Protocol of the Session on March 25, 2011

Meine Damen und Herren, trotz aller Kritik am Antrag, beinhaltet er auch ein paar gute Punkte. Dazu zählt unter anderem Nummer I Punkt 5 des Antrags. Hier stimme ich mit dem Inhalt des Antrags durchaus überein. Die Einschränkung der betroffenen Menschen muss bei einem so schweren Eingriff, wie es ein Freiheitsentzug darstellt, so gering wie möglich gehalten werden. Dazu gehört für uns selbstverständlich auch die Unterscheidung der Haftbedingungen bei der Abschiebungshaft von denen des Strafvollzugs. Da muss selbstverständlich sichergestellt sein, dass es dort keine wirkliche Berührung zwischen Abschiebehäftlingen und Straftätern gibt.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Das ist, glaube ich, eine Grundvoraussetzung auch bei diesem diffizilen Thema, eine Grundvoraussetzung, die ein Mindestmaß von Menschlichkeit auch von uns verlangt.

Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, dass man auf das Mittel der Abschiebungshaft nicht gänzlich verzichten kann. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie es wirklich auf ein Minimum begrenzt wird, aber gänzlich darauf zu verzichten, das, glauben wir, kann man nicht, um die Durchsetzungskraft des Gesetzes nicht infrage zu stellen. Ich habe in meinem Beitrag schon mehrfach auf die EU-Richtlinie verwiesen. Wir sehen durchaus Handlungsbedarf bei der rechtlich nicht unproblematischen Ausgestaltung der Abschiebungshaft. Da, denke ich, gibt es etliches, worüber man sich im Detail unterhalten kann, womit sich vielleicht auch mal der Ausschuss gesondert befassen und sich möglicherweise mal die Konditionen und Bedingungen vor Ort ansehen sollte.

Den Antrag in Gänze können wir so an dieser Stelle nicht unterstützen, meine Damen und Herren. Es ist einfach so, dass die Randbedingungen das nicht ermöglichen. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD, FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bergner. Ich habe noch zwei Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten, als Erste Frau Abgeordnete Berninger von der Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich verspreche, es geht ganz schnell. Zwei Dinge möchte ich sagen.

(Unruhe CDU)

Ich werde mich beeilen. Ich hätte nämlich gern, dass der nächste Tagesordnungspunkt noch aufgerufen wird, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit im Hause)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das war aber taktisch jetzt ganz gut.)

Deswegen mache ich es jetzt ganz schnell. Unterbrechen Sie mich jetzt nicht mehr! Ich habe vorhin ein paar Bedingungen genannt, unter denen Erstinhaftierung erfolgen darf, wie sie auch in der Richtlinie stehen. Ich möchte noch einmal das sagen, was in Artikel 16 der EU-Rückführungsrichtlinie steht: „Die Inhaftierung muss in speziellen Hafteinrichtungen erfolgen“ oder wenn das nicht möglich ist, „jedoch unter Beachtung des Prinzips einer Trennung von gewöhnlichen Strafgefangenen.“ Frau Kanis, wenn die Bundesregierung und der Bundestag endlich die Richtlinie ratifizieren würden, dann würde das bundesdeutsches Gesetz und dann wäre eines Ihrer Luftargumente, die Sie gebracht haben, schon weg. Weswegen mir aber noch mal besonders daran gelegen war, hier nach vorn zu gehen: Frau Kanis, ich finde es infam, wenn Sie versuchen, nur dadurch, dass Sie die Abschiebehaftgruppe erwähnen, zu legitimieren, dass Sie diesen Antrag ablehnen. Sie sollten nicht erst die Arbeit der Abschiebehaftgruppe loben,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Hat sie doch gar nicht gemacht.)

betonen, dass Sie sich mit denen in Verbindung gesetzt haben und Informationen geholt haben und Ihre Ablehnung damit legitimieren. Das finde ich infam.

(Beifall DIE LINKE)

Danke. Als Nächster spricht Abgeordneter Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es müssen einfach noch einmal zwei Sachen kurz erklärt werden, nicht, dass die so falsch dargelegt werden.

