Protocol of the Session on October 10, 2008

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen dringend ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, dringend und sofort. Schweden hat es uns gezeigt und andere europäische Länder. Das bedeutet nicht den Untergang der Wirtschaft, es kann sogar positive Auswirkungen haben. Wir brauchen in Thüringen ausdrücklich die Umgabe des § 22 des Gleichstellungsgesetzes. Es steht im Gesetz, es ist eine gesetzliche Verankerung. Hier besteht notwendiges Handeln.

Sie fragen sich vielleicht, was ist aktuell an der Aktuellen Stunde? Ich will es Ihnen kurz andeuten: Der 27. Oktober. Das ist der Tag, wenn wir bei gleichen Einkommensverhältnissen wären, an dem die Männer bis zum Jahresende zu Hause bleiben können. Fast zehn Wochen, 65 Tage arbeiten Frauen länger als Männer. Nicht, dass ich Ihnen das nicht gönne, aber ich würde gern mit die zehn Wochen Urlaub haben.

Frau Abgeordnete, die fünf Minuten sind um.

Zum Abschluss einen letzten Satz: Der Trainer muss das Problem erkennen, bevor wir noch mal 24-ster werden, sonst hat er es verdient, auf den Mond geschickt zu werden. Denn Frauen sind mehr wert.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Ehrlich-Strathausen zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestern bekamen wir zu hören, bei Frauen kommt der Aufschwung an. Ich dachte, ich höre nicht richtig. Das war zu dem Tagesordnungspunkt zur Finanzmarkt- und Immobilienkrise zu hören und stammte von Dieter Althaus. Ich würde ihn gern erweitern: Bei Frauen kommt der Aufschwung an, aber überwiegend nur über das Portemonnaie ihrer Männer. Deswegen ist das Thema „Lohndiskriminierung“ auch von Frauen immer ein aktuelles, wenn auch trauriges Thema.

Frau Wolf hat eben die Fakten benannt und die Zahlen liegen seit langer Zeit auf dem Tisch. Die Lohndiskriminierung ist nach wie vor unverändert in Thüringen und ist bittere Realität. Selbst das Wirtschaftsministerium räumte im Gleichstellungsausschuss ein, dass das Problem der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern unter gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten noch nicht optimal in Unternehmen transportiert worden ist. Das ist eine vornehme Beschreibung für diesen Tatbestand, weil die Gleichbehandlung von Mann und Frau in Thüringen an Arbeitsplätzen natürlich weit von der Wirklichkeit entfernt ist. Deshalb muss man auch den Schluss ziehen, weil nur ein Drittel der Neueinstellungen in Thüringen Frauen sind.

Ihre Politik der CDU trägt natürlich bittere Früchte. Es ist so, dass sich 50 Prozent der Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden. Das ist auch eine Folge der CDU-Niedriglohnideologie und auf makabre Art und Weise ist Ihre Ideologie dabei auch noch erfolgreich. Die Thüringer Erwerbsquote zeigt, dass die Schere bei der Belohnung zwischen Frauen und Männern weiter auseinandergeht.

Vor wenigen Jahren war es undenkbar, dass östlich der Werra die Erwerbsquote von Frauen unter bundesdeutschem Niveau liegt. Die Thüringer Politik hat es nun geschafft, dass mit 60,6 Prozent das bundesweite Niveau mit 61,5 Prozent in Thüringen auch noch überboten wird. Und Frauen machen das

nicht freiwillig. Trotz der Kommunikationsbereitschaft von Frau Ministerin Lieberknecht sind keine Strategien zur Abhilfe zu erkennen. Es wird auch noch der Fehlanreiz mit dem Landeserziehungsgeld geschaffen, für gewisse Zeit lieber zu Hause zu bleiben. Das ist und bleibt auch falsch. Das ist eine Fehlsteuerung, die Sie auch weiter ausdehnen wollen.

