Protocol of the Session on June 9, 2006

eine selbst durchgeführte Erhebung zum 01.07. eines Jahres reagieren. Nun gebe ich zu, mir ist keine eigene Erhebung bekannt aus dem Lande Thüringen. Das gebe ich gerne zu. Ich weiß es nicht. Am meisten hätte ich mich gefreut, der Minister wäre heute hier aufgestanden und hätte gesagt: Ätsch, liebe PDS, euer Antrag kommt einfach zu früh. Ich habe von meinem Recht Gebrauch gemacht und habe bereits zum 01.07. die Erhöhung des Regelsatzes für Grundsicherungsleistungen erhöht für diejenigen, die nicht erwerbsfähig oder aus Altersgründen bedürftig sind. Vielleicht kommt er noch. Ich weiß es nicht. Vielleicht wartet er aber auch auf eine statistische Erhebung, um dies machen zu können. An der Stelle würden wir Ihnen gern helfen. Es gibt zwei, die eine ist die Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, auf die ist Herr Günther eingegangen, die letztendlich zur Bestimmung von 415 € als Regelsatz geführt hat. Ich bin nicht bereit zu diskutieren, ob dort Alkohol und Zigaretten zu 100 Prozent angerechnet werden. Ich bin bereit, die Studie ernst zu nehmen, weil ich die Parität in ihren über 200 Mitgliedsorganisationen ernst nehme, und ich bin bereit, diese Studie ernst zu nehmen, weil das Diakonische Werk genau auf dieser Grundlage allen Fraktionen erneut geschrieben hat - Herr Spott ist sicher nicht jemand, der da leichtfertig Briefe schreibt - und allen Abgeordneten noch einmal ans Herz gelegt hat, die 415 € als Regelsatz für die Ärmsten im Lande Thüringen tatsächlich zum 01.07. einzuführen. Wenn Sie die Studie der Parität nicht nehmen wollen, dann nehmen Sie doch einfach die Drucksache 4/1640. Diese Drucksache 4/1640 ist die Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Veränderung der Aufwandsentschädigung mit Wirkung vom 01.11.2005. Für alle, die dieses Paragraphendeutsch nicht kennen: Es ist nichts anderes als die Anhebung der Aufwandsentschädigung für Abgeordnete zum 01.11.2005 auf der Grundlage von § 26 des Thüringer Abgeordnetengesetzes. Wenn wir unsere eigenen Maßstäbe für all diejenigen, die eben mit Sozialgeld und ALG II leben müssen, zum Primat wieder machen, dann käme heraus, dass nicht nur Abgeordnete um 24,94 € die eine Summe pro Monat erhöht bekommen und die anderen 7,79 € noch hinzu. Das sind, ich habe es nicht genau gerechnet, etwas über 32 €. Diese 32 €, die wir uns aufgrund der Entwicklung von Einkommen und des Preisindexes zugestanden haben für die Aufwandsentschädigung, die ja daran gekoppelt ist, dass es eine Preisentwicklung gibt, genau diese Statistik, die ja nicht durch den Landtag gemacht ist, sondern Einkommmens- und Preisentwicklung im Freistaat Thüringen, Thüringer Landesamt für Statistik, nehmen wir diese zur Grundlage für die Erhöhung der Regelsätze. Dies ist politisch möglich, wenn wir es als Landtag wollen.

Ich möchte auch noch einmal darauf eingehen, warum die Erhöhung nur der erste Schritt ist. Der ers

te Schritt, man könnte uns ja sogar vorwerfen, 345 € jetzt und die 415 € im nächsten Jahr, das war das Angebot zur Diskussion, den kleinen Schritt sofort zu tun und den anderen tatsächlich auch in der Gesellschaft zu begründen.

Ich möchte noch einmal dazu kommen, wie Ministerpräsident Althaus letztendlich mit dem Sicherungssystem in seiner Idee umgegangen ist. Ich glaube, man muss sich zunächst von der Möglichkeit, dass man über Geldreinschmeißen die Sicherungssysteme alle retten kann, tatsächlich verabschieden. Da gebe ich Herrn Kölbel Recht. Aber die Arbeitswelt werden wir nicht von einem Tag zum anderen ändern und deswegen brauchen wir diese Beiträge. Nun haben wir aber das Phänomen, dass das so genannte Fortentwicklungsgesetz - Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende - nichts anderes ist als ein Kürzungsgesetz. Dieses Kürzungsgesetz deutet eben nicht darauf hin, dass wir eine gesellschaftliche Einsicht haben, dass wir Menschen zumuten, in Armut zu leben, sondern deutet darauf hin, dass es tatsächlich noch Leute gibt, die glauben, die bekommen immer noch zu viel.

