Protocol of the Session on June 9, 2006

Die Erfahrung hat nach Einführung des SGB XII gezeigt, dass Korrekturen und Klarstellungen notwendig sind. In der Praxis wird das Gesetz teilweise unterschiedlich interpretiert und daraus folgend abweichende Entscheidungen getroffen. Eine Gesetzesänderung wurde vom Bundesgesetzgeber bereits avisiert. Eine Anhebung der Regelsätze auf 415 €, wie Sie es unter 2 b) fordern, würde allein im Bereich Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel SGB XII weit mehr als eine halbe Million € jährlich Mehrbedarf an finanziellen Mitteln im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bedeuten. Bei fast 8.000 Bedarfsgemeinschaften in der ARGE des gleichen Landkreises hieße dies finanzieller Kollaps dieser kommunalen Gebietskörperschaft. Sicher, Sie orientieren auf den Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die ihrerseits gegenüber der EVS 2003 in den regelsatzrelevanten Abteilungen prozentual höher ansetzen und daher auf 415 € kommen. An dieser Stelle ist mir allerdings aufgefallen, dass die Verbrauchskennzahlen für Tabak und Alkohol mit 100 Prozent angesetzt werden. Das sollte lieber vielleicht für Klassenfahrten eingesetzt werden. Aber wie ich eingangs angedeutet habe und wie es im EVS auch heißt, Sozialhilfe soll einen Mindestlebensstandard einschließlich einer Teilhabe am kulturellen Leben in vertretbarem Umfang ermöglichen, nicht aber eine Lebensführung, die dem durchschnittlichen Lebensstandard entspricht. Es gilt, die Finanzierbarkeit und Nachhaltigkeit der Sozialhilfe dauerhaft zu sichern. Ihr Vorschlag, meine Damen und Herren, liefe dem entgegen.

Zu Punkt c): Die Übernahme von tatsächlichen Betriebskosten in jedem Falle zulasten der öffentlichen Kassen ist nicht zeitgemäß und fördert keinesfalls den sparsamen Umgang mit dem Verbrauch. Die Erhöhung der Eigenverantwortung muss auch hier im Vordergrund stehen. In Einzelfällen und bei Besonderheiten werden die tatsächlichen Betriebskosten übernommen. Hierfür sind Einzelfallentscheidungen maßgeblich. Die Regelungen zum Wohnbedarf sind somit auch als ausreichend einzuschätzen. Mietschulden haben immer Ursachen. Hier sollte auch differenziert werden. Stark belastet werden die Kommunen. Ab dem 1. April 2006 ist die Übernahme von Mietschulden nach SGB XII und SGB II möglich. Das ist wichtig für die Leistungsgewährung aus einer Hand, aber die Belastung haben in beiden Fällen die Landkreise oder kreisfreien Städte zu tragen.

Zu Punkt d) Ihres Antrags sollte die Frage erlaubt sein: Wie wird angemessener Lebensstandard im Alter überhaupt definiert? Im internationalen Maßstab ist unser Sozialhilfe- und Grundsicherungsstandard nicht der Schlechteste, auch nicht der Beste. Ganz bewusst hat der Gesetzgeber die Grundsicherung im Alter eingeführt.

Was die von Ihnen unter 2 e) geforderte Zusammenführung der beiden Rechtskreise betrifft, denkbar wäre ein solches Sicherungssystem. Genau genommen hätte man damit eigentlich das Bundessozialhilfegesetz wieder. Folgerichtig müssten für alle Bedürftigen gleiche Maßstäbe angesetzt werden. Es wäre sonst kaum zu vermitteln, dass die existenzsichernde Grundsicherung eingeführt wird und gleichzeitig Vermögen oder Spareinlagen nicht eingesetzt werden müssen. Andererseits könnte dieses Sicherungssystem dazu führen, dass manche Menschen darauf vertrauen, ihr Leben danach ausrichten und keinerlei Bemühungen um Arbeit die Folge wäre. Ich denke, das kann nicht unser Ziel sein.

Zum zweiten Teil Ihres Antrags nehme ich wie folgt Stellung: Ihre Intention in der Sache ist klar. Ein Angleich im SGB XII auf das Niveau des SGB II auf 345 € ist meines Erachtens sozial gerecht. Eine Anhebung darüber hinaus ist aus den genannten Gründen illusorisch und falsch. Deshalb werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können.

Zu Punkt 2 des zweiten Teils Ihres Antrags Folgendes: Die Forderung hinsichtlich Kürzungen und Sanktionen liegen grundsätzlich in Zuständigkeit des Bundes. Den Handlungsrahmen für die Landesregierung kann ich hier nicht erkennen, aber wie mehrfach in diesem Hause angesprochen, sollten sich die Forderungen darauf fokussieren, den Gesetzesanspruch für jeden unter 25-Jährigen zu erfüllen, indem ihm ein Arbeitsplatz oder eine Fortbildung zugewiesen wird. Aber, meine Damen und Herren, wer sich natürlich nicht fordern lässt, sollte auch Sanktionen erfahren.

