Protocol of the Session on September 10, 2010

Wir reden hier eigentlich nicht über Integration im Allgemeinen, sondern wir reden über eine Wahl von

zwei Staatsbürgerschaften von Kindern, die in der Regel 18 oder 23 Jahre in Deutschland gelebt haben, wo ein Elternteil die deutsche Staatsbürgerschaft bereits besitzt, deswegen kann ich nicht so ganz nachvollziehen, warum genau die mit 23 immer noch kein Deutsch können sollen

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und warum die, auch mit 23, deutsche Kultur in keiner Weise auch nur irgendwo kennengelernt haben, denn die müssen ja zumindest das Schulsystem durchlaufen haben und das kann ich beim besten Willen nicht so ganz als Meinung stehen lassen. In diesem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind Forderungen enthalten, für die die SPD seit mehr als zehn Jahren steht. Es ist schon angeklungen, die SPD hat sich gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrer damaligen Mehrheit im Bundestag auf den Weg gemacht, um das aus dem Jahre 1913 stammende Staatsangehörigkeitsgesetz zu verändern. Es war leider damals nicht möglich, aufgrund der Stimmenmehrheit im Bundesrat, den in Deutschland geborenen Kindern mit einem ausländischen Elternteil die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Da kann man sich auch entscheiden.)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Mit einer bösen Kampagne von Herrn Koch.)

Als Kompromiss entstand dieser sogenannte Optionszwang. Diese Wahl, vor die die Jugendlichen gestellt werden, zwingt sie, sich entweder für Familientradition und damit gegen ihre langjährige Sozialisation in Deutschland, sprich Schulsystem, vielleicht auch ihren Freundeskreis zu entscheiden oder für ein Leben in Deutschland und damit einen Bruch mit ihrer Familie und deren Geschichte. Diese Entscheidung, denke ich, ist auch mit 23 nicht so einfach zu treffen und es hat für sie

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sehr folgenschwere Konsequenzen. Dieses Festhalten an langen Traditionen können wir noch heute bei den Sorben, den Familien aus Schlesien, Böhmen oder Ostpreußen beobachten, wenn wir nur einmal sehen, wie der Bund der Vertriebenen heute noch an seinen Traditionen, nach 50 Jahren, hängt. Nicht nur, dass es verfassungsrechtliche Probleme heraufbeschworen hat, bringt dieses Verfahren offensichtlich viele bürokratische Verfahren, die aufwendig, aber auch manchmal fehlerhaft sind. Das Problem der Mehrstaatigkeit zeigt sich für uns so nicht, da es in vielen Staaten praktiziert wird und zu keinen nennenswerten Schwierigkeiten geführt hat. Auch in Deutschland leben viele Menschen mit mehreren Staatsangehörigkeiten. Wir haben ein Beispiel gehört. Diese sind nicht statistisch erfasst und die meisten Menschen davon im Alltag gut inte

(Abg. Kellner)

griert. Wir wissen auch, dass sich Menschen für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden und anschließend beispielsweise in der Türkei eine zweite Staatsbürgerschaft annehmen. Dies ist beispielsweise auch in Amerika möglich.

Für mich sind Menschen mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft, mit einer oder mehreren Staatsbürgerschaften, mit oder ohne Migrationshintergrund nicht von Unterschied. Für mich ist es wichtig, wie sie sich ins gesellschaftliche Leben integrieren bzw. welche Möglichkeiten der Integration es für diese Personen gibt. Aber das Problem der Staatsbürgerschaft spielt schon beim Wahlrecht eine Rolle und von den persönlichen Problemen, die mit Herkunft und Kultur zu tun haben, nehme ich als Außenstehende nur wenig wahr. Ich kann aber nachvollziehen, welche Konflikte sich für die Einzelnen auftun. Wir können als SPD-Fraktion den Antrag inhaltlich unterstützen. Dies versetzt uns aber nicht in die Lage, die Landesregierung zum Handeln zu verpflichten. Deshalb müssen wir den Antrag ablehnen.

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Bergner von der Fraktion der FDP.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte, bevor wir zu dem Thema Zwang kommen, erst einmal an dieser Stelle auch meine Freude ausdrücken über jeden, der freiwillig für die deutsche Staatsbürgerschaft optieren will. Ich denke - und das will ich auch ganz ausdrücklich kurz vor dem 3. Oktober 2010 sagen -, dass es eine schöne Sache ist, die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland haben zu dürfen. Es gibt einige Argumente, die sicherlich für den Optionszwang sprechen, wobei man sich da sehr streiten kann.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Es gab aber jetzt dafür keinen Beifall.)