Da bin ich bei der Frage, warum man 25-Jährigen und anderen das Geld nicht kürzen kann. Da gehe ich davon aus, dass mit diesem Fortentwicklungsgesetz, das ja immer noch nicht verabschiedet ist - zum Glück -, letztendlich die Grundlage gelegt werden soll, bis 100 Prozent Kürzungen vorzunehmen, also Sachmittel dann nur noch. Die bekommen dann einen Gutschein und können sich überlegen, welcher Laden den Gutschein vielleicht annimmt. Da sage ich Ihnen ganz deutlich, da gibt es jetzt schon viele Bedenklichkeiten und Klagen auch vorm Bundesverfassungsgericht gegen bestimmte Konstrukte bei Hartz IV. So ist spätestens die Reduzierung der Leistungen um 100 Prozent sehr bedenklich in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit.

So viel Wasser trinken kann ich gar nicht.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Aber we- niger reden.)

Herr Reinholz, ich würde schrecklich gern weniger reden, wenn Sie signalisieren würden, dass Sie endlich verstanden haben, dass es Armut gibt und dass wir über neue Arbeitsplätze und Grundsicherungsleistungen reden, die den Begriff tatsächlich wert sind, und auch dann im Lande Thüringen andere Verhältnisse haben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich will aber zurück zu den Kürzungen kommen. Es ist eindeutig, dass die Kürzungen um 100 Prozent

verfassungswidrig sind. Das darf überhaupt nur dann geschehen, wenn ein Mensch nachgewiesen hat, und das durch richterliches Urteil, dass er nicht in der Lage ist, letztendlich mit Geld umgehen zu können. Geld ist kein Erziehungsobjekt, das man im Sozialrecht einfach mal anwenden kann im Sinne von Fordern und Fördern. Diesen Widerspruch, den müssten Sie noch vor der Verabschiedung des so genannten Fortentwicklungsgesetzes tatsächlich nochmals überdenken.

Zu den Problemen der unter 25-Jährigen werde ich jetzt nichts sagen. Dazu wird mein Kollege Matthias Bärwolff noch einen Beitrag halten.

Nun möchte ich Ihnen noch sagen, warum ich gehofft habe, dass der Ministerpräsident bei der Ablehnung bleibt, die er unmittelbar nach den Koalitionsausschussverhandlungen Ende Mai - an dem Wochenende - kurz in der Presse hatte; ich habe es gehofft, dass er dabei bleibt auf der Grundlage unserer eigenen Landesverfassung.

Wenn jemand erkannt hat, dass Hartz IV unsere Arbeitsmarktprobleme nicht geklärt hat, wenn jemand erkannt hat, dass wir nicht jedem, der es möchte, einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen können, wenn wir erkannt haben, dass es nicht jedem möglich ist, aus eigener Kraft einen Arbeitsplatz, der ein existenzsicherndes Einkommen verkörpert, zu erreichen, dann, glaube ich, muss man in der Landesverfassung in Artikel 35 und Artikel 36 nachschauen, wo nämlich auch geregelt ist, niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden. Wir haben dort ein Staatsziel formuliert, in dem letztendlich die Verantwortung der Gesellschaft für den Einzelnen steht. Erst wenn wir das aufgegeben haben und wenn das aufgegeben wurde, dann gibt es auch keine Solidarität mehr. Denn Solidarität erschöpft sich nicht darin, dass der, der nichts hat, etwas bekommt, sondern, Solidarität bezieht sich genau in diesem Artikel und genau in diesem Konstrukt darauf, dass jeder überhaupt erst die Chance bekommt zur Teilhabe an der Gesellschaft. Dazu zählt auch Arbeit und dazu zählt auch, dass ein Ministerpräsident gegen ein Fortentwicklungsgesetz, das letztendlich nur Leistungskürzungen beinhaltet, stimmen darf und auch stimmen sollte.

(Zwischenruf Dr. Gasser, Innenminister: Soziale Grundsicherung statt Almosen.)