Meine Damen und Herren, zur sozialen Gerechtigkeit gehört auch, dass wir die Solidargemeinschaft vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme in Schutz nehmen. Die Erwartungshaltung an staatliche Leistungen ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen und damit so groß wie nie zuvor. Es kann nicht angehen, dass nach Zusammenlegen von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe mehr Geld ausgegeben wird als vorher für beide Instrumente zusammen. Ziel war es immer, erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen und sie nicht einfach zu alimentieren. Ich darf an dieser Stelle den „Spiegel“ zitieren, dort heißt es: „Es ist, als hätten die Hartz-IV-Reformen das Elend ganzer Bevölkerungsgruppen offengelegt, die bislang als

ausreichend versorgt gegolten haben. Die Vermittler und Bearbeiter werden heute mit erwerbs- und angeblich mittellosen Abiturienten, die bislang bei ihren gut verdienenden Eltern gewohnt haben, konfrontiert. Da finden sich plötzlich Rechtsanwälte und Ärzte, die offenbar zu Tausenden merken, dass sie eigentlich seit Jahren am Existenzminimum knabbern.“ Nun mag es sein, dass hier im „Spiegel“ viel überzogen wurde. Aber Fakt ist, dass es zu einer unerwarteten Anzahl von Bedarfsgemeinschaften gekommen ist. Daher, glaube ich, ist es zumutbar und zwingend erforderlich, die Bildung von Bedarfsgemeinschaften besser zu kontrollieren und in bestimmten Bereichen einzuschränken.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Auch durch Anhebung der Regelsätze - auf welchen Wert auch immer - werden wir die sozialen Unterschiede in unserem Lande nicht ausgleichen können. Es wird kein Ausgleich geschaffen werden zwischen dem Wunsch nach erfüllter Tätigkeit auf der einen und Absicherung der täglichen Bedürfnisse auf der anderen Seite. Bei der Debatte um die Höhe staatlicher Leistungen dürfen wir den Blick nicht verlieren, dass es der größte Wunsch der meisten Betroffenen ist, am Arbeitsleben und dem Erwerbsprozess teilzunehmen. Dies ist nicht durch noch so hohe staatliche Unterstützung erfüllbar. Die größte Ungerechtigkeit ist und bleibt, wenn einer arbeiten möchte und nicht die Möglichkeit dazu hat.

Wir müssen also noch mehr tun, um den Menschen eine Perspektive zu geben. Es darf hier also nicht darum gehen, die Regelsätze zu erhöhen, sondern es muss vor allem darum gehen, zu mehr Beschäftigung in Deutschland zu kommen. Dies wird nur gelingen, wenn wir die wirtschaftliche Situation im Lande weiter verbessern. Die große Koalition hat im Koalitionsvertrag vieles vereinbart, was zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen wird. Die Regelung zum Kündigungsschutz halte ich persönlich allerdings für halbherzig und zu kurz gegriffen. Unternehmenssteuerreformen oder Abbau von Regularien allerdings sind zielführend. Alle gesetzgeberischen Maßnahmen, meine Damen und Herren, werden allein nicht dazu führen, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Das kann nicht per Gesetz verordnet werden. Hier ist die Wirtschaft gefragt. Dazu bedarf es einer positiven Grundstimmung und mehr Vertrauen. Das ist nach wie vor die Grundlage eines jeden wirtschaftlichen Wachstums. Ständiges Lamentieren und Negativberichte über Arbeitsabbau verbessern nicht die Stimmung. Hören wir auf, unser Land schlechtzureden und vertrauen wir auf weiteres Wachstum, welches in Thüringen doch wohl nicht wegzureden ist. Das zeigen nicht zuletzt auch die letzen Arbeitsmarktzahlen, die uns nicht befriedigen können, aber trotzdem einen positiven Trend aufweisen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Pilger zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Günther, ich bin ja froh, dass die Gentechnologie noch nicht so weit ist, dass man aus Enten Schwäne machen kann. Aber man sollte auch nie vergessen, dass aus einer hässlichen Ente ein wunderschöner Schwan werden kann.

