Gleichzeitig muss man auch sehen, dass eine niedrige Wahlbeteiligung kein ausschließlich thüringisches Problem ist.
Nein, Sie können da auch in andere Bundesländer schauen, da ist es nicht viel anders. Die Ursachen können dabei sehr unterschiedlich sein, Unzufriedenheit mit den zur Verfügung stehenden Kandidaten oder auch, wie Kollege Kuschel gerade sagte, wenn nur ein Kandidat da ist, die Sicherheit, er wird es sowieso, deswegen muss ich gar nicht erst von zu Hause weg, mangelndes Interesse, manchmal auch Zufriedenheit mit den persönlichen Verhältnissen, wo man sich sagt, mir geht es gut, warum soll sich was ändern, dafür will ich gar nicht los, bis hin zu dem - und das stimmt auch - Thema Ausflugswetter, wo der eine oder andere sagt, heute könnte ich viel lieber etwas mit der Familie unternehmen, auch das ist in der Tat so.
Gleichwohl ist es wichtig, sich Gedanken zu machen, worin jeweils die Ursachen zu suchen sind. Ich denke, da sind auch die hier im Hause anwesenden Parteien aufgerufen, in einer deutlich größeren Breite, als wir das jetzt verzeichnen konnten, Angebote zu unterbreiten. Da bin ich durchaus ein Stück weit bei ihnen. Und wir müssen uns auch Gedanken machen, wie mehr politische Partizipation in den Gemeinden stattfinden kann, wie mehr politische Partizipation der Bürger angeboten werden kann. Das heißt für mich auch, Gebilde nicht plattzumachen, die die Menschen in den Gemeinden selbst wollen. Es muss aber auch die Frage erlaubt sein, ob in jedem Fall Medien ihrem Informations- und Bildungsanspruch angemessen gerecht werden.
Ich denke schon, dass gerade auch auf der kommunalen Ebene viel zu wenig in Fernsehen, Radio, aber auch Zeitungen berichtet wird, viel zu wenig den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land vermittelt wird, was dort tatsächlich an Arbeit geleistet wird
und was vor allem auch der Einzelne eigentlich mit seinem Engagement in der Kommunalpolitik an Einflussmöglichkeiten hat.
Unter dem Strich, meine Damen und Herren, handelt es sich um ein Thema, das immer wieder großer Aufmerksamkeit und Sensibilität bedarf und für das es, wie ich meine, keine einfachen und keine abschließenden Antworten geben kann. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir beraten heute vom Kollegen Kuschel und der LINKEN den Punkt „Schlussfolgerungen aus der niedrigen Wahlbeteiligung...“. Ich möchte beginnen, indem ich erstens Dank sage an alle Wahlhelfer, die sich freiwillig zur Verfügung gestellt haben, und an alle, die mitgemacht haben, dass überhaupt Wahlen durchgeführt werden konnten.
Dann möchte ich weiterhin Dank sagen und gratulieren, den Bürgermeistern, die gewählt wurden, egal von welcher Partei.
Ich glaube, auch das ist notwendig, dass sich überhaupt welche bereit erklären und mitmachen. Das, denke ich, ist gut und wir wollen und können natürlich mit den Prozenten nicht zufrieden sein, da stimme ich ihnen zu, Herr Kollege Kuschel. Es fällt schwer, einmal zuzustimmen, aber es ist nun mal so, es könnte auch deutlich mehr sein. Nun kann man die Ursachenforschung wirklich weit betreiben. Ich könnte das, was Kollege Bergner gesagt hat, eins zu eins unterschreiben, aber ich will ja wenigstens noch ein bisschen was beitragen.