Ein zweiter Punkt: Die Untätigkeit setzt sich bei der Schwelle vom Übergang von Schule zur Berufsausbildung fort. Es wurde schon der Ausbildungspakt erwähnt, Sie erinnern sich, auch im Ausschuss. Erstmals gibt es eine Präambel oder einen Hinweis, dass Frauen bei Ausbildungsplätzen zu berücksichtigen sind. Das ist aber eine minimale Alibiformulierung, denn junge Frauen sind bei betrieblichen Ausbildungen natürlich benachteiligt. Die Berufswahl ist der Beginn der Lohndiskriminierung. Es werden Jahre verschenkt, wo junge, gut qualifizierte Frauen Thüringen in Scharen verlassen. Da ist in den letzten Jahren nicht gegengesteuert worden.

Das Zweite wurde von Frau Wolf schon erwähnt, die Steuerungsmöglichkeit im Thüringer Gleichstellungsgesetz, der § 22. Damit hätte man erreichen können, dass das Bewusstsein für Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben besser in Betriebe transportiert werden wird. Es bleibt festzustellen, Frauen haben in Thüringen häufig nur die Chance, einen schlecht bezahlten und unsicheren Job zu bekommen. Trotz besserer Schulabschlüsse werden Frauen schon beim Übergang in das Berufsleben vorrangig in zukünftige Niedriglohnbereiche abgedrängt.

(Beifall SPD)

Die Familienpolitik des Landes sorgt zusätzlich für die Benachteiligung von Frauen, sie verschlechtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das alles mündet in Lohndiskriminierung und es sorgt unverändert für die Abwanderung junger qualifizierter Frauen. Der Landesregierung aber fällt nichts mehr ein als Schönreden und Beschwichtigung.

Ich bedanke mich nicht bei der CDU-Fraktion für ihre Unaufmerksamkeit, weil das diesem ernsthaften Thema, was immer aktuell ist, überhaupt nicht angemessen ist. Aber ich bedanke mich bei den anderen Zuhörern, die diesem Thema sehr wohl zugehört haben. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Unruhe CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Abgeordnete Leukefeld zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vielleicht können wir die Aufmerksamkeit der CDU-Fraktion wiedergewinnen, wenn wir noch mal kurz zum Thema „Fußball“ zurückkommen. Da sind Frauen nämlich Weltmeister; das haben die Männer nicht geschafft kürzlich.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Unruhe CDU)

Aber ich komme auch wieder zur Ernsthaftigkeit des Themas zurück. Frau Tasch hat uns gesagt, was wir schon wussten, dass in Thüringen die besten Arbeitsmarktdaten vorhanden sind. Aber wir können auch zur Kenntnis nehmen, dass in Thüringen die niedrigsten Löhne und die längsten Arbeitszeiten vorhanden sind, was die jüngste Studie des DGB dargelegt hat. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist zwar ein schönes Postulat, aber es ist eben leider nicht Realität. 92 Prozent von Frauen und Männern sagen übrigens bei Befragungen bundesweit, dass eine Lohndiskriminierung nicht stattfinden soll und dass die unterschiedliche Bewertung von sogenannter männlicher und weiblicher Arbeit ungerecht ist.

(Beifall DIE LINKE)

Im Übrigen müssen bei den 92 Prozent, das liegt sehr nahe, auch konservative Männer dabeigewesen sein. Fakt ist, eine Frau in Thüringen verdient im Durchschnitt 345 € weniger als ein Mann. Ich sage Ihnen, das ist ungerecht und dafür brauchen wir tiefgreifendere Analysen und vor allen Dingen brauchen wir ein Handeln von Wirtschaft und auch von Politik. Denn da brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn scharenweise junge Frauen, gut ausgebildete junge Frauen aus Thüringen abwandern.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, natürlich liegt das vor allen Dingen daran, dass Frauen überdurchschnittlich in prekären Beschäftigungsverhältnissen sind. Aber es geht bei Weitem nicht nur darum. Ich will mal zwei konkrete Zahlen ansprechen aus der jüngsten Anhörung im Gleichstellungsausschuss zum Thema „Frauen in der Wissenschaft“, denn im Hochschulbereich zeigt sich diese Dynamik besonders deutlich, weil sie dort unglaublich viel schlechtere Chancen haben als ihre männlichen Kollegen. Während der Anteil der Frauen bei den Studienabschlüssen

um 0,4 Prozent über dem der Männer liegt, liegt ihr Anteil bei den Promovierenden nur noch bei 39 Prozent, bei den Habilitationen bei 22,7 Prozent und am Ende der Karriereleiter bei den C4-Professuren nur bei lächerlichen 9,2 Prozent. Das ist auch ein Beispiel von Diskriminierung, letztendlich auch von Lohndiskriminierung, denn Frauen, die es drauf hätten, die es können, werden hier nicht berücksichtigt und haben dann letztendlich auch diese Chance nicht.