Meine Damen und Herren, seit der Einführung des Arbeitslosengelds II hat es einen teilweise erbitterten Streit wegen der unterschiedlichen Höhe der Regelsätze in Ost und West gegeben. Die bis heute unterschiedlichen Leistungen in Ost- und Westdeutschland wurden und werden von den Menschen als zutiefst ungerecht empfunden. Übrigens nicht nur von denjenigen, die von den Leistungen abhängig waren und sind, nein, sondern auch von großen Teilen der Bevölkerung. Die unterschiedliche Verfahrensweise wurde sehr zu Recht von vielen Ostdeutschen als Diskriminierung interpretiert. Bei nüchterner Betrachtung war bereits mit Einführung des SGB II als erstem quasi großkoalitionären Akt längst nicht mehr plausibel zu begründen, warum im Westen monatlich 345 € und im Osten nur 331 € gezahlt werden. Wie so vieles war dies ein politischer Kompromiss, der maßgeblich auf die Haltung der CDU-Bundesländer im Bundesrat zurückzuführen ist. Und wie so oft wurde gegenüber der eigenen Bevölkerung häufig völlig anders argumentiert. Das war zu Zeiten der CDU-Opposition in Berlin und manch ein Christdemokrat wähnt sich zumindest stunden- oder tageweise offenbar immer noch in dieser Opposition. Wenn zum Beispiel der Thüringer Ministerpräsident über die Medien die Generalrevision des SGB II einfordert, dann sollte er der Bevölkerung auch verraten, dass er damit Kürzungen meint. Das zählt zur politischen Glaubwürdigkeit.

Meine Damen und Herren, weil diese Strategie der CDU politisch wenig glaubhaft war und ist, freut es mich ausdrücklich, dass wesentlich aufgrund der Empfehlungen des Ombudsrates nun Schluss ist mit der unterschiedlichen Verfahrensweise. Der Ombudsrat vertritt die Auffassung, dass ein niedrigeres Arbeitslosengeld II in den neuen Bundesländern durch sachliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Unterschiedliche Lebenshaltungskosten machen sich eben nicht fest an Ost- oder Westdeutschland. Gerade in wirtschaftsschwachen Regionen sind die Lebenshaltungskosten, abgesehen von den Kosten für die Unterkunft, häufig höher als in wirtschaftsstarken Re

gionen mit einem vielfältigen und konkurrierenden Angebot, z.B. bei der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. In ländlichen Regionen ist mancher Empfänger der Grundsicherung auf den einzigen erreichbaren Laden in der Ortsnähe und auf dessen Preisgestaltung angewiesen. Deshalb war der Vorschlag des Ombudsrates überfällig und die entsprechenden gesetzlichen Änderungen der Bundesregierung folgerichtig.

Ab 01.07. dieses Jahres beträgt der Regelsatz in Ost und West einheitlich monatlich 345 €. 14 € mehr sind für denjenigen, der davon Monat für Monat seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, eine wichtige und unverzichtbare Erhöhung. Weil aber all die Argumente für Bezieher des Arbeitslosengelds II richtig und zutreffend sind, sind sie genauso zutreffend für diejenigen Menschen, die von den Leistungen der Sozialhilfe abhängig sind. Diese Menschen leben unter den gleichen Verhältnissen und Bedingungen und es spricht alles dafür, die Regelsätze der Sozialhilfe zeitgleich an die Leistungen des SGB II anzupassen.

Meine Damen und Herren, dieses Anliegen ist der Landesregierung bereits im Februar dieses Jahres von der evangelischen Kirche vorgetragen worden. Damals wurde eine Prüfung zugesagt. Ich hätte mir deshalb gewünscht, dass die Christlich Demokratische Union Thüringens diese Anregung der evangelischen Kirche aufgegriffen und in die Tat umgesetzt hätte. Es wäre ein Akt christlicher Nächstenliebe und der Gerechtigkeit gewesen, und es ist schlicht und einfach vernünftig und logisch. Die CDU-Landesregierung ist es schließlich, die entsprechend den Regelungen des SGB XII die Regelsätze im Rahmen einer Rechtsverordnung festzulegen hat. Es gibt, wie gesagt, keinen Grund, von den sachlichen Argumenten zur Erhöhung der Leistungen des SGB II bei der Sozialhilfe in irgendeiner Art und Weise abzuweichen. Deswegen möchte ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen.

Nun zu dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei.PDS: Meine Damen und Herren, anlässlich der Debatten zum Sozialgesetzbuch II am Ende des vergangenen Jahres habe ich hier wiederholt betont, dass die damals zu erkennende Abkehr der PDS von der unrealistischen und nicht sachgerechten Konfrontationsstrategie allein nach dem Motto „Hartz IV muss weg“ bemerkenswert und positiv ist. Offenbar hatten wir uns zu früh gefreut. Dieser Antrag bedeutet einen populistischen Rückschritt. Ich frage mich nur, was der Anlass dafür ist. Vielleicht sind die Mühen der Ebene hier einfach zu schwierig.