Ich rede aus Erfahrung und es gibt hier noch ein paar, die mitmachen oder länger mitgemacht haben. Natürlich hat man genauso wie in anderen Ämtern Verdruss, dass man sich mal ärgert über den einen oder anderen Bürger oder dieses und jenes, aber es macht Spaß. Ich widerspreche der Aussage, dass man nicht mitgestalten kann - man kann mitgestalten, man kann vieles machen. Fragen Sie mal Ihre Kollegin Bürgermeister vor Ihnen, Herr Kuschel, ihr macht das richtig Spaß, man sieht es ihr an. Deswegen ist es notwendig, dass man wirklich mitmacht, mitgestaltet, wir haben genügend Möglichkeiten. Ich denke besonders in den kleineren Orten an die Dorferneuerung, was wir dort geschafft haben, wie wir dort vorangekommen sind, auch bei der Städtebauförderung etc. Ich will ein paar Beispiele herausgreifen, weil wir dort vieles gestaltet haben, auch in kleineren Gemeinden. Die haben Geld zusammengenommen, haben es angespart und dann entsprechende Dinge durchgeführt. So haben es auch größere Gemeinden gemacht. Ich denke, das kann sich sehen lassen.
Vielen Dank, ich hatte nämlich das schöne Buch „Kommunalwahlen in Thüringen“ liegenlassen. Das kommt von unserem Thüringer Landesamt für Statistik. Ich habe mir das noch mal eingehend angeschaut. Dort kann man nachlesen, dass in der Regel - man findet immer Ausnahmen - die Wahlbeteiligung in den kleineren Gemeinden sehr hoch ist, Gott sei Dank sehr hoch. Oft ist es so, je größer die Gemeinden oder Städte werden, umso schlechter ist die Wahlbeteiligung. Auch das muss uns zu denken geben, dass die Wahlbeteiligung im ländlichen Raum oder in kleineren Einheiten hoch und in größeren kleiner ist. Das bringt mich und uns dazu, dass wir nicht immer nur in größeren Einheiten das Gute sehen, sondern auch in kleineren Einheiten, denn da kommt das bürgerschaftliche Engagement durch, da die Leute wissen, es geht um mein Dorf, es geht um meine Dinge, es geht um dieses und jenes.
Ich möchte ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, Herr Kuschel, Sie haben das mit dem schönen Wetter aus der Presse aufgegriffen, natürlich hat das schöne Wetter auch eine Rolle gespielt, das ist nun mal so, aber nicht nur das schöne Wetter. Es sind auch viele in den Gemeinden, die sagen, ich habe eine sehr gute Bürgermeisterin, ich habe einen sehr guten Bürgermeister, der steht wieder auf der Liste, da weiß ich ganz genau, es ist kein anderer da, der wird es, also gehe ich gar nicht erst hin. Die müssen wir dazu bringen, dass sie hingehen - richtig. Ich denke mal, auch das spielt eine Rolle, dass man nicht zu allen Dingen unbedingt hingehen muss, weil man weiß, der wird es sowieso und der macht seine Aufgabe weiter. Ich denke, dass das solche Dinge sind, die wir wirklich genau anschauen.
Ich bin froh, Kollege Bergner hat es gesagt, ich will das nur verstärken, dass es keine fliegende Wahlurne mehr gibt und wir haben auch keine Wahlpflicht. Es gibt Länder, die haben Wahlpflicht, aber ich bin der Meinung, wir haben die Demokratie gemeinsam erstritten, jedenfalls die, die mitgemacht haben, da sollten wir jetzt nicht Wahlpflicht oder so etwas wieder einführen. Wir sollten dafür werben, auch dort können wir uns alle mit einbringen. Ich stimme auch dem zu, dass die Medien, zumindest die öffentlich-rechtlichen, wirklich so eine Kommunalwahl mit fast 700 Orten etwas ausführlicher hätten bringen können. Ich gehe von mir aus, ich habe in meinem Dorf keine Werbung gemacht, auch nicht noch mal rumgeschickt, was alles schön und gut ist, das wissen die Leute selber. Aber dem einen oder anderen sollte man solche Dinge noch einmal darstellen, sollte entsprechende Publikationen machen. Lange Rede, kurzer Sinn - auch die Entkopplung der Wahl wird überhaupt nichts bringen. Wir bleiben dabei, es hat sich bewährt. Ich wünsche mir, dass sich weiterhin viele ehrenamtlich zur Verfügung stellen und wünsche allen Bürgermeistern alles Gute und dass sie viel gestalten können.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Fiedler. Als Nächster spricht der Abgeordnete Meyer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mir zunächst erlauben, Herrn Fiedler noch ein bisschen zu unterstützen. Ich danke hier an dieser Stelle auch ausdrücklich allen Wahlhelferinnen
Also, dann sagen Sie doch einfach nur Wahlhelferinnen, denn die große Mehrheit, behaupte ich, sind Frauen, die helfen, und zur Wahl stehen die Männer mehrheitlich, auch das ist eine Tatsache. Das können Sie übrigens in dem schönen Buch, das Sie gerade hatten, nachlesen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den Gemeinden geht es nicht um den Weltfrieden, in den Gemeinden geht es um örtliche Prozesse. Da muss ich natürlich dann anfangen, mit Herrn Fiedler ein bisschen über Kreuz zu kommen. Sie können die Argumentation tragen und sagen: In kleinen Gemeinden ist die Wahlbeteiligung höher, das zeigt, dass kleine Gemeinden leistungsfähiger sind. Ich bestreite das nicht, aber überlegen Sie sich bitte mal, warum das so ist. Es gibt zwei Argumente - eine sozialpsychologische Begründung: In Gemeinden unter 400 Einwohnern kann ein Bürgermeister noch jeden Einwohner kennen. Mehr als 400 Menschen können Sie nicht kennen, das hat etwas mit unserer Gehirnkapazität zu tun.
