Protocol of the Session on March 31, 2006

Die Gründe für den steigenden Hausarztmangel sind vielfältig. Die wesentlichen Aspekte sind die ungünstige Altersstruktur mit einem hohen Anteil an Hausärzten, die demnächst 65 Jahre alt werden und ihre Praxis aufgeben wollen. Der zahlenmäßig unzureichende Nachwuchs an Hausärzten, die höhere Attraktivität einer ärztlichen Tätigkeit in den alten Ländern oder im Ausland aufgrund der schlechteren Honorierung in Thüringen und der deutlich höheren Arbeitsbelastung hier bei uns. Was die Auswirkungen der Arbeitsmarktreform Hartz IV anbelangt, hat die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen den Budgetverlust für das I. Quartal 2005 auf 3 Mio. € - das entspricht etwa 2,5 Prozent des Gesamtbudgets - beziffert. Durch Hartz IV beziehen deutlich weniger Bürger Leistungen, die eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung begründen. Die Krankenkassen zahlen aber an die Kassenärztliche Vereinigung eine Gesamtvergütung, die nur für Mitglieder eine Pauschale betrifft. Das heißt also, weniger Mitglieder bedeutet weniger Geld für die Kassenärztliche Vereinigung, weniger Mitglieder kann aber mehr Versicherte bedeuten, mehr Versorgende, aber weniger Geld. So ist die Bilanz. Das Problem betrifft im Übrigen alle Länder. Deshalb sinken überall die Budgets für niedergelassene Ärzte und damit natürlich auch das Einkommen. In den jungen Ländern wirkt sich Hartz IV allerdings stärker aus, weil die Quote der Arbeitslosengeld-II-Bezieher deutlich höher als in den alten Ländern ist. Damit sind im Durchschnitt hier weniger Kassenmitglieder, damit auch weniger Geld im Budget.

Auch das geplante Arzneimittelversorgungswirtschaftlichkeitsgesetz - AVWG in der Abkürzung - könnte Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung haben. Dieses Gesetz soll in erster Linie die Ausgaben für die Arzneimittelversorgung begrenzen. Die Folgen dürften bundesweit ähnlich sein. Die Ärzteschaft fürchtet vor allem negative Auswirkungen der geplanten Bonus-Malus-Regelung. Diese Regelung wird für die Ärzte einen bürokratischen Mehraufwand bedeuten. Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient könnte - so befürchten die Ärzte - sehr leiden. Die bedarfsgerechte Patientenversorgung wäre gefährdet. Wir müssen allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass im Jahr 2005 die GKV 16 Prozent mehr Arzneimittelkosten hatte als im Jahr 2004. Die Ausgaben steigen unaufhörlich weiter, leider in Thüringen am stärksten. Auch die vorliegenden Zahlen vom Januar 2006 lassen mit rund 13 Prozent Erhöhung keine Trendwende erwar

ten. Der Bundesrat hat deshalb mit den Stimmen Thüringens auch den Vermittlungsausschuss angerufen. Dieser Diskussion will ich hier an dieser Stelle nicht vorgreifen, wenn die Chancen für eine Verbesserung genutzt werden sollen. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass dieses Gesetz im Bundesrat letztlich nicht zustimmungspflichtig ist, da es sich um ein so genanntes Einspruchsgesetz handelt.

