Protocol of the Session on October 16, 2013

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kinder der Erstaufnahmestelle besuchen weder den Kindergarten noch die Schule und Erwachsene sind bis auf wenige Arbeitsgelegenheiten in der Aufnahmestelle ohne Aufgaben. Die Stellen in Eisenberg sind meiner Meinung nach zu spät ausge

(Abg. Berninger)

schrieben worden. Die Besetzung hat sich außerdem als ausgesprochen schwierig erwiesen.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und was tun Sie dage- gen?)

Frau Siegesmund, lassen Sie mich doch einfach mal ausreden. Auch ich habe nur 5 Minuten.

Viele Gruppen haben sich klar positioniert. Es gab Gespräche im Saale-Holzland-Kreis, zum Beispiel mit dem Sozialausschuss vor Ort, mit Freundeskreisen, mit Flüchtlingsorganisationen. Änderungen wurden versprochen und eine Anregung war, die Asylsuchenden besser auf ihr Leben in Thüringen vorzubereiten, das ist umgesetzt worden durch die Einführung des Orientierungskurses für Erwachsene sowie für Kinder und Jugendliche.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das ist lächerlich, Frau Kanis.)

Damit, sage ich mal, ist ein kleiner Anfang gemacht.

Dass neue und weitere Unterbringungsmöglichkeiten für die Erstaufnahme gesucht wurden, war bekannt, aber auf Nachfragen gab es keine Antworten. Das Verfahren verlief völlig intransparent, bis es zu den Protesten in Beichlingen kam. Völlig unnötige Verunsicherung und eine Steilvorlage für die Verunsicherung der Bevölkerung durch nationalistische und rechtsradikale Kräfte war das in den Augen meiner Fraktion. Ich kenne das Objekt in Beichlingen nicht persönlich. Der Vergleich mit Rodacherbrunn im Saale-Orla-Kreis, der von Herrn Reinhardt gemacht wurde, hinkt aber schon aus dem Grund, dass es hier keine Gemeinschaftsunterkunft im Ort gegeben hat und auch keine Erstaufnahmestelle im Wald. Fehlende transparente Informationspolitik, deshalb konnten sich da auch teilweise falsche Vorstellungen von solch einer Einrichtung entwickeln. Solche Fragen sind in keiner Weise geklärt: Wie kommen die Asylantragsteller zum Bundesamt nach Hermsdorf? Wo müssen sie sich melden? Wo werden sie bei Aufnahme untersucht, zum Beispiel gegen TBC? Wer übernimmt die ärztliche Betreuung in der Aufnahmestelle? Und eines möchte ich auf alle Fälle noch anfügen, es gibt die Thüringer Verordnung über Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung. Damit wurde den Landkreisen, den Kommunen zu Recht auferlegt, wie die Gemeinschaftsunterkünfte auszustatten sind. Das ist nicht üppig, aber ich sage, das sollte der Standard sein, über den wir auch in der Erstaufnahmestelle reden, denn das Land muss sich nun einfach an seine eigenen Vorgaben halten und zumindest an die, die für eine Erstaufnahmestelle aus diesen Mindeststandards relevant sind. Erst dann ist auch klar, dass von unwürdigen Zuständen keine Rede mehr sein wird.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Abg. König, DIE LINKE: Kein Applaus.)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, liebe Studierenden, das Thema ist sehr wichtig und ich begrüße es sehr, dass diese Problematik im Thüringer Landtag immer wieder behandelt wird. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die in Deutschland Schutz suchen und dieser Verantwortung müssen wir uns auch stellen. Immer wieder hört man von Unterkünften, bei denen menschenunwürdige Bedingungen vorgefunden werden. Dies betrifft hygienische, baurechtliche Mängel, aber auch fehlende soziale Betreuung und Beratung.

Meine Damen und Herren, in einem Land, in dem es der Gesellschaft in weiten Teilen gut geht und welches in Europa als wirtschaftlicher Motor bezeichnet wird, sind solche Umstände nicht nur peinlich, sie sind beschämend.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Flüchtlinge, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind keine Menschen zweiter Klasse. Sie haben einen Anspruch auf würdevolles Leben und dem Anspruch sollten wir auch gerecht werden. Es kann nicht sein, dass Menschen, die unsere Hilfe suchen und brauchen, schlechte, manchmal sogar unerträgliche Lebensbedingungen vorfinden und dadurch sogar krank werden. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nach meiner Auffassung geht es bei Flüchtlingen gerade nicht nur um die Unterstützung durch finanzielle Mittel, sondern um Sicherheit, um ein menschenwürdiges Leben und um den Wunsch nach einem alltäglichen zwischenmenschlichen Zusammenleben. Wenn man den betroffenen Menschen die Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährt, ist nach unserer Auffassung schon viel erreicht. Das schafft man nicht, indem man eine Erstaufnahmeeinrichtung möglichst weit von einer Stadt entfernt oder an einem Ort integrieren möchte, der von seiner Infrastruktur her überhaupt nicht in der Lage ist, den Bedürfnissen der Flüchtlinge gerecht zu werden und der auch selbst gar nicht in der Lage ist, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Aber nicht nur bei der Landesregierung sehe ich Nachholbedarf.