Meine Damen und Herren, wer das Arbeitslosengeld II in eine am ursprünglichen Lohnniveau orientierte Leistung umwandeln will, der grenzt Sozialhil

feempfänger erneut aus. Es gibt nicht wenige Arbeitslose und arbeitsuchende Menschen, die nie einen Lohnbezug hatten. Bundesweit wird von 1,6 Mio. ehemaligen Sozialhilfeempfängern zwischen 15 und 64 ausgegangen, die ab dem 01.01.2005 Arbeitslosengeld II statt Sozialhilfe beziehen. Nun kann man trefflich über die Höhe des Arbeitslosengeldes II streiten und auch die Antragsteller haben von März bis zum heutigen Zeitpunkt mal flugs die Höhe von damals 490 auf 415 € reduziert. Viel wesentlicher aber ist es, dass durch das SGB II Sozialhilfeempfänger aus ihrer bisherigen Anonymität herausgekommen sind. Sie haben jetzt Anspruch auf alle berufsintegrierenden Leistungen des SGB II und wir wollen keine erneute Ausgrenzung dieses Personenkreises. Dass die ARGEn und die optierenden Kommunen noch längst nicht in der Lage sind, den damit verbundenen Leistungsanspruch auf Förderung befriedigend oder gar gut umzusetzen, das ist eine andere Sache, auf die wir unsere Kraft konzentrieren sollten. Wir finden es deshalb falsch, dass mit der Forderung unter Buchstabe a) des ersten Teils Ihres Antrags erneut Soziahilfeempfänger faktisch ausgegrenzt würden.

Ein zweites Beispiel und dieses gilt für Ziffern 1 und 2 Ihres Antrags: Sie wollen keine pauschalierten Leistungen. Wir hingegen finden die Pauschalierung der Leistungen im SGB II und im SGB XII richtig. Auch hier können wir uns gern darüber streiten, ob die Beträge ausreichend sind. Richtig aber ist es, die Menschen eben nicht zu Bittstellern und zu Almosenempfängern zu degradieren, sondern ihnen die Einteilung der Mittel selbst zu überlassen. Ich weiß aus meiner beruflichen Tätigkeit, dass dies im Regelfall funktioniert. Dort aber, wo es im Ausnahmefall schwierig ist, ist die Beratung in den Grundsicherungsämtern und den Sozialämtern zu verbessern. Der Antrag zielt stattdessen in seiner Konsequenz neben der Einschränkung der Selbstbestimmung der Leistungsempfänger auf eine Bürokratieausweitung. Wer die Praxis kennt, liebe Kolleginnen und Kollegen, der weiß, dass gerade die vielfältigen Ermessensentscheidungen in der Vergangenheit Sozialhilfeempfänger abhängig gemacht haben, abhängig vom Ort, an dem sie wohnten, und den dort offiziell oder inoffiziell eingeräumten Spielräumen in der Ermessensentscheidung, abhängig von der Bereitschaft der jeweiligen Sachbearbeiter, den Ermessensspielraum, z.B. bei Bekleidungsanträgen, so oder so zu nutzen, und abhängig schließlich von immer wieder erneuten Antragsverfahren, die Menschen nun einmal zu Bittstellern machen.

Es ist doch nicht ohne Grund so, dass der Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II und SGB XII seit der Novellierung offenbar mehr in Anspruch genommen wird. Deshalb wollen wir Verwaltungsvereinfachung und Entbürokratisierung und wir

wollen eine kompetente bürgerfreundliche Beratung in den Ämtern. Jede Ausweitung von Bürokratie geht erfahrungsgemäß immer zulasten der Beratungsqualität.

Ein weiteres Beispiel: Es kann nicht das Ziel sein, die Verantwortung von Lebenspartnern für die wechselseitige Existenzsicherung durch die Einführung von Freibeträgen zu mindern. Nein, es muss stattdessen das Ziel sein, allen arbeitslosen Menschen ohne Anspruchsvoraussetzung für die Grundsicherung dennoch alle beruflichen Fördermöglichkeiten des SGB II oder III, wie z.B. Qualifizierung und Berufsausbildung, zu ermöglichen. Deshalb sollte es unser Ziel sein, die Mittel der Landesarbeitsmarktpolitik und des Europäischen Sozialfonds sinnvoll ergänzend in diesem Sinne einzusetzen, statt den Sozialleistungsanspruch für den Lebensunterhalt zu erhöhen.

(Beifall bei der CDU)

Zu Ihrer Forderung der Überprüfung der Regelsätze: Die Regelsätze des SGB XII ebenso wie des SGB II werden doch regelmäßig überprüft. Auch hier ist eine strittige Auseinandersetzung erforderlich und gewünscht. Was ich aber nicht kenne, ist die, ich betone, die international gebräuchliche Definition des Existenzminimums. Ich hoffe nicht, dass wir dabei z.B. am europäischen Standard heute diskutieren. Und immer, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es bei den gewünschten Anhebungen von Regelsätzen auch um die Frage, woher denn die Finanzen bei der Haushaltslage der öffentlichen Hände im Bund, bei den Ländern und den Kommunen kommen sollen.

