen Dienst und der Wirtschaft, eine Konkurrenzsituation – das wissen wir alle –, die wir im Moment nicht nur in der Justiz haben, sondern in ganz vielen Bereichen im öffentlichen Dienst. Es wäre deshalb nicht förderlich, für das Einstellungsverfahren zusätzliche Verfahrenshürden zu errichten. Die Thüringer Verfassung ist an dieser Stelle eindeutig. Dann müsste man erst mal zu einer Verfassungsänderung kommen.
Zur Steigerung der Transparenz von Entscheidungen wird flankierend das Instrument des Interessenbekundungsverfahrens unter anderem für die Verwendung und den Wahlvorschlag zum Bundesrichterverfahren gesetzlich verankert – auch ein Punkt, der in der Richterschaft immer sehr sehr kontrovers diskutiert wurde. Wie komme ich überhaupt dazu, möglicherweise für ein Amt als Bundesrichter vorgeschlagen zu werden? Jetzt haben wir das gesetzlich verankert, dass es ein transparentes Interessenbekundungsverfahren zu diesem Punkt gibt.
Mit dem Landesrichter- und Staatsanwaltsrat wollen wir ein für den gesamten Geschäftsbereich des Justizressorts zuständiges, zentrales Gremium errichten. Die Interessen aller Thüringer Richterinnen und Richter, aller Staatsanwältinnen und Staatsanwälte können auf diese Weise effektiver koordiniert und wahrgenommen werden. Ein Mitglied dieses Rates wird auch an den Auswahlgesprächen für die Einstellung von Proberichterinnen und Proberichtern teilnehmen – eine Forderung explizit aus der Richterschaft, die wir in den Gesetzesentwurf noch aufgenommen haben.
Auch das Präsidialratssystem wird neu gestaltet. Für alle Gerichtsbarkeiten wird ein gemeinsamer Präsidialrat errichtet. Diese neue Struktur wird nicht
nur Synergieeffekte bewirken, wir erhoffen uns hiervon vor allem auch eine größtmögliche Transparenz und allseitige Akzeptanz bei Gerichten und übergreifenden Personalverwendungen. Das Gesetz sieht für das Beteiligungsverfahren des Präsidialrats bei Beförderungen eine mir sehr wichtige und nach meinem Empfinden auch die bedeutendste Stärkung der Beteiligungsrechte vor. Denn zukünftig kann das Verfahren auch im Falle eines Gegenvotums des Präsidialrats nach gescheiterter Einwendung nicht mehr durch die abschließende Ministerentscheidung enden. Das ist das Entscheidende, dass ich sage, natürlich wird das Letztentscheidungsrecht aufgegeben, weil so, wie es bisher geregelt war, ist es in Zukunft nicht mehr möglich. Vielmehr soll in diesen Fällen der Nichteinigung nunmehr der Richterwahlausschuss eingebunden werden. Von seiner Zustimmung ist die Ernennung des Ausgebildeten abhängig. Zwar muss aus verfassungsrechtlichen Gründen – das ist auch unumstritten – weiterhin ein ministerieller Entscheidungsspielraum verbleiben, ob einem übereinstimmenden, abweichenden Ernennungsvotum des Präsidialrats und des Richterwahlausschusses entsprochen werden kann oder nicht. Es ist jedoch im Unterschied zur bisherigen Rechtslage nunmehr nicht mehr möglich, den vom Justizminister zur Ernennung Ausgewählten gegen die ausdrücklichen Voten des Präsidialrats und des Richterwahlausschusses durchzusetzen. Dies bedeutet natürlich und selbstredend eine enorme Stärkung der Stellung des Präsidialrats als Richtervertretung, da das Votum des Präsidialrats eine völlig neue Bedeutung gewinnt und die Auswahlentscheidung einer weiteren Kontrolle unterzogen wird. Auch hiervon erhoffen wir uns eine größere Transparenz und Akzeptanz.
Eine wesentliche Neuerung sieht der Gesetzentwurf schließlich durch eine erstmalige gesetzliche Regelung für dienstliche Beurteilungen von Richtern und Staatsanwälten vor. Dienstliche Beurteilungen sind – das wissen wir alle – die maßgebliche Grundlage für Personalentscheidungen nach dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Bestenauslese. Transparenz und einheitliche Maßstäbe sind an dieser Stelle unverzichtbar. Der Gesetzentwurf setzt hier durch die gesetzliche Vorgabe regelmäßiger Beurteilungen zu festen Stichtagen neue Maßstäbe. Bisher war es so, wir hatten ganz oft nur Regelbeurteilungen, die dann immer dem Vorwurf ausgesetzt waren, dass man genau diejenigen Personen so beurteilt hat, die auch befördert werden sollen. Genau ein solches Modell ist nicht mehr möglich, wenn es zu regelmäßigen Beurteilungen zu festen Stichtagen kommt.