Ich bin noch nicht fertig. Es gibt Leute, die mit plausiblen Gründen die Vermeidung einer Mehrstaatigkeit für gut halten. Es gibt aber auch jede Menge anderer Argumente. Auch wenn Sie es sich mit Ihrer Begründung fast etwas zu einfach gemacht haben, sie ähnelt sehr der Internetseite www.widerden-optionszwang.de, das sieht fast ein bisschen wie kopieren und einfügen aus. Inhaltlich ist auf jeden Fall wichtig, was dort steht. Es gibt ernst zu nehmende Bedenken gegen die Verfassungskonformität. Es gibt darüber hinaus, das möchte ich an dieser Stelle sagen, auch den Koalitionsvertrag im Bund, der davon spricht, den Optionszwang evaluieren zu wollen. Ich gehe davon aus, dass das hoffentlich innerhalb der nächsten zwei Jahre passie

ren wird. Es gibt natürlich, und das ist auch zu Recht hier angesprochen worden, integrationshemmende Wirkungen dieses Optionszwangs, wenn junge Leute sozusagen Staatsbürger auf Abruf sind. Man muss dabei auch berücksichtigen, dass der Optionszwang verwaltungstechnisch - ich sage mal - unpraktikabel ist. Man sollte auch berücksichtigen, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Optionszwang und Zuwanderungszahlen gibt. Letztlich ist Mehrstaatigkeit aufgrund unterschiedlicher Regelungen bereits jetzt unvermeidbar, Sie haben vorhin ein recht prominentes Beispiel angesprochen. Es ist auch nicht nur eine Frage der Zuwanderung, sondern es ist auch eine Frage der Mischehen, wo man jungen Leuten auch die Frage stellt, je nachdem aus welchem Land der andere Elternteil kommt, willst du dich für Deutschland entscheiden oder nicht. Ich glaube, und das ist auch zu Recht angesprochen, mit Blick auf die Identität eines Menschen, der verschiedene Wurzeln hat, ist das sicherlich auch problematisch. Es kann schon problematisch sein, sich etwa von der Herkunft der Eltern distanzieren zu sollen, indem man sich für eine andere Staatsbürgerschaft entscheiden muss. Das sind Dinge, über die müssen wir sicherlich - und dafür werbe ich auch - sehr genau und auch sehr sachlich diskutieren. Ich denke auch, dass bei einem so komplexen Thema eine sehr intensive und genaue Befassung im Innenausschuss geboten ist, wo wir uns wirklich sachlich über die Details unterhalten. Oft steckt der Teufel im Detail, vielleicht auch in Dingen, die wir heute hier in dieser Runde noch gar nicht alle einzeln überblicken. Deswegen stehe ich dem Antrag sehr offen gegenüber, werbe aber dafür, dass wir es sehr sachlich und sehr ausführlich ausdiskutieren, und beantrage deswegen namens meiner Fraktion die Überweisung an den Innenausschuss. Danke schön.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat die Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin Frau Kanis außerordentlich dankbar - muss ich ganz deutlich sagen für die Klarstellung, die sonst hätte jetzt spätestens vorgenommen werden müssen, weil es, lieber Herr Kellner, tatsächlich um etwas ganz anderes geht. Es geht uns um die Kinder, die hier geboren sind, die hier zu Hause sind und die ganz klar auch hier zu uns gehören, die eben zu ihrem 18. Geburtstag ein Schreiben bekommen, welches aus unserer

(Abg. Kanis)

Sicht integrationspolitisch der völlig falsche Ansatz ist, nämlich nicht: Herzlich willkommen. Schön, dass Sie jetzt erwachsen sind und dass Sie hier leben und dass Sie auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben, sondern jetzt gilt es, sich zu entscheiden.

Die Schwierigkeiten wurden von Frau Kanis eben schon sehr gut beschrieben, wie schwierig es ist, wenn sich ein Jugendlicher dann vermeintlich gegen die Familie stellen muss, gegen die eigenen Wurzeln stellen muss, weil er sich zu entscheiden hat. Genau deshalb halten wir diesen Zwang zur Option - sprich sich entscheiden zu müssen - an der Stelle für falsch.

