Protocol of the Session on October 16, 2013

Ich frage mich, wo hat er da recht, meine sehr geehrten Damen und Herren gerade aus der CDUFraktion, wenn es dann doch Anfang September, sprich wenige Wochen später, erneuter Proteste derjenigen bedurfte, die derzeit in der Erstaufnahme in Eisenberg untergebracht sind? Wir alle haben die Fotos bekommen, die deutlich zeigen, dass teilweise bis zu 40 Menschen in einem Raum untergebracht sind. Es gibt keinerlei Privatsphäre, es gibt keine Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Es sind aus unserer Sicht in der Tat unwürdige, unmenschliche Zustände, unter denen die Betroffenen dort leben müssen.

(Beifall DIE LINKE)

(Minister Dr. Voß)

Wo oder wie hat denn da die Landesregierung reagiert? Sollen etwa die paar Container, die aufgestellt wurden, tatsächlich die Lösung für das Problem, das diagnostiziert wurde, gewesen sein?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir jedenfalls meinen, es braucht ein grundsätzliches Umdenken im Umgang mit Flüchtlingen und auch und gerade bei der Erstaufnahme. Unsere allererste Forderung lautet selbstverständlich, dass die unwürdigen Zustände in Eisenberg sofort beseitigt werden, und zwar in jeder Hinsicht. Das betrifft sowohl die medizinische Versorgung, die völlig unzureichend ist. Das betrifft die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln, mit Essen, wie sie die Flüchtlinge dort Tag für Tag erleben müssen. Das betrifft die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten, das betrifft aber auch die fehlende Betreuung und natürlich die Möglichkeit, überhaupt zur Kontaktaufnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben.

Wenn wir uns allerdings anschauen, was im Moment auch in Thüringen passiert, müssen wir uns in der Tat, meine ich, große Sorgen machen. Denn wir erleben an vielen Orten, auch in Thüringen, derzeit, ich kann es nicht anders nennen, rassistische Demonstrationen, die beispielsweise vor Unterkünften stattfinden, in denen sich die Flüchtlinge befinden, in die sie verteilt wurden. Dies können und wollen wir als Thüringer Landtag so nicht hinnehmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus unserer Sicht ist es unsere Pflicht, die Menschen, die in die Erstaufnahme kommen, schnellstmöglich menschenwürdig umzuverteilen, und sie unterzubringen, und zwar dezentral in Wohnungen und nicht in weiteren lagerähnlichen Unterkünften.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da ist eine weitere Landesaufgabe selbstverständlich, die Kommunen auch so auszustatten, dass sie die Flüchtlinge gut aufnehmen können. Wenn wir dann über die Flüchtlinge und die Bedingungen, unter denen sie leben müssen, sprechen, gilt es natürlich, auch hier ganz genau hinzuschauen, was das eigentlich konkret bedeutet. In Eisenberg hat ein Flüchtling bei einer Vollbelegung - und wir haben im Moment eine massive Überbelegung - gerade einmal vier Quadratmeter Platz zur Verfügung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da kann man nicht von menschenwürdigen Zuständen sprechen und ich meine, dass sich unser Land derartige Zustände im Umgang mit Menschen nicht leisten kann und darf. Es war auch schon lange klar, dass es mehr Asylsuchende geben wird und gerade jetzt, wo wir wissen, dass Millionen von Menschen beispielsweise aus Syrien auf der Flucht sind, wo der Winter naht, wird die Zahl von Asylsuchenden auch weiter steigen. Hier sind wir gefordert, tatsächlich gute menschenwürdige Rahmenbedingun

