Diese Blockadehaltung ist umso unverständlicher, geht es doch um Veränderungen, die in anderen Bundesländern selbstverständlich sind und keineswegs zu einer Gefährdung des Gemeinwohls führen. Ich verweise nur auf Nordrhein-Westfalen, hier fanden bekanntlicherweise erst vor wenigen Tagen die Kommunalwahlen statt. Dabei erklärte sich die CDU zum Wahlsieger, weil sie unbestritten landesweit den größten Stimmenanteil erzielte, dennoch im Vergleich zu 1999 fast 5 Prozent verlor. Aber auch die SPD war nach eigener Bewertung Sieger, auch wenn sie das schlechteste Ergebnis aller Zeiten erzielte. Sieger waren auch die Grünen und die FDP und natürlich auch die PDS, weil sie ihren Stimmenanteil von 60.000 auf über 100.000 Stimmen erhöhen konnte. Also alles Sieger. Doch aus kommunalwahlrechtlicher Sicht ist Nordrhein-Westfalen ebenfalls interessant, nicht nur aus Sicht der Ergebnisse. Hier gibt es Wahlbestimmungen, von denen die Thüringer Wähler nur träumen können, und weil alle Parteien dort bei der letzten Kommunalwahl gewonnen haben, können diese Bestimmungen doch so schlecht nicht sein. In Nordrhein-Westfalen gibt es keine 5-Prozent-Sperrklausel, das wollen wir auch für Thüringen.
In Nordrhein-Westfalen gibt es das Wahlalter ab 16. Auch das fordern wir für Thüringen. In NordrheinWestfalen sind die Amtsperioden der direkt gewählten Bürgermeister und Landräte identisch mit den Amtszeiten der Gemeinderäte und Kreistage. Es gibt also nicht das Problem der so genannten Scheinkandidaturen der kommunalen Wahlbeamten - nichts anderes wollen wir in Thüringen.
Meine Damen und Herren, es gibt also keine Gründe, in Thüringen endlich Regelungen zu schaffen, die es auch in anderen Bundesländern gibt. Hierzu legt heute die PDS-Fraktion einen Gesetzentwurf vor. Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird eine Entwicklung nachvollzogen, die woanders bereits Realität ist.
Meine Damen und Herren, was die PDS vorschlägt, fordern in ähnlicher Weise auch andere Parteien. Da diese offensichtlich sehr wenig Vertrauen in die Veränderungsbereitschaft der CDU haben, wollen sie klagen. Diese Klagen haben aus unserer Sicht durchaus Aussicht auf Erfolg. Wir als PDS-Fraktion halten diese Klagen für berechtigt. Andererseits sehen
wir den Landtag in der Verantwortung. Notwendige politische Entscheidungen sollten nicht den Gerichten überlassen werden. Vielmehr muss der Landtag seine gesetzgeberische Verantwortung und Kompetenz wahrnehmen und nun endlich das Thüringer Kommunalwahlrecht dem Rechtsstand der anderen Bundesländer anpassen. In diesem Sinne wünsche ich uns eine konstruktive Diskussion im Interesse der Bürger. Danke.
Ich eröffne die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf und es hat sich als Erster angemeldet Herr Staatssekretär Baldus.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, für die Landesregierung nehme ich zum Gesetzentwurf der PDS Stellung.
Meine Damen und Herren, die PDS hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Kommunalwahlgesetzes und der Thüringer Kommunalordnung vorgelegt, der im Wesentlichen folgende Forderungen enthält:
Den Ausschluss der Wählbarkeit von Bürgermeistern, die Streichung der 5-Prozent-Sperrklausel und die Koppelung der Amtszeiten der Bürgermeister, Landräte und Gemeinschaftsvorsitzenden an die Amtszeiten der Gemeinderats- und Kreistagsmitglieder.
Es handelt sich bei diesen vier Forderungen um Forderungen, die bereits frühere Anträge der PDS enthalten haben, die in früheren Gesetzesvorschlägen enthalten waren. Diese sind mehrfach Gegenstand von Gesetzentwürfen bzw. Kleinen Anfragen gewesen und in diesem Hause behandelt worden. Der Landtag hat gleich lautende Vorschläge in den vergangenen Jahren mehrfach abgelehnt. Aus Sicht der Landesregierung ist der Gesetzentwurf der PDS erneut abzulehnen.