Bei der einbringenden Fraktion sollte man sich noch einmal mit der Fraktionsvorsitzenden Frau Göring-Eckardt in Berlin ins Benehmen setzen. Ich habe letzte Woche, meine Damen und Herren, im

(Abg. Kanis)

ARD-Morgenmagazin zum Thema Flüchtlingspolitik gehört, was dort gesagt wurde. Das hat mich ein wenig erschüttert. Ich möchte es gern zitieren, Frau Präsidentin. Da heißt es: „Also ich glaube, das geht ja um zwei Punkte in diesem Bereich. Es geht einerseits darum, sind wir ein Land, das für Migrantinnen und Migranten offen ist, das Leute anzieht, die wir übrigens dringend brauchen, nicht nur die Fachkräfte, sondern weil wir auch Menschen hier brauchen, die in unseren Sozialsystemen zu Hause sind und sich auch zu Hause fühlen können?“ Meine Damen und Herren, wenn das die Antwort der Grünen auf die aufgeworfene Frage sein soll, wie wir den Menschen helfen können, hat Frau GöringEckardt meiner Meinung nach keine Vorstellung, worum es hier eigentlich geht.

(Beifall FDP)

Den Menschen geht es nicht darum, dass sie sich in unseren Sozialsystemen wohlfühlen wollen, sondern sie wollen Perspektiven und einen Platz in unserer Gesellschaft und den müssen wir ihnen geben und diese Perspektiven müssen wir ihnen geben.

(Beifall FDP)

Da, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sage ich, man sollte eben nicht den Anschein erwecken, als gehe es vorrangig um Einwanderung in die Sozialsysteme. Solche Aussagen werden von Rattenfängern ausgenutzt, um genau in die falsche Richtung zu argumentieren und auch Menschen in die Irre zu führen und auch Unsicherheiten,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die es unter der Bevölkerung unzweifelhaft gibt, auszunutzen. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wichtig, dass die Betroffenen wissen und auch spüren, dass sie eben keine Menschen zweiter Klasse sind, dass sie bei uns neuen Lebensmut entwickeln und sich auch mitgenommen, aber auch aufgefordert fühlen, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch noch ein Wort zu einem Brief sagen, den wohl viele von uns bekommen haben aus einem ganz rechtsradikalen Winkel.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dort stellen sich Leute hin und behaupten, dieses Land zu vertreten. Ich sage an dieser Stelle klar und deutlich: Jemand, der die Forderung aufmacht, frühere Grenzen Deutschlands wiederherzustellen, ist niemand, der dieses Land vertreten kann. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Ich habe jetzt keine Redemeldungen mehr aus den Fraktionen. Für die Landesregierung Herr Innenminister Geibert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, in der Zeit von Januar bis September 2013 haben insgesamt 74.194 Personen in Deutschland erstmalig Asyl beantragt. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2012 haben 40.201 Menschen um Asyl nachgesucht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da muss man fragen, was wohl die Ursachen dafür sind.)

Das heißt, die Asylbewerberzahlen sind innerhalb eines Jahres um 33.993 Personen und damit um knapp 85 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung stellt für alle Länder eine große Herausforderung dar. So wurden Anfang dieser Woche durch zusätzliche Wohncontainer weitere 84 Plätze in der Landesaufnahmestelle in Eisenberg geschaffen. Damit verfügt die Landesaufnahmestelle derzeit über 521 Unterbringungsplätze, von denen gestern 488 belegt waren. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre ist zudem davon auszugehen, dass die Zahl der Asylbewerber in den Herbst- und Wintermonaten noch weiter ansteigen wird. Es ist daher dringend geboten, zusätzliche Unterbringungskapazitäten vorzuhalten. Hierzu gibt es bereits konkrete Überlegungen, eine Entscheidung wurde aber noch nicht getroffen.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann machen Sie es doch!)

Die hohe, fast vollständige Auslastung der Landesaufnahmestelle ist natürlich nicht unproblematisch. Aufgrund der vom Land nicht beeinflussbaren kurzfristigen Zuweisung von Asylbewerbern war es etwa erforderlich, den Freizeitraum der Landesaufnahmestelle vorübergehend für eine Unterbringung zu nutzen. Eine derartige Notmaßnahme kann leider auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden.