gen zu schaffen und die Menschen, die fliehen mussten, hier auch willkommen zu heißen. Denn, wie sagte unsere Ministerpräsidentin zum Thüringen-Monitor 2012, ich zitiere: „Darüber hinaus ist aber auch jeder Einzelne gefordert. Es liegt an uns allen, ob unsere Gesellschaft durch eine Willkommenskultur geprägt wird oder nicht, ob wir Fremde zu Freunden werden lassen oder nicht.“ Wenn wir sie zu Freunden werden lassen, und das wollen wir ausdrücklich, müssen wir aber auch entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, sind auch wir als Politik gefordert und hoffe ich, dass wir in der Tat auch zusammenstehen, damit wir beispielsweise Nazis und Rassisten keinen Raum lassen, um gegen diese Menschen, die hier Zuflucht suchen, zu polemisieren und zu mobilisieren, die tatsächlich die Schwächsten in unserer Gesellschaft sind. Eine Gesellschaft muss sich natürlich immer daran messen lassen, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Holbe das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren. Frau Rothe-Beinlich, Sie haben das Thema noch einmal in Ihrer Drucksache „Unwürdige Zustände bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen was tut die Landesregierung?“ beschrieben. Kritisiert werden die Überbelegung der Räumlichkeiten, die fehlende Privatsphäre, schlechte, unzureichende Mahlzeiten, mangelnde medizinische Betreuung.

Wie auch von unserem Innenminister Jörg Geibert geäußert, stellt der bundesweit anhaltend hohe Zustrom von Asylflüchtlingen die Bundesländer vor große Herausforderungen und somit auch Thüringen. Dennoch setzt die Landesregierung alles daran, ausreichend Plätze zur Aufnahme dieser Menschen zur Verfügung zu stellen. So wurden die beiden großen Kirchen, aber auch das Thüringer Liegenschaftsmanagement, die LEG, angeschrieben mit der Bitte, leer stehende Objekte in ihren Liegenschaften zu benennen, die geeignet wären, Flüchtlinge aufzunehmen. Bisher kann man nur auf eine Antwort der katholischen Kirche verweisen, die ein Objekt mit ca. 50 Betten Platzkapazität angeboten hat. Das fließt natürlich in die Prüfung ein. Die landeseigenen Liegenschaften wurden benannt und werden geprüft. Dabei, denke ich, sollten insbesondere die landeseigenen Baulichkeiten Vorrang genießen, einfach wegen des schnellen Zugriffs, der schnellen Verfügbarkeit, der Kosten der Herrichtung. Asylbewerber erhalten bei uns seit September 2013 im Rahmen der Willkommenskultur einen ersten Orientierungskurs, damit sie sich in der für sie

(Abg. Rothe-Beinlich)

neuen Umgebung besser zurechtfinden können. Besonders in den ersten Wochen kümmert sich der Freistaat also in bestmöglicher Art und Weise um die Neuankömmlinge, auch und besonders dann, wenn viele der Betroffenen mangels fehlender Asylgründe später wieder abreisen müssen.

Betreffs weiterer Unterbringungsmöglichkeiten in der Landesaufnahmestelle Eisenberg hat das Innenministerium, wie Sie auch festgestellt haben, winterfeste Wohncontainer bereitgestellt. Damit hat sich die Kapazität in Eisenberg auf 521 Menschen in der Unterbringung erhöht. Zurzeit sind es 488 Bewohner, die - man muss das auch erwähnen zeitweilig hier untergebracht werden, bis ihr Status anerkannt wird und sie dann weiter an die Landkreise verteilt werden, dort in Gemeinschaftsunterkünften wohnen und von dort aus die Aufteilung auch in eigene Wohnungen erfolgen kann.

Der Flüchtlingsrat hat - Sie haben es auch gerade erwähnt - die gesundheitlichen Untersuchungen kritisiert. Hier ist mittlerweile Abhilfe geschaffen worden. Es ist eine zweite Krankenschwester und eine halbe Arztstelle eingerichtet worden, so dass sich die Situation verbessert hat.

Wir wissen, dass sich der Zustrom der Flüchtlinge weiter erhöht und dass auch eine weitere Unterkunft hier gefunden werden muss. Im Gespräch ist derzeit das Kinder- und Jugenddorf Beichlingen im Kreis Sömmerda und ich hoffe, da ich die Situation auch dort in diesem Ort kenne, dass man geeignetere Objekte finden wird. Zum einen ist der Hauptort nur mit ca. 570 Einwohnern bestückt und diese Zahl stellt zu den zu erwartenden und aufzunehmenden Asylbewerbern - 250 - für mich doch ein großes Ungleichgewicht dar. Auch die Anbindung ÖPNV, die medizinische Versorgung, Betreuung, die Einbindung in das soziale Umfeld stelle ich mir in diesem kleinen Ort am Rande der Hohen Schrecke schwierig vor, zum anderen auch deshalb, weil wir gerade mit der Hohen Schrecke die zweite Tranche von 10 Mio. zur Förderung eines Naturschutzgroßprojekts bekommen haben. Nun hat das eine mit dem anderen nichts zu tun, aber, ich denke, die Propaganda, die hier mitlaufen wird, ist gerade nicht förderlich für die Hohe Schrecke.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GÜNEN: Das ist echt nicht wahr.)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schadet dem Naturschutz, oder was?)

