Protocol of the Session on September 10, 2010

demokratischen Grundordnung vertraut zu machen. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit sollte deshalb am Ende dieser Sozialisation stehen und das Ende dieses erfolgreichen Prozesses markieren.

Zur Senkung der Einbürgerungsgebühren möchte ich Folgendes sagen: Das Verfahren, das sich im Einzelfall von der Antragstellung bis zur Aushändigung der Urkunde über einen längeren Zeitraum erstreckt, ist - im Durchschnitt betrachtet - mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Insofern haben Sie recht. Dieser umfasst im Regelfall mehrere Vorsprachen des Bewerbers bei der Einbürgerungsbehörde, die Beteiligung weiterer Behörden einschließlich der Anforderung und Überprüfung von Urkunden und Unterlagen - häufig in fremden Sprachen. Wie sich aus den einschlägigen Gesetzgebungsmaterialien ergibt, liegt die dafür in § 38 festgelegte Pauschalgebühr von 255 € unterhalb der Kostendeckungsgrenze. Soweit die Zahlung dieser Gebühr im Einzelfall eine besondere Härte bedeutet, kann auf sie verzichtet und eine Befreiung ausgesprochen werden. Davon wird in substanziellem Umfang Gebrauch gemacht. Aus den genannten Gründen, meine Damen und Herren, lehnt es die Landesregierung ab, dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt - Folge zu leisten. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Danke, Herr Minister. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rednerliste ist abgearbeitet.

Wir treten in die Abstimmung zur Drucksache 5/ 1402 ein. Es ist Ausschussüberweisung an den Innenausschuss beantragt. Wer die von mir genannte Drucksache an den Innenausschuss überweisen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Jastimmen von den Fraktionen DIE LINKE, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? Mit Stimmen der CDU-Fraktion und der SPDFraktion ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir kommen dann zur direkten Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/1402 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind Jastimmen aus der Fraktion DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? Das sind die Stimmen von der Fraktion der CDU und der SPD. Wer enthält sich der Stimme? Das ist die Fraktion DIE LINKE,

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Der FDP!)

nein, der FDP - furchtbarer Fehler, ich glaube, das empfinden beide Seiten so. Nichtsdestotrotz ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

(Minister Prof. Dr. Huber)

Ich kann diesen Tagesordnungspunkt schließen und rufe auf den Tagesordnungspunkt 13

Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/1403 dazu: Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/1468

dazu: Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1463

Mir ist signalisiert worden, dass sich die Fraktionen darauf geeinigt haben, dass sowohl Antrag als auch Alternativantrag begründet werden und wir dann ohne Aussprache in die eventuellen Abstimmungen gehen.

Ich rufe zur Begründung des Antrags in der Drucksache 5/1403 Abgeordnete Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, warum dieser Antrag Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik? Es ist ein Antrag, der darauf abzielt, mehr Beteiligung von Jugendlichen möglich zu machen im politischen Raum, mehr Beteiligung an politischen Prozessen, mehr Beteiligung an der Politik, die wir auch hier im Hause betreiben, mehr Beteiligung an den aktuellen Geschehnissen, über die sonst nur gelesen, debattiert und nicht so viel miterlebt wird. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass politische Prozesse viel zu spät in das Leben von Jugendlichen treten. In der Schule spielen sie kaum eine Rolle, auch an den Hochschulen haben wir nicht die Kultur, die dafür sorgt, dass Politik jeden Tag erlebt werden kann. Deswegen ist die Idee des Freiwilligen Sozialen Jahres eine Möglichkeit, um Politik an junge Menschen heranzutragen. Das Freiwillige Soziale Jahr und das Ökologische Jahr sind Erfolgsmodelle. Sie bieten jungen Menschen zwischen 16 und 25 die Möglichkeit, einen Dienst für die Gesellschaft zu leisten und auf der anderen Seite sich weiterzuentwickeln und Erfahrungen in bestimmten Lebensbereichen zu sammeln. Es geht ihnen darum, Orientierung zu finden. Es geht ihnen darum, sich darüber klar zu werden, wohin will ich in der Zukunft, und gleichwohl tun sie etwas für das Gemeinwohl. Wir wollen das Ganze erweitern auf den politischen Raum.

