Protocol of the Session on December 12, 2017

Ich gestatte mir namens der Landesregierung folgende Ausführungen: Erstens, die stete Erinnerung an die Opfer von Gewaltherrschaft ist dieser Landesregierung ein ernsthaftes Anliegen. Die Aufarbeitung der SED-Diktatur, ebenso wie der Verbrechen des Stalinismus in seiner Gesamtheit benutzt diese Landesregierung nicht als ein billiges Instrument der parteipolitischen Auseinandersetzung. Insofern gehe ich wohl nicht zu weit, wenn ich Ihnen unterstelle, dass Ihnen kein einziges der Opfer des Stalinismus ein tatsächliches Anliegen ist, sondern Sie benutzen sie erneut als ein Objekt von Propaganda. Sie missbrauchen sie. Daran wird sich diese Landesregierung aus Respekt vor den Opfern nicht beteiligen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens, Heinrich August Winkler stellt zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution fest – ich zitiere mit Zustimmung des Präsidiums –: „Die Machteroberung durch die Bolschewiki im November 1917 und die Sprengung der freigewählten Konstituante im Januar 1918 trugen alle Züge eines Putsches. Was Lenin und seine Nachfolger schufen, war keine ‚Diktatur des Proletariats‘ [...], sondern die Diktatur einer selbsternannten Avantgarde von Berufsrevolutionären über das Proletariat und alle anderen Gesellschaftsklassen. […] Die Revolution von 1789“, so Heinrich August Winkler, „hat sich, entgegen der Erwartung von Marx und Engels, nicht auf höherer Ebene wiederholt und vollendet. ‚Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‘, die Ideen von 1789, sind durch den jakobinischen Ter

(Abg. Adams)

ror von 1793 nicht widerlegt worden. Sie haben diese Phase überlebt.“

Genau darum geht es, wenn ich in den weiteren Ausfügungen Stefan Reinecke, Autor der TAZ, zitiere, der den Gedanken von Heinrich August Winkler bereits am 28. Oktober dieses Jahres – zeitlich näher – formulierte – ich zitiere erneut –: „Der Terror, den Lenin begründete und Stalin in einem paranoiden System perfektionierte, ist kein Grund, warum der Realsozialismus keine Zukunft haben könnte. Die Höhe der Leichenberge entscheidet nicht über die Zukunft[...] eines Systems.“ Dafür ist, so Reinecke, auch das koloniale Europa, das „jahrhundertelang“, so zitiere ich ihn wörtlich, „die restliche Welt versklavt und ausgebeutet hat, ein [...] Beispiel“. Aber, so Reinecke, „der Realsozialismus wird im Museum bleiben, weil er, anders als die Revolution [von] 1789 mit der Republik, keine brauchbare politische Form erfunden hat. Der Preis für Lenins kalte Machteroberung“, so Reinecke, „war, dass das Sowjetsystem zu einem neuen Ebenbild des Zarismus wurde. Es herrschte ein ‚roter Zar‘. Die neue Adelsklasse hieß Nomenklatura. Der sowjetische Feudalsozialismus war unfähig, eine produktive Wirtschaftsform zu kreieren.“ Er ging dabei, im wahrsten Sinne des Wortes, auch über Leichen.

Drittens, Reinecke weist aber auch darauf hin, dass der liberale Kapitalismus als Sieger der Geschichte von 1990 – und wir erinnern uns alle an Fukuyamas Ausspruch, es handelte sich um ein Ende der Geschichte – mittlerweile auch eine Seifenblase ist, die nach dem Mauerfall 1989 aufstieg und zerplatzte. Denn wir sind konfrontiert, so Reinecke, mit einem „entgrenzten Kapitalismus“, der wiederum Ungleichheiten schafft. „Die Oberschicht häuft […] Reichtümer an, […] die Mittelschicht verliert. Die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm ist, wie Thomas Piketty [in einem viel beachteten Werk] gezeigt hat, kein zufälliger, misslicher Defekt, sondern notwendige Konsequenz des unkontrollierten Kapitalismus.“