Es ist festzustellen, dass sich das Ministerium intensiv darum kümmert, hier weitere Verbesserungen durchzuführen. Ich denke, wir brauchen uns auch nicht darüber zu streiten, dass wir natürlich Asyl gewähren wollen hier in Thüringen für Menschen, die von Verfolgung, Todesangst und Unter

drückung bedroht sind. Deshalb stelle ich fest, dass die Thüringer Landesregierung das Menschenmögliche tut und den Flüchtlingen in der Landesaufnahmestelle und in einer künftigen Außenstelle entsprechend ihren Bedürfnissen Quartier gibt. Danke.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Berninger das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Aktuelle Stunde - Frau Rothe-Beinlich hat das selbst schon einschränkend bemerkt - ist nicht geeignet, das Thema einer menschenunwürdigen und humanitären Aufnahme von Flüchtlingen zu diskutieren, und zwar aus zwei inhaltlichen Gründen:

1. Die Missstände in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenberg sind einfach zu groß für eine fünfminütige Debatte, wo dann am Ende nicht mal ein Ergebnis herauskommt.

2. Eine verkürzte Debatte um die Erstaufnahme wird populistische Äußerungen hervorrufen, die sich auf dem Niveau der Äußerungen a` la eine offene Grenze für Wirtschaftsflüchtlinge sei keine Lösung des Apoldaer Landrats bewegen, die inhaltlich ganz nah dran sind an beispielsweise der NPD, die in den letzten Wochen vor Unterkünften von Flüchtlingen unter der Losung „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt“ aufmarschierten.

Die Fraktion DIE LINKE will das Thema ausführlich und angemessen diskutieren und hat deswegen einen Antrag gestellt, dass wir uns im Innenausschuss, der zuständig ist, damit befassen.

Solche populistischen Äußerungen haben wir auch erleben müssen, die Reproduktion diskriminierender Vorurteile, wo sich dann auch solche Menschen einreihen lassen müssen, die - selbstredend ohne sich gegen Asylbewerberinnen aussprechen zu wollen - sich dahin gehend geäußert haben, dass ich will das auch zitieren - mit der Aufnahme von Flüchtlingen „Bemühungen für einen naturnahen und sanften Tourismus die Naturschutzgroßprojekte ‚Hohe Schrecke - Alter Wald mit Zukunft’, die sogar bundesweit preisgekrönt wurden, derart hintertrieben werden. Sollte es dazu kommen, dass diese Erstaufnahmeeinrichtung im Kinder- und Jugenddorf umgesetzt wird, können wir das alles vergessen, genauso wie Zuzüge in unser Wohngebiet, dann kommt keiner mehr zu uns, kein Tourist und keine junge Familie.“, so der Bürgermeister von Beichlingen. Wenn Sie, Frau Holbe, jetzt in diese Kerbe noch mit hineinhauen, dann finde ich das einfach unerträglich.

(Abg. Holbe)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

In die Reihe der Reproduktion der diskriminierenden Vorurteile fällt auch die Äußerung des zuständigen Referatsleiters im Landesverwaltungsamt, des Herrn Reinhardt, der ein Ansteigen der Flüchtlingszahlen im Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum menschenwürdigen Existenzminimum sieht und damit in die rassistische Kerbe des Vorurteils schlägt, die Menschen kämen alle nur hierher, um den Sozialstaat auszunutzen. Auch das ist unerträglich. Wie das der Innenminister einfach so unwidersprochen hinnehmen kann, kann ich nicht verstehen.

