Einen dritten Punkt will ich noch nennen, dass bei Sozialleistungen natürlich in besonderer Weise das Gleichheitsgebot gilt und die Tatsache der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet. Und da wird es schwierig, da muss ich mal sagen, so gut wie es in Jena läuft,
meine Kollegin Lukin könnte das sicherlich noch vertiefen, Jena ist aber nicht der Maßstab, wenn man über die Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen überall redet.
Es ist natürlich auch zu befürchten, dass eine einheitliche Rechtsanwendung im Bund sehr gefährdet ist. Obwohl der Bund maßgeblich die Kosten der Grundsicherung zu tragen hat, fallen die Finanz- und Fachverantwortung natürlich auseinander.
Mit dem Vorschlag, jetzt die bestehenden Optionskommunen zu entfristen und möglicherweise auch weiteren die Möglichkeit zu geben, denke ich, ist ein Weg gezeigt und aufgemacht. Nicht die Verwaltungs- und die Strukturfragen sind für uns das Entscheidende,
sondern die wirkliche Verbesserung der Lebenssituation der Menschen. Herr Günther, auch wenn Sie es nicht hören wollen, wir bleiben dabei, Hartz IV gehört langfristig abgeschafft.
Danke, Frau Abgeordnete Leukefeld. Wir haben noch sieben Minuten. Gibt es noch Wortmeldungen der Abgeordneten? Ich sehe die Wortmeldung der Landesregierung. Bitte, Herr Minister Machnig.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist schon ein besonderes Schauspiel, das wir heute erleben; ein Schauspiel, das uns von den Gelben hier vorgetragen wird, das Schauspiel nämlich, dass eine Partei mit so großer sozialpolitischer Tradition, mit so großen sozialpolitischen Vordenkern wie Otto Graf Lambsdorff, wie Jürgen Möllemann und wie in jüngster Zeit der Parteivorsitzende der FDP, Herr Westerwelle, uns hier vorgeführt haben.
Ich will in diesem Kontext daran erinnern, was wir da gerade alles lesen mussten an sozialpolitischen Grundsatzpositionen der Liberalen. Ich will einfach mal zitieren aus unterschiedlichen Zeitungen, weil das zu dem Kontext dieser Debatte gehört.
Da war zu lesen: „Die Diskussion nach der Karlsruher Hartz-IV-Entscheidung hat ja sozialistische Züge.“ Die Herren wissen nicht, was Sozialismus ist, das muss ich an dieser Stelle mal feststellen. „Es scheint in Deutschland“ - ein zweites wunderschönes Zitat - „nur noch Bezieher von Steuergeld zu geben, aber niemanden, der das alles erarbeitet.“ Das sagt eine Partei, deren Vorsitzender Vorträge hält bei der Bank in Liechtenstein, wo Schwarzgeld aus Deutschland gebunkert wird, auch das ist ein hoch bemerkenswerter Vorgang.
„Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“ Das war die Spitze dessen, was wir uns anhören mussten. Das alles vor dem Hintergrund eines Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichts, aus dem will ich jetzt mal zitieren, das ist hoch aufschlussreich, weil in diesem Grundsatzurteil etwas festgehalten wird, was die Herren von der FDP offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Das Bundesverfassungsgericht legt eindeutig fest, was das Sozialstaatsprinzip des Bundes unserer Verfassung nämlich meint. Jetzt müssen Sie mir erlauben, kurz aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zu zitieren und ich hoffe, auch die Kollegen von der FDP hören zu. Das Bundesverfassungsgericht stellt nämlich fest: „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz sichert jedem Hilfsbedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich ist.“ Jetzt geht es weiter: „Dieses Grundrecht aus Artikel 1 hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit dem Artikel 20 neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Artikel 1 auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eine eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden.“ Das steht da drin im Bundesverfassungsgerichtsurteil und ich finde, das gehört in den Kontext dieser Diskussion.
nach immer dem gleichen Prinzip: Es werden Menschen stigmatisiert und es werden die Ärmsten der Armen, nämlich diejenigen, die Hartz IV bekommen, und diejenigen, die ein geringes Einkommen beziehen, gegeneinander ausgespielt. Das ist politisch und menschlich unanständig.
