Die bisherige Praxis hat doch gezeigt, meine Damen und Herren, wenn der Gemeinderat oder Kreistag gewählt wird, machen auch die Bürgermeister und Landräte im Regelfall - und wenn auch nicht offiziell, so sage ich das - Wahlkampf für ihre Parteien und Wählergruppen. Sie kandidieren sogar, obwohl sie schon von Amts wegen der Vertretung angehören. Die Wähler werden dadurch irritiert und getäuscht. Ich denke, dies muss ein Ende haben.
Meine Damen und Herren, doch auch umgekehrt läuft das nicht so, wie sich die Politik- und Rechtstheoretiker dies vorgestellt haben. Werden Bürgermeister und Landräte gewählt, dann machen auch die jeweiligen Gemeinderats- und Kreistagsmitglieder fleißig Wahlkampf. Ich denke, wenn Sie kommunalpolitisch verankert sind, können Sie mir dies bestätigen.
Ihre Begründung, meine Damen und Herren der CDU, für die abweichende Wahlperiode ist dadurch in der Praxis widerlegt. Deshalb sollte diese Regelung aus unserer Sicht wegfallen. Der Ausschluss der so genannten Scheinkandidaturen hat deshalb für uns nur Übergangscharakter. Wir wollen symmetrische Wahlperioden ab dem Jahr 2014.
Meine Damen und Herren, noch eine Entwicklung spricht für unsere Forderung. Wir befürchten, dass 2010 erstmals ehrenamtliche Bürgermeister losgelöst von den Gemeinderatswahlen gewählt werden, die Wahlbeteiligung ähnlich niedrig ist wie in den vergangenen Jahren, z.B. in Sachsen-Anhalt oder auch in Brandenburg. Ich denke, es kann nicht Wille des Gesetzgebers sein, dass Bürgermeister mit weniger als 30 Prozent Wahlbeteiligung gewählt werden. Dies muss und wird zum Autoritätsverlust führen und zur Politikerverdrossenheit. Ich denke, das ist nicht unser Ansinnen.
Meine Damen und Herren, als die PDS-Fraktion vor einem Jahr bereits - das ist auch erwähnt worden Änderungen im Thüringer Kommunalwahlrecht im Landtag vorgeschlagen hat, wurden diese von der CDU und auch anderen mit dem Argument abgelehnt, dass die nächsten Kommunalwahlen vor der Tür stehen und deshalb Änderungen erst nach den Wahlen in Ruhe diskutiert werden sollten. Die Zeit ist also jetzt gekommen. Es wird sich zeigen, wie ernst Sie, meine Damen und Herren von der CDU, auch tatsächlich diese Veränderung wollen. Ich verweise auch in dem Zusammenhang auf Ausführungen des ehemaligen Ministerpräsidenten, Herrn Dr. Bernhard Vogel, der durchaus Sympathien gehegt hat für den Wegfall der 5-Prozent-Hürde. In der Regierungserklärung des jetzigen Thüringer Ministerpräsidenten fand sich leider kein Verweis auf be
absichtigte kommunalwahlrechtliche Veränderungen. Unsere Fraktion schließt daraus, dass dieses Thema für die CDU zurzeit leider nicht auf der Tagesordnung steht. Wir halten dies für falsch.
Vor einem Jahr wollte die CDU nur Zeit gewinnen und hat deshalb auf die Zeit nach den Wahlen verwiesen. Jetzt riskiert die CDU Klageverfahren vor den Gerichten - mein Kollege Kuschel hat bereits darauf verwiesen. Notwendig wäre jedoch gesetzgeberisches Handeln und hier sind wir gefragt. Nur so, das stelle ich Ihnen anheim, kann die CDU Regierungsfähigkeit auch unter Beweis stellen. Also handeln Sie, meine Damen und Herren, die PDS hat ihre Vorschläge unterbreitet.
Ich beantrage im Namen meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss und den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten; federführender Ausschuss sollte der Innenausschuss sein. Danke schön.
Herr Kollege, in Bezug auf die Absenkung des Wahlrechts für Jugendliche auf 16 Jahre frage ich Sie: Teilen Sie meine Erfahrungen mit Jugendlichen, wozu ich zumindest in den letzten 15 Jahren häufig Gelegenheit hatte sie zu befragen, dass sie mehrheitlich auf diese direkte Frage hin diese Absenkung des Wahlalters gar nicht wollen, und würden Sie die Meinung der Jugendlichen dann auch so akzeptieren?
