Protocol of the Session on March 22, 2013

(Beifall FDP)

Ich sage Ihnen auch, wenn Sie das könnten, würde ich Respekt zollen und sagen, gut, dann ist das so. Ich sage Ihnen aber, Sie haben eben nicht die erforderlichen sorgfältigen Grundlagen und versuchen, sich vorbeizumogeln.

Meine Damen und Herren, ich finde, der Respekt vor dem Rechnungshof gebietet auch, sich ernsthafter mit dessen Kritik auseinanderzusetzen. Ich sage nicht, dass nicht am Ende solide Fakten für den Neubau auf der grünen Wiese sprechen könnten, aber ich sehe sie noch nicht vorliegen, diese soliden Fakten und denke, dass wir dort wirklich noch erheblichen Diskussionsbedarf haben. Herr Staatssekretär, wenn Sie vorhin gesagt haben, weil in den bestehenden Justizvollzugsanstalten für Häftlinge aus Thüringen keine heimatnahe Unterbringung möglich ist, dann schaffen wir sie nach Sachsen, dann ist das eine Logik, die kann ich nicht ganz verstehen.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf aus dem Hause)

Ja, ich rede von Ostthüringen, die ganze Zeit bei diesem Antrag. Ich sage Ihnen, in Ihrem eigenen Interesse müssen Sie unsere Fragen beantworten und solide, prüfbare Variantenvergleiche vorlegen. Man kann sich, meine Damen und Herren, das behalte ich mir auch vor, bei Entscheidungsprozessen irren. Einen Weg aber unbeirrt weiter zu beschreiten, obwohl man merkt, dass viele Dinge nicht sauber geklärt sind, führt in die Sackgasse.

(Beifall FDP)

Stattdessen zu prüfen, vielleicht auch mal innezuhalten und zu schauen, Entscheidungen zu korrigieren, das ist in meinen Augen keine ehrenrührige Handlungsweise. Sie spräche vielmehr für Verantwortungsbewusstsein und würde mir Achtung abringen.

Ich für meinen Fall kündige an, dass ich jedoch Ihre Einladung für die Ausschussmitglieder von meiner Person her gern annehmen würde und rege an, dass der Ausschuss das auch tun sollte. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Marx das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Bergner, also wenn man das jetzt alles mal so eindampft, was Sie hier gesagt haben, dann geht es eigentlich darum, dass Sie aus kommunalpolitischer Verbundenheit sagen, Hohenleuben wäre doch eigentlich auch gegangen - ja, Punkt.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Hören Sie auf, mir etwas zu unterstellen.)

Das ist doch eigentlich so die Essenz.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Haben Sie die ganze Zeit nicht zugehört?)

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Dann ha- ben Sie es nicht verstanden.)

Na ja, ich habe es nicht verstanden, das ist Ihre Meinung. Aber dass Sie sagen, dass ein so was von akribisch und detailgenau hier vorgetragener Bericht immer noch irgendwie oberflächlich sei und die Kernfragen nicht beantwortet hätte...

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Leistungs- phase 1, wissen Sie, was das ist?)

Ja, na klar, Architektenrecht, HOAI, Grundlagenermittlung, genau. Dann sind Sie der Baufachmann?

(Abg. Bergner)

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Da ist noch nicht mal ein Bleistiftstrich gemacht.)

Ja, und Sie möchten das sozusagen aus baufachlicher Sicht infrage stellen, die Richtigkeit der Prüfung.

Ich möchte Ihnen aber sagen, dass wir ganz lange hier eine politische Vorprüfung gemacht haben und dass die Würfel gefallen sind für den Neubau einer Anstalt, einer gemeinsamen Justizvollzugsanstalt der Freistaaten Sachsen und Thüringen. Das ist ein sinnvolles Kooperationsprojekt von mehreren Bundesländern. Die Haftbedingungen in Thüringen müssen den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs entsprechen. Mehrfachbelegungen sind abzuschaffen und es ist die Ertüchtigungsprüfung gelaufen - Sie sagen, sie war falsch und kostenintensiv und dringende Modernisierungsmaßnahmen in bestehenden Haftanstalten aus Thüringen sind nach der Prüfung ausgeschieden. In den Jahren 1999 bis 2009, die letzten zehn Jahre, bevor die Koalition hier das Heft in die Hand genommen hat, wurde kaum in die Gebäudesubstanz der bestehenden Haftanstalten investiert und die gerade genannten Ziele können deswegen nicht verwirklicht werden. An diesem Fakt können wir heute nicht mehr vorbei.