In Thüringen gibt es bislang das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr, das Freiwilli

ge Jahr im Sport, das Freiwillige Jahr in der Kultur und das Freiwillige Jahr in der Denkmalpflege. Das alles unter dem Dach des Thüringenjahres, das ist etabliert. Wir wollen das gern erweitern und Sie sehen, dass es dafür auch jede Menge Gründe gibt, denn es gibt heute schon viel mehr Bewerberinnen und Bewerber für die unterschiedlichen Angebote in den freiwilligen Diensten, wie ich sie gerade aufgezählt habe. Es gibt mehr Bewerberinnen und Bewerber, als es Angebote gibt, mit anderen Worten, eine sehr hohe Nachfrage, was überhaupt nicht zu dem Bild passt, dass unsere Jugend politisch träge sei. Sie ist es nicht, sie möchte sich beteiligen.

Deswegen wollen wir unter der Überschrift „Machen statt meckern“ dieses Freiwillige Soziale Jahr auch auf den politischen Raum ausdehnen. Wir wollen als sogenannte Einsatzorte ermöglichen, dass junge Menschen sich in Kommunalparlamenten, in Kommunalverwaltungen, in Menschenrechtsorganisationen, in Sozialverbänden und auch in politischen Stiftungen in diesem einen Jahr Orientierung beteiligen können, sich in diesem einen Jahr einbringen können, dort auch lernen und wachsen können. Dieses gibt es schon in verschiedenen Bundesländern, das will ich gleich anfügen. Das gibt es in Sachsen, Sachsen-Anhalt, MecklenburgVorpommern, Nordrhein-Westfalen, das gibt es in Niedersachsen, Hessen und Berlin. Dort gibt es das alles auch mit der Möglichkeit, sich im politischen Raum zu beteiligen unter dem Prinzip des freiwilligen Dienstes verortet, also daruntergesetzt. Da gibt es die Möglichkeit, sich ehrenamtlich in der Politik innerhalb dieses Jahres zu organisieren. Deswegen möchten wir, dass auch Thüringen an der Stelle anschließt, nicht Schlusslicht wird, dass es die Erweiterung des Freiwilligen Sozialen und Ökologischen Jahres um die Möglichkeit, in der Politik zu agieren, gibt. Deswegen auch unser Antrag, unser Änderungsantrag. Wir beantragen an dieser Stelle die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt zur Begründung des Alternativantrags Abgeordnete König von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, auch ich beantrage vorweg die Überweisung unseres Alternativantrags an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einen Antrag vorgereicht zum Thema „Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik“, womit sie sicherlich ein ehrenwertes, ein lobenswertes Ziel verfolgt. Inwieweit

(Vizepräsident Gentzel)

ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik der Politikverdrossenheit oder eher Politikerverdrossenheit und Parteienverdrossenheit von Jugendlichen wirklich effektiv entgegenwirken kann, ist fragwürdig. Nichtsdestotrotz, insbesondere im von den Vereinten Nationen zum „Internationalen Jahr der Jugend“ ausgerufenen Jahr 2010/2011 halten wir das für einen Schritt in die richtige Richtung und unterstützen diesen Antrag auch.

Warum trotzdem ein Alternativantrag? Meines Erachtens hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht genügend Vorbereitungszeit gehabt, auch wenn sie mittlerweile einen Änderungsantrag eingereicht hat, ändert dieser noch lange nichts an der Notwendigkeit, denn der vorgelegte Antrag ist von seiner Aufmachung und von seiner Zielstellung her ein Selbstbefassungsantrag für den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, in welchen er jetzt auch überwiesen wird.

Entschuldigen Sie bitte kurz. Herr Abgeordneter Kuschel, Sie sind schon auf dem richtigen Weg wenn Sie telefonieren - aus dem Saal. Danke. Entschuldigen Sie.

Die Regierung wird aufgefordert, dem Ausschuss einen Bericht vorzulegen. Wenn Sie das denn gewollt hätten, hätten Sie dieses auch mit einem Selbstbefassungsantrag im Ausschuss so klären können. Verwunderlich ist für mich und für uns in dem Zusammenhang, dass Sie auf der einen Seite immer wieder das öffentliche Tagen von Ausschüssen fordern, um auch öffentlich debattieren zu können, Themen in die Öffentlichkeit bringen zu können, und dann einen Antrag, den wir für sehr wichtig erachten, nicht öffentlich behandeln wollen. Das wird unser Alternativantrag ändern, indem er nämlich aussagt, dass der Bericht dann nicht nur im Ausschuss, sondern hier innerhalb des Landtags vorgestellt und damit auch die Möglichkeit zur Debatte gegeben wird.