Lassen Sie mich mal aus dem „Spiegel“ zitieren. Der „Spiegel“ hat in dieser Woche unter dem Stichwort „Die Kostüme des Guido Westerwelle“ einen wunderbaren Satz geschrieben und den will ich zitieren: „Der Chef der Hoteliers- und Apothekerpartei FDP gibt den Vorkämpfer für die Niedrigverdiener und prekär Beschäftigten in Deutschland.“ Ich denke, dieser Satz ist richtig, dem ist nichts hinzuzufügen, meine Damen und Herren.
Sie müssen eines mal zur Kenntnis nehmen, Sie können nicht in einer Art und Weise Menschen gegeneinander ausspielen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland gefährden. Das sage ich mit großem Nachdruck. Deswegen glaube ich, dass wir zu einer Debatte zurückkommen sollten, die das Bundesverfassungsgerichtsurteil ernst nimmt. Das heißt, dass wir in den nächsten Jahren Anpassungsbedarf auf diesem Sektor haben und dem sollten wir auch nachkommen.
Nun zu Ihrem Antrag: Dieser Antrag, muss ich sagen, hat mich höchst erstaunt. Er hat mich deswegen erstaunt, weil auch da wieder ein einfaches Prinzip gilt. Sie tun so, als seien Sie gar nicht bei den Koalitionsverhandlungen, die auf der Berliner Ebene stattgefunden haben, dabei gewesen. Im Koalitionsvertrag, den Sie unterschrieben haben, ist nämlich festgelegt, dass Sie die alte Regelung, nämlich, dass die bisherigen ARGEn und Optionskommunen erhalten bleiben, dass genau dieses Prinzip aufgelöst werden soll. Dann stellen Sie sich hier hin und werfen uns, also der SPD und anderen, vor, wir seien dafür verantwortlich, dass es eine zeitliche Verzögerung in diesem Kontext gegeben hat. Nein, diesen Schuh ziehen wir uns zumindest nicht an. Wir hatten im letzten Jahr eine Verständigung zwischen der Bundesregierung und 16 Ministerpräsidenten, das ist die Realität. Dann gab es Teile der Unionsfraktionen, das gehört auch zur Wahrheit, die das nicht mittragen wollten. Dann hatten wir eine Debatte über Monate, einen einstimmigen Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonfernz noch vom November, wo wir die Bundesregierung aufgefordert haben, dass sie eine Regelung erarbeiten sollte, die verfassungskonform ist. Dann - Koch sei Dank,
kann ich nur sagen, herzlichen Glückwunsch an Roland Koch - hat Roland Koch der ganzen Veranstaltung den Stecker rausgezogen - glücklicherweise, kann ich nur sagen - und wir sind heute in einer Situation, wo wir ernsthaft über Alternativen nachdenken können. Was sind die Alternativen? Es gibt nur eine Alternative. Was wir jetzt tun müssen, ist, das, was wir heute an funktionsfähigen Strukturen haben in der größten Wirtschafts- und Finanzkrise, auch zu erhalten in Deutschland. Das ist die Aufgabe und diese Aufgabe bedeutet, dass wir jetzt die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen sollen.
Jetzt mache ich es ein bisschen leiser. Da gab es Einladungen, dann auch Verabredungen zwischen Herrn Steinmeier, Herrn Gabriel, Frau von der Leyen und Herrn Pofalla und dann sind die Termine abgesagt worden, weil man sich mal wieder nicht verständigen konnte auf Unionsseite. Ich hoffe, dass die Union Klarheit dann auch in die eigenen Reihen bringen kann, damit wir endlich Klarheit in die Debatte bekommen können, weil die Zeit läuft. Zum 01.01.2011 brauchen wir nämlich eine verfassungsrechtlich einwandfreie Regelung und das muss an der Stelle auch gelingen.