Übrigens bestand auch schon in der 4. Wahlperiode die Zielsetzung, im Strafvollzug die alten Justizvollzugsanstalten Hohenleuben und Gera durch einen Ersatzneubau aufzugeben. Also die waren dann genauso blöd wie Sie jetzt glauben, dass ich es sei.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das habe ich doch gar nicht gesagt.)

Der Herr Kollege Scherer hat das auch schon in seiner Rede zum Doppelhaushalt 2013/2014 bereits ausführlich erläutert. Ja, Sie sagen doch, wer das ordentlich baurechtlich macht, der muss nach Hohenleuben. Geben Sie es doch zu, das ist doch das Ziel.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Nein, das habe ich nicht gesagt, das können Sie nach- lesen.)

Na gut. Jetzt haben wir diesem Vorhaben eines Ersatzneubaus Priorität verschafft und die Fraktionen von CDU, LINKE und SPD waren sich in der Vergangenheit auch stets einig, einen Ersatzneubau für Hohenleuben und Gera zu realisieren. Ich denke, die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sehen dies mit Ausnahme von Herrn Bergner aus Hohenleuben im Grunde ja ebenso.

Seit dem 24. Januar 2013 haben wir nun ein 12-seitiges Beratungsgutachten des Präsidenten des Thüringer Rechnungshofs vorliegen mit dem Titel „Wie viele Haftplätze braucht das Land?“. Das war der äußerliche Anlass, um noch mal die Grundsatz

debatte von Ihnen aufzunehmen. Schade, dass Herr Dette heute nicht da ist. Er verbringt ja sonst gern viel Zeit hier mit uns im Parlament. Ich hätte gedacht, er sitzt heute hier. Sein Stellvertreter sitzt auf dem Balkon, hallo, Herr Gerstenberger.

Die Prognose des Thüringer Rechnungshofs zur Entwicklung der Gefangenenzahl sollte aus unserer Sicht aber mit großer Vorsicht genossen werden, dazu ist auch schon einiges gesagt worden. Meine Kollegin Sabine Friedel aus Sachsen hat gesagt, der Rechnungshof mag viel von Zahlen verstehen, vom Fach aber versteht er nichts. Das heißt, der Rechnungshof kann sich bei dem Strafvollzug nicht nur mit Zahlen befassen, sondern müsste auch inhaltlich prüfen. Nach den Angaben des Thüringer Rechnungshofs könnte man auch tragbare Haftbedingungen durch den Ausbau der bestehenden Justizvollzugsanstalten in Thüringen herstellen, das sei wirtschaftlicher und würde den Prognosen für die Zukunft im Hinblick auf die Gefangenenzahlen besser Rechnung tragen. Vorgeschlagen wird zum Beispiel der Bau eines neuen Hafthauses in SuhlGoldlauter mit 100 Plätzen. Die SPD stimmt diesen Behauptungen eindeutig nicht zu. Die gemeinsame JVA soll die zu schließenden Anstalten ersetzen. Durch den Neubau können angemessene Haftbedingungen und gute Resozialisierungsmaßnahmen ermöglicht werden. In Gera fehlt es an Erweiterungsmöglichkeiten, in anderen Haftanstalten auch, zum Beispiel für dringend notwendige Arbeits- und Therapiemöglichkeiten. Für die Gefangenen in Gera bleibt dort wie auch immer kritisch die unmittelbare Sichtnähe der JVA zu Wohnungen der Geraer Bevölkerung.