Als Drittes: Sie fordern die Erweiterung des Berichts der Landesregierung auf das Freiwillige Ökologische Jahr. Ein Stück weit peinlich ist es schon, dass erst durch unseren vorgelegten Alternativantrag den GRÜNEN bewusst geworden ist, dass sie ihr ureigenstes Thema vergessen haben. Sie fordern ebenso die Ausweitung auf das Freiwillige Jahr im Sport, in der Kultur, im Denkmalschutz und, und, und. Das Entscheidende fehlt aber wieder. In Deutschland gibt es das Jugendfreiwilligendienstgesetz, welches in § 1 Abs. 2 definiert, dass Jugendfreiwilligendienste im Sinne des Gesetzes eben das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr sind. Mit Ihrem jetzt eingereichten Änderungsantrag nehmen Sie erneut eine

Begrenzung des Freiwilligen Sozialen Jahres vor, u.a. auch, da Sie z.B. Jugendarbeit und Ähnliches mehr nicht erwähnen. Sie vergessen aber in Ihrem Änderungsantrag auch das Entscheidende, die Orientierung am Gemeinwohl, die weder in Ihrem ursprünglichen noch in Ihrem jetzt vorgelegten Änderungsantrag auch nur erwähnt wird.

Zuletzt: Das Entscheidende des Jugendfreiwilligendienstes ist die persönliche Orientierung, die Persönlichkeitsstärkung und nicht unbedingt an erster Stelle eine Entgegenwirkung der Politikverdrossenheit.

Zusammengefasst: Unser Alternativantrag beinhaltet Mehrfaches: die Öffentlichkeit des Berichts im Landtag, die Gemeinwohlorientierung, keine Beschränkung des Freiwilligenjahres in seinen Untervariationen und eine Orientierung am Jugendfreiwilligendienstgesetz. Da ich Letzteres weder in Ihrem Ursprungsantrag noch in Ihrem Änderungsantrag finden konnte, habe ich Ihnen freundlicherweise das Gesetz mitgebracht. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Überweisung an den Ausschuss.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete. Aus vorgenannten Gründen treten wir jetzt unmittelbar in die Abstimmung zu den Anträgen ein.

Es ist jeweils Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit beantragt worden. Wir beginnen mit der Abstimmung zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 5/1403. Wer diesen Antrag an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überweisen will, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Gegenstimmen von der Fraktion der FDP. Enthaltungen? Keine. So wurde der Ausschussüberweisung zugestimmt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/1463. Auch hier ist die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit beantragt worden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Ich stelle Einstimmigkeit fest und schließe damit diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15

Datensparsamkeit statt Vorratsdatenspeicherung

(Abg. König)

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/1411 dazu: Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1467

Wünscht die Fraktion das Wort zur Begründung? Das wird verneint. Die Landesregierung hat angekündigt, einen Sofortbericht zu erstatten. Jetzt kommen wir zu der spannenden Frage: Wer tut es denn?

Ich unterbreche die Sitzung bis 15.00 Uhr.

Wir führen die Sitzung fort. Es erfolgt der Sofortbericht der Landesregierung zu Tagesordnungspunkt 15 in Drucksache 5/1411 und dazu der Änderungsantrag in Drucksache 5/1467. Bitte, Herr Innenminister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nehme ich für die Landesregierung wie folgt Stellung:

Das Recht der Telekommunikation unterfällt nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 7 des Grundgesetzes der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das Recht des gerichtlichen Verfahrens unterfällt nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Dies zeigt, wo die Debatte über die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung in erster Linie zu führen ist - im Deutschen Bundestag. Gleichwohl wird sich die Landesregierung, wenn die entsprechenden Gesetzesvorschläge der Bundesregierung auf dem Tisch liegen, eine abschließende Meinung bilden und diese auch im Bundesrat vertreten.

Zur Sache: Die Pflicht zur sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung ergibt sich aus der Richtlinie 2006/24/EG vom 15. März 2006. Diese Richtlinie ist in nationales Recht umzusetzen. Daran hat auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 nichts geändert. Die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge ist im Übrigen der Auffassung, dass jedenfalls die vom Bundesverfassungsgericht angeordnete Löschung der gespeicherten Daten eine Vertragsverletzung darstellt. Das ist zumindest nicht aus der Luft gegriffen. Mit der Entscheidung vom 2. März 2010 wurde bekanntlich die konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung durch den deutschen Gesetzgeber für verfassungswidrig erklärt. Das Institut selbst hat das Gericht nicht infrage gestellt, indessen berechtigte, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitete Hürden für den Zugriff aufge

stellt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war Anlass für die Innenministerkonferenz, eine Erhebung durch das Bundeskriminalamt in den Ländern durchführen zu lassen, um eine empirische Basis dafür zu gewinnen, welche Auswirkungen der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung mit sich bringt. Diese Datensammlung und Auswertung findet derzeit statt. Im selben Zusammenhang untersucht auch das Max-Planck-Institut für internationale Strafrechtswissenschaften in Freiburg im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz die Auswirkung des Wegfalls der Vorratsdatenspeicherung, um eine Grundlage für die Neuregelung zur Verfügung zu stellen. Auch die Europäische Kommission ist dabei, die praktischen Erfahrungen mit der Richtlinie aus 2006 zu evaluieren. In diesem Kontext ist meine Stellungnahme vom Juli, die der Abgeordnete Adams schon kannte, bevor ich sie geäußert habe, zu sehen.