(Heiterkeit CDU, FDP)

Sie haben bald Feierabend,

(Zwischenruf Abg. Baumann, SPD: Sie nicht, Sie müssen nachsitzen.)

da können Sie sich entspannen. Wenn Sie es noch schaffen - wir müssen jetzt nicht das Fenster aufmachen zum Lüften, weil wir eine gute Lüftungsanlage haben -, sich einen kleinen Augenblick zu konzentrieren, dann bekommen wir auch diesen Tagesordnungspunkt in guter Qualität durch.

Eine Sache, die die Kollegin Kanis nämlich gesagt hat zum Schluss, das darf so im Raum nicht stehen bleiben. Sie hatten ausgeführt, dass mit unserem Antrag hier in irgendeiner Form Gesetz oder Recht gebrochen werden würde; geltendes Recht müssen wir einhalten. Darum geht es gar nicht. Es geht darum, Recht fortzuentwickeln, EU-Recht umzusetzen. Das ist ganz wichtig. Es geht nicht darum, irgendetwas, was gesollt oder gemusst ist in diesem Land, nicht zu tun.

Das andere ist: Das ist ein bekanntes Muster der FDP, dass, wenn Ihnen irgendwas nicht gefällt, Sie das probieren, an kleinen Sachen zu diskreditieren. Es kann gar nicht im Raum stehen bleiben, dass Sie darauf hinweisen, dass ein einzelner Punkt, der, wie Sie meinen, sich widerspricht, den wir kritisieren, hier dazu führt, dass dieser Antrag in sich zusammenfallen würde. Natürlich wollen wir die Umsetzung der EU-Richtlinie, weil sie enorme Vorteile an manchen Stellen für die Häftlinge im Augenblickt bekommt.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Warum schreiben Sie das nicht hinein?)

Wir wollen uns wegen einem Artikel hier noch mal ganz besonders auseinandersetzen und sagen: In Thüringen ist es leider nicht die Ultima Ratio. Wenn 36 Menschen eingesperrt werden,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

mit 2.005 Hafttagen, dann ist das nicht die Ultima Ratio. Da müssen wir einfach dran. Deshalb finde ich es einfach schade, dass Sie sich der Debatte verweigern. Vielleicht nutzen Sie die Debatte wenigstens dazu, mit Ihrer Bundesregierung ins Gespräch zu kommen und darauf zu drängen, dass wir endlich eine Umsetzung hinbekommen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Abg. Bergner)

Das ist nicht meine Bundesregierung.

Vielen Dank. Ich sehe eine Wortmeldung aus den Reihen der Abgeordneten. Herr Abgeordneter Schröter für die CDU-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, weil man vom Saalmikrofon aus nur Fragen stellen kann, zwei Bemerkungen noch zur Sache: Frau Berninger, ich hatte bei der Begründung nach dem Verfassungsgerichtsurteil, was es geben soll, gefragt. Sie führten Verwaltungsgerichtsangelegenheiten an, das ist also nicht das, was hinterfragt war, zumal hier ausdrücklich steht, auch in Thüringen würde es solche Urteile geben. Diese Frage ist im Raum geblieben, deswegen wollte ich das hier noch einmal sagen.