Herr Bergner hat ja eben auch schon ausgeführt, dass die FDP zumindest auf Bundesebene durchaus auch ihre Zweifel an der jetzigen Regelung hat. Ich darf zitieren, im Koalitionsvertrag auf Bundesebene steht: „Wir werben dafür, dass möglichst viele Menschen, die die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen, unsere Staatsbürgerschaft annehmen. Denn sie ist das stärkste Zeichen der Zugehörigkeit zu unserem Land und zur wechselseitigen Verantwortung seiner Bürger. Unverhältnismäßige Hemmnisse auf dem Weg zur Einbürgerung werden wir beseitigen.“ Genau diese Passage aus dem Koalitionsvertrag hat auch den Deutschen Anwaltverein, Pro Asyl und den Interkulturellen Rat veranlasst, einen gemeinsamen Aufruf zu starten, um die Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht abzuschaffen. Herr Bergner hat eben auch schon darauf hingewiesen - das sind sicherlich nicht die ausschlaggebenden Gründe, warum wir gegen diesen Optionszwang jetzt hier auch reden -, sondern dass auch die Hürden verwaltungstechnischer Art, die es im Moment gibt, die dieser Optionszwang mit sich bringt, so sind, dass sie eigentlich nicht zu rechtfertigen sind, zumindest nicht, wenn man das Ziel verfolgt, dass möglichst viele sich gern für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden.

Herr Kellner, ganz im Ernst, Integration heißt ja nun mal Teilhabe durch gleiche Rechte und Pflichten. Das gehört beides dazu, das ist überhaupt gar keine Frage. Aber wenn Sie sagen, was haben die denn für eine Leistung erbracht, dann sage ich Ihnen, die gleiche wie Sie auch, nur dass Sie zufällig hier geboren sind und eben nur die deutsche Staatsbürgerschaft haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen, das muss ich noch einmal ganz deutlich sagen, kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen, wenn man jetzt hier auf einer Leistung rekurriert, die Kinder mitbringen sollen, die hier geboren und aufgewachsen sind, ganz genauso wie Ihre und meine Kinder beispielsweise auch.

Lassen Sie mich noch einmal kurz die Punkte benennen, warum wir meinen, dass die Optionspflicht

falsch ist. Die Optionspflicht stellt eine eklatante Form der Ungleichbehandlung dar, mit der Deutsche 1., 2. und 3. Klasse geschaffen werden, denn die deutsche Staatsbürgerschaft haben sie erst mal von Geburt an, diese Kinder, über die wir reden. Dieser Zwang behindert die individuellen und gesellschaftlichen Integrations- und Partizipationsprozesse, die erforderlich sind, wenn eine solche Entscheidung getroffen werden muss und eben nicht gesagt werden kann, wir können auch mit Mehrstaatlichkeit gut leben. Dass es solche Beispiele hunderttausendfach und völlig unproblematisch in der Bundesrepublik Deutschland bereits gibt, wissen wir auch. Ein prominentes Beispiel wurde ja auch dafür schon genannt.

Wir wissen um den Entscheidungsdruck auf die Betroffenen, der individuell, aber auch innerfamiliär zu schweren Konflikten führen kann. Dass innerfamiliäre Konflikte nicht abhängig vom Alter oder von der Jugendzeit sind, das wissen wir auch. Dass so eine Entscheidung zu treffen daher auch nicht gleichgestellt werden kann mit der Fähigkeit, beispielsweise das Wahlrecht wahrzunehmen, glaube ich, ist damit auch zumindest klar geworden.

Aus unserer Sicht ist dieser Zwang unnötig, weil bei Einbürgerung doppelte Staatsbürgerschaften mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme sind und bereits heute, es sind nicht nur Hunderttausend, sondern 4,5 Mio. Menschen insgesamt, die mit Mehrstaatigkeit in Deutschland leben. Wir meinen zudem auch, dass es noch eine Vielzahl in ungeklärten verfassungs- und verfahrensrechtlichen Fragen gibt, die wir klären müssten. Insofern bin ich Herrn Bergner auch dankbar, dass er sich dafür stark gemacht hat, diesen Antrag zunächst an den Ausschuss zu überweisen, an den Innenausschuss, um da konkret darüber zu diskutieren. Ich hoffe darauf, dass es dann eine gemeinsame Initiative vom Land Thüringen gibt, welche deutlich macht: Herzlich willkommen, diese Kinder gehören zu uns: wider den Optionszwang. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt der Innenminister Prof. Huber.