In der Begründung des Antrags versucht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nun einen Dissens zu konstruieren zwischen dem Justiz- und dem Innenministerium, aber dieser Dissens besteht nicht. Ich habe in meiner Presseinformation vom Juli darauf hingewiesen, dass die Polizei aus ihrer Ermittlungspraxis heraus die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung für erforderlich erachtet und habe versucht, dieses mit Fallbeispielen zu unterlegen. So gab es etwa den schweren Raubüberfall als Teil einer Serie von Raubüberfällen auf eine Sparkassenfiliale in Schmiedefeld. Die drei Täter waren maskiert, schwer bewaffnet und erbeuteten nahezu 200.000 €. Hier hatten die Fahndungsmaßnahmen nach der Tat nicht zur Ergreifung der flüchtigen Tätiger geführt. Auch aus den ersten umfangreichen Ermittlungen hatten sich keine Hinweise auf die Täter ergeben. Erst durch die Auswertung der Verbindungsdaten für die Funkzellen des Tatorts und des Fundorts des Fluchtfahrzeugs ließ sich die auffällige Kommunikation zweier Handys feststellen. Diese Telefone konnten später als Arbeitshandys der Täter identifiziert und einer Überwachung unterzogen werden. Durch die so mögliche Auswertung von Inhalts- und Verkehrsdaten war die Identifizierung der Tatverdächtigen möglich. Durch die gewonnenen Erkenntnisse war die Erhebung weiterer retrograder Verbindungsdaten/Vorratsdaten möglich, die zur Erstellung eines Bewegungsbilds der verschiedenen Funktelefone im Bundesgebiet und somit zur Herstellung von Tatzusammenhängen führte. So ließen sich auch Rückschlüsse auf die Tatbegehungsweise ziehen und weitere tatverdächtige Personen ermitteln. Letztlich war es aufgrund der Vorratsdatenauswertung möglich, einem Tatverdächtigen sechs weitere Banküberfälle mit Waffen auf Geldinstitute nachzuweisen und die Fortsetzung dieser Serie zu verhindern.

Dieser Fall zeigt eine typische Konstellation auf, die sich durch die Auswertung von Vorratsdaten erge

(Vizepräsident Gentzel)

ben kann. Daraus entstehen nicht selten neue Ermittlungsansätze, die dann wiederum weitere Vorratsdatenerhebungen rechtfertigen können. Bis zur Möglichkeit dieser neuen Verbindungsdatenerhebung vergeht allerdings gerade bei strukturell schwierigen Ermittlungen häufig ein längerer Zeitraum, was belegt, dass die längerfristige - ich meine die mehrere Monate andauernde - Speicherung von Verbindungsdaten bei den Telekommunikationsanbietern für die polizeilichen Ermittlungen notwendig ist.

Im zweiten Beispielsfall, den ich seinerzeit vorgestellt habe, wurde im Rauschgiftmilieu der Stadt Gotha ein Mann erstochen. Hinweise auf einen möglichen Auftraggeber zu diesem Tötungsdelikt gab es hier sehr schnell, da der Geschädigte nur wenige Wochen vor seiner Ermordung den Pkw eines führenden Heroinhändlers angezündet und dessen Familie bedroht hatte. Durch die Abfrage von retrograden Verkehrsdaten aus dem Umfeld des der Anstiftung Verdächtigen wurde hier versucht, an die Tatausführenden zu gelangen. Der Nachweis der Beteiligung an der Durchführung des Tötungsdeliktes konnte noch nicht geführt werden, auch weil sich herausstellte, dass die sechsmonatige Speicherfrist für eine umfassende Analyse nicht ausreichend war. Es konnte allerdings die Struktur des Händlerrings erhellt und sowohl der Hauptverdächtige als auch eine weitere Person des Handelns mit erheblichen Betäubungsmitteln überführt und inhaftiert werden. Das sind zwei kursorische Beispiele aus der Ermittlungsarbeit der Polizeidirektion Gotha. Es gibt eine Fülle aus anderen Polizeidirektionen und ähnlich ist das Bild in anderen deutschen Ländern.