Es ist schön, Herr Gasser, dass Sie den Inhalt wiederholen - „Soziale Grundsicherung statt Almosen“, das finde ich gut, genau um dieses Thema geht es nämlich jetzt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir wollen mit unserem Antrag an der Diskussion teilnehmen. Wir wollen nicht Recht haben oder irgendetwas, sondern das Beste wäre, der Minister Zeh hätte bereits den Regelsatz hier verkündet, dann bräuchten wir über einen Punkt nicht mehr diskutieren, über alle anderen sollten wir weiter diskutieren. Uns ist es bisher nicht gelungen, auch nicht mit zehn Anträgen hier im Plenum, bereits über neue Arbeitsplätze mit Ihnen so zu diskutieren, dass ein signifikanter Nachweis zum Abbau von Arbeitslosigkeit erfolgt ist. Wir wollen mit Ihnen diskutieren. Es ist falsch, demjenigen, der Arbeitslosengeld II oder auch noch Arbeitslosengeld insgesamt erhält, Arbeitsunwilligkeit vorzuwerfen, wenn noch nicht mal die Möglichkeit besteht, jedem ein Angebot zu unterbreiten. Wir möchten mit Ihnen auch diskutieren, wir möchten die Ausschussüberweisung und deswegen beantrage ich die Ausschussüberweisung für den Punkt I an den Sozialausschuss. Der Punkt II sollte heute abgestimmt werden, weil er umsetzbar ist. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich der Abgeordnete Bärwolff zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Abgeordnete, ich habe schon einiges Lächeln auf Ihren Lippen gesehen, das finde ich ja sehr angenehm. Grundsicherung statt Almosen, so heißt unser Antrag. Ich will nur ganz kurz auf das eingehen, was auch der Kollege Pilger noch mal gefragt hat. Es geht nicht darum, dass nur die 25-Jährigen den Regelsatz gekürzt bekommen sollen oder dass man die davon ausnimmt. Nein, darum geht es nicht. Sondern mit dem Hartz-IV-Optimierungsgesetz wurde ja der Regelsatz für die unter 25-Jährigen generell gekürzt. Diejenigen, die noch nicht 25 sind und noch keine eigene Bedarfsgemeinschaft gegründet haben, bekommen nur 80 Prozent des Regelsatzes überhaupt ausgezahlt, also die 276 € statt der 345 €. Dagegen wenden wir uns.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Denn Eigenverantwortung und Freiheit kann man nicht vom Geld abhängig machen, sondern Eigenverantwortung muss man fördern, und wenn Eigenverantwortung dann eingeschränkt wird, wenn man abhängig ist, wenn man Leistungen bezieht, dagegen habe ich schon etwas.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Da gibt es hier so eine Bundestagsdrucksache, in der heißt es ungefähr: Es erhält keiner Leistungen nach dem SGB II, der sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der am 23. Oktober 1997 geänderten Erreichbarkeitsanordnung EAO vom 16. November 2001 definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält. Das also fällt auch noch da hinein mit dem SGB-II-Optimierungsgesetz. Jetzt hat man nicht nur Stallpflicht für unter 25-Jährige eingeführt, nein, man hat auch noch eine Art Residenzpflicht eingeführt für Hartzempfängerinnen und -empfänger. Wenn das die Freiheit ist, meine Damen und Herren, für die Sie 1989 auf die Straße gegangen sind, dann frage ich mich: Sind Sie denn nur einmal Held oder hat das mit dem Heldentum sich jetzt schon geändert?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist doch eine Unverschämtheit, Rotzlöffel.)

Frau Abgeordnete Tasch, dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Es kann doch nicht sein, dass, wenn ein Arbeitsloser seine Kommune verlässt, das nicht beim Arbeitsamt meldet, er dafür dann eine Sanktion bekommt. Was ist denn das für eine Freiheit, was ist das denn für ein Begriff von Freizügigkeit?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Rotzlöffel.)

Frau Abgeordnete Tasch, ich habe Ihnen vorhin für diese Bezeichnung einen Ordnungsruf erteilt. Ich erteile Ihnen jetzt noch einen. Sie wissen, dass beim dritten eine weitere Sanktion erfolgt.