Derzeit wird bundesweit auch über die Auflösung der Kassenärztlichen Vereinigung debattiert. Im Rahmen einer umfassenden Reform der gesetzlichen Krankenversicherung und der Entwicklung unseres Gesundheitswesens werden sich auch die Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigung verändern. Eine Auflösung der Kassenärztlichen Vereinigung halte ich für kontraproduktiv. Die Selbstverwaltung unseres Gesundheitswesens hat sich bewährt und die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen müssen eigenständig darüber entscheiden, wie die Selbstverwaltung am besten organisiert und am effizientesten gestaltet wird. Die Kassenärztliche Vereinigung leistet in Thüringen eine gute Arbeit im Rahmen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Gerade in den letzten Monaten ist deutlich geworden, dass dort mit allen geeigneten Mitteln an der Aufgabe gearbeitet wird, dem Ärztemangel wirksam zu begegnen. Zum Beispiel wurde eine Werbekampagne in Gang gesetzt für Thüringen. Die Landesregierung unterstützt die Maßnahmen gegen den drohenden Ärztemangel und leistet auch hier ihren Beitrag. Im Rahmen des Haushaltsgesetzes hat die Landesregierung 2005 beschlossen, für die Errichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin, für Palliativmedizin und für Geriatrie an der FriedrichSchiller-Universität Jena eine Anschubfinanzierung in Form einer Verpflichtungsermächtigung in Höhe von insgesamt 1,3 Mio. € für 2006 bereitzustellen. Daraufhin ist die Ausschreibung der Professur für Allgemeinmedizin erfolgt. Derzeit wird von der Universität ein Listenvorschlag erstellt, der die Auswahlentscheidungen des Kultusministers vorbereitet. Auf Grundlage dieses Listenvorschlags ist beabsichtigt, die entsprechende Berufung noch in diesem Jahr vorzunehmen. Damit lösen die Landesregierung und die Universität eine langjährige Forderung ein. Was die Anreize für eine ärztliche Tätigkeit insbesondere im ländlichen Raum anbelangt, so prüft die Landesregierung derzeit, ob bestehende Förderprogramme umgeändert bzw. gezielt für diesen Bereich genutzt werden können. Gespräche dazu finden derzeit statt. Das GuW-Kreditprogramm wurde für alle Freiberufler allerdings zugunsten des verarbeitenden Gewerbes nicht fortgeführt - leider, muss ich sagen. Aber mit knappen Mitteln müssen Prioritäten gesetzt werden. Wie gesagt, es finden aber zurzeit Gespräche statt über andere Wege, gerade auch in den Bereichen der Regionen, in denen eine ärztliche Unterversorgung droht, etwa mit dem Programm auch zu unterstützen.

Die Stützung des vertragsärztlichen Notfalldienstes ist allerdings eine Pflichtaufgabe in alleiniger Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringens. Hierfür kann das Land keine Mittel bereitstellen. Die Landesregierung setzt sich - wie bisher auch - für eine leistungsgerechte Honorierung ärztlicher Leistungen und die Anpassung des Ost-Vergütungs-Niveaus an das der alten Länder ein. Bereits mit dem GKV-Modernisierungsgesetz hat Thüringen maßgeblich die bessere Honorierung mit durchgesetzt. Sie kennen die Regelung, die pro Jahr um 1,5 Prozentpunkte festgeschrieben wurde bis ins Jahr 2007. Hier sind allerdings weitere Entscheidungen auf Bundesebene erforderlich. Ich hatte an dieser Stelle bereits gesagt, dass die Vergütung nicht auf dem von der Bundesregierung seinerzeit angegebenen Betrag von 96 Prozent - bezogen auf die Einkommen der Altländer - festgestellt werden muss, sondern dass die Vergütung bei gleicher Arbeit bei nur ca. 78 bis 80 Prozent liegt. Ich denke auch, dass eine Fülle von Rechtsvorschriften und Richtlinien in der letzten Zeit zu viel Bürokratie in den Arztpraxen geführt hat, die den Ärzten viel Zeit nimmt, die sie besser ihren Patienten widmen könnten. Aber auch das erwähnte Arzneimittelspargesetz greift nach Ansicht der Ärzte in die Therapiefreiheit ein und damit in den freien Beruf des Arztes. Der Freistaat Thüringen kann in dieser Hinsicht nur sehr begrenzt tätig werden, aber im Bundesrat wirkt Thüringen mit. Unnötige Restriktionen für die Ärzte zu verhindern, ist natürlich unser Ziel.

Ergänzend zu den angesprochenen Maßnahmen möchte ich noch auf die bevorstehende Werbekampagne der Thüringer Landeskrankenhausgesellschaft an den drei medizinischen Hochschulen in Österreich hinweisen. Anknüpfend an die positiven Erfahrungen aus Sachsen sollen ab kommenden Donnerstag in Innsbruck, Wien und Graz eintägige Jobbörsen veranstaltet werden. Ziel ist es, angehende Ärzte aus Österreich für eine Fortsetzung ihrer Ausbildung in Thüringen und Thüringer Krankenhäusern zu interessieren. Gleichzeitig nutzt die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen diese gemeinsame Aktion der jungen Länder, um auch für eine Tätigkeit im ambulanten Bereich zu werben. Man muss feststellen, in Österreich gibt es einen Mangel an Ausbildungsplätzen in Krankenhäusern, bei uns in Thüringen hingegen einen Mangel an Weiterbildungsassistenten. Zudem gibt es in unserem Nachbarland einen Mangel an freien Arztpraxen. Ursächlich hierfür ist, dass es für das Medizinstudium in Österreich keinen Numerus clausus gibt. Das Thüringer Sozialministerium unterstützt diese Aktion durch die Mitwirkung des Leiters der Gesundheitsabteilung an dieser Werbeaktion.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die hausärztliche Versorgung in Thüringen zurzeit qualitativ