Zum Zweiten: Herr Adams, Sie wissen nicht oder wollten erklärt wissen, was Zivilhaft ist. Zivilhaft entsteht nicht auf der Grundlage eines verhängten Strafverfahrens, sondern ist eine Ordnungshaft wegen zum Beispiel Nichterscheinen eines Zeugen vor Gericht oder eine Sicherungshaft wegen gefährdeter Zwangsvollstreckung. Es gibt die Zwangshaft zwecks Abgabe einer bestimmten Erklärung, auch das ist Zivilhaft, und es gibt die Erzwingungshaft zur Zahlung einer Geldbuße im Ordnungswidrigkeitsverfahren. Vielleicht ist damit die Angelegenheit aufgeklärt, die Sie hinterfragt haben. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schröter. Gibt es weitere Wortmeldungen seitens der Abgeordneten? Das sehe ich nicht. Der Herr Innenminister möchte sprechen. Bitte schön, Herr Innenminister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert die Landesregierung auf, sich für die Abschaffung der Abschiebungshaft auf Bundesebene einzusetzen. Bis zur Abschaffung der Abschiebungshaft soll dieses Instrument übergangsweise abgemildert werden. Bei der Durchsetzung der Abschiebungshaft sollen z.B. das Wohl des Kindes und familiäre Bindungen berücksichtigt werden. Schließlich soll die Landesregierung im Erlasswege Regelungen zur Haftanordnung und zur Haftdurchführung treffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die angesprochene EU-Rückführungsrichtlinie vom 16.12.2008 enthält Normen und Verfahrensrege

lungen, die in den Mitgliedstaaten der EU bei der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger anzuwenden sind. Diese Richtlinie sollte von den Mitgliedstaaten bis zum 24.12.2010 in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland ist dies bislang noch nicht erfolgt. Die Bundesregierung hat zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie sowie zwei weiterer EU-Richtlinien, der sogenannten Hochqualifiziertenrichtlinie und der Sanktionsrichtlinie, den Entwurf eines Richtlinienumsetzungsgesetzes vorgelegt. Das Richtlinienumsetzungsgesetz soll Mitte des Jahres in Kraft treten. Bis zu einer endgültigen Umsetzung der Rückführungsrichtlinie gelten aber die Bestimmungen dieser Richtlinie grundsätzlich unmittelbar. Diesem Umstand Rechnung tragend hat das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 16.12.2010 vorläufige Anwendungshinweise zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie herausgegeben. In diesen Hinweisen werden etwa Regelungen zum Vollzug der Abschiebungshaft getroffen. Die vorläufigen Anwendungshinweise liegen den Ausländerbehörden vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, entgegen der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vertretenen Ansicht, ergeben sich aus der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie keine grundlegenden Änderungen gegenüber den derzeitigen aufenthaltsrechtlichen Regelungen zur Rückführung oder Inhaftierung von ausreisepflichtigen Ausländern. Insbesondere ergibt sich aus der Richtlinie keine Verpflichtung zur Abschaffung der Abschiebungshaft. Die Abschiebungshaft als Mittel zur Sicherstellung und Durchsetzung der Ausreisepflicht von Ausländern ist ein zentraler Bestandteil der Rückführungsrichtlinie, dem dort ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Die Abschaffung der Abschiebungshaft ist weder von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union noch von der Europäischen Kommission, die den Richtlinienvorschlag erarbeitet hat, in Erwägung gezogen worden. Mit der Richtlinie werden vielmehr für alle Mitgliedstaaten einheitliche Verfahrensnormen und Mindeststandards zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger festgelegt, wie sie in Deutschland schon lange gelten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhobene Forderung, bestimmte besonders verletzliche Gruppen, wie etwa Schwangere oder Alleinerziehende mit Kindern, nicht in Abschiebungshaft zu nehmen, wird in Thüringen schon seit Langem praktiziert. In einer Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums ist geregelt, dass bei bestimmten Personengruppen, wie den zuvor genannten, grundsätzlich von Abschiebungshaft abzusehen ist.

Ich komme nun zu einem weiteren Punkt des Antrags - den Vollzugsbedingungen für die Abschiebegefangenen. Selbstverständlich sind Menschen, die sich in Abschiebungshaft befinden, allein deshalb keine Straftäter. Dies wird auch beim Vollzug der

(Abg. Adams)

