Protocol of the Session on May 3, 2012

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bild von älteren Menschen in unserer Gesellschaft beginnt sich zu wandeln. Es ist nicht mehr über Defizite im Alter definiert. Lebensqualität, altern in Würde, die Weitergabe von Wissen und Lebenserfahrungen sind ebenfalls Teil dieses Bildes wie ehren

amtliches Engagement. Unser Ziel ist es, die aktive Beteiligung der Senioren am sozialen, am wirtschaftlichen und am kulturellen, aber auch am politischen Leben zu fördern. Die EU hat das Jahr 2012 zum Jahr des aktiven Alterns und der Solidarität ausgerufen. Es geht um ein Miteinander, nicht um ein gegenseitiges Ausspielen der Generationen. Es geht um aktive Teilhabe auch am politischen Geschehen.

Das Seniorenmitwirkungsgesetz schafft diese Rahmenbedingungen für die Teilnahme. Es stellt die Mitwirkungsmöglichkeiten der älteren Generation erstmals auf eine gesetzliche Grundlage. Es stellt ein Angebot dar ohne Zwang. Niemandem wäre gedient, wenn die Mitwirkung der älteren Generation bloße Pflichtaufgabe von Kommunen wäre. Niemandem wäre gedient, wenn die Seniorenbeiräte als Pro-forma-Gremium ohne Resonanz und Rückhalt in der Bürgerschaft existieren würden. Dieses Gesetz gibt einen Rahmen vor. Mit Leben füllen werden es die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden und in den Landkreisen, und zwar so, wie sie es konkret wollen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Anja Siegesmund.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die GRÜNE Fraktion begrüßt das Anliegen grundsätzlich beider Gesetzentwürfe, die Mitwirkungsrechte für Seniorinnen und Senioren zu stärken,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil wir finden, dass eine stärkere Beteiligung an der Gestaltung ihres eigenen Lebensumfeldes sehr wohl sinnvoll ist und deswegen unterstützen wir das auch. Dass die Lebenserfahrungen vieler Seniorinnen und Senioren ein unverzichtbarer Wert für die Gesellschaft sind, ist unbenommen. Ich glaube, da sind wir uns auch alle einig.

Jetzt kommt aber das Aber: Sehr wohl teilen wir Ihr Anliegen, sowohl das Anliegen der Fraktion DIE LINKE als auch das Anliegen des Gesetzentwurfs der Koalition von SPD und CDU, allerdings teilen wir nicht den Weg, den Sie einschlagen wollen. Das will ich auch gern begründen.

Zum Ersten ist es aus meiner Sicht so, dass wir sehr wohl darüber nachdenken müssen, ob wir einseitig eine Bevölkerungsgruppe mit dem Gesetz stärken wollen oder ob wir, wenn wir uns in Thüringen schon einen Generationenbeauftragten leisten,

(Abg. Gumprecht)

uns nicht die Mühe machen, darüber nachzudenken, wie wir insbesondere den Dialog unter den Generationen und natürlich auch die Mitwirkung untereinander mit den Generationen stärken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum wird unser Generationenbeauftragter vor allen Dingen bei Veranstaltungen in Berlin gesichtet und dafür weniger hier in Thüringen? Das ist die große Frage. Wie wird das Amt eigentlich ausgefüllt? Wenn wir den Dialog hier in Thüringen besser gestalten, haben wir viel gewonnen. Da muss man nicht danach trachten, jetzt ein eigenes Seniorenmitwirkungsgesetz zu gestalten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt: Ich will das gern mit einem Bild begründen. Seniorenbeiräte gibt es bereits, das ist an vielen Stellen gesagt worden. Wenn Sie wie ein Netz die Seniorenbeiräte über Thüringen legen, sehen Sie, dass inzwischen ganze 35 kommunale Seniorenbeiräte und Seniorenräte tätig sind. Herr Gumprecht, herzlichen Glückwunsch, den Beirat, den Sie gegründet haben, wenn Ihre Zahl von 1992 steht, feiert er dieses Jahr 20-Jähriges. Das ist schön und zeigt, dass offensichtlich dort auch gute Arbeit gemacht wird. Diese mehr als 35 kommunalen Seniorenbeiräte und Seniorenräte haben sich wiederum zur Landesseniorenvertretung Thüringen e.V. zusammengeschlossen. Das zeigt doch, dass die Generation, über die wir heute genuin sprechen, bereits sehr aktiv und engagiert ist. Es ist doch schon ein großes Stück Weg gegangen worden, so dass ich mich frage, warum Sie das jetzt in dieser Form noch mal bürokratisieren und vertechnisieren wollen.

Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich allen Seniorinnen und Senioren danken im Namen meiner Fraktion, die sich seit vielen Jahren in diesen Gremien ehrenamtlich engagieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nicht selbstverständlich, sondern eine große Leistung. Das Ehrenamt zu stärken, das wäre einer der Wege, den wir hier in Thüringen gehen sollten. Damit würden wir nämlich nicht nur diejenigen, die zur älteren Generation gehören, stärken, sondern auch die Jüngeren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist in der Anhörung aber auch mehrmals angeklungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass dieses Netz, von dem ich eben sprach - Sie können das Netz über Thüringen legen und sehen, wie viele kommunale Seniorenbeiräte und Seniorenräte es gibt -, sehr wohl große Löcher hat. Da gibt es - die Anhörung hat das gezeigt - Möglichkeiten, wie man dem beikommen kann, auch ohne ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, wie Sie es hier planen, indem man schlicht und ergreifend

die Thüringer Kommunalordnung ändert. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat in einer umfangreichen Stellungnahme beide Gesetze intensiv bewertet, beleuchtet und geschaut, was sind die richtigen Wege. Eine Änderung der Kommunalordnung kommt natürlich nicht so schillernd daher wie ein Gesetz mit dem entsprechenden Titel, wie Sie es hier beide einreichen, hätte aber trotzdem am Ende den gleichen Effekt. Da frage ich Sie: Worum geht es Ihnen, um Effekthascherei oder um die Frage der Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten von Seniorinnen und Senioren?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein dritter Punkt - da bin ich ganz bei Herrn Koppe. Herr Koppe erwähnte die Frage: Wie sind denn unsere repräsentativen Vertretungen in den einzelnen Kommunen eigentlich zusammengesetzt? Die sind nicht irgendwie zusammengesetzt. Schleiz war wieder im Raum. Ich will mal mit Ihnen nach Suhl schauen. Das Durchschnittsalter dort liegt bei 55 Jahren, gerade mal drei Mandatsträger sind unter 40, die Jüngste ist 29, der Älteste 71. Suhl ist, glaube ich, nicht das einzige Beispiel, wo Sie genau diese Zusammensetzung haben, weil Thüringen eben genauso ist. So wie Thüringen in der Altersstruktur ist und in allen Facetten, so sind doch auch unsere Parlamente zusammengesetzt. Deswegen kann man sich doch auch sehr wohl darauf verlassen, dass da die Interessen von Seniorinnen und Senioren schon eine große Rolle spielen.

Was schlussfolgern wir denn daraus? Es geht uns darum und es muss uns darum gehen, dass wir einen guten Mix an politischen Ansätzen haben, dass wir politische Inhalte so transportieren, dass Alte und Junge gemeinsam denken und gemeinsam handeln können.

Frau Stange, Sie haben vorhin davon geredet bei der Frage Stellungnahme Bauplanung, es ist doch sehr wohl auch so, dass Bedürfnisse von Familien und Kindern eine genauso große Rolle spielen müssen, gerade wenn es im Straßenverkehr - ein ganz banales Beispiel - um eine Ampelschaltung geht. Wenn man mit einem Kinderwagen an einer Ampel steht, hat man, glaube ich, genau die gleiche Herausforderung wie jemand, der nicht so schnell gehen kann. Lassen Sie uns immer im Blick haben, dass es im Zweifel auch andere betrifft oder Menschen mit einer Gehbehinderung und nicht nur Seniorinnen und Senioren,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern um alle Alterssegmente geht. Darum muss es uns gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es soll uns nicht darum gehen zu sagen, das ist nicht nötig, weil es schon alles gibt. So möchte ich nicht verstanden werden. Aber ich möchte sehr wohl den Aspekt deutlich machen - das ist uns als GRÜNE