Ich will noch einen Gedanken sagen zum Thema „Der Aufschwung kommt über das Portemonnaie der Männer“, liebe Frau Ehrlich-Strathausen, sofern Männer vorhanden sind in der Familie, denn besonders betroffen sind eben auch alleinerziehende Frauen und ich bin dankbar, dass meine Kollegin Dr. Ruth Fuchs diesbezüglich eine Kleine Anfrage gestellt hat. Die Landesregierung hat diese beantwortet, mehr oder weniger, aber auf jeden Fall kommt heraus, dass in Thüringen 81.000 alleinerziehende Frauen leben, von denen eben 73.000 im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 65 sind. Wenn man sich das genau anschaut, haben 29,4 Prozent weniger als 900 € Einkommen monatlich zur Verfügung und bei weiteren 35 Prozent liegt das Einkommen zwischen 900 und 1.300 €.

Meine Damen und Herren, wenn wir hier über Kinderarmut reden, dann muss man natürlich auch sagen, dass Kinderarmut zuallererst Armut der Eltern und in dem Falle auch Armut der alleinerziehenden Mütter ist.

(Beifall DIE LINKE)

„Die Welt“ titelte am 09.06.2008: „Einmal Niedriglohn - immer Niedriglohn“. Nun könnten Sie sagen, das betrifft ja Frauen und Männer, überdurchschnittlich Frauen, aber sieht man sich die Aufstiegschancen an, auch da gibt es eine interessante Zahl. Während aus dem Niedriglohnbereich es nur jeder fünfte Mann schafft, in ein vernünftiges Arbeitsverhältnis zu kommen, schafft es eben nur jede zehnte Frau, und da sage ich Ihnen, hier sind strukturelle Defizite, die sind in der Gesellschaft, in der Wirtschaft angelegt und da muss man anpacken, denn wenn es so ist …

Frau Abgeordnete, Ihre fünf Minuten Redezeit sind abgelaufen.

Ja, die Zeit ist um, genau, ich sehe es gerade.

Ja, wenn es so ist, dann müssen wir jetzt etwas tun, denn Altersarmut ist vorprogrammiert und das

betrifft wiederum dann die Frauen. Ich denke, diese Diskriminierung kann so nicht länger hingenommen werden, handeln Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, und Frau Tasch empfehle ich sehr, ihre Fraktion zu überzeugen, den Antrag zu stellen.

(Beifall DIE LINKE)

Seitens der Abgeordneten liegt jetzt eine weitere Redeanmeldung vor, für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Pilger.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die beste Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde kürzlich von der Bundesfamilienministerin in einer Tagung mit den Arbeitgeberverbänden als Schlüssel angesehen, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Eine Erweiterung des Berufswahlverhaltens und mehr Frauen in zukunftsorientierten Berufen waren weitere Forderungen. Die Ignoranz der Landesregierung gegenüber diesen Forderungen wurde von meiner Kollegin Ehrlich-Strathausen bereits dargestellt. Wenn allerdings selbst die CDU-Bundesfrauenministerin beklagt, dass die durchschnittlichen Löhne der Frauen in Westdeutschland gegenüber ihren männlichen Kollegen 24 Prozent niedriger liegen und wenn der Thüringer Landesfrauenrat einen Unterschied von 58 Prozent in den ostdeutschen Bruttolöhnen feststellt, dann wird ein weiterer Handlungsbedarf offensichtlich. Wir brauchen mehr Lohngerechtigkeit, nicht nur zur Herstellung von Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern, aber eben auch deshalb. An diesem Punkt verleugnet die CDU-Bundesministerin ganz im Sinne ihrer Partei die Realität. Lohnangleichung zwischen Männern und Frauen ist eben nicht nur mit einer Änderung des Rollenverhaltens zu erreichen, schon gar nicht in der Thüringer CDU, da erfolgt die Rolle bekanntlich rückwärts, nein, wir brauchen mehr,