Jetzt ein Satz zu den Optionskommunen, weil das aus meiner Sicht eine wichtige Frage ist. Ich bin sehr für das Prinzip, dass wir die Arbeitsteilung, die es zwischen BA und den Kommunen gibt, aufrechterhalten. Jeder weiß, wie die Zahl 69 zustande gekommen ist im Vermittlungsausschuss. Es war keine fachliche Zahl, es war eine Zahl, die sich an nichts anderem orientierte ob der Zahl der Stimmen im Bundesrat. Das sind 69, so ist die Zahl zustande gekommen. Und jetzt ist eines richtig, die Optionskommunen wird es nur so lange geben können verfassungsrechtlich, wie die ARGEn auch verfassungsrechtlich abgesichert sind und - das ist das zweite Prinzip - es muss dabei sichergestellt sein, dass die Zahl der Optionskommunen nicht zu stark wächst, weil das, so sagen viele Verfassungsrechtler, auch wieder die Verfassungskonformität einer solchen Regelung infrage stellen könnte. Deswegen müssen wir jetzt schauen, wie denn und in welchem Umfang wir überhaupt ausdehnen können. Das müssen wir auch unseren Kommunen sagen, weil viele schon Anträge bei mir stellen und wollen gern Optionskommunen werden. Ich muss denen zunächst einmal sagen, gegenwärtig kann ich das gar nicht genehmigen, weil wir eine andere Rechtslage haben, und wir werden dann, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn wir die neue Situation haben, über Anträge entscheiden können. Aber das Prinzip lautet ganz eindeutig: 69 und ein bisschen wird gehen; 100 und mehr wird wahrscheinlich verfassungsrechtlich nicht gehen. Deswegen sollten wir auch keine falschen Erwartungen wecken, was die Zahl der Optionskommu
Mir geht es um einen Punkt: Menschen, die in der gegenwärtigen Phase davon abhängig sind, Vermittlungs- oder andere Leistungen zu erhalten, brauchen jetzt Rechtssicherheit. Die ARGEn und Optionskommunen brauchen jetzt Rechtssicherheit, die Mitarbeiter brauchen jetzt Rechtssicherheit, und wir müssen vor allem eines vermeiden, dass wir durch andere Strukturen mehr Personal, höhere finanzielle Kosten und vor allen Dingen ein höheres Klagerisiko in Kauf nehmen. Deswegen würde ich mir wünschen, dass es uns heute gelingt, auch gemeinsam - und die FDP hätte ja dem Antrag der CDU und der SPD vom letzten Plenum zustimmen können, da stand das nämlich alles schon drin -, auf der Berliner Ebene sehr schnell Klarheit schaffen und dass die Bundesregierung auch aufhört, sich sozusagen zu verhartzen in Debatten, die an der Lebenswirklichkeit, auch an der Verfassungswirklichkeit vorbeigehen, sondern endlich ihren Arbeitsauftrag übernehmen, und der Arbeitsauftrag heißt: Regieren für und in Deutschland, dieses muss sichergestellt sein. Ich hoffe, dass wir - auch dadurch, dass es hier ein klares Bekenntnis gibt für einen bestimmten Weg, den wir in Richtung der SGB-II-Reform geben - dazu einen kleinen Anstoß in Richtung Berlin geben können. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. Wir haben noch acht Minuten Redezeit. Ich sehe die Wortmeldungen von Frau Lukin und Herrn Abgeordneten Barth.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, für einen Vertreter der SPD, die ja 2005 die Hartz-Gesetze mitbeschlossen haben, haben Sie ein bemerkenswert soziales Plädoyer gehalten.
Da werden Sie mir doch sicherlich auch zustimmen, dass die Hartz-Gesetze in diesem Falle nicht nur unsozial sind in weiten Zügen, sondern auch handwerklich schlecht vorbereitet und gemacht sind. Davon künden nicht nur die zahlreichen Korrekturen der Bundesregierung, auch der jetzigen Bundesregierung, die vorzunehmen sind, sondern auch die von den Verfassungsgerichten geforderten Veränderungen. Mit einer befassen wir uns jetzt. In diesem Zusammenhang, würde ich sagen, haben sowohl die Resolution, die der Landtag zu dem Problem der ARGEn gefasst hat als auch die heutige Diskussion ihre Berechtigung, denn ich meine, der eigentliche
Skandal besteht darin, dass 2007 das Verfassungsgerichtsurteil war und heute noch keine Lösung da ist. Es kann sein, dass vieles in Vorbereitung ist, aber im Moment wird es so sein, dass diese Diskussion auf dem Rücken der Beschäftigten und auf dem Rücken der Arbeitslosen ausgetragen wird. In dem Zusammenhang, denke ich, können wir auch von der heutigen Bundesregierung noch mehr Anstrengung erwarten, aber dürften die vergangene nicht aus der Pflicht nehmen.