und quantitativ auf hohem Niveau gewährleistet ist. Eventuell drohenden Problemen wird von allen Verantwortlichen konsequent entgegengesteuert. Die Landesregierung leistet im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen entsprechenden Beitrag und wird sich auch weiterhin für eine optimale Versorgung der Bürger einsetzen. So weit zum Sofortbericht. Ich will nur so viel sagen, dass aus unserer Sicht dem Punkt 2 nicht die Zustimmung gegeben werden sollte. Er ist aus unserer Sicht entbehrlich, denn es sind Bundeskompetenzen, die hier angesprochen sind. Die Frage des medizinischen Lehrstuhls in Jena hatte ich bereits angegeben. Insofern, meine ich, ist dieser Antrag entbehrlich. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen Redemeldungen von allen drei Fraktionen vor. Da gehe ich davon aus, dass diese Fraktionen damit auch die Aussprache zum Sofortbericht wünschen. Ich eröffne gleichzeitig die Aussprache zu Nummer 2 des Antrags. Das Wort hat die Abgeordnete Taubert, Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung, vor allen Dingen gerade im ländlichen Raum, wird eine Daueraufgabe sein und bedarf, denke ich, ständiger Anstrengungen. Es wird keinen großen Wurf geben, auch wenn wir mit der Gesundheitsreform im Bund erfolgreich sein werden und für eine gewisse Zeit auch finanzielle Mittel in das System ausreichend hineinbringen. Trotz alledem bleibt uns diese Aufgabe als ständige Aufgabe. Wir sagen, es ist gut, dass wir auch in regelmäßigen Abständen darüber hier im Plenum reden.

Alle haben die Ärzte-Proteste der vergangenen Tage miterlebt und auch die spielen ja in diese Situation mit hinein. Für uns wäre es wünschenswert, dass sich nicht nur eine Gruppe so intensiv äußert - das sind nämlich die Ärzte -, sondern dass man sich natürlich auch die Situation des Krankenpflegepersonals und der Arzthelferinnen anschaut, denn die sind momentan abgekoppelt von der Frage der Einkommenssituation in diesem Streit. Wir wissen, dass die ärztliche Versorgung, insbesondere wenn wir in die Zukunft blicken, verbessert werden muss. Tatsache ist aber auch, dass keiner gezwungen werden kann - und das ist auch richtig und gut so -, den Arztberuf zu ergreifen und ihn als niedergelassener Arzt auszuüben. Es geht also - das wissen wir alle - um Motivation und um Verbesserung von Rahmenbedingungen. Es muss wieder Spaß machen, Arzt zu sein, auch im ländlichen Raum, und die Studenten,

die den Arztberuf ergreifen wollen, die die Motivation haben als Studenten, sind ja in aller Regel auch bereit, das eine oder andere auf sich zu nehmen. Trotz alledem reichen offensichtlich, sehr offensichtlich, die Rahmenbedingungen momentan nicht aus. Es gibt momentan von keiner Seite ein schlüssiges Konzept. Wir müssen immer nebeneinander stellen auf der einen Seite die Forderung nach mehr Geld im System, um moderne Technik anzuschaffen, um Ärzte und Schwestern ausreichend zu bezahlen und um Investitionen und Innovationen zu befördern, und auf der anderen Seite der Beitragszahler, wegen denen ja zur Budgetierung gegriffen wird. Es wird ja auch von den Krankenkassen nicht aus freien Stücken Budgetierung ergriffen, sondern um die Beitragszahler, sowohl die Personen als auch die Firmen, zu entlasten bzw. nicht mehr zu belasten. Wir haben also insgesamt eine große Herausforderung. Wir sind auch dafür, dass die Honorare endlich angeglichen werden. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum Ärzte im Osten ein anderes Einkommensniveau haben sollen als durchschnittlich Ärzte in Westdeutschland. Ich denke, da muss auch schnell angeglichen werden, wenn wir nicht wirklich freie Flecken in unserem Freistaat haben wollen.