Werter Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, in der Tat, Frau Rothe-Beinlich, wir wollen eine Willkommenskultur und wir wollen, wie die FDP, dass möglichst viele sich für die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden. Wir freuen uns über jeden, der Teil dieser Gesellschaft sein will und seinen Beitrag zum Gelingen unseres Gesamtstaates leisten möchte.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Wie wir das erreichen und mit welchen Instrumenten das geschieht, sollte man aber nicht mit ideologischer Voreingenommenheit entscheiden, sondern durch einen nüchternen Blick auf die Situation. Ich will Ihnen ehrlich sagen, es ist zu früh, über die Optionspflicht, die vor zehn Jahren eingeführt worden ist, bisher abschließend zu entscheiden. Ich will Ihnen gleich sagen, warum. Sollte sich herausstellen, dass die Optionspflicht dazu führt, dass das Gros der Betroffenen sich gegen die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden würde, würde sie erodieren. Sollte das Gegenteil der Fall sein, ist die Optionspflicht ein taugliches Instrument, Integration in Deutschland zu verbessern und herzustellen.

Von der Optionsregelung betroffen sind Kinder, die seit dem 1. Januar 2000 geboren wurden und Kinder, die am 1. Januar 2000 noch nicht zehn Jahre alt waren, aber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, auf Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben.

2008 sind die ersten - also vor zwei Jahren - jungen Erwachsenen volljährig und damit optionspflichtig geworden, so dass in den Ländern wenig praktische Erfahrungen zum Vollzug der Optionsregelung vorliegen. Die Erklärungsfrist nach § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes gilt vom 18. bis zum 23. Lebensjahr, wobei ein Antrag auf Beibehaltung der deutschen neben anderen Staatsangehörigkeiten bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres zu stellen ist. Ich gehe davon aus, dass viele der betroffenen jungen Erwachsenen diese Fristen ausschöpfen werden. Die Forderung nach einem Verzicht auf das sogenannte Optionsmodell kommt jedoch deshalb vor allem viel zu früh, weil eine fundierte Bewertung des Modells nicht möglich ist. Es hat keinen Sinn, ein Gesetz zu ändern, für dessen Wirkungen es kaum verwertbare Daten, sondern in erster Linie Vorurteile gibt. Deshalb sollte die Optionsregelung hinreichend lange beobachtet und gründlich evaluiert werden, so wie es auch der Koalitionsvertrag auf Bundesebene vorsieht.

Eines kann man aber heute schon sagen: Die ursprüngliche Befürchtung der Kritiker, die Durchführung des Optionsverfahrens sei mit zu vielen praktischen Schwierigkeiten verbunden und verursache einen nicht zu bewältigenden Verwaltungsaufwand, hat sich nach allem, was ich weiß und auch was die Verwaltungen der anderen deutschen Ländern berichten, nicht bestätigt. Was die Frage der Mehrstaatigkeit bei einem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland betrifft, das ius soli, ist die Landesregierung der Auffassung, dass Mehrstaatigkeit generell und auf Dauer nicht hingenommen werden sollte. Natürlich kann man aus verschiedenen Gründen Verbindungen zu unterschiedlichen Ländern haben, aber in staatsbürgerlicher Hinsicht spricht viel dafür, die Zugehörigkeit auf ein Land zu beschränken. Deswegen gibt

es auch eine Europaratskonvention zur Vermeidung von Mehrstaatigkeit.

Herr Innenminister, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage durch die Abgeordnete Renner.

Gern.

Bitte, Frau Abgeordnete.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Innenminister Prof. Huber, Sie sprachen eben darüber, dass Mehrstaatigkeit vermieden werden sollte. Ihr Parteikollege David McAllister hat nun zwei Staatsangehörigkeiten. Erst einmal würde mich natürlich interessieren, Sie sind Jurist: Wie kann das sein, wenn das grundsätzlich vermieden werden sollte?

Zweitens: Wo ist da der Unterschied zu ziehen zu Jugendlichen, die jetzt, wie Sie sagen, in dieses Alter kommen und für die dann diese Möglichkeit nicht bestehen könnte?