Ihre Auffassung teile ich nicht. Ich kenne auch andere Auffassungen, die uns bestärken, diesen Antrag aufrechtzuerhalten.
Vielleicht lässt sich das mit den beiden Besuchergruppen, die jugendlichen Alters sind und auf der Zuschauertribüne die Debatte anhören konnten, im Nachgespräch noch mal beraten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will es zunächst gern zugeben, ich hätte schon Lust, über den Titel dieses Gesetzes ein Stückchen zu philosophieren oder mit Ihnen zu beraten. Ich weiß nicht, bin ich jetzt eigentlich unmodern, wenn ich Teilen Ihrer Vorschläge nicht folge,
oder was ist einfach ein modernes Gesetz? Ich nehme im Zeitrausch im Augenblick mit, dass Handywahn und Talkshows modern sind. Wenn Sie diese Art von Modernität meinen, bin ich ganz froh, wenn ich nicht so in Ihre Richtung an manchen Stellen tendiere. Es ist ein Kommunalrechtsänderungsgesetz. Damit stimme ich absolut mit Ihnen überein, ich werde Ihnen auch sagen, wir stimmen in bestimmten Teilen sogar überein - aber von sich zu behaupten, dass man die moderne Politik macht. Ich liebe diese alten deutschen Sprichwörter, weil, sie sich immer bewahrheiten und da gibt es eins, das lautet: Hochmut kommt vor dem Fall. Darüber sollten Sie vielleicht an der einen oder anderen Stelle mal nachdenken. Das ist ein Anspruch, dem Sie sich da stellen - ich weiß nicht.
Die drei Schwerpunkte sind schon herausgehoben worden. Ich will mal sehen, ob die SPD in Ihrem Sinne bei diesen drei Punkten modern ist. Ich glaube, beim Wahlalter 16 haben wir die geringsten Probleme, auf Landesparteitag und Bundesparteitag längst mit Beschlüssen besiegelt, in einigen der genannten Bundesländer auch auf SPD-Initiative durchgesetzt,
hier in dem Landtag schon mal beantragt. Ich halte das wirklich für albern zu sagen, junge Leute mit 16 sind nicht in der Lage, die Komplexität zu verstehen.
Wissen Sie, es gibt hier einen Minister, der hat mal gesagt, die jungen Leute möchten nicht - von einem CDU-Minister - von Omas unterrichtet werden, aber sich von Omas und Opas wählen zu lassen und im gleichen Atemzug den jungen Leuten das zu verbieten an dieser Stelle, das finde ich schon ein bisschen merkwürdig,
so mit dem Besen drüberzugehen. Und, Herr Schwäblein, was die Zustimmung unter den Jugendlichen betrifft, wenn wir in einem Bundesland eine Wahlbeteiligung unter 50 Prozent haben, sagen wir
auch nicht, die Leute wollen die Landtagswahl nicht, weil nur die Hälfte hingegangen ist. Auf so eine Schlussfolgerung käme niemand.
Das ist alles so ein bisschen an der Sache angebunden. Sie wollen es nicht. Dann sagen Sie es doch heraus und suchen nicht solche Hilfsargumente. Sie halten die jungen Leute nicht für reif genug. Vielleicht haben Sie auch Befürchtungen, dass Sie die jungen Leute aufgrund Ihrer Politik, und da haben sie viele Gründe, nicht wählen, insbesondere, Herr Schwäblein, bei Ihnen kann ich es verstehen.
Meine Damen und Herren von der PDS, was - Sie nennen das - Scheinwahlen betrifft, das sage ich ausdrücklich für die Fraktion, was die Ausschuss-Sitzungen betrifft, da bin ich ausgesprochen offen und gespannt auf die Debatte, die wir da führen. Sie sprechen an dieser Stelle ausdrücklich von Scheinwahlen, also es wird der Schein erweckt, dass man sich wählen lässt. Aber wenn man dann modern sein will, dann sollte man doch überall versuchen, da wo der Schein erweckt wird, das auszuhebeln.