Dazu möchte ich gar keine weiteren Worte machen. Aber es bleibt trotzdem dabei: 400 erwachsene Personen sind das Maximum, die man kennen kann als Mensch. Das ist keine Ausrede, die ich mir ausgedacht habe. Das Problem, was meiner Ansicht nach besteht, ist, dass kleine Gemeinden dieser Größenordnung regelmäßig bestimmte Probleme gar nicht mehr lösen können. Das hat mittlerweile sogar die Landesregierung und übrigens auch die CDU-Fraktion eingesehen, indem sie so etwas wie Landgemeinden kreierten und sagten, unter 3.000 geht es gar nicht mehr. Bei 3.000 Menschen können Sie nicht mehr jeden kennen und bei 3.000 Menschen haben Sie eine Wahlbeteiligung, die ähnlich ist wie bei 5.000 oder 10.000 Einwohnern. Auch das können Sie in Ihrem Buch gern nachlesen. Das heißt, das zentrale Thema sind zwei andere Aspekte bei der Frage gerade der Bürgermeisterwahl. Das Erste ist die Frage, Talente zu finden, die auch tatsächlich Bürgermeisterin oder Bürgermeister sein wollen und können. Ich will ja nicht ausschließen, dass auch in den Fällen, wo nur eine Person zur Wahl gestanden hat, genau die richtige Person zur Wahl stand, wo sich alle anderen gesagt haben, ich
brauche dagegen nicht anzutreten, dieser Mensch ist gut geeignet. Das gibt es tatsächlich, das kenne ich auch aus eigener Erfahrung, aber die Regel ist das nicht, und garantiert nicht in den Kommunen, in denen man mehr oder weniger auf Knien rutschend zu den Leuten gegangen ist und gesagt hat: Mach es bitte noch mal, du wolltest zwar nicht mehr, aber ohne dich haben wir gar keinen, der es machen will. Oder noch schlimmer ist, dass irgendwelche Namen auf irgendwelche Zettel geschrieben worden sind.
Nebenbei bemerkt haben auch einige meiner Vorredner zu Recht darauf hingewiesen, dass auch das Thema steht, dass man Talente auch aussuchen können muss, und zwar auch auf dem Wahlzettel. Das spricht alles für größere Strukturen.
Für größere Strukturen spricht auch, dass Menschen Verantwortung tragen wollen. Schauen Sie doch mal genau hin, wer als Bürgermeister kandidiert gerade in den Gemeinden, die in Wirklichkeit zweigeteilt sind - in das alte Dorf und das neue Dorf oder das alte Dorf und die neue Siedlung. Wer kandidiert für den Bürgermeisterposten? Ich sehe Kopfschütteln, Herr Emde, bei Ihnen. Aber, ich versichere Ihnen, auch diese Beispiele kennen wir, dass sich dieses Thema noch nicht gelöst hat, weil die Zugezogenen sagen: Diese Themen sind mir einfach zu popelig; ich möchte, wenn ich schon etwas tun kann, auch mehr tun können, als bloß die Frage zu klären, wann die Straßenreinigung eine Straße befährt oder nicht.