Abschiebungshaft berücksichtigt. In Thüringen wird die Abschiebungshaft an männlichen Ausländern im Wege der Amtshilfe für die Ausländerbehörden ausschließlich in der Justizvollzugsanstalt SuhlGoldlauter vollzogen. Die weiblichen Abschiebegefangenen des Freistaats Thüringen sind in der Teilanstalt Reichenhain der Justizvollzugsanstalt Chemnitz in Sachsen untergebracht. Im gesamten Jahr 2010 waren lediglich 38 Abschiebegefangene in Goldlauter inhaftiert. Im Jahr davor waren es 36 Personen. Diese geringen Fallzahlen von Abschiebegefangenen in Thüringen rechtfertigen keine spezielle Unterbringung außerhalb einer Justizvollzugsanstalt. Artikel 16 der Rückführungsrichtlinie bestimmt, dass eine Inhaftierung grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen erfolgt. Gestatten Sie mir, die Richtlinie im Wortlaut zu zitieren. Das ist Artikel 16 Abs. 1: „Die Inhaftierung erfolgt grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen. Sind in einem Mitgliedstaat solche speziellen Hafteinrichtungen nicht vorhanden und muss die Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten erfolgen, so werden in Haft genommene Drittstaatsangehörige gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht.“

In der Justizvollzugsanstalt Goldlauter werden Abschiebegefangene getrennt von Strafgefangenen untergebracht. Den männlichen Abschiebehäftlingen steht dort ein von den anderen Haftarten abgegrenzter Bereich zur Verfügung. Die Abschiebegefangenen haben zu den Straf- und Untersuchungsgefangenen keinen unmittelbaren Kontakt. Ebenso werden die Betreuungs- und Freizeitmaßnahmen getrennt nach Haftarten angeboten. Der Abgeordnete Adams hatte vorhin die Dauer angesprochen und - wenn ich mich recht erinnere - darauf hingewiesen, dass man diese drei Monate nicht überschreiten sollte. Ich erlaube mir auch insoweit, aus Artikel 15 der EU-Richtlinie zu zitieren, hier Absatz 5: „Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchstdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf.“

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Adams?

Gern.

Bitte sehr.

Also, ich stelle erst meine Frage, und zwar haben Sie, bevor Sie gerade jetzt zum letzten Punkt gekommen sind, noch erwähnt, dass in Thüringen die Fallzahlen gar so gering sind und deshalb keine gesonderte Anstalt, kein gesonderter Ort vorgesehen werden müsste. Ich frage Sie: Wie hoch müsste Ihrer Einschätzung nach die Fallzahl sein, um einen solchen Ort zu bestimmen? Zweite Frage noch mal: Sie hatten ausgeführt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass wir in Thüringen keine, wie wir es unter Punkt 5 genannt haben, besonders verletzlichen Gruppen in der Abschiebehaft haben und damit wäre sozusagen unser Punkt 4 obsolet. Das verstehe ich nicht ganz, weil, woraus nehmen Sie denn, dass dieser Punkt sich nur auf die Umsetzung bezieht. Wir wollen doch die bundesgesetzlichen Regelungen oder über den Bund - also erst Länderkammer, Bund, Europa - das Recht auch in Europa fortentwickeln. Darauf zielt dieser Punkt 4 mindestens genauso ab. Und eine kurze Anmerkung: Ich habe nicht davon gesprochen, dass es drei Monate nicht überschreiten kann. Ich habe nur aus Ihrer Antwort zitiert, dass eine Person 90 Hafttage hatte und damit um die drei Monate saß.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wenn Sie das in einer Minute kurz erläutern könnten.)

Das wird mir ganz schwer gelingen. Herr Abgeordneter Adams, zunächst zum letzten Punkt, dann habe ich das missverstanden mit den drei Monaten. Ich hätte Ihnen jetzt - aber die Zeit ist schon fortgeschritten - ansonsten noch umfänglich darlegen können, dass wir im Ergebnis sogar auf 18 Monate kommen könnten. Der Punkt 2 wegen der besonders verletzlichen Personen: Es ist in der Tat so, dass aus unseren Verwaltungsvorschriften sich ergibt, dass besonders verletzliche Personen nicht in Abschiebehaft genommen werden sollen. Mir war nicht bewusst, auf welch eine lange und beschwerliche Reise, wenn man so will, Sie sich mit dem Antrag begeben wollten - über den Bund, bis hin zu Europa. Ich habe es nur auf Thüringen bezogen.