Der Standort in Hohenleuben ist nur bedingt für weitere Umbauten geeignet, um genügend moderne Einzelhaftplätze zu schaffen. Wie bereits bekannt müssten zudem über 2 Mio. € allein in die Außenmauer der JVA investiert werden. Insgesamt würden dringend notwendige bauliche Investitionen an bestehenden Standorten sehr viel kosten, ohne dass damit schon eine wirkliche Verbesserung der Vollzugsbedingungen eintreten könnte. Ein weiteres Argument gegen das Aufrechterhalten und Erweitern der bestehenden Anstalten ist ihre geringe Größe, zum Beispiel machen Investitionen in Sportanlagen oder Therapiemaßnahmen für die Gefangenen wirtschaftlich nur dann Sinn, wenn es auch eine ausreichend große Anzahl an Nutzern gibt. Das ist bei kleineren Anstalten nicht gegeben. Die Investitionen wären aber dennoch dringend notwendig und geboten, um einen angemessenen Strafvollzugstandard sicherzustellen. Der Vorschlag des Rechnungshofs wird somit den Anforderungen an einen zeitgemäßen Strafvollzug und eine notwendige gute Resozialisierung der Täter nicht gerecht.

Durch den Neubau werden rund 330 Haftplätze weniger als jetzt in den Altbauten vorhanden sein und

damit wird der demografischen Entwicklung bereits ausreichend Rechnung getragen. Die anderslautenden Prognosen des Rechnungshofs, ein noch stärkeres Zurückfahren der Zahl potenzieller Häftlinge, sind nicht überzeugend. Der Rechnungshof geht davon aus, dass es durch die schwindende Bevölkerung auch geringere Gefangenenzahlen geben wird. Es besteht jedoch keine Kausalität von Gefangenenzahlen zu demografischer Entwicklung. Staatssekretär Herz hat dazu schon ausdrücklich ausgeführt. Andere Kollegen haben darauf Bezug genommen.

Es gibt vielfältige Einflussfaktoren auf Kriminalitätsentwicklung, Demografie ist nur einer davon, die kaum prognostizierbar sind. Dazu gehören neue Formen von Kriminalität, eine Veränderung der Altersstruktur - länger fit und länger kriminell bleiben, könnte man vielleicht im Scherz sagen, es gibt nicht nur den großen Buckel nur noch bei den jungen Altersgruppen -, wirtschaftliche Entwicklungen, soziales Klima, das Spruchverhalten der Gerichte, neue Straftatbestände, eine gesteigerte Aufklärungsquote bei Straftaten - die wir uns ja auch alle wünschen - und die gesellschaftliche Entwicklung. Es wäre also deswegen falsch, eine weitere Reduzierung der Haftplätze über die bisher eingeplante Reduzierung hinaus zu fordern. Es ist auch nicht zielführend, die Anzahl der Haftplätze knappzuhalten, hohe Auslastung der Gefängnisse führt zu schlechterer Aufgabenbewältigung, führt möglicherweise auch zur Verlängerung der Zeit zwischen Urteilsspruch und möglichem Haftantritt und deswegen auch zu schlechteren Haftbedingungen.

Letztendlich ist es eben auch nicht zukunftsorientiert, ich habe es schon gesagt und viele Kollegen auch, an bestehende Haftanstalten anzuflicken. Das ist kein Bauproblem. Da kann man also nicht in Google-Earth, wie Sie, Herr Bergner, sagten, von oben schauen, dass da Platz ist. Es geht nicht nur um Raum, es geht auch um Qualität. Den Anforderungen kann man mit einer von zwei Ländern gemeinsam getragenen Haftanstalt weit besser Rechnung tragen. Durch die genannten Gründe ist der geplante Neubau dem Vorschlag des Rechnungshofs vorzuziehen. Wir tun also gut daran, dem Zahlenwerk des Thüringer Rechnungshofs mit gebotener Skepsis zu begegnen.