Zu den einzelnen Positionen ist Folgendes anzumerken: Die Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahren ist keine rechtliche, sondern eine gesellschaftspolitische Frage. Die Gesetzgebung räumt jungen Menschen gestaffelt nach dem Alter unterschiedliche Rechtspositionen ein. Grundlage hierfür ist die Einschätzung, welche Sachlagen der Heranwachsende nach seiner altersspezifischen Entwicklung in der Regel bereits ohne Mitwirkung von Erwachsenen erfassen und sachgerecht entscheiden kann. Es dürfte die meisten Menschen im Lebensalter von 16 Jahren noch überfordern, die komplexen Auswirkungen einer Stimmabgabe bei einer Kommunalwahl zu erfassen und dabei verantwortungsvolle und selbstständige Entscheidungen zu treffen. Die meisten Heranwachsenden werden in diesem Alter noch stark durch das Elternhaus, in dem sie leben, und durch ihr persönliches Umfeld beeinflusst. Einzelne besonders weit entwickelte junge Menschen können nicht Maßstab für gesetzliche Regelungen sein.
Einen Ausschluss der amtierenden Bürgermeister von einer Bewerbung für das Amt des Gemeinderatsmitglieds, wenn die jeweiligen Amtszeiten zeitlich auseinander fallen, hält die Landesregierung für fragwürdig. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl besagt, dass jeder Staatsbürger grundsätzlich das aktive und passive Wahlrecht besitzt. Ausnahmen bedürfen eines zwingenden Grunds. Die Beurteilung der Motive, die einen Bewerber zur Kandidatur für ein bestimmtes Amt bewegen, ist regelmäßig nicht oder nur schwer möglich. Eine rechtliche Regelung, die die Wählbarkeit von vornherein ausschließt und damit dem Bürger die Freiheit nimmt, im Falle seiner Wahl die Entscheidung für das eine oder das andere Amt zu treffen, ist aus diesem Grunde nicht zu befürworten.
Zum Dritten: Eine Sperrklausel im Kommunalwahlgesetz gibt es außer in Thüringen in drei weiteren Bundesländern: im Saarland, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Die Sperrklausel dient dazu, die Handlungsfähigkeit von Gemeinderäten und Kreistagen sicherzustellen, indem einer Zersplitterung vorgebeugt wird. Den Vertretungskörperschaften obliegen alle politisch, rechtlich, wirtschaftlich oder in sonstiger Beziehung wichtigen Angelegenheiten, soweit nicht der Gesetzgeber die Zuständigkeit des Bürgermeisters bzw. des Landrats geregelt hat. Aufgabenerledigung setzt die Bildung von Mehrheiten voraus. Eine übermäßige Zersplitterung kann dazu führen, dass die Erledigung der wichtigen Aufgaben verzögert oder verhindert wird oder zur Beschaffung von Mehrheiten Zugeständnisse gemacht werden, die der Erfüllung der Pflichten zuwiderlaufen.
Viertens: Die Koppelung der Amtszeiten der Bürgermeister bzw. Landräte mit der Amtszeit der Vertretungskörperschaft ist abzulehnen. Die sechsjährige Amtszeit für hauptamtliche Bürgermeister und Landräte hat sich bereits seit 1994 bewährt. Für ehrenamtliche Bürgermeister und die Gemeinschaftsvorsitzenden der Verwaltungsgemeinschaften hat der Landtag mit der Novellierung der Thüringer Kommunalordnung im Dezember 2002 eine sechsjährige Amtszeit eingeführt. Diese Änderung trat zum Beginn der neuen Kommunalwahlperiode in diesem Jahr in Kraft. Es sollte aus Sicht der Landesregierung erst abgewartet werden, ob sich diese Neuregelung in gleicher Weise bewährt wie bei den hauptamtlichen Bürgermeistern und Landräten. Im Ergebnis schlägt die Landesregierung vor, den Gesetzentwurf der PDS-Fraktion abzulehnen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Thüringer Bürgerinnen und Bürger haben ja bekanntlich vor wenigen Wochen nicht nur einen neuen Landtag gewählt, sondern auch kurz danach ihre Gemeinde- und Stadträte, die Kreistage, die ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und die Ortsbürgermeister. Es gab erneut eine, ich denke, für alle beängstigende sehr geringe Wahlbeteiligung, wobei sich glücklicherweise manche Befürchtung dabei nicht einstellte. Es gab Sieger und Verlierer und ich betone ganz deutlich, die rechten Parteien konnten nicht zur Wirkung kommen, und das ist gut so.