Es geht in dem Antrag auch um die Frage der Freiberuflichkeit. Das Thema Freiberuflichkeit, gerade im Gesundheitswesen, ist natürlich eine besondere Sache. Wenn ich in andere freie Berufe hineingehe, dann weiß ich das. Ich will zum Beispiel Architekt werden, dann kann ich das werden, dann muss ich mich am Markt behaupten, entweder man nimmt mich oder man nimmt mich nicht und ich werde fast ausschließlich, zumindest überwiegend, aus privaten Geldern auch bezahlt. Beim Arztberuf ist es eine ganz andere Sache, die Mehrheit der Finanzierung oder die überwiegende Finanzierung kommt aus öffentlichen Mitteln respektive aus Beitragseinnahmen. Da ist natürlich eine gewisse Reglementierung vorhanden. Das bedeutet, dass die Freiberuflichkeit schon aufgrund dieser Situation eingeschränkt ist. Diese Einschränkung bedeutet natürlich, dass auch Bürokratie zu Hilfe genommen wird, um, wie gesagt, die Beiträge stabil zu halten. Wenn wir also Verbesserungen haben wollen im Bereich der niedergelassenen Ärzte, müssen wir zunächst zur Kenntnis nehmen, dass diese Freiberuflichkeit noch nie und auch in Zukunft nicht ganz ohne Einschränkung sein wird. Aber ich glaube, das ist gar nicht das Entscheidende im Moment, dass sich junge Ärzte nicht niederlassen. Attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen, weniger bürokratischen Aufwand zu haben, die hohe Arbeitsbelastung einzuschränken, auf Einkommensrisiken ist auch hingewiesen worden, dem müssen wir uns annehmen. Ich denke, es muss zwei Dinge geben: Es muss die Freiberuflichkeit geben und es muss auch die Möglichkeit geben, gerade diesen Belastungen, die ich aufgeführt habe, zu

entgehen in einer Anstellung.

Da gibt es schon gute Beispiele, die auch mit Rahmenbedingungen von Seiten der Bundesgesetzgebung untersetzt worden sind. Wenn wir nämlich schauen, warum Ärzte auch gerade nach Skandinavien gehen in ein staatliches Gesundheitswesen, dann ist es offenbar, dass ich ein verlässliches Einkommen habe, dann ist es, dass ich eine verlässliche Arbeitszeit habe und dass ich mich in diesem Rahmen als Arzt bewegen kann. Das sollten wir Ärzten, denke ich, künftig als Möglichkeit mit bieten, um ihren Anfang im Berufsleben gut gestalten zu können. Es ist nicht zu befürchten, dass es da künftig auch zu unangemessenen Konkurrenzsituationen kommen kann, weil - darauf hat Herr Zeh hingewiesen - nicht der Verdacht besteht, dass wir zu einer Überversorgung kommen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns das Problem auch in Zukunft ein Stück weit ideologiefrei hier diskutieren, auch wiederholt diskutieren. Das, denke ich, ist wichtig, weil wir mit einer ideologischen Diskussion an der Stelle überhaupt nicht weiterkommen. Das bringt keinen Arzt nach Thüringen, das bringt eher nur Verdruss. Wir sind gern dazu bereit - das haben wir an verschiedenen Stellen auch schon gesagt -, auch dazu beizutragen, dass der Arztberuf ein Stück weit wieder ein interessanter Beruf, ein lohnenswerter Beruf wird und dass der Berufsstand nicht durch jede schlechte Meldung versucht wird kaputt zu machen. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Fuchs, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Dr. Zeh, natürlich ist es richtig, wir haben in der letzten Zeit mehrfach über die hausärztliche Versorgung in diesem Haus gesprochen und, ich glaube, das war auch notwendig in der ganzen Zeit.