Nun zu der geforderten Übernahme der tatsächlichen Betriebskosten und der Mietschulden. Ich weiß wirklich nicht, was das soll. Die Übernahme der Betriebskosten einschließlich des den jeweiligen regionalen Anforderungen entsprechenden Wohnbedarfs ist nach den jetzigen gesetzlichen Regelungen möglich. Wenn es zu Schwierigkeiten kommt, dann sind die Kreistage und Stadträte aufgefordert nachzujustieren. Das ist keine Angelegenheit, die zentral von irgendwoher geregelt werden muss. Die Mietschulden der vermietenden Unternehmen sind keine Angelegenheit öffentlicher Förderung. Ich weiß sehr wohl, dass es auch hier zu Schwierigkeiten kommt oder kommen kann. Der größte Teil dieser Probleme ist aber durch sachgerechte kommunalpolitische Entscheidung und durch eine gute Beratung in den Grundsicherungsämtern und in den Sozialämtern zu regeln. Darüber hinaus sollten wir diesen Leistungsbereich in Thüringen evaluieren. Ich bin gespannt, ob bei eventuell sehr restriktiver kommunaler Handhabung politische Handschriften der in diesem Haus vertretenen Fraktionen zu erkennen sind.

Schließlich und endlich fordern Sie in Ziffer 2 Ihres Antrags zum Schluss die Überführung des Sozialhilferechts in ein Gesamtsystem einer existenzsichernden sozialen Grundsicherung. Zuvor mahnen Sie in vier Punkten Detailverbesserungen des bisherigen Systems an. Was ist nun beabsichtigt, eine existenzsichernde soziale Grundsicherung oder die Veränderung von Details? Das ist zumindest aus meiner Sicht widersprüchlich und ich hoffe nicht, dass Sie sich bei der Grundsicherung auf die aktuelle politische Linie des Ministerpräsidenten begeben.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei.PDS, der Antrag ist an dieser Stelle nicht nur widersprüchlich, sondern auch gefährlich. Diese Diskussion um den Ausbau der sozialen Grundsicherung geht klammheimlich immer damit einher, das Ziel der beruflichen Integration zugunsten der Sozialtransferleistungen aus dem Auge zu verlieren. Bei den Kollegen der CDU wird gleich beides über Bord geworfen, dort heißt dann die Devise: Grundsicherung runter und Arbeit zu jedem Preis. Also, eine sehr gefährliche Diskussion und der Thüringer Ministerpräsident marschiert dabei gern mit in der Spitze des Sozialabbaus.

Wer aber den Fokus in der politischen Diskussion nicht auf Maßnahmen zur verbesserten beruflichen Integration konzentriert, der unterstützt stillschweigend die dauerhafte berufliche Ausgrenzung immer größerer Personenkreise. Deshalb ist es gut, dass wir uns mehr als in all den Jahren zuvor damit auseinandersetzen, wie Menschen mit geringer beruflicher Qualifikation oder mit Handicaps dennoch einen Arbeitsplatz erhalten können. Die neu entfachte Diskussion um öffentlich geförderte Beschäftigung ist zumindest ein Anstoß, um sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wir sollten dabei immer daran denken, wie wichtig ein existenzsichernder Lohn für die Menschen ist. Deshalb ist die Thüringer SPD immer für den Mindestlohn eingetreten. Darüber hinaus aber ist Arbeit ein wesentliches Kernelement zum Erhalt und zum Aufbau von Selbstwertgefühl. Genau darauf sollten wir uns anstelle des Ausbaus der Grundsicherung auch mit den politischen Initiativen konzentrieren. Ich fürchte, dass jeder Ausbau der Grundsicherung immer zulasten der beruflichen Integration geht. Es wäre letztlich für die Gesellschaft der bequemere Weg.

Nun zum letzten Teil des Antrags: Warum wird dort unter Ziffer 1 eine Trennung von unter und über 25Jährigen vorgenommen. Die aufgestellte Forderung zu Ende gedacht, bedeutet schlicht und einfach, dass bei über 25-Jährigen der Regelsatz gekürzt werden kann, während bei den unter 25-Jährigen die Kürzung zu unterbleiben hat. Wer sich die Realität des Thüringer Arbeitsmarkts ansieht und aus behördlicher Sicht böswillig und sehr sparsam agieren will, der

könnte mit diesem Antrag sehr preiswert die Förderung von Berufsausbildung und von Qualifizierung unterlassen. Das sind nämlich häufig Maßnahmen, die nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt in Thüringen stattfinden und die sehr viel mehr finanziellen Aufwand bedeuten, als den Regelsatz ungekürzt weiterzuzahlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei.PDS, wir haben kein Regelungsproblem, wir haben Umsetzungsprobleme. Es gibt in diesem Antrag einige wenige Punkte, über die man im Rahmen der Evaluierung des SGB II nachdenken und nach Verbesserungen suchen sollte. Das betrifft zum Beispiel die Verbesserung der Regelung für über 58-Jährige oder die Anrechnung der Bezüge aus geringfügigen Beschäftigungen. Im Bereich der beruflichen Integration älterer Arbeitnehmer sind ja seitens der Bundesregierung bereits erste Schritte angekündigt worden.