Doch es gab auch demokratische Parteien und Wählergruppen, die an der 5-Prozent-Hürde scheiterten, und damit gingen deren Stimmen verloren. Von einer Gleichwertigkeit jeder Stimme kann also somit keine Rede sein. Ich denke, gerade aus diesem Grund und deshalb muss endlich Schluss sein, die 5-Prozent-Hürde in Thüringen muss wegfallen.
Sie gibt es - Herr Staatssekretär, Sie haben das benannt - in den Flächenländern außer in Thüringen nur noch im Saarland und in Schleswig-Holstein; in Rheinland-Pfalz gibt es eine Sperrklausel von 3,03 Prozent. Aber im Gegensatz, denke ich, muss man erwähnen, dass sie in zwölf Ländern nicht mehr
Die Sperrklausel ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Ihre ursprüngliche Funktion, auch bedingt durch die Erfahrungen in der Weimarer Republik, nämlich Sie haben es angesprochen - eine Zersplitterung der Kräfte in den Gemeinderäten und Kreistagen zu verhindern, ist, denke ich, heute nicht mehr notwendig. Die Urwahlen der Bürgermeister und Landräte und damit ihre starke Stellung im Kommunalrecht rechtfertigen den Wegfall dieser Klausel. Gemeinderat und Kreistag auf der einen Seite und Bürgermeister und Landräte auf der anderen Seite sind gleichberechtigte Organe mit klar definierten Zuständigkeiten, Rechten und Pflichten. Der Wegfall der Sperrklausel ist auch wegen der Kombination des Wahlverfahrens, bestehend aus Personen- und Listenwahl, angezeigt. Von Bedeutung ist die Sperrklausel ohnehin nur für Gemeinden über 5.000 Einwohner und in den Kreistagen. Eine Vielzahl von Parteien und Wählergruppen in den kommunalen Vertretungen führt nicht zur Handlungsunfähigkeit, sondern sichert aus unserer Sicht eine Vielfalt im Meinungsstreit.
Ich denke, das macht es deutlich, und dies ist gerade auf kommunaler Ebene von Wichtigkeit und Bedeutung. Natürlich hören wir bereits das Gegenargument, es ist angesprochen, die 5-Prozent-Klausel verhindert den Einzug rechter Parteien und Wählergruppen in die kommunalen Vertretungen.
- genau - löst man eben nicht durch eine Sperrklausel. Bei der Landtagswahl in Sachsen zum Beispiel hätte es einer 10-Prozent-Sperrklausel bedurft, um den Einzug in den Landtag zu verhindern.
Ich denke aber, an dieser Stelle ist es notwendig, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut zu führen und keine Sperrklausel einzusetzen.
Meine Damen und Herren, in fünf Bundesländern dürfen Jugendliche bereits ab 16 Jahre bei den Kommunalwahlen mitwirken. Thüringen würde demnach kein Neuland betreten, wenn Jugendliche bereits ab 16 Jahre wählen dürften. Mit der Reduzierung des Wahlalters würde die Landespolitik ein deutliches Zeichen setzen, ein Zeichen, das signalisiert, wir setzen auf die Jugend, wir geben der Jugend mehr Verantwortung und wir haben Vertrauen in die Jugend.
Wir sollten Vertrauen haben, meine Damen und Herren, dass Jugendliche mit 16 Jahren bereits sehr verantwortungsbewusst mit ihrem Wahlrecht umgehen.
Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs wurde bereits darauf hingewiesen, dass beispielsweise in Nordrhein-Westfalen die Amtszeiten der kommunalen Wahlbeamten und der Vertretungen identisch sind. Alle können dort gut damit leben, auch CDU und SPD sind nicht unzufrieden.
Damit ist der Beleg erbracht, dass der Thüringer Weg, Bürgermeister und Landräte auf sechs Jahre und die Vertretungen auf fünf Jahre zu wählen, nicht alternativlos ist. Die Thüringer Kommunalordnung bestimmt, dass Bürgermeister und Gemeinderäte bzw. Landrat und Kreistag gleichberechtigte Organe der Kommune sind. Es ist kaum erklärlich, warum diese Gleichberechtigung gerade bei den Amtszeiten nicht gelten soll. Die CDU hat die asymmetrischen Amtszeiten mit der Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit der Kommune während der Wahlkämpfe begründet. Wenn das eine Organ zur Wahl steht, soll eben das andere Organ davon losgelöst ohne Wahlkampfstress Kommunalpolitik gestalten können. Aber, meine Damen und Herren, ich stelle auch die Frage: Wie realitätsfremd und -fern ist eigentlich diese Annahme?