Das Einzige, was an Wermutstropfen bleibt, und was wir als SPD natürlich auch besonders ernst nehmen, sind natürlich die Ängste der Thüringer Strafvollzugsbeamten. Wir haben bereits im Dezember 2012 ausführlich auf entsprechende Schreiben des Bundes der Strafvollzugsbeamten, des Thüringer Beamtenbundes geantwortet. Wir haben natürlich alle gemeinsam die Aufgabe, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Justizvollzugsanstalten in Gera und Hohenleuben auf dem Weg zu einem Ersatzneubau in Zwickau-Pöhlau ideell, innerlich, aber auch real mitzunehmen. Der Justiz

und Verfassungsausschuss hat sich schon mehrfach ausführlich mit dem Thema befasst. Darauf ist auch schon Bezug genommen worden. Wir haben das auch weiter auf der Tagesordnung und ich beantrage für meine Fraktion deswegen die über das Berichtsersuchen hinausgehenden Anträge der FDP hier im Plenum abzulehnen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Abgeordneter Carsten Meyer.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema ist es wert, 90 Minuten darüber zu sprechen, der Antrag nicht, das Thema sehr wohl und ich hoffe, dass wir das Thema dann damit auch bis zum nächsten Planstand hier in diesem Hause ausführlich diskutiert haben. Ich will nichts von dem, was drei meiner vier Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben, wiederholen, wenn es irgendwie geht, weil Sie alle recht damit hatten, bis auf Herrn Bergner.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich, klar. Hier gibt es, wie ich glaube, eine ganz große Koalition der Vernunft zu diesem Thema.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Ach ja?)

Doch, das meine ich tatsächlich, Herr Bergner. Dass Sie das nicht sehen, das habe ich auch verstanden, aber das meine ich trotzdem. Wir reden hier von einem Jahrhundertbauwerk, wenn es auch ein bisschen merkwürdig klingt, das bei einer Justizvollzugsanstalt zu sagen. Aber die wird regelmäßig sehr massiv gebaut und soll auch 100 Jahre halten. Das gilt ja nicht für jedes Gebäude, was man heutzutage erbaut. Na, ja, Architekten wackeln mit dem Kopf, das stimmt schon.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Das ist ein Vorurteil.)

Aber ehrlich, was Sie heute bauen, Architekten, hält 50 Jahre vielleicht. Das ist eine Unterstellung, ich weiß. Ich nehme das zurück. Alle Architekten im Raum möchten sich bitte nicht angesprochen fühlen.

Es ändert nichts daran, eine Justizvollzugsanstalt soll 100 Jahre und länger halten. Damit ist eigentlich auch schon das ganze Thema Kapazität und sonst was erschlagen, denn Sie können sich mal vorstellen, wie jemand 1913 darüber gedacht hat, wie er eine Justizvollzugsanstalt baut mit Ländergrenzen. Oder meinetwegen auch, wenn wir nur

(Abg. Marx)

50 Jahre zurückgehen, 1963. Da merkt man einmal, wie idiotisch die Frage überhaupt ist, über Ländergrenzen zu diskutieren und Standorte deshalb zu organisieren. Um so vernünftiger ist es, über Kapazitätsfragen zu reden und dort auch zu überlegen, dass eben auch die Kapazitätsfragen 1913 und 1963 für die Justizvollzugsanstalten durchaus anders diskutiert worden sind als heute und es wahrscheinlich auch anders werden wird, wenn man im Jahr 2063 einmal wieder über das Thema diskutiert. Da ist diese Justizvollzugsanstalt dann vielleicht 50 Jahre alt. Deshalb die Kapazitätsfrage. Ich bin da sehr skeptisch gewesen, ich lasse mich von Herrn Prof. Herz gern eines anderen belehren. Aber solange wir noch zwei, freundlich formuliert, suboptimal ausgestaltete und zur Unterbringung geeignete Justizvollzugsanstalten in Thüringen haben, brauchen wir uns über die Frage der Reduzierung von Kapazitäten keine Gedanken zu machen, solange wir sicher wissen, dass wir aber in Ostthüringen auf jeden Fall Kapazität brauchen. Diese neue Justizvollzugsanstalt zwischen Sachsen und Thüringen auch dann „zu füllen“, dürfte auch bei meiner pessimistischen Annahme oder wenn Sie so wollen, optimistischen des Rückgangs der Deliquentenzahlen möglich sein. Da sparen wir uns ein paar Haftplätze mit Vierfachbelegung in anderen Justizvollzugsanstalten ein.