Zu der heutigen Diskussion: Wir haben schon viele Punkte beleuchtet. Frau Schubert hat schon für Jena gesprochen. Ich bin ebenfalls aus dieser Stadt und wir haben eine dieser beiden Optionskommunen. Der eigentliche Vorteil - ich meine, Optionskommune ist auch nur ein Teil der Verwaltung, deren Ergebnisse bis heute untersucht und wissenschaftlich evaluiert werden - dieser Option ist, dass einmal die regionalen Besonderheiten auch bei der Arbeitsvermittlung, bei der Leistungsbetreuung stärker genutzt werden können, zum anderen aber auch - ich sage es jetzt mal so - die politische Einflussnahme auf diese Option und auf den Eigenbetrieb wesentlich stärker ist, als es bei einer Bundesanstalt für Arbeit der Fall ist. Nicht nur die Ombudsstelle, die ins Leben gerufen wurde, auch der Beirat, in dem IHK, Gewerkschaften, Vertreter der Arbeitslosenorganisation drin sind, sondern auch Werksausschuss, auch die Maßnahmen zur öffentlichen Beschäftigung, die dort weitaus leichter auch für langfristige Beschäftigung umzusetzen sind als nur auf der Basis von Ein-Euro-Jobs, zeigen einige Möglichkeiten.
Ich will auch sagen, dass mit Beginn der Optionierung 2005 wir den Antrag gestellt haben und der Stadtrat hat zugestimmt, dass von den Beschäftigten, die dort eingestellt werden, mindestens 25 Prozent aus der Arbeitslosigkeit kommen. Es gibt allerdings auch genügend Probleme, ob das Probleme der Software sind, ob das Probleme sind wie unterschiedliche Vereinbarungen, die mit der Bundesanstalt für Arbeit getroffen werden mussten, beispielsweise bei der Berufsausbildung, bei der Attestierung der Arbeitsunfähigkeit oder - um jetzt auf positive Beispiele wieder zu kommen - bei zahlreichen Verträgen, wo man übergreifend arbeitet. Das muss alles geklärt werden, aber ich würde diese Form auch für berechtigt halten, auch für entfristungspflichtig, das muss ich jetzt mal so sagen, denn nicht nur die Angestellten dort sind langsam verunsichert über das Hickhack, sondern auch die, die von ihnen betreut werden. In diesem Zusammenhang würde ich mich auch dafür aussprechen, dass wir die Erfahrungen der Optionskommunen in Thüringen nutzen und dass wir die Anträge der Gemeinden oder der Städte oder auch der Landkreise jetzt nicht erst einmal zurückschieben mit der Maßgabe „verfassungsrechtlich noch nicht geklärt“, sondern dass mit ihnen
Konzepte besprochen werden. Voraussetzung für so eine Optionierung ist immer, dass das Umfeld mitmacht, dass die Wirtschaftsverbände mitziehen, dass die politischen Gremien dort zustimmen und außerdem auch ein sehr enger Kontakt mit Vereinen und Verbänden gesucht wird. Ohne eine ordentliche Vorbereitung ist es dort ad hoc sehr, sehr schwierig und dann würde ich davor warnen.
Ich würde vorschlagen, dass wir diese Diskussion sehr sachorientiert weiterführen und dass wir aber darüber nicht vergessen, welche Nachteile und welche Probleme mit der Hartz-Gesetzgebung auf uns zugekommen sind, ob das die Fragen der Sanktionierung betrifft, ob das die Fragen von unwürdigen Arbeitsverhältnissen betrifft, all das müssen wir dabei im Blick haben.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Minister, Ihr Beitrag muss zwangsläufig Widerspruch hervorrufen. Bis zu Ihrem Beitrag war das eine ausgesprochen sachliche Debatte, die sich hier abgespielt hat.
Sie haben die Gesellschaft gespaltet, Sie spalten die Gesellschaft mit derart polemischen Äußerungen, wie Sie sie hier gemacht haben.
Sie müssen hier natürlich Zitate aus irgendwelchen Zeitungen heranziehen, weil Sie können Guido Westerwelle nämlich nicht zitieren mit solchen Äußerungen, weil er das, was Sie gern hätten, das er gesagt hat, hat er nämlich nicht gesagt.
Er hat lediglich darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, dass die Leistungen, die wir alle wollen, verteilt werden können, auch erarbeitet werden müssen. Und das ist nach wie vor ein richtiger Hinweis.