Da wir davon ausgehen, dass die Fortschreibung moderner Justizstrukturen eine andauernde Aufgabe bleiben wird, ist es zielgerecht, das Gesetz auf fünf Jahre zu befristen. Das ist vorgesehen. Das
zwingt uns gerade dazu, zu überschauen, ob wir mit diesem Gesetz tatsächlich die Dinge positiv auf den Weg bringen konnten und ob sie sich in der Praxis bewähren. Wenn man dann nach fünf Jahren feststellt, dass man weitere Schritte in Richtung Unabhängigkeit gehen sollte, kann man dies tun und dann ist es auch ein guter Moment, wenn man fünf Jahre gesehen hat, wie sich das in der Praxis bewährt hat.
Wie immer ist es so, dass es sich im Leben lohnen wird, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Argumente aller, die daran beteiligt sind, noch mal genau anzuhören und zu untersuchen. Betrachten Sie daher den vorgelegten Gesetzentwurf als eine lang und wohl überlegte Entscheidung, unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen. Dessen ungeachtet bin ich auch weiterhin in den Ausschussberatungen bereit, in einen Diskurs einzutreten, denn auch hier gilt ein Satz von Kurt Tucholsky: Streitende sollten wissen, dass nie der eine ganz recht und der andere ganz unrecht hat.
Gemeinsames Ziel bleibt sicherlich am Ende der Ausschusssitzungen, dass wir in Thüringen nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten ein neues Richterund Staatsanwältegesetz bekommen, welches modern ist und welches wir – das wäre meine Hoffnung – dann nach der Sommerpause verabschieden können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. Damit eröffne ich die Beratung und als Erster hat Abgeordneter Scherer für die CDU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will zum Thema „Richtergesetz“ eines voranstellen: Die richterliche Unabhängigkeit – das hat der Justizminister eben eigentlich auch schon betont – ist ein hohes Gut unserer Demokratie und deshalb sollte man bei Änderungen von rechtlichen Regelungen sehr verantwortungsvoll damit umgehen. Ich habe eben bewusst „die richterliche Unabhängigkeit“ gesagt. Das ist Artikel 97 Grundgesetz, Absatz 1. Da steht nämlich drin: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“ Von einer unabhängigen Justizverwaltung – da sind wir auf einer Linie, Herr Minister – steht da nichts. So viel dann zum Grundsatz.
Nun zum vorgelegten Gesetzentwurf: Es gibt ja bereits öffentliche Äußerungen der Richtervertretungen. Ich will die nicht noch mal zitieren, sie standen in der Zeitung. Offenbar gibt es da noch immer Probleme und ich weiß nicht, ob ein sachbezogener Diskurs mit den Richtervertretungen nicht zu Ergeb
Zum Inhalt der vorgesehenen Änderungen will ich – weil es die erste Lesung ist – nur kurz Stellung nehmen. Wir könnten durchaus mit einigen Änderungen im Richtergesetz mitgehen. Ich will als Beispiel eine der in meinen Augen wichtigsten Änderungen ansprechen, das ist die Verfahrensweise bei Beförderung. Die bisherige Regelung ist so: Der Justizminister schlägt jemanden zur Beförderung vor, der Präsidialrat ist entweder einverstanden oder nicht einverstanden. Wenn er nicht einverstanden ist, gibt es dieses berühmte Einigungsgespräch und wenn es in dem Einigungsgespräch keine Einigung gibt, entscheidet der Minister – Punkt. Das ist die bisherige Regelung. Sie entspricht – die ist auch nicht falsch – dem Demokratieprinzip, der Verantwortung des Justizministers für die Justiz. Da gibt es jetzt natürlich auch andere Ansichten, denen aus meiner Sicht ein grundsätzlich anderes Verständnis vom Demokratieprinzip und von der Gewaltenteilung zugrunde liegt. Ich hatte es ja eben angesprochen, unsere Verfassung regelt nicht die Unabhängigkeit der Justiz, sondern – und das ist ein essenzieller Unterschied – die Unabhängigkeit des Richters in seinen Entscheidungen. Damit es bei dieser Unabhängigkeit des Richters bleibt, gibt es da Schutzmaßnahmen für den Richter. Er ist auf Lebenszeit ernannt im Gegensatz zu anderen Ländern, er ist nicht versetzbar und er wird – kann man so sehen – zunächst mal automatisch durch eine Besoldungsdurchstufung sogar befördert, nämlich mindestens bis zum Regierungsdirektor, wenn man es mal vergleicht. Das sind alles Regularien, die die Unabhängigkeit des Richters schützen und die sind auch gut so.