Dieser Antrag in der vorliegenden Form kann aus den von mir genannten Gründen unsere Zustimmung nicht finden. Er ist an vielen Stellen widersprüchlich, er ist an einigen Stellen kontraproduktiv und er lenkt ab von dem, was wir tatsächlich leisten müssen. Ich wiederhole das gern immer wieder: Es gilt, die Förderung und die Beratung für die Empfänger von Arbeitslosengeld II und des Sozialgelds entscheidend zu verbessern. Dass dies bei weitem nicht nur mit Geld zusammenhängt, hat die unzureichende Mittelbindung der aktiven Arbeitsmarktmittel des SGB II im vergangenen Jahr bewiesen. Es gilt aber, jetzt nicht nach Sündenböcken zu suchen, sondern mit Unterstützung der Kommunen durch das Land möglichst schnell und auf der Basis gesicherter Erkenntnisse für eine Verbesserung der Dienstleistung zu sorgen. Landespolitik und Kommunalpolitik müssen sich gemeinsam darüber bewusst werden, dass mit der Modernisierung der Dienstleistung am Arbeitsmarkt die langjährig gepflegte Schuldzuweisung an die Bundesagentur der Vergangenheit angehört. Deswegen verweise ich auf die im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit durchgeführte Anhörung und auf den Bericht des Bundesrechnungshofs. Es gibt landes- und kommunalpolitisch wirklich viel zu tun. Nicht die gesetzlichen Grundlagen sind das entscheidende Hindernis, sondern die unbefriedigende Umsetzung. Daran hat die Landesregierung in Thüringen durch praktizierte Untätigkeit eine erhebliche Mitverantwortung. Unser Ziel sollte es deshalb vorrangig sein, Arbeit statt Finanzierung der Arbeitslosigkeit zu organisieren. Der Ausschussüberweisung des vorliegenden Antrags der Linkspartei.PDS können wir zustimmen; den Antrag selbst aber werden wir aus den genannten Gründen ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich Frau Abgeordnete Thierbach zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Aktualität des Antrags hat mich selbst überrascht. Die Aktualität deswegen, weil, es ist richtig, wir hatten mit der Drucksache 4/1800 bereits einmal einen adäquaten Antrag eingereicht, den wir dann zugunsten der Aussprache zum Rechtsextremismus in Thüringen von der Tagesordnung abgesetzt haben und dadurch die Gunst der Stunde genutzt haben, um ihn zu überarbeiten. Das ist richtig, aber die Aktualität kommt nicht durch Ihre Reden zustande, sondern durch das, was ich letztendlich in der TLZ und in anderen Zeitungen gelesen habe. Die formale Aktualität ist immer da, denn dieser Antrag orientiert sich nicht daran, ob Parteien, Bundestagsfraktionen, Arbeitsämter oder Verwaltungen in der Bewertung des Lebens von denen, die keiner Arbeit nachgehen dürfen oder können, Recht haben, sondern unser Antrag orientiert sich ausschließlich an der Situation derer, die mit Hartz IV leben müssen. Das ist eine Aktualität, die besteht leider immer. Es bleibt bei unserer Aussage: Ja, Hartz IV muss weg, weil wir von dem Konstrukt, das dort ins Sozialrecht eingeführt worden ist, überhaupt nicht politisch-gesellschaftlich überzeugt sind. Aber das heißt doch nicht, dass wir verkennen, dass der Mensch heute und hier lebt und dass wir ein bestehendes Rechtssystem haben, das eine Linkspartei.PDS nicht von einem Tag zum anderen per Antrag beseitigen könnte. Aber gerade deswegen müssen wir uns für Regelungen zur Verbesserung der Lebensqualität derer einsetzen, die heute von Hartz IV, sprich Arbeitslosengeld II, bzw. von Sozialgeld leben müssen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das eine tun, dass andere nicht lassen, ist schon immer eine gesellschaftspolitische Entwicklungsmöglichkeit.

Nun aber zu der von außen angetragenen Aktualität unseres Antrags. Der ist überschrieben durch die TLZ mit einem Zitat von Ministerpräsident Althaus: „Das ist ein zutiefst sozialer Ansatz“ und „Althaus sucht Verbündete für die Idee der Grundsicherung“. Da kamen bei mir viele Ideen, viele Fragen auf. Ich werde auf den Artikel noch öfter eingehen, aber ich möchte Ihnen nicht ersparen, bereits am 13.12.1993 suchte die damalige Fraktion der Linkspartei.PDS Verbündete für die Einführung einer sozialen Grundsicherung in der Bundesrepublik Deutschland. Jetzt habe ich mir diesen Antrag in der Drucksache 1/2917 noch einmal angeschaut. Ich käme heute gar nicht