Meine Fraktion, meine Damen und Herren, sieht einen Zusammenhang mit menschenunwürdigen Zuständen für Sinti und Roma in Serbien und in Mazedonien, aber auch in den Regionen des Kaukasus, in Russland. Wir sehen einen Zusammenhang mit dem blutigen Bürgerkrieg in Syrien, vor dem mehr als zwei Millionen Menschen aktuell auf der Flucht sind. Wenn wir uns die Zahl der Anerkennungen in der Bundesrepublik Deutschland ansehen: Im Moment, 2013, sind 27 Prozent der Entscheidungen dergestalt getroffen, dass den Menschen ein Schutzstatus zuerkannt wird. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass hier noch zusätzlich über die Familienmitglieder mit entschieden wird, erhöht sich die Zahl noch einmal. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass längst nicht alle Asylverfahren entschieden sind, die in diesem Jahr angestrengt wurden, erhöht sich die Zahl noch einmal.

Dann kommen wir zu dem logischen Schluss, meine Damen und Herren: Nicht die Einhaltung der Menschenwürde in der Bundesrepublik führt zur Flucht, sondern die Missachtung der Menschenwürde in den Herkunftsländern. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein, egal ob wir über Erstaufnahme reden oder über Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen hier in Thüringen oder in der Bundesrepublik. Dann kommen wir nämlich auch zu anderen Bewertungen als der Bundesinnenminister, dessen Bewertung aus der Europäischen Kommission heraus zu Recht als Bierzeltäußerung charakterisiert wurde.

Um gleich noch etwas zu den Zahlen zu sagen: Ja, sie sind in der Tat angestiegen und sie liegen höher als im Jahr 2007, als weniger als 20.000 Asylerstanträge in der Bundesrepublik gestellt worden waren. Die Antragstellungen werden sich für 2013 aber immer noch unter dem Niveau der Jahre 1998 und 1999 und in etwa auf dem des Jahres 2001 bewegen.

Meine Damen und Herren, wer angesichts dessen die Vokabeln der frühen 90er-Jahre, die zu Rostock, Hoyerswerda, Solingen oder Mölln geführt haben, hervorholt, ist ein gefährlicher Brandstifter oder eine gefährliche Brandstifterin.

Meine Damen und Herren, nun noch ganz kurz zur Erstaufnahmeeinrichtung. Frau Holbe, auch wenn da kleine kosmetische Reparaturen vorgenommen wurden mit einer Krankenschwester oder einer halben Arztstelle, bleibt die medizinische Versorgung dennoch äußerst unzureichend.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es bleibt die Unterbringungssituation unzureichend, es bleibt die Vorbereitung auf ein Leben hier in Thüringen unzureichend. Das geht leider nicht in fünf Minuten zu diskutieren. Wir hoffen auf eine spannende produktive Diskussion im Innenausschuss und ich will einfach nur appellieren: Gehören Sie nicht zu den Brandstifterinnen, Frau Holbe!

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Hey, was soll denn das?)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Kanis das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage heißt: Unwürdige Zustände bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen - was tut die Landesregierung? Hier ist eigentlich die Frage: Was tun das Innenministerium und das Landesverwaltungsamt?

Wir haben seit längerer Zeit eine Petition zu den Bedingungen in der Erstaufnahmestelle in Eisenberg. Sie war mehrmals Thema, der Petitionsausschuss war vor Ort. Ich selbst habe mehrmals die Einrichtung besucht. Die Bedingungen dort haben sich analog zur Belegung stetig verschlechtert. Sozialräume sind weggefallen, die heute für die Unterbringung genutzt werden. Die Enge ist überall zu spüren. Die erhöhte Nutzung der Sanitäranlagen, das Geschrei im Speiseraum, es sind keine Schlafräume, sondern eher Schlafsäle entstanden. Wir konnten uns überzeugen, dass die Privatsphäre nur durch Bettlaken um die Doppelstockbetten, wenn überhaupt, hergestellt wurde.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was tun Sie dagegen?)

Freiräume findet man nur bei einem Gang durch die Stadt. Ich habe die Belegungszahl 488 gehört, das ist unzumutbar.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)