(Beifall DIE LINKE, SPD)

wir brauchen einen gesetzlich geregelten und Existenz sichernden Mindestlohn. Dies ist eine elementare Voraussetzung für soziale Marktwirtschaft. Selten wurde das deutlicher als in der Anhörung zur Leiharbeit. Dort hat einer der Unternehmensvertreter betont, dass das erzielte Einkommen nichts mit der Existenzsicherung des Arbeitnehmers zu tun habe. Das ist ein Verständnis von brutalst möglicher Marktwirtschaft und nicht von sozialer Marktwirtschaft. Zu solch einer Kultur, zu solch einem Selbstverständnis kommt es, wenn neoliberale Politik es ver

säumt oder verweigert, innerhalb der Marktwirtschaft Regeln festzulegen. Aus guten Gründen haben wir eine Thüringer Verfassung, die in Artikel 36 einen völlig anderen Auftrag erteilt. Ich erlaube mir zu zitieren: „Es ist ständige Aufgabe des Freistaats, jedem die Möglichkeit zu schaffen, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte und dauerhafte Arbeit zu verdienen.“ Wir erleben in der heutigen Diskussion, dass viele Frauen in Thüringen weit davon entfernt sind, ihren Lebensunterhalt entsprechend dem Verfassungsauftrag zu verdienen. Es sind nicht nur Frauen, die unter diesen Bedingungen in Thüringen arbeiten; es sind aber vor allen Dingen Frauen. Das bedeutet für die Zukunft übrigens auch - und da hat ja gerade meine Vorrednerin darauf hingewiesen -, dass Altersarmut auch vorrangig weiblich sein wird. Im Umkehrschluss heißt das, dass Frauen diejenigen sind, die von der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes am meistens profitieren. Deshalb noch einmal: Soziale Marktwirtschaft setzt Regeln voraus, die von allen Akteuren einzuhalten sind; und Politik ist aufgefordert, diese Regeln zu schaffen, es ist im Sinne unserer Verfassung ihre Aufgabe. Deshalb ist der Widerstand der CDU-Landesregierung gegen einen gesetzlich geregelten Mindestlohn nicht nur frauenfeindlich, er ist auch die Verweigerung, den Verfassungsauftrag ernst zu nehmen. Man kann sich bei den auf dem Tisch

(Beifall DIE LINKE)

liegenden Fakten nicht hinstellen und behaupten oder hoffen, dass derartige Lohnunterschiede und Benachteiligungen allein durch den Markt zu regeln wären. Wenn es je eines Beweises bedurft hätte, dass Politik für Zähmung der Marktwirtschaft in der Verantwortung steht, dann liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der CDU, empfehle ich Ihnen in den heutigen Zeiten Tag für Tag das Studium der Wirtschaftsseiten in den Zeitungen. In diesen Tagen genügen auch die Schlagzeilen. Der Hilferuf nach politischer Verantwortung von denen, die den Karren in den Dreck gefahren und vorgestern noch jeden politischen Einfluss verdammten, ist weder zu übersehen noch zu überhören.

(Beifall SPD)

Ein Hilferuf aber sollte uns wichtiger sein, der Hilferuf all derjenigen, die in Thüringen nicht von ihrer Hände Arbeit leben können und die sich mit keinen horrenden Abfindungen aus der Verantwortung stehlen können. Wie gesagt, es sind nicht nur, aber vor allen Dingen Frauen, die unsere Hilfe brauchen. Deshalb noch einmal: Wer deren Lohndiskriminierung beseitigen will, wer unseren Verfassungsauftrag ernst nimmt, der muss für einen gesetzlichen Mindestlohn eintreten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Günther zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe ja Verständnis für die Damen und Herren, die sich mit dem Thema unter dem Blick „Gleichstellung“ befassen. Ich wundere mich eigentlich, dass bei den LINKEN nur Frauen hier standen und deswegen

(Beifall CDU)