Gut. „Hartz IV fördern und fordern“, das war der große Leitsatz, das war das große Motto des Hartz-IVGesetzes. Man muss einmal ganz klar konstatieren, Hartz IV ist ein voller Erfolg. Klar, die Kommunen müssen draufzahlen, klar, die Arbeitslosen bekommen nicht schneller Arbeit, aber der Bund hat immerhin 4,5 Mrd. € gespart und in diesem Sinne muss man schon einmal konstatieren, dass Hartz IV durchaus ein Erfolg ist. Denn - so jedenfalls meine Auffassung - es geht dabei nicht um die Arbeitslosen, es

geht dabei leider nicht unbedingt darum, ihnen zu helfen, sie in Arbeit zu integrieren,

(Unruhe bei der CDU)

nein, das können Sie auch ganz wunderbar in der Begründung des Hartz-IV-Optimierungsgesetzes nachlesen, es geht einzig und allein um das Geld. Wenn wir allerdings den jungen Menschen helfen wollen, den unter 25-Jährigen, sie wirklich in Arbeit zu bringen, dann - das hat Frau Thierbach hier auch schon angeführt - hilft uns eine Faulenzerdebatte hier nicht weiter.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Angesichts der Entwicklung - 5,2 Mio. Arbeitslose offiziell registriert, es wird noch eine Menge weitere geben, die z.B. nicht im Leistungsbezug sind, aber trotzdem arbeitslos, sind Beleg dafür, die Arbeit ist alle. Das muss man an dieser Stelle einfach zugeben, Vollbeschäftigung wird es wohl so nicht mehr geben. Deshalb müssen wir eigentlich heute darüber diskutieren, wie man Arbeit umverteilen kann. Alle arbeiten ein bisschen weniger, dafür arbeiten aber viele Leute mehr oder dafür arbeiten mehr Leute, die aber weniger. Für die unter 25-Jährigen - um darauf auch noch einmal zurückzukommen - gibt es eine strukturelle Benachteiligung, die auch mit dem SGB-IIOptimierungsgesetz nicht weniger wird. Schauen Sie sich das an. Die Langzeitarbeitslosen, die benachteiligten Arbeitslosen und Jugendlichen unter 25 geraten schon in der Schulbildung in eine Art „strukturelle Benachteiligung“, so kann man das schon auch benennen. Das geht los in der Schule. Familien, die sozial schwach sind, deren Kinder haben weniger Chancen auf eine höhere Bildung. Dort geht die Karriere im Sozialsystem schon los. Hier beginnen Armutskarrieren. Schauen Sie sich an, ein Jugendlicher, der in die Regelschule kommt, macht meinetwegen einen Regelschulabschluss, schafft ihn auch, aber dann geht es schon los mit den Ausbildungsplätzen. Die Wirtschaft und hier der Wirtschaftsminister loben sich ja gegenseitig - auch in der Staatskanzlei neulich - der Ausbildungspakt sei ein großer Erfolg. Die Realität sieht leider anders aus. Sie schreiben es auch in ihrem Fortschrittsbericht zum Ausbau Ost, dass das mit den Ausbildungsplätzen nicht so ganz funktioniert.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirtschaft, Technologie und Arbeit: Wo haben Sie das denn gelesen?)

In Ihrem Fortschrittsbericht zum Aufbau Ost schreiben Sie ganz deutlich, dass das mit den Ausbildungsplätzen nicht so funktioniert. Wenn die Presse da ist, erzählen Sie dann: „162 Jugendliche haben keine Ausbildung bekommen“. Also hier ist auch eine re

lativ große Differenz zwischen Anspruch und Realität. In dieser strukturellen Benachteiligung bringt es nun einmal nichts - das ist jedenfalls unsere feste Überzeugung -, einzig und allein mit Sanktionsmaßnahmen und Repressionen die Jugendlichen zur Arbeit zu bewegen. Denn viele Jugendliche haben gar nicht die Chance, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wenn Sie sich z.B. mit dem Projekt „Stellwerk“ beschäftigen: Dort sind benachteiligte junge Menschen unter 25 Jahren. Sie werden es nicht glauben, dort sind so viele Jugendliche, die haben teilweise nicht einmal einen Schulabschluss. Die gehen aus der 6., 7. Klasse aus der Schule raus und haben nicht einmal einen Schulabschluss. Es mangelt ihnen an elementaren Grundkompetenzen: einen Arbeitstag durchhalten, pünktliches Erscheinen. Da muss unsere Förderung ansetzen und nicht beim Kürzen von Leistungen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Sie kennen ja Leute.)