wichtig -, uns geht es wirklich um einen echten Generationendialog, um die Frage: Wie gestalten wir das Zusammenleben in zehn Jahren mit den verschiedenen Generationen, wie profitieren wir voneinander? Deswegen möchte ich jetzt auch ganz dezidiert diese Argumente abschichten und das deutlich machen.

Meine Damen und Herren, Generationengerechtigkeit sieht eben anders aus, als wir sie an vielen Stellen in Thüringen praktizieren, und gute Ideen für Generationengerechtigkeit gibt es im Übrigen auch in den Kommunen. Es gibt viele Vereine, Verbände, die sich genau darum kümmern, das zu leben, das auszugestalten. Ich bin da wirklich ganz bei denen, die sagen, lassen Sie uns das mit Leben füllen und nicht technisieren, sondern deutlich machen, worum es uns geht. Ein Zitat von der Stellungnahme des Lorenz-von-Stein-Instituts der Universität Kiel möchte ich gern an dieser Stelle noch anbringen. „Beklagenswerterweise“ - so heißt es darin - „wurde mit dem Seniorenmitwirkungsgesetz die Möglichkeit verpasst“ - und jetzt kommt es -, „für alle Bevölkerungsgruppen, die ebenfalls über spezifische Interessen verfügen, bessere Artikulationsund Mitwirkungsmöglichkeiten zu schaffen.“ Genau darum geht es, dass wir uns überlegen, wie wir insgesamt die Demokratie stärken.

Jetzt zu den Unterschieden in den beiden Gesetzentwürfen: Herr Koppe sagte vorhin, dass der Gesetzentwurf der LINKEN das Feigenblatt sei. Richtig? Das der CDU. Okay. Wenn das das Feigenblatt ist, dann haben wir bei dem anderen die Möglichkeit, da können wir hin und her halten, eines ist Konfetti, nämlich Konfetti ist das von der Landesregierung und SPD von der Größe, das Feigenblatt ist aus meiner Sicht die LINKE, weil das, was die Landesregierung vorschlägt, es an vielen Stellen schon gibt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das muss man schon so deutlich sagen. Der Gesetzentwurf der LINKEN ist deutlich weitgehender, ansonsten teile ich Ihre Argumentation.

(Beifall DIE LINKE)

Das dazu. Ich möchte also noch mal deutlich machen: Lassen Sie uns die Alterung der Gesellschaft miteinander gestalten, lassen Sie uns - wenn wir ihn schon haben, den Generationenbeauftragten mit Ideen daran arbeiten, dass wir gute Möglichkeiten haben, Seniorenmitwirkung und die Mitwirkung aller Bevölkerungsgruppen, die es betrifft, zu stärken. Das betrifft alle. Und wenn wir daran arbeiten, gelingt uns, glaube ich, auch ein gutes Miteinander in Thüringen. Deswegen werden wir uns wie auch bereits im Ausschuss zu beiden Gesetzentwürfen enthalten. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Ich sehe noch zwei Wortmeldungen von Abgeordneten. Herr Kubitzki von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Herr Gumprecht, danke für den Dank, den Sie uns entgegengebracht haben, dass wir unser Gesetz über ein Jahr im Ausschuss geparkt haben. In der Hoffnung, die Landesregierung wird wirklich Teile unseres Gesetzes aufnehmen und mit einbringen, sind wir enttäuscht worden. Ich kann Ihnen sagen, Herr Gumprecht, das war von unserer Seite das letzte Entgegenkommen. Es wird so etwas bestimmt nicht noch einmal geben.