Herr McAllister hat, wenn ich richtig informiert bin, eine deutsche Mutter und einen schottischen Vater. Insofern folgt aus dem Recht der Familie und der Abstammung von den Eltern, dass er eine doppelte Staatsangehörigkeit hat. Der Unterschied zu den Optionspflichtigen ist, dass er eine deutsche Mutter hat und über die Mutter die Staatsangehörigkeit vererbt wurde, während die Optionspflichtigen keine deutschen Eltern haben. Es hat auch nichts mit dem 19. Jahrhundert zu tun. Auch US-Bürger, die in Thailand oder in Deutschland geboren werden, vererben ihren Kindern die amerikanische Staatsbürgerschaft, so wie es französische Eltern im Ausland auch tun. Die Vermeidung von Mehrstaatigkeit ist ein völkerrechtliches Anliegen, das in einer Europaratskonvention aus den 60er-Jahren niedergelegt ist, die auch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet und ratifiziert hat. Dass das in der Wirklichkeit zunehmend durchlöchert wird, dass es Länder gibt, die diese völkerrechtliche Verpflichtung eher salopp behandeln und dass natürlich auch bei uns die Pluralisierung unserer Gesellschaft dazu führt, dass Mehrstaatigkeit millionenfach schon vorkommt, ist eine andere Frage. Ob das eine wünschenswerte Entwicklung ist, ist etwas, worüber man diskutieren muss, aber es ist nichts, was das Prinzip infrage stellt, ohne dass da Ausnahmen natürlich ausgeschlossen werden.

(Minister Prof. Dr. Huber)

Das Bundesverfassungsgericht, wenn ich mich daran orientieren darf, hat dargelegt, dass Pflichtenkollisionen und Loyalitätskonflikte gegen die Mehrstaatigkeit sprechen. Im Konfliktfall wird der Anspruch des einen Staates nur beschränkt durchzusetzen sein, etwa bei der Wehrpflicht, auch wenn die jetzt auf der Kippe steht. Auch wenn es in der Praxis Ausnahmen im Staatsangehörigkeitsrecht aufgrund von gesetzlichen Regelungen und Härtefällen gibt, bleibt das Festhalten an dem Grundsatz im Prinzip und aus den genannten Gründen meines Erachtens richtig. Auch wenn für eine fundierte Evaluation der Optionsregelung noch keine hinreichenden Erfahrungswerte vorliegen und wir in Thüringen ganz wenige Fälle aufzuweisen haben, so deuten - und das lässt mich hier auch mit mehr Überzeugungskraft reden - die Zahlen, die der hessische Justizminister im Frühjahr dieses Jahres vorgelegt hat, doch deutlich darauf hin, dass sich die überwältigende Mehrheit der optionspflichtigen Erwachsenen für die deutsche Staatsangehörigkeit entscheidet. Aus Hamburg liegen ähnliche Zahlen vor. Das heißt, es sind fast 100 Prozent derjenigen, die bisher entschieden haben, die sich für die deutsche und nicht für die andere Staatsangehörigkeit entschieden haben. Hessen und Hamburg wissen natürlich, dass viele die Entscheidung noch nicht getroffen haben und unter dem Strich werden es nicht 100 Prozent bleiben. Aber wenn so das Ergebnis ist, dass die Optionspflicht zu einem bewussten Bekenntnis zugunsten unserer Staatsangehörigkeit und zugunsten unseres Landes und unserer Gesellschaft führt und ein Anreiz dafür ist, sollte man gründlich überlegen, ob man sich dieses Instruments berauben sollte.

(Beifall CDU)

Vor diesem Hintergrund sehe ich keine Veranlassung, die Optionsregelung abzuschaffen. Das Bekenntnis zu einer Staatsangehörigkeit hat auch eine emotionale Seite. Gerade für junge Menschen ist es wichtig zu wissen, wohin sie gehören. Das Optionsmodell bietet ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach die Chance, sich dieser Frage konkret zu stellen und sich bewusst für die deutsche Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Dass den jungen Erwachsenen nach Erreichen der Volljährigkeit ebenso wie den einbürgerungswilligen Ausländern diese Entscheidung abverlangt wird, beruht auf der sinnvollen Forderung nach einer bewussten Entscheidung für unser Land und ist nach Überzeugung der Landesregierung, wenn sie so getroffen wird, als Abschluss einer erfolgreichen Integrationspolitik zu werten. Natürlich kann Integration nicht allein durch die Verleihung des Passes gefördert und bewirkt werden. Sie findet bereits im Kindergarten, in der Schule, in Vereinen, in der Wohnungsumgebung, mit Freunden statt. Hier entscheidet sich der Erfolg der Integration. Dazu gehört auch, sich mit den zentralen Werten und Normen unserer freiheitlich

demokratischen Grundordnung vertraut zu machen. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit sollte deshalb am Ende dieser Sozialisation stehen und das Ende dieses erfolgreichen Prozesses markieren.