Viertens, die historische Verantwortung der Thüringer Politik, auf die diese Aktuelle Stunde abzielt, besteht angesichts der Diktaturerfahrungen des 20. Jahrhunderts darin, auf die bestehenden und möglicherweise größer werdenden gesellschaftlichen Widersprüche, auch auf einen zunehmend gewalttätig argumentierenden politischen Diskurs in den sozialen Netzwerken, im öffentlichen Raum, hin diejenigen Institutionen und Personeninitiativen zu stärken, die für die Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz und die Unantastbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen ebenso Sorge tragen wie für die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung, der Versammlungsfreiheit und – auch wenn Sie das, Damen und Herren von der AfD, nicht mögen – der Pressefreiheit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Fünftens, wir werden im Herbst des kommenden Jahres das 100. Jubiläum des Übergangs der Thüringer Monarchien zu den Republiken und Freistaaten begehen. Damit wird die Erinnerung an 100 Jahre Weimarer Republik eingeleitet. Wir neigen dazu, die Weimarer Republik nur von ihrem Ende her zu denken. Ich wünsche mir, dass wir uns der Gründung der Thüringer Republiken und des Jubiläums der Weimarer Reichsverfassung als ein Fest der sozialen Demokratie erinnern. Die Erinnerung an den rechtsextremen Kapp-Putsch, den kommunistischen Oktoberputsch von 1923, die Beendigung der frei gewählten SPD-KPD-Regierung in Thüringen und Sachsen durch den Einmarsch der Reichswehr, den Verrat der Deutschnationalen an der Republik sind eine Seite, die erste wirklich demokratische Verfassung Deutschlands, die Grundlegung sozialer und Freiheitsrechte sind ihre andere. Diese Rechte wirken fort und sie sind unsere tatsächliche historische Verantwortung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe den ersten Teil und rufe auf den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Deutschlands neue schnelle Mitte – Auswirkungen der ICE-Neubaustrecke Berlin–München auf den Wirtschaftsstandort Thüringen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/4841

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordnete Mühlbauer, Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, Deutschlands neue Mitte – seit Sonntag ist der Fahrplan in Betrieb, am Freitag konnten wir die Eröffnung feiern. Der ICE-Knoten Erfurt ist Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit, mit dem zwischen Berlin und München die Reisezeit auf 4 Stunden verkürzt wird. Die Strecke hatte eine Bauzeit von 1999 bis 2017; 18 Jahre wurde gebaut auf einer Streckenlänge von 623 Kilometern. Das ganze Projekt kostete 10 Milliarden Euro. Inzwischen ist Erfurt–Berlin in 1 Stunde 40 Minuten erreichbar und Erfurt–München in 2 Stunden 15 Minuten. Von diesen neuen Strecken profitieren dank Deutscher Bahn insge

(Minister Prof. Dr. Hoff)

samt 17 Millionen Menschen. Es wird mit einer Verdoppelung auf 3,6 Millionen Reisende gerechnet. Die Platzkapazität steigt von 10.000 auf 20.000 Plätze täglich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Inbetriebnahme des neuen ICE-Knotens wird Thüringen zur schnellen Mitte Deutschlands. Dank des verkehrsinfrastrukturellen Ausbaus wird die Erreichbarkeit von Thüringen erheblich verbessert und eine zentrale Lage in der Mitte Deutschlands gestärkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was haben wir erreicht, wo stehen wir? Wir haben eine schnellere Anbindung an die Flughäfen Berlin, München, Leipzig/Halle, Frankfurt mit gesparter Zeit zwischen einer und zwei Stunden. Das bringt eine bessere Anbindung an die internationalen Reiserouten mit sich und führt gegenüber dem Businessbereich zu einer gesteigerten Attraktivität Thüringens als Wirtschaftsstandort. Durch einen abgestimmten Taktfahrplan kann ein leistungsfähiges Schienenpersonennahverkehrsangebot im Freistaat entstehen, das die Reichweite des ICE-Knotens auf ganz Thüringen erweitert. Im Zusammenspiel mit verbesserter Anbindung an das Bundesstraßennetz ergibt sich darüber hinaus eine weitere Verbesserung der räumlichen Erschließung Thüringens, wovon nicht zuletzt Industrie und Dienstleistungen profitieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von diesen verbesserten Anbindungen dürften nicht zuletzt Geschäfts- und Tagungsreisende profitieren. Von Berlin aus wird ein Großteil Thüringens in weniger als 2 Stunden 45 Minuten erreichbar sein. Wir werden landesweite Koordinationen von Tagungsorten organisieren und unterstützen. Bestehende Tagungsformate können besser aufeinander abgestimmt, Synergien genutzt, die Nachfrage nach Tagungsflächen besser gesteuert und die Konkurrenz innerhalb des Landes vermieden werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wesentliche Chancen der Infrastrukturerweiterung für die Landesentwicklung bestehen in der Verbesserung der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen Thüringens zu Wirtschaftsregionen benachbarter Bundesländer, der Verbesserung des Leistungsaustauschs zwischen Städten, Landkreisen und der Impulsregion sowie der Verbesserung der Vernetzungsmöglichkeiten der Thüringer Wissenschafts- und Forschungslandschaft. Insbesondere die wissensintensiven Industrie- und Dienstleistungszweige sowie die Wissenswirtschaft und klassische Dienstleistungen wie die Tourismuswirtschaft in Thüringen werden von der besseren Erreichbarkeit profitieren. Für Thüringen sind interessante Schwerpunkte hinsichtlich der Neuansiedlung von Unternehmen – vertriebsorientierte Dienstleistungen, Backoffice von Großunternehmen und Firmenrepräsentanz – in

greifbare Nähe gekommen. Dies zeigen auch die Erfahrungen aus anderen Bundesländern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich darauf hinweisen: Diese Woche wurde die digitale Erlebniswelt eröffnet. Ein erster Ansatz, der uns ermöglicht, digitalen Bildungsurlaub, touristische, kulturelle Attraktionen im Freistaat für die Besucher digital erlebbar werden zu lassen. Mit dem digitalen Showroom am Erfurter Bahnhof ist der Aufschlag erfolgt. Ich gehe davon aus, dass dies nicht nur für unsere Schüler, sondern auch für die Touristen aus der ganzen Bundesrepublik ein interessantes Event werden wird. Ich rufe alle auf: Sehen Sie sich diese Erlebniswelt an! Digitale Welt eröffnet, erlebbar gemacht – ich begrüße dies ausdrücklich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich gibt es auch am heutigen Tag ein kleines Wermutströpfchen: Die Bahn hat noch kleine Anfangsprobleme. Man muss erkennen: Wir haben leichte technische Probleme. Aber ich bin mir ganz sicher, dass die Deutsche Bahn zeitnah realisiert, dass die Züge auch so fahren, wie sie fahren sollen. Mit dieser neuen Technik wird Innovation umgesetzt. Ich bin mir sicher, dass wir erfolgreich mit diesem Projekt starten. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Abgeordneter Wucherpfennig das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und meine Herren, am vergangenen Sonntag wurde der ICE-Knoten Erfurt fahrplanmäßig in Betrieb genommen. Die letzte 107 Kilometer lange Lücke zwischen Thüringen und Bayern mit 22 Tunneln, 29 Brücken und weiteren Ingenieurbauwerken ist nun geschlossen – aber nicht nur das. Die ICE-Schnellbahnstrecke von Berlin nach München über Erfurt ist Teil des transeuropäischen Netzes 1 – kurz TEN – von Skandinavien bis Sizilien – wohlgemerkt TEN 1 und nicht TEN 2, 3 oder 4. Bereits hierin mögen Sie erkennen, welche europäische Relevanz diese bedeutende Magistrale hat.

(Beifall CDU, SPD)

Seit Sonntag sind Berlin in 1 Stunde 50 Minuten, München in 2 Stunden 15 Minuten, Dresden in rund 2 Stunden und Frankfurt am Main ebenfalls in rund 2 Stunden von Erfurt aus erreichbar.

(Zwischenruf Höhn, Staatssekretär: Theore- tisch!)

(Abg. Mühlbauer)

Thüringen liegt somit nicht nur in der Mitte Deutschlands, sondern ist einer der zentralen Knotenpunkte im europäischen Schienennetz. Und nicht nur Historiker, Raumordner oder Landesplaner wissen, wie bedeutend und maßgeblich früher die Lage von Handelsstraßen war und diese Lage an europäischen Verkehrsachsen auch heute noch für die Entwicklung von Großstädten, urbanen Verdichtungsräumen bzw. Metropolregionen ist. Denn Verkehrsachsen sind bekanntlich Entwicklungsachsen sowie infrastrukturelle Voraussetzung für die Prosperität von aufstrebenden Wirtschaftsräumen.

Meine Damen, meine Herren, die Realisierung des VDE-Projekts Nr. 8 ist für unsere Landeshauptstadt Erfurt und den Wirtschaftsstandort Thüringen umgangssprachlich ausgedrückt „Gold wert“ oder „ein Sechser im Lotto“.

(Beifall CDU, SPD)

Das Entscheidende wird allerdings sein, wie dieses Potenzial genutzt wird. Intelligente landesplanerische, städtebauliche, wirtschaftspolitische und verkehrsplanerische Lösungen gilt es zu entwickeln, wie zum Beispiel Ausbau der Mitte-DeutschlandVerbindung, Optimierung der sonstigen verkehrstechnischen Verknüpfungen – Stichwort ÖPNV/ SPNV –, Ausbau des Kongress- und Messestandorts Erfurt, Weiterentwicklung unseres Kultur-, Natur-, Tourismus- und Wirtschaftslandes Thüringen. Dieses alles, damit auch unsere ländlichen Räume nördlich und südlich der Thüringer Städtekette von dem europäischen Verkehrsknotenpunkt Erfurt profitieren können.

(Beifall CDU)

Denn nach wie vor gilt der verfassungsrechtliche und raumordnerische Grundsatz der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen im ganzen Land. Dieses ist wahrlich eine große Herausforderung, sowohl für unseren Freistaat als auch für unsere Landeshauptstadt. Schauen wir mal, was letztendlich herauskommt. Wir werden es, und zwar die erforderlichen Planungen, Maßnahmen und Entscheidungen, aufmerksam verfolgen. Die Zeit läuft. Nicht erst jetzt, seit der Inbetriebnahme muss gehandelt werden.

Unabhängig davon ist Fakt: Im Gegensatz zu einigen anderen bundesweiten Großprojekten wie dem Flughafen Berlin-Brandenburg, der Elbphilharmonie in Hamburg oder Stuttgart 21 wurde die VDE 8 Schnellbahntrasse nach der Beendigung des zwischenzeitlichen Baustopps im Jahr 2006 termingerecht realisiert. Das ist zweifelsfrei neben den bemerkenswerten ingenieurbautechnischen Leistungen auch seitens der Projektsteuerung und Baudurchführung eine Meisterleistung. In diesem Zusammenhang komme ich nicht umhin, auch unseren ehemaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel zu erwähnen und ihm ausdrücklich für sein En

gagement hinsichtlich des heutigen Trassenverlaufs durch Thüringen zu danken.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Man- che sagen so, manche sagen so!)

Zumindest wir als CDU-Fraktion wissen, welchen Anteil er in den politischen Weichenstellungen hatte und dabei den Mitbewerber Sachsen auf Platz 2 verwies. Heute nach der Fertigstellung der ICESchnellbahntrasse von München über Erfurt nach Berlin sehen viele Thüringer dieses so bedeutende europäische Großprojekt positiv. Das war leider nicht immer so. Diesbezüglich empfehle ich einen Blick in die Landtagsdokumente und ein Studium der entsprechenden Plenarniederschriften. Dann entsteht aus dem erfolgreich abgeschlossenen Planungs- und Bauprozess der ICE-Schnellbahntrasse auch ein authentisches Bild für die Nachwelt. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Dr. Lukin, Fraktion Die Linke, das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin, die Überschrift heißt „Deutschlands neue schnelle Mitte – Auswirkungen der ICE-Neubaustrecke Berlin–München auf den Wirtschaftsstandort Thüringen“. Es ist klar, wir haben mit dieser Neubaustrecke ein alternatives Angebot zu Auto, Flugzeug und Fernbus erhalten. Über die enormen Fahrzeitverkürzungen zwischen München und Berlin wurde schon gesprochen. 17 Millionen Menschen werden schneller reisen, die Fahrgastzahlen sich verdoppeln. Der Streckenbau selbst war ein gigantisches Bauprojekt, ein Schub für die Bauindustrie: 22 Tunnel, über 29 Brücken, 40 Millionen Euro pro Quadratkilometer – schon einmal ein Wirtschaftsfaktor. Jede halbe Stunde kommt ein ICE in Erfurt an. Er fährt nach Erfurt, aber er reist auch wieder ab – 70 Prozent Steigerung beim Fahrzeugaufkommen. Bereits die Konzernbevollmächtigten Hädrich und Fricke haben darauf aufmerksam gemacht, dass Thüringen und besonders Erfurt diese Chance nutzen müssen, mit der ICE-City, mit Möglichkeiten für die Steigerung von Tourismus, Kongressbewegung, Green Meetings und auch mit der Möglichkeit, neue regionale Niederlassungen, externe Schulungszentren hierher zu holen, Gründerzentren oder auch die Arbeitsmarktregion Erfurt zu erweitern.

Bereits 2012 in der Prognos-Studie des Thüringer Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Verkehr wurde darauf aufmerksam gemacht, dass sich

(Abg. Wucherpfennig)

die künftige Verkehrsentwicklung generell ändern wird. Das heißt auf der einen Seite die Reisezeitverkürzung, die wir gerade erwähnt bekamen, aber gleichzeitig auch, dass der Ostthüringer Raum die ICE-Anbindungen bis auf eine verlieren würde, gleichzeitig sich die Verbindung beispielsweise von Jena nach Leipzig um circa 20 Minuten verlängern würde und Saalfeld und Rudolstadt auch Probleme bekommen würden. Vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft wurden in einer weiteren, mit vielen Akteuren im Thüringer Raum diskutierten und erarbeiteten Gunstraumstudie – in den AGs „Mobilität“, „Gunstraum“, „Tourismus/Tagungen“ oder „Stadtentwicklung“ – im Umfeld des ICE-Knotens Potenziale für die Thüringer Region, für die individuelle Standortanalyse aufgelegt, es wurden die Interessenlagen der Regionen abgefragt und Möglichkeiten für die Entwicklung der verschiedenen Landesteile aufgezeigt. Es ist klar: Erfurt hat viele Möglichkeiten. Das fängt an mit mehr Bürokapazitäten, Hotelkapazitäten, Kommunikationstechnikzentren, mit der Entwicklung des ICEStandorts – das hatte ich schon erwähnt –, mit der Möglichkeit, hier auch eine wesentlich größere Ausstrahlung in den gesamten Raum Nürnberg, München und in Richtung Leipzig zu erreichen. Geschäftsreisende werden von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen, auch Bürgerinnen und Bürger werden sie nutzen.

Gleichzeitig haben wir aber auch Probleme, und die sind im starken Stadt-Land-Gefälle zu verzeichnen. Hier ist natürlich der Freistaat in die Vorleistung gegangen, hat zahlreiche neue Nahverkehrsverbindungen auf den Weg gebracht, beispielsweise zwischen 6.00 und 20.00 Uhr ein wesentlich größeres Fahrzeugangebot auf der MDV. Auf der anderen Seite profitiert auch Gera von der Nahverkehrsentwicklung. Aber wir müssen natürlich konstatieren, dass wir hier mit Landesmitteln letztlich auf der Saalebahn ausfallende ICEs eigenwirtschaftlich ersetzen. Das macht die Sache nicht einfacher, zumal gerade in der Region Weimar, Jena und Gera 70 Prozent der Forschungs- und Lehrkapazitäten beheimatet sind.

Nichtsdestotrotz: Ich denke, wir sollten die Chance nutzen, sollten allerdings darauf aufmerksam machen – und das ist in der Studie, die das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft erarbeitet hat, auch deutlich gezeigt worden –, dass die Möglichkeit besteht, wesentlich mehr Brachflächen in Bahnhofsnähe zu aktivieren. Landesbedeutsame Buslinien wurden eingesetzt, die Bahnverbindungen, klimafreundliche Mobilität mehr unterstützt und gleichzeitig wurde auch mit der Elektrifizierung der MDV eine Möglichkeit geschaffen, hier auch die Nachteile für Ostthüringen zu verkürzen.