mehr auf die Idee, den so zu stellen, auch nicht meine Fraktion. Deswegen lese ich ihn einmal vor: „Die Landesregierung wird aufgefordert, im Bundesrat initiativ zu werden, um die Bundesregierung aufzufordern, einen Gesetzentwurf für eine Grundsicherung vorzulegen. Alle in der Bundesrepublik lebenden Menschen müssen das Recht haben, ihren Lebensunterhalt durch frei gewählte Arbeit zu menschenwürdigen und gerechten Bedingungen zu verdienen. Allen Menschen ist zugleich - unabhängig von Alter, Geschlecht, Familie, Nationalität und Weltanschauung - ein Anspruch auf die Sicherung ihrer Existenz zu gewährleisten. Die Höhe einer Grundsicherung sollte sich an der Hälfte des durchschnittlichen Einkommens der Region aller Beschäftigten orientieren.“ Jetzt lese ich Ihnen vor, was der Ministerpräsident letztendlich hier bringt - Entschuldigung -, was in dem Artikel steht: „Der Thüringer Ministerpräsident hat einen neuen Stein in das Wasser der sozialpolitischen Diskussion in Deutschland geworfen und hofft, dass er jetzt Kreise zieht. Bisher sind zumindest die bundespolitischen Reaktionen auf den Vorstoß von Althaus eher mager ausgefallen. Daher hat Althaus nur die Konsequenzen aus dem gezogen, was eigentlich seit Jahren schon offensichtlich ist. Alle Reformbemühungen bei den sozialen Sicherungssystemen laufen ins Leere. Beinahe schon halbjährlich muss nachgebessert werden, ob bei Hartz IV oder im Gesundheitsbereich.“ Und so geht das weiter. Welchen Vorschlag hatten wir in der Begründung gemacht? Was hatten wir in der Begründung geschrieben, warum wir unseren Antrag wollen? Einkommensleistungen der Sozialhilfe belasten die Haushalte aller Bundesländer derzeit mit über 16 Mrd. €. Durch das Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramm werden mindestens 4 Mrd. € hinzukommen. Und wir haben das Phänomen, der Ministerpräsident sieht zwar die Tatsache, dass die Hartz-IV-Gesetze nicht die Probleme der sozialen Sicherungssysteme gelöst haben, aber zumindest denkt er nach, wie letztendlich ein Problem, was bisher nicht geregelt werden konnte, auch nicht durch Hartz I bis IV, selbst wenn wir ein Hartz V noch schreiben, geregelt wurde, gelöst werden kann. Er benutzt einen Begriff, der eigentlich besetzt ist. Er spricht von Grundsicherung - jeder denkt, soziale Grundsicherung - und eigentlich tut er aber etwas, was sich dann von Linkspartei.PDS unheimlich unterscheidet. Wir gehen nicht davon aus, dass die sozialen Sicherungssysteme wie Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung auf dem Altar einer Grundsicherung geopfert werden. Das ist nie Politik von PDS und dem werden wir uns auch immer verwehren. Unser Angebot geht dabei wirklich davon aus, für die Diskussion um eine Grundsicherung, dass die Artikel 20 und 14 Grundgesetz Bestand haben müssen. Das ist einmal die Besitzstandswahrung und zum anderen das Sozialstaatsgebot. Da kann man nicht davon ausgehen,

dass man die Sicherungssysteme einfach mal abschaffen kann, indem man dann eine steuerfinanzierte Grundssicherung einbringen kann. Das ist der Gedanke, der da immer wieder ins Spiel gebracht wurde, als wenn man nur in ein anderes Land schauen müsste - vielleicht nach Schweden, Norwegen und Dänemark, sprach der Ministerpräsident - und dann die Lösung für das Land Thüringen hat oder für die Bundesrepublik Deutschland. Das geht überhaupt nicht, weil die Systeme nicht vergleichbar sind. Über diese Diskussion sollte das Grundgesetz auch nicht ausgehebelt werden. Er bietet an, dass die Diskussion zur Grundsicherung ein Jahr geführt werden soll; er meint sicher, innerhalb der CDU. Das steht in keinem Artikel. Wir sind aber bereit, diese Diskussion mitzuführen, um Alternativen zu finden zu dem bisher bestehenden System Hartz I bis IV, um zu überlegen, wie wir tatsächlich eine soziale Grundsicherung in Deutschland etablieren, die den Namen auch verdient. Denn das, was jetzt in Grundsicherungsämtern, im Gesetz zur Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit und im Alter formuliert wird, das hat mit „sozial“ nichts zu tun. Das hat etwas damit zu tun, wie meine Kollegin Wolf sagte: Zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Genau deswegen, glauben wir, brauchen wir diese Debatte.