Liebe Frau Kollegin Taubert, ich habe den Eindruck gehabt, dass wir gerade bei diesen Themen wirklich ideologiefrei diskutiert haben und eigentlich alle bemüht waren, wirklich für Ärzte, Patienten hier das Beste herauszuholen. Natürlich weiß ich auch, dass die Gesetze in der Gesundheitspolitik vorrangig auf Bundesebene zu machen sind. Aber genau jetzt das Arzneimittelgesetz oder Arzneimittelversorgungswirtschaftlichkeitsgesetz - ich sage treffender, das Arzneimittelsparpaket - hat Auswir

kungen auf die Betreuung, auf die hausärztliche Versorgung auch hier im Land Thüringen. Wir sind froh darüber, dass es im Vermittlungsausschuss gelandet ist. Ich sage, besser wäre es, die politisch Verantwortlichen würden nicht nur im Vermittlungsausschuss jetzt versuchen irgendwas zu verbessern, sondern es würde zurückgenommen werden, es würde noch mal neu über diese Frage nachgedacht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das bleibt unsere Forderung, denn es bringt am Ende Nachteile für Patienten, vor allen Dingen für chronisch kranke Patienten, und für die Ärzte gleichermaßen.

Herr Minister Zeh, es bedeutet für die Ärzte nicht nur, dass dieses Gesetz einen weiteren höheren bürokratischen Aufwand verursacht, sondern durch die Vorgabe von Tagestherapien für wichtige Indikationen wird mit der individuellen Bonus-MalusRegel in die Therapiefreiheit und in die Verordnungspraxis des Arztes eingegriffen, und zwar massiv eingegriffen. Der Arzt jedoch erhält durch den Gesetzgeber keinerlei Rechtsschutz und das ist das Problem. Wir hören ja immer im Fernsehen: Bei Medikamenteneinnahme fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Der Patient braucht dann, wenn dieses Gesetz mal gültig sein wird, seinen Arzt gar nicht mehr zu fragen nach den Nebenwirkungen. Im Gegenzug dazu können laut diesem Gesetz die Krankenkassen ihre Versicherten bei der Verordnung preiswerter Arznei - egal welche Nebenwirkungen die gerade für chronisch Kranke haben - von Zuzahlungen befreien. In der Realität sieht das schon so aus, obwohl das Gesetz noch gar nicht gültig ist: Kassen haben ihre Mitglieder tatsächlich schon angeschrieben, dass sie bei der Annahme der Verordnung von 1A-Medikamenten - unter dieser Bezeichnung laufen nämlich diese Billigmedikamente - von den Zuzahlungen befreit werden. Ärzte dagegen erhielten von den gleichen Kassen ebenfalls ein Schreiben, nur mit anderem Inhalt. Ihnen wurde mitgeteilt - ich sage richtigerweise, ihnen wurde gedroht -, wenn sie 1A-Medikamente nicht verordnen, hätten sie mit finanziellen Einbußen entsprechend des Malus-Systems zu rechnen. Sehr geehrte Damen und Herren, ich frage Sie: Wie nennt man ein solches Vorgehen? Eingriff in die Therapiefreiheit des Arztes. Nennt man das qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten? Ist das die Wettbewerbsfreiheit, die von manchen so hoch gepriesen wird, oder gleicht ein solches Handeln nicht eher einer Erpressung von Arzt und Patient? Ich halte eine solche Vorgehensweise nicht nur für höchst unethisch, ich halte sie schlicht für gesetzwidrig.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es kann somit kaum verwundern, dass die Thüringer Ärzte und Patienten gemeinsam auf die Straße gehen und mit vielen gesammelten Unterschriften an die Bundesgesundheitsministerin ihren Protest zum Ausdruck gebracht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn das Arzneimittelgesetz auf Bundesebene beschlossen wird, hat es Einfluss auf die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Thüringen. Das Gesetz greift nicht nur in die Therapiefreiheit ein, sondern es berührt auch die Freiberuflichkeit des Arztes. Die gesetzlichen Vorgaben der letzten Jahre durch die Bundesregierung treiben auf einen Punkt zu, wo durch die Politik folgende Fragen zu klären und zu beantworten sind: Wollen wir in der Bundesrepublik den Arzt als Freiberufler oder hat sich das System überlebt? Wollen wir das System der Selbstverwaltung erhalten und reformieren im Sinne der Demokratisierung oder soll die Körperschaft des öffentlichen Rechts, wie die Kassenärztliche Vereinigung, die Kammern, die Ärzte- und Apothekerkammern, abgeschafft werden? Wer Letzteres will, muss, meine Damen und Herren, auch die Frage beantworten: Wer übernimmt dann deren Aufgabe? Ich habe sehr wohl gehört, mit Freude gehört, Herr Minister Zeh, Sie wollen das auch nicht und Sie bekommen diesbezüglich - und Sie haben ja Wirkungsmöglichkeiten - unsere Unterstützung, dass wir den Weg der Demokratisierung gehen und nicht den einer Abschaffung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Juni vergangenen Jahres haben wir uns zu den medizinischen Versorgungszentren hier im Plenum geäußert. Mit Stand vom Januar 2006 gibt es in Thüringen 18 medizinische Versorgungszentren, von denen 15 von Krankenhäusern gebildet wurden. Das ist gut, das unterstützen wir auch. Wir wissen auch, dass die medizinischen Versorgungszentren unter anderem die Aufgabe wahrnehmen sollen, Patientenströme zu leiten - auch das ist gut. Nur, meine Damen und Herren, damit werden Wettbewerbsbedingungen nicht automatisch fairer, denn über die Entwicklung finanzieller Auswirkungen auf die Ausgaben war bisher noch nichts zu hören. Zu fragen ist auch: Werden die Selbstverwaltungsorgane eigentlich gleichberechtigt behandelt? Ist es nicht eher so, dass häufig einseitige Drohungen ausgesprochen werden? Ich sagte es schon, Ärzte werden in Regress genommen, wenn sie nach Meinung der Kassen kein adäquates Verordnungsverhalten nachweisen können. Abgesehen davon, dass wir und ich der Meinung sind, dass wir eigentlich zu viele Krankenkassen haben, ist noch Folgendes zu sagen: Allein die Einsparung von zwei Vorstandsgehältern einer großen Kasse pro Jahr würde ausreichen, um den Notfalldienst in Thüringen finanziell zu unterstützen. Ich denke, Herr Minister Zeh, darüber einmal