Ungeachtet der schwerwiegenden Situation in der Landesaufnahmestelle möchte ich doch ausdrücklich betonen: Die Aufnahme und Versorgung der in der Landesaufnahmestelle lebenden Asylbewerber entspricht selbstverständlich voll und ganz den rechtlichen Vorgaben. Etwa die Hälfte der in Eisenberg aufgenommenen Asylbewerber sind Kinder und Jugendliche, die vielfach gesundheitlich angeschlagen sind. Diesem Umstand wurde Rechnung getragen und das medizinische Personal in der

(Abg. Bergner)

Landesaufnahmestelle aufgestockt. Neben zwei Krankenschwestern in Vollzeit steht ein Allgemeinmediziner zu folgenden Zeiten zur Verfügung: Montag von 12.00 bis 16.00 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 07.00 bis 16.00 Uhr, Mittwoch von 13.00 bis 16.00 Uhr und Freitag von 07.00 bis 12.00 Uhr. An Wochenenden wird im Bedarfsfall ein Bereitschafts- oder Notarzt angefordert.

Bedingt durch die hohe Arbeitsbelastung der in der Landesaufnahmeeinrichtung tätigen Mitarbeiter kann derzeit keine Kinderbetreuung angeboten werden. Dieser Umstand ist nicht zufriedenstellend, daher wird in Kürze eine Ausschreibung der medizinischen Versorgung wie auch der Sozialbetreuung vorgenommen werden. Anfang nächsten Jahres wird damit auch wieder eine qualifizierte Kinderbetreuung möglich sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei aller zum Teil berechtigten Kritik sollten aber auch positive Maßnahmen nicht unerwähnt bleiben. So werden seit Anfang September dieses Jahres in der Landesaufnahmestelle in Eisenberg Erstorientierungskurse für Erwachsene, Kinder und Jugendliche angeboten. In diesen Kursen werden Grundbegriffe der deutschen Sprache vermittelt und die Kinder und Jugendlichen auf den Schulbesuch vorbereitet. Die Erstorientierungskurse werden von professionellem Personal durchgeführt und erfreuen sich großer Beliebtheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Situation in der Landesaufnahmestelle in Eisenberg ist für die Asylsuchenden wie auch für die dort tätigen Mitarbeiter nicht einfach; unwürdig sind die Zustände aber nicht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sieht aber Ihr Koaliti- onspartner anders.)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Ich habe keine weiteren Redeanmeldungen. Damit schließe ich auch diesen Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den dritten Teil

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Ursachen und Konsequenzen sowie das Zusammenwirken von Rettungskräften und Informationspolitik staatlicher Stellen beim Brand in der Müllverbrennungsanlage Zella-Mehlis“

Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/6747

Danke, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, Sie haben das alle mitverfolgt in den Medien, vom 4. bis zum 6. Oktober brannten im Bunker der Müllverbrennungsanlage in Zella-Mehlis ungefiltert ca. 5.000 Tonnen Müll. Das war nicht der erste Brand in der Müllverbrennungsanlage, aber er war besonders langwierig, 38 Stunden insgesamt, und er erregte enormes öffentliches Interesse bzw. Aufmerksamkeit, weil es über einen langen Zeitraum zu einer großen Beeinträchtigung der Bevölkerung durch die Rauchschwaden gekommen ist und weil die Menschen Angst hatten vor möglichen entweichenden giftigen Gasen und auch Angst haben und hatten vor Gesundheitsgefährdung, sowohl einer möglichen akuten wie auch gegebenenfalls einer längerfristigen. Wir wollen mit der Aktuellen Stunde heute dazu beitragen, dass aufgeklärt wird, dass gesprochen wird über Ursachen, Konsequenzen, auch Fehler möglicherweise benannt werden, und dass man aus solchen Vorkommnissen lernen muss. Das ist notwendig, weil ich meine, und das hat sich in den Medien widergespiegelt, dass es zu einer miserablen Informationspolitik unmittelbar nach dem Ausbruch des Brandes gekommen ist, und weil es aus unserer Sicht eine ungenügende und zeitlich sehr verzögerte Kommunikation mit der Bevölkerung gegeben hat. Also die Fragen waren einfach schneller da, die Forderungen, jetzt muss gehandelt werden, als überhaupt Informationen eine Rolle gespielt haben. Außerdem steht die Frage nach einer unzureichenden Koordinierung aller Akteure, der Wahrnehmung der Verantwortung natürlich zuallererst des Betreibers, des Zweckverbandes für Abfallwirtschaft, aber eben auch das Zusammenspiel mit allen verantwortlichen Akteuren des Brand- und Katastrophenschutzes.

(Zwischenruf Abg. Baumann, SPD: Das stimmt überhaupt nicht!)