Ich möchte auch gleich auf diese ewige Mär von der Kostenexplosion mit Hartz IV eingehen, dass da nichts mehr machbar wäre entsprechend unserem Antrag. 2004 wurden 18 Mrd. € für Arbeitslosenhilfe ausgegeben. 27,6 Mio. € wurden für Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe insgesamt ausgegeben. Was passierte im Bund? Da verstehe ich, dass SPD und CDU in diesem Land manchmal nicht ganz wissen, wie sie damit umgehen sollen. Bereits mit Einführung des neuen Rechts wurde für 2004 der Mittelansatz im Bundeshaushalt um 1,6 Mrd. € gesenkt. Also wenn wir altes Recht weiter gehabt hätten, dann hätten alle Mann gewusst, dass wir nämlich tatsächlich im Jahr 38,6 Mrd. € für Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe und Wohngeld für Erwerbsfähige gebraucht hätten, 43,5 Mrd. € im Jahr 2005 und davon, da schaut keiner mehr, 2,8 Mrd. € für das Rentensystem ausgegeben wurden ohne die Sozialhilfebezieher.

Jetzt komme ich zum neuen System. Da ist eben 44 Mrd. € im Jahr 2005 die Gesamtsumme für das ALG II und alles, was im Bundeshaushalt rechnerisch zusammengeführt werden konnte. Wenn wir davon ausgehen, dass es 43,5 Mrd. € in 2005 nach altem System waren und im Jahr 2005 44,4 Mrd. € exakt für das neue System waren und davon aber 4,2 Mrd. € in die Rente ging, dann frage ich mich, was hat sich hier verstetigt - nicht eine Kostenexplosion, sondern die Tatsache der Langzeitarbeitslosen. Wer nämlich rechnen kann, merkt, dass es kaum eine Differenz in den Gesamtkosten gibt, sondern was das Phänomen ist, bei geringerem Leistungsbezug haben

wir immer mehr Langzeitarbeitslose, die aus der Falle von Hartz IV nicht rauskommen. Das ist der Punkt, an dem wir gemeinsam überlegen müssen.

Nun komme ich direkt zu unserem Antrag. Es ist so, wir bleiben dabei, Hartz IV muss weg, aber die Menschen leben heute und hier. Da sind wir nicht zu stolz zu sagen, im bestehenden Gesetz könnte einiges geändert werden. Die Lebensqualität von Hartz-IV-Empfängern hat sich verschlechtert. Sie wissen alle um die Notwendigkeiten, der Zuverdienstmöglichkeiten bzw. wie sich auch Armut verfestigt hat. Ich möchte Ihnen nicht noch einmal vorzählen, wie sich die Ansätze der Regelsätze allein bei Kindern und Ehepartnern prozentual verringert haben. Es ist aber so, dass sich beim Konstrukt Hartz IV eben parallel die Zunahme von Armut statistisch nachweisen lässt. Wenn Hartz IV eingeführt wurde, um Armut zu verhindern, dann muss man doch sagen können, die Rechnung ist nicht aufgegangen. Die Verfestigung von Armut hat stattgefunden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir brauchen uns tatsächlich nicht streiten, welche Grenze wir nun nehmen. Wir können ständig hoch und runter deklinieren, ob wir uns an der europäischen Definition, was Teilhabe ohne Armut in einer Gesellschaft bedeutet, orientieren oder ob wir die Mindestlohnhöhe nehmen. Wir können alles Mögliche definieren. Wir können aber nicht wegleugnen, dass es Menschen gibt, die an der Teilhabe des in der Gesellschaft an kulturellen, an wissenschaftlichen, an sportlichen, an Veranstaltungen allgemein Stattfindendem ausgeschlossen sind, die sich nicht aussuchen können, ob sie in die Bibliothek gehen oder nicht, dass dieses alles „in Armut leben“ bedeutet, wenn ich das alles nicht kann. Deswegen brauchen wir uns nicht um die Definition streiten, sondern wir müssen endlich von der Akzeptanz, dass es Armut bei uns im Lande gibt, ausgehen und dann sagen, wie können wir die verhindern.

Nun komme ich zu ein paar Versuchen zu erklären. Es hat keinen Sinn, dass ich Ihnen jetzt alles Einzelne, was Sie mich gefragt haben, hier im Plenum beantworte. Aber auf ein paar Dinge möchte ich schon eingehen. Die Statistikerhebung zum Zwecke der Regelsatzerhöhung, die immer wieder hier dargestellt wurde, wie stark wir sie brauchen - welche Statistik brauchen Sie denn? Wenn wir akzeptieren, dass mit Hartz IV Armut vorhanden ist, dass der Regelsatz zu gering ist, auch die Anhebung auf 345 € Ost wie West zu gering ist, dann haben wir doch das Phänomen: Auf welche Statistik beziehen wir uns? Es ist nicht so, dass im Bundesgesetz tatsächlich nur geregelt ist, dass wir nur auf der Einkommensstichprobe des Bundes handeln dürften. Das ist nicht so. Dort ist eindeutig geregelt, die Länder können auf