gründlicher nachzudenken, dürfte eigentlich nicht verboten sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, gegenwärtig können in Thüringen 116 freie Arztpraxen und 55 freie Facharztpraxen angeboten bzw. nicht besetzt werden. Es ist zu befürchten, dass die freien Vertragssitze in absehbarer Zeit nicht weniger, sondern mehr werden, wenn es nicht gelingt, durch eine konzertierte Aktion bessere und attraktivere Rahmenbedingungen für die Ansiedlung von Ärzten zu schaffen, ebenso auch für die angestellten Ärzte in den Kliniken. Mit konzertierter Aktion meine ich ein Zusammengehen und nicht, wie es im Moment so läuft, wer schiebt wem den schwarzen Peter am schönsten zu, sondern es geht um ein Zusammengehen von Landes- und Bundespolitik, von Krankenkassen, von Kassenärztlicher Vereinigung bis hin zu kommunal Verantwortlichen für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung. Unter dieser Sichtweise ist es wirklich wenig hilfreich, wenn Thüringen in dieser angespannten Situation die Ärzte aus dem Zinshilfeprogramm zur Gründungs- und Wachstumsfinanzierung herausnimmt. Sie sagten ja, Minister Zeh, leider, Sie bedauern das, aber ich finde, hier sollte es auch um eine übergreifende Zusammenarbeit zwischen Familien-, Sozial- und Gesundheitsministerium und Wirtschaftsministerium gehen. Das hilft den Ärzten nichts, wenn Sie sagen, mir tut das Leid. Diesbezüglich wirkt da die Schlagzeile einer Thüringer Zeitung vom 29. März des Jahres - ich zitiere die Schlagzeile mit Ihrer Erlaubnis - „Land wirkt Ärztemangel entgegen“ wenig überzeugend. In Thüringen sind nicht nur 171 Arztpraxen frei, sondern gegenwärtig befinden sich nur 133 Ärzte in der Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner. Aufgrund der Altersstruktur - Sie erwähnten es selber, Herr Minister - werden bis zum Jahr 2010 von den 1.500 Hausärzten, die wir im Moment noch haben, etwa 500 das Rentenalter erreichen. Dass Ärzte aufgrund regressiver Gesetze freiwillig dem Bürokratie- und Verordnungsstress bzw. -regress über das Rentenalter hinaus weiter tätig werden, und das in großer Zahl, darf bezweifelt werden.