An Ihrem Gesetzentwurf der Koalition „Seniorenmitwirkungsgesetz“ stimmen eigentlich nur zwei Teilwörter, nämlich „Senioren“ und „Gesetz“. Das Wort „Mitwirkung“ ist gestrichen worden aus dem Gesetz bzw. ist nicht enthalten. Ich frage mich auch die ganze Zeit, warum führen wir überhaupt Anhörungen durch und welchen Sinn haben Anhörungen? Wenn Sie nämlich der Anhörung gefolgt wären, die es zu unserem Gesetzentwurf gab, da ist nämlich genau das bestätigt worden, was wir in unseren Gesetzentwurf reingeschrieben haben. Warum haben wir diesen Gesetzentwurf eingebracht? Erstens, weil wir diesen Gesetzentwurf über ein Jahr mit Seniorenverbänden, Seniorenvereinigungen beraten und diskutiert haben

(Beifall DIE LINKE)

und letzten Endes in unseren Gesetzentwurf deren Ratschläge und deren Wünsche eingeflossen sind. Das ist erst einmal Fakt und das hat die Anhörung zu unserem Gesetzentwurf gezeigt. Davon ist in Ihren Gesetzentwurf nichts aufgenommen worden. Wir haben das nicht zum Selbstzweck gemacht, sondern weil es die Senioren so wollten und weil es ihr Wunsch war.

Was uns hier suggeriert wird, wir würden Vorgaben machen, wir würden sagen, es muss so sein. Klar brauchen wir für demokratische Mitwirkung auch politische Spielregeln und die wollen wir mit dem Gesetz schaffen. Wir haben nicht gesagt, wir wollen Seniorenbeiräte und Seniorenvertretungen in allen Städten und in allen Dörfern haben. Wir haben gesagt, wir brauchen Seniorenvertretungen und Seniorenbeauftragte in den kreisfreien Städten und in den Landkreisen

(Beifall DIE LINKE)

und in anderen Kommunen kann es sein. Auch wir hatten das Wort „kann“ drin, nämlich, was unterhalb der Kreise und der kreisfreien Städte ist. Tun Sie nicht so, als wenn wir hier alles vorgeben und diktieren wollten. Das, was Sie jetzt mit Ihrem Gesetz

(Abg. Siegesmund)

entwurf fabrizieren, wird in Zukunft Seniorenmitbestimmung nach Kassenlage der jeweiligen Landkreise und Kommunen sein. Nichts weiter wird dieses Gesetz sein. In Ihrem Gesetzentwurf ist gerade mal eine hauptamtliche Stelle vorgesehen. Das war bei unserem Gesetzentwurf anders, wir wollten Seniorenbeauftragte in den Kreisen und kreisfreien Städten haben, weil es eine Erkenntnis ist und weil es so sein muss, dass ehrenamtliche Strukturen eine hauptamtliche Unterstützung brauchen, das nicht nur mit einer Stelle im Land, sondern das brauchen wir auch in den Regionen und in den Landkreisen.

Wenn Sie jetzt sagen, Seniorenbeiräte und Seniorenvertretungen gibt es schon und die leisten ihren Beitrag, das ist nicht zu bestreiten. Aber ich sage das ketzerische Wort, zum größten Teil haben sie trotzdem gegenüber den Stadträten, gegenüber den Kreistagen, Gemeindevertretungen nur eine Alibifunktion, weil sie nämlich kein Mitbestimmungsrecht haben, weil ihre Vorschläge durch den Kreistag oder durch die Stadträte aufgenommen werden können, aber nicht müssen.

Wir hatten schon in der letzten Legislaturperiode eine Änderung der Kommunalordnung eingebracht, wo nämlich genau geregelt wird, welche Aufgaben und Rechte haben Beiräte. Aber das ist damals in diesem Hohen Haus auch abgelehnt worden.

Was die Frage betrifft, unser Gesetzentwurf kostet Geld: Das ist richtig, das haben wir nie bestritten. Wir haben aber auch als LINKE in die Haushaltsdebatte für den Haushalt 2012 dazu einen Änderungsantrag eingebracht und hatten unseren Gesetzentwurf finanziell untermauert.

(Beifall DIE LINKE)