Es bleibt allerdings dabei, dass der Justizminister die Verantwortung für nicht richterliche Entscheidungen in der Justiz trägt. Deshalb haben wir uns zum Beispiel 2011, als es um eine Änderung des Richtergesetzes ging, ganz konsequent dagegen ausgesprochen, die Letztverantwortung in ein Gremium zu legen, das letztlich keinerlei politische Verantwortung hat bzw. das auf der politischen Ebene verantworten muss.
Wie sieht jetzt die Neuregelung aus? Sie wurde gerade angesprochen. Es bleibt zunächst bis zu dem Thema „Einigungsgespräch“ alles beim Alten. Wenn es beim Einigungsgespräch keine Einigung gibt, ist dann aber nicht diese Entscheidung des Ministers da, sondern dann entscheidet der Richterwahlausschuss. Entscheiden tut er auch nicht, sondern er ist dann entweder auch mit dem Vorschlag des Ministers einverstanden – dann ist alles gut – oder er ist nicht damit einverstanden. Dann – und das ist jetzt wirklich der neue Schnitt – ist keine der beiden Seiten im Recht, sage ich mal. Dann kann der Richterwahlausschuss seinen Kandidaten nicht durchsetzen, wenn der Justizminister nicht damit
einverstanden ist, aber auch der Justizminister kann seinen Kandidaten nicht durchsetzen, wenn der Richterwahlausschuss damit nicht einverstanden ist. Die Folge ist: Der Justizminister bringt einen neuen Kandidaten und das Ganze geht von vorne los – wenn man so will, auch eine Art Letztentscheidung, er muss nämlich nicht ernennen. Aber das ist sprachlich egal, wie man das bezeichnet. Das ist jedenfalls eine Regelung, mit der wir durchaus mitgehen können.
Das ist eine Regelung, die wir für vernünftig halten. In Baden-Württemberg ist es so ähnlich. Der Minister hat Baden-Württemberg vorhin ja als eines der Länder erwähnt, an denen sich der Gesetzentwurf jedenfalls zum Teil orientiert. Das finden wir in dem Bereich gut so.
Allerdings komme ich dann auch gleich, wenn wir über den Richterwahlausschuss reden, zu einem Punkt, den wir kritisch sehen, und das ist die Erweiterung des Richterwahlausschusses bzw. des Staatsanwaltswahlausschusses auf zehn Landtagsabgeordnete und einen Vertreter der Rechtsanwaltschaft. Das muss aus unserer Sicht nicht sein und das ist auch sachlich – sehe ich jedenfalls nicht – in keiner Weise begründet, dieses Gremium so aufzublähen.
Ein weiteres Beispiel, über das wir im Ausschuss noch reden sollten, ist der gemeinsame Präsidialrat, in dem auch lediglich nur noch ein Gerichtspräsident vertreten ist, während die anderen Präsidenten der Obergerichte dann lediglich noch ein Anhörungsrecht haben. Ich sehe auch nicht so recht, warum man unbedingt den einzelnen Fachgerichtsbarkeiten ihren Präsidialrat wegnehmen muss und einen gemeinsamen Präsidialrat macht, wo, wenn es dann tatsächlich um Personalentscheidungen geht, aus meiner Sicht der entsprechende Sachverstand bei Weitem nicht mehr so gut vertreten ist wie vorher.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein positives Beispiel zum Thema „Staatsanwaltschaften“ nennen: Wir begrüßen, dass der Gesetzentwurf die Rechtsverhältnisse von Richtern und Staatsanwälten weitgehend angleicht, soweit das nach dem Beamtenstatus der Staatsanwälte möglich ist.
Das waren Beispiele, mit denen ich zeigen wollte, dass es schon noch einiges im Ausschuss zu besprechen und zu diskutieren gibt. Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen: Vonseiten des Richterbunds wird immer die Selbstverwaltung hervorgehoben, die es in anderen Ländern gibt. Der Minister hat vorhin Ungarn als ein Land erwähnt, in dem die Justiz nicht so gut funktioniert. Ungarn hat eine solche Selbstverwaltung der Justiz. Man braucht gar nicht nach Ungarn zu blicken, man kann auch nach Italien schauen. In Italien gibt es
schon seit Jahrzehnten eine Selbstverwaltung der Justiz. Ich möchte es keinem, der hier im Saal sitzt, wünschen, dass er mal versuchen wollte, in Italien einen zivilrechtlichen Anspruch durchzusetzen. Wenn überhaupt, wartet er dann mindestens zehn Jahre. Da ist sein Vertragspartner, von dem er das Geld will, wahrscheinlich schon gestorben. Also das zeigt: Die Selbstverwaltung ist nicht unbedingt die tolle Lösung und kann sich genau auch ins Gegenteil auswirken.