Meine Damen und Herren, es hat nichts mit Schwarzmalerei oder Panikmache zu tun, wir haben nun mal davon auszugehen, dass bis zum Jahr 2010 etwa 400 Hausärzte hier in Thüringen fehlen werden, wenn nicht zielgerichtet politisch gehandelt wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es ist schon erst einmal ein wesentlicher Fortschritt, dass die Politik endlich die Realität anerkennt, dass wir es mit einem Ärztemangel zu tun haben; vor wenigen Jahren war noch von Ärzteschwemme die Rede. Gerade bei einer Debatte

2004 in diesem hohen Haus hatten auch Sie sich noch, Herr Minister Zeh, auf eine Studie, die die AOK in Auftrag gegeben hatte, berufen, eigentlich haben wir danach eine Überversorgung. Wie gesagt, es ist schon ein Fortschritt, dass der Ärztemangel jetzt wenigstens akzeptiert und anerkannt wird.

Sie haben auch darauf hingewiesen, ja, endlich kommt der Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität. Es ist auch eine jahrelange qualvolle Geburt gewesen. Wir begrüßen das, dass er seine Arbeit aufnehmen wird, aber was bedeutet das? Das bedeutet, dass frühestens in zehn Jahren, denn wir haben fünf Jahre Medizinstudium, fünf Jahre Facharztausbildung, die ersten in Thüringen ausgebildeten Allgemeinmediziner ihre Tätigkeit aufnehmen werden. So viel Zeit haben wir nicht. 2010 - das sind gerade noch vier Jahre, die vor uns stehen. So ist eigentlich auch die Frage gestattet: Welche Handlungsoption sieht die Landesregierung jetzt zur Sicherstellung einer flächendeckenden hausärztlichen Versorgung bei zunehmend älter werdenden Menschen? So richtig habe ich das nicht beantwortet gefunden, aber ich hoffe, dass wir darüber auch gemeinsam noch diskutieren können. Aber ich frage: Wie muss die Infrastruktur des Landes insbesondere in der Fläche aussehen, um Ärzte für eine Niederlassung zu gewinnen? Finden solche drängenden Fragen im Landesentwicklungsplan Berücksichtigung? Das ist doch nicht unwesentlich. Es ist gut, dass die Angleichung der Honorarsituation der Ostärzte an das Westniveau auch jetzt eine politische Forderung über die Landesgrenzen hinaus ist, also sie wird von bundespolitischer Seite akzeptiert und auch hier im Land, das weiß ich, das hatten Sie auch schon bei Ihren Reden bei der Zahnärztekammer und bei anderen gesagt, dass Sie das in Ordnung finden.

Lassen Sie mich die Notwendigkeit der Umsetzung dieser Honorargerechtigkeit mit weiteren Beispielen erhärten. Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele gar nicht wissen, worüber wir reden. Aber nach wie vor werden die niedergelassenen Ärzte über Punktewerte honoriert. Dabei gibt es einen festen Punktwert und einen floatenden Punktwert. Ein Arzt, der für das III. Quartal 2005 seine Punktewerte abgerechnet hat, weiß im Januar 2006 nicht, was er für seine geleistete Tätigkeit an Honorar erhält. Ich frage Sie: In welcher Branche gibt es das noch in Deutschland? Ich kenne keine. Übrigens - und das ist auch ein Fakt, über den man mal nachdenken muss - ein Arzt, der bekommt für einen Hausbesuch, den er macht, 400 Punkte, eine hohe Zahl sagt man sich, 400 Punkte, prima. Diese Punktzahl entspricht aber einem Entgelt von sage und schreibe 2,32 €. Da frage ich Sie, meine Damen und Herren: Haben Sie schon einmal einen Handwerker erlebt, der dafür zu Ihnen nach Hause kommt, um sich den Fernseher anzusehen und dann die Reparatur zu machen? Ich