Das, was daraus folgt und was eigentlich noch viel schlimmer ist als die Generation, die wir da vergessen haben oder die wir gerade dabei sind zu vergessen, ist einfach der Fakt, dass es mittlerweile schon Karrieren in Armut gibt, dass es, was man im Westen beobachtet hat, ganze Familien gibt, die nie gearbeitet haben, dass das auch sukzessive in den Brennpunkten in Thüringen stattfindet. Hier versagt die Gesellschaft und mit den Optimierungen im SGB II wird das auch weitergehen. Dieser Kreislauf von Frustration, Enttäuschung und andererseits aber Stigmatisierung, ich erinnere an eben diese Faulenzerdebatte, dieser muss durchbrochen werden.

Die Betrachtung des Problems „Arbeitslosigkeit“ oder auch „Förderung von Arbeitslosen“ muss vom Menschen ausgehen. Hartz IV hat leider Gottes nicht den Ansatz vom Menschen aus. Nein, Hartz IV hat nun einmal den Ansatz vom Gelde aus. Mehr Zeit für den Einzelnen, individuelle Förderung, das muss im Zentrum stehen, nicht aber die kollektive Forderung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das beginnt schon bei den Betreuungsschlüsseln. Der Betreuungsschlüssel für die unter 25-jährigen Jugendlichen liegt offiziell laut Gesetz bei 1 : 75. Allein in der ARGE Erfurt ist der offizielle Betreuungsschlüssel, also der, der vom Arbeitsamt wahrgenommen oder gewährleistet werden kann, bei 1 : 144. 3.900 Jugendliche, 25 Fallmanager - da kommt man auf einen Schlüssel von 1 : 144, nicht eingerechnet die Jugendlichen, die sich bereits in Maßnahmen befinden. Der hohe Krankenstand der Fallmanager bzw. die unzureichende Qualifikation tragen da ihr Übri

ges bei. Bei einem Krankenstand von 15 Prozent bei den Fallmanagern kann man nun wirklich nicht davon sprechen, dass man sich individuell und eingängig mit den Einzelnen beschäftigt.

Auch bei der Qualifikation muss einiges getan werden. Gerade im Bereich der unter 25-Jährigen muss man sozialpädagogisch an die Problemlage herangehen. Dazu gehören leider auch, und das muss man den Damen und Herren von der CDU wahrscheinlich noch ein bisschen deutlicher sagen, unbequeme Realitäten. Die Jugendlichen sind nicht einfach nur faul und wollen nicht arbeiten. Davon mag es einige geben, das Gros ist es mit Sicherheit nicht. Aber die Probleme, die die Jugendlichen haben, sind schwerwiegend: Drogen, Schuldenprobleme oder aber, wie bereits erwähnt, fehlender Schulabschluss. Hier geht es nicht nur um die Vermittlung in Arbeit, nein, hier geht es darum, mit sozialpädagogischen Fachkräften Hilfe zu leisten. Und, das muss man hier auch noch mal sagen, mit der Streichung des § 19 a im Kinder- und Jugendhilfegesetz der Jugendberufshilfe hat man den Kommunen und auch den Jugendlichen keinen Gefallen getan.

Wir fordern Sie dazu auf, dieses Problem tiefgründig zu betrachten. Jungen Menschen muss man langfristig und vor allem nachhaltig helfen. Sanktionsmaßnahmen en masse helfen da wenig und haben vor allem keine nachhaltige Wirkung; Ein-Euro-Jobber, begrenzt auf sechs Monate, ebenfalls nicht. Hier geht es darum, langfristige Projekte zu initiieren. Ein Beitrag wäre „Stellwerk“, einen anderen Beitrag hat ja der Staatssekretär gestern auf meine Mündliche Anfrage auch schon vorgeschlagen, die Projekte von dem Wettbewerb „Jugend in Arbeit“. Solche Maßnahmen müssten viel häufiger, viel intensiver und viel mehr gefördert werden, denn eine Förderung oder eine Maßnahme nur für ein halbes Jahr, in dem Jugendliche, die benachteiligt sind, zum Beispiel einen Ein-Euro-Job ausfüllen, helfen da wenig, zumal, und das, denke ich, ist noch besonders hervorzuheben, die Abbrecherquote nach einer ordentlichen Maßnahme wie z.B. dem Projekt „Stellwerk“ - wenn also die Jugendlichen das Projekt „Stellwerk“ durchlaufen haben und z.B. einen Schulabschluss nachgeholt haben oder so etwas - dann gerade einmal 10 Prozent beträgt. Die Abbrecherquote bei der normalen Berufsausbildung, also bei dem normalen Werdegang, die kennen Sie ja alle und die liegt bei ungefähr 40 Prozent.