Was ist denn z.B. in Thüringen mit den Ärzten, mit den stadtbekannten Apothekern, mit den Lehrern, die sich haben wählen lassen und sind dann nicht auf die Liste gegangen? Was ist denn mit denen? Was ist denn mit den Scheinheiligen, die kandidiert haben und mit Bundesthemen Kommunalwahlkampf gemacht haben? Was ist denn mit denen, die den Schein erwecken, sie ziehen jetzt ins Kommunalparlament, um Landespolitik zu ändern. Wenn wir von Scheinheiligkeit und vom Schein reden, dann lassen Sie uns doch das ganze Paket nehmen und dann werden wir an ein Problem stoßen und das wissen Sie genauso wie ich. Das passive Wahlrecht ist fest verankert im Grundgesetz. Entweder ich bekenne mich zum Grundgesetz oder nicht. Und wenn ich mich zum Grundgesetz bekenne und ich höre das immer häufiger und gern und öfters aus Ihrer Ecke, dann muss ich dazu auch stehen. Das passive Wahlrecht sagt schlicht und einfach, wir können einem Thüringer nur aus außerordentlichen Gründen dieses Wahlrecht entziehen und diese Gründe liegen unseres Erachtens an dieser Stelle nicht vor. Herr Kuschel, wenn ich meine Rede beendet habe,
Herr Abgeordneter Gentzel, da Sie das jetzt schon geklärt haben, stelle ich es noch mal fest, am Ende der Rede von Herrn Gentzel darf Herr Kuschel seine Frage stellen.
Den zweiten Versuch, den Sie unternehmen, was die Angleichung von Legislaturperioden und Amtszeiten von Landräten und Oberbürgermeistern betrifft, der ist uns im Ergebnis sehr sympathisch, das will ich gleich vorweg sagen. Viele von uns sitzen ja auch in Parlamenten, auch ich habe das Glück, das Stadtparlament regelmäßig zu besuchen und ab und zu dort ein paar Worte zu sagen. Es wäre mir in unserer Fraktion sehr angenehm, wenn da wirklich ein Gleichlauf wäre zwischen der Amtszeit, z.B. des Bürgermeisters und des Stadtrats. Ich will aber auch mal ein Stück auf die Praxis schauen. Wir bräuchten Übergangszeiten, wo wir das passive Wahlrecht wieder einschränken müssten, dazu habe ich zwei Sätze gesagt. Und was passiert eigentlich, wenn ein Bürgermeister eher ausscheidet? Nun können wir sagen, da muss dann jemand nachgewählt werden. Wir wissen aber aus der Praxis, dass wir in Thüringen teilweise Schwierigkeiten haben, überhaupt Bürgermeister zu rekrutieren. Einen Bürgermeister für eine befristete Amtszeit zu finden, könnte uns in dem einen oder anderen Fall Schwierigkeiten machen, also ganz schlicht und einfach ein Problem in der Praxis.
Lassen Sie mich zu diesem und dem anderen Versuch zum Thema passives Wahlrecht und Einschränkung generell etwas sagen. Sie sind eigentlich bemerkenswert inkonsequent mit Ihrem Antrag. Wenn Sie diese Scheinkandidaturen von Landräten und Oberbürgermeistern nicht mehr wollen, müssen wir weg von der Direktwahl. Das ist die einzige juristisch saubere Lösung, wenn man dieses nicht mehr will.
Das ist in der Endkonsequenz, wenn ich mich zum Grundgesetz bekenne, wenn ich mich zu den juristischen Grundzügen und zum passiven Wahlrecht bekenne, die einzige Möglichkeit, das, was Sie Scheinwahlen nennen, von der Tagesordnung zu nehmen. Wenn wir an der Stelle einig sind, muss man sagen, sind Sie bemerkenswert inkonsequent, weil Sie Ihr Problem beschreiben und konstruieren dann so ein bisschen was außen drumrum, aber an den Kern der Frage gehen Sie eigentlich nicht. Die 5Prozent-Hürde
nein, die ist für die SPD überhaupt nicht so gefährlich, weil die SPD, zumindest die Landtagsfraktion, die ich im Augenblick hier vorn vertrete, kein abgeschlossenes Meinungsbild hat. Wir streiten da in der Fraktion im Augenblick noch, das gebe ich gern zu. Ich halte das nicht für einen Makel. Was natürlich nicht geht, ist zu sagen, ich freue mich, dass es die 5-Prozent-Hürde gibt, weil wir da die Rechten draußen gelassen haben, und schade, dass es die 5-ProzentHürde gibt, dass nicht so viele Linke mit reinkommen. So können wir gar nicht hergehen, wie es hier teilweise in der Begründung gelaufen ist.
Wir wissen auch, wie Landesverfassungsgerichte darüber gesprochen haben, aber ich sage Ihnen, vor Gericht und auf hoher See - diese Sprüche sind ja alle schon gelaufen. Wir stellen uns in der Fraktion vor allen Dingen die Frage, wenn wir die 5-ProzentHürde abschaffen, ist das denn wirklich auch noch gerecht, was passiert. Weil wir ja dann auch ohne 5-Prozent-Hürde eine Hürde haben, die man überwinden muss, um in die einzelnen Parlamente zu kommen. Nun ist das sehr einfach nachzurechnen, dass man in großen Städten prozentual weniger Stimmen braucht als in kleinen Gemeinden. Da stellt sich doch die Frage, ist es gerecht, dass Splittergruppen es in großen Städten einfacher haben als in kleinen Gemeinden? Da sagen viele bei uns in der Fraktion, das ist nicht gerecht. Und ich halte das auch für ein Argument, bei dem man wirklich weiter in die Tiefe gehen muss. Auch das sollte bei unseren Betrachtungen eine Rolle spielen, wenn wir das miteinander vergleichen.
Meine Damen und Herren, bei dem Wahlrecht ab 16 gibt es bei uns keine Diskussion, da machen wir mit. Bei allem anderen, das sage ich ausdrücklich, freue ich mich auf die Ausschuss-Sitzungen. Ich hoffe darauf, dass diese nicht ideologisch geführt werden, sondern juristisch für eine klare Linie sorgen. Es geht auch nicht, dass man in dem einen Fall juristisch diskutiert und in dem anderen politisch, also wir müssten dann schon eine klare Linie führen. Wenn Überzeugungsarbeit geleistet wird, muss man schauen, ob sich bei der SPD-Fraktion an der einen oder anderen Stelle noch etwas bewegt. Das alles führt dann zum letzten Satz, dass ich beantrage, den Gesetzentwurf federführend an den Innenausschuss und begleitend an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen. Und damit bedanke ich mich auch für die Aufmerksamkeit.
Herr Gentzel, würden Sie mir zustimmen, dass im Unterschied zu dem Kreis der Scheinheiligen, den Sie beschrieben haben, bei den kommunalen Wahlbeamten der wesentliche Unterschied darin besteht, dass sie durch ihre Amtsdurchführung, also dadurch, dass sie Bürgermeister/Landrat sind, schon geborenes Mitglied der jeweiligen Vertretung sind? Und wie erklären Sie dann den Unterschied, dass bei einer Wahl von Vertretern der Gemeinde in einen kommunalen Zweckverband der gesetzliche Vertreter, also der Bürgermeister/Landrat, nicht gewählt werden muss, weil er von Amts wegen dort Mitglied ist, während die anderen gewählt werden müssen?
Ich habe schon Schwierigkeiten scheinheilig, scheinheiliger, am scheinheiligsten oder überhaupt irgendwas zu deklinieren. Schlicht und einfach sage ich Ihnen mal - und deshalb werden wir da eventuell auch noch strittig werden -, glaube ich, liegt das an jedem selbst. Und es ist ja nicht so, das kommt ja noch dazu, dass die Thüringer diesem so genannten Scheinheiligen da einfach so in die Falle tappen. Wir haben die Fälle von Ost- bis Südthüringen, wo die Wähler das gesehen haben und die Landräte, die z.B. angetreten sind, nicht das beste Wahlergebnis haben. Da hat es andere Leute gegeben, ohne Ihr modernes Gesetz, die verstanden haben, wie das funktioniert. Deshalb bin ich auch nicht bereit, hier so den Kegel über die Thüringer drüberzumachen, die wählen gehen, so unter der Überschrift "die kapieren ja sowieso nicht, was der Landrat da im Schilde führt, jetzt müssen wir als PDS mal aufpassen, dass die Leute nicht betrogen werden", bin ich ganz anderer Meinung. Die Wahlen haben auch gezeigt, dass die Leute das durchaus verstehen. Nun können Sie ja natürlich aus eigener Erfahrung sagen, Herr Kuschel, die Leute bei Ihnen in der Gegend sind nicht so helle wie z.B. in Sonneberg oder in Altenburg, aber das müssen Sie dann mit sich selbst ausmachen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Scheinheiligkeitsdebatte muss man nun weder von links noch rechts unter die Lupe