glaube, hier ist die Frage der leistungsgerechten Honorierung für Ärzte eine berechtigte Forderung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Bundesregierung beabsichtigt im nächsten Jahr die Mehrwertsteuer um 3 Prozent zu erhöhen. Bekanntlich ist Deutschland eigentlich noch das einzige Land innerhalb der Europäischen Union, dass 16 Prozent Mehrwertsteuer auf Medikamente erhebt. Ich bin Hundeliebhaber, ich habe selber Hunde usw., aber es kann doch nicht sein, für Tierfutter bezahlen wir nur 7 Prozent und für andere Leistungen auch. Ich denke, diese Forderung, die ja nicht nur von uns schon jahrelang aufgemacht wird, sie wird vom VdK, von allen Verbänden, die sich mit chronisch Kranken vor allen Dingen beschäftigen, aufgemacht, dass wenigstens die erstattungspflichtigen Arzneimittel hier auf 7 Prozent zu reduzieren wären, das wäre schon ein Fortschritt. Das sind 1,7 Mrd. €, die im Prinzip der Versichertengemeinschaft weggenommen und in den Staatsfinanzhaushalt fließen werden, und wenn jetzt die Mehrwertsteuer kommt, dann sind das noch einmal über 500 Mio. €, die aus der Versichertengemeinschaft wieder herausgenommen werden und zu Gunsten des Finanzhaushalts da entzogen werden. Ich denke, hier sollte man nachdenken, weil man ja immer sagt, wir haben Probleme mit den Einnahmen. Hier wäre schon ein Sparpotenzial.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Eine weitere Zahl will ich auch noch nennen. Sie sind darauf eingegangen, weil wir es auch in dem Antrag hatten. Durch die Arbeitsmarktgesetze Hartz I bis IV werden ab diesem Jahr 2006 jährliche Belastungen auch wieder auf die Versichertengemeinschaft übertragen mit 3,57 Mrd €.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an den wenigen Beispielen wollte ich eigentlich deutlich machen, dass auf mehreren politischen Ebenen dringender und umfassender Handlungsbedarf besteht. Ich glaube auch, dass die enge Verflechtung von Bundes- und Landespolitik nicht bedeutet, dass der Freistaat Thüringen keinen Handlungsspielraum hätte. Sie selber haben noch einmal in Ihrem Sofortbericht, für den ich mich auch wirklich bedanken möchte, hingewiesen, dass es eine Vereinbarung gibt mit Österreich, weil es dort zu viele Ärzte gibt. In Österreich gibt es zu wenige Plätze der Ausbildung für Ärzte. Okay, das wäre eine länderübergreifende Hilfe. Dagegen hat niemand etwas, aber es darf nicht als Mittel benutzt werden, unseren Ärztemangel zu kaschieren. Aber wissen Sie, die Gefahr, die ich auch sehe, und das hat Ihr Vorgänger im Amt bei einer Veranstaltung in Berlin, wo ich anwesend war, als sehr unanständig bezeichnet und ich teile da hun

dertprozentig seine Meinung - um einmal wieder zu sagen, ideologiefrei, Frau Taubert -, er hat auch gesagt, der ehemalige Gesundheitsminister von Thüringen: Ärzte aus Polen, Tschechien und Ungarn zu holen, nennt er im Prinzip unanständig. Ich sehe das auch als unanständig an. Was machen die? Die holen sich dann die Ärzte wieder ein Stück weiter weg und die eigene Bevölkerung, die ebenfalls eine ausgebildete Ärzteschaft braucht, die steht da und wird nicht behandelt. Ich glaube, diese Form, unseren Ärztemangel mit ausländischen Ärzten zu beheben, auch wenn wir EU-frei uns überall niederlassen, ist keine Lösung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir können jetzt nun darüber hinwegsehen oder wir können es zur Kenntnis nehmen, es wird so sein, in Thüringen werden Arztpraxen frei werden, sie werden unbesetzt bleiben, Krankenhausärzte streiken für bessere Arbeitsbedingungen und bessere Vergütung und ich kann im Moment, das muss ich Ihnen so sagen, diese Forderungen der Ärzte, der Assistenzärzte, der niedergelassenen Ärzte voll verstehen und unterstütze ihren Protest, weil auch Ärzte, wie jeder andere, das Recht haben, um ihre fairen Arbeitsbedingungen und faire Honorierung zu kämpfen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Gumprecht, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Anliegen des vorliegenden Antrags zur häuslichen Versorgung in Thüringen haben wir uns wahrlich in dieser Wahlperiode mehrfach beschäftigt. Der Minister hat darüber jeweils umfangreich berichtet, auch heute. Vielen Dank, Herr Minister, für Ihren Bericht.

Neu an dem Antrag - und darauf ist relativ wenig eingegangen worden - ist die Erweiterung des Berichtsersuchens auf den Notfalldienst. Der erste Teil des Berichts beinhaltet, wie im Antrag gewünscht, drei ausgewählte Fragestellungen: