Protocol of the Session on March 31, 2006

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: War das jetzt die Ehrenerklärung?)

Das Wort hat Abgeordneter Dr. Hahnemann, Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Höhn, ich schließe mich Ihrer Vorbemerkung aus ganzem Herzen an. Über diese Angelegenheit zu reden, über diesen Antrag zu reden und über diesen Bericht zu reden, macht wahrlich keinen Spaß - für mich aus zwei Gründen:

1. weil man eigentlich immer den Wunsch hat, dass eine solche Sache überhaupt nicht stattfindet und

2. weil man weiß, dass man unabhängig davon, ob man darüber redet oder ob man darüber nicht redet, einen Prozess fördert, den ich „die fortschreitende Politverdrossenheit“ nenne.

Insofern, Herr Minister Schliemann, habe ich auch Zweifel, ob der Bericht, den Sie gegeben haben, nicht eigentlich für die Politik ein Bärendienst gewesen ist, denn schauen

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie waren mit dem Inhalt nicht einverstanden!)

- es tut mir Leid, Frau Groß, dass Sie mich nicht verstanden haben - Sie sich die Wahlergebnisse rechtsextremistischer Parteien an, schauen Sie sich die Wahlbeteiligungen der letzten Wahlen an, schauen Sie sich den Zulauf der rechtsextremistischen Organisationen im außerparlamentarischen Spektrum an, dann werden Sie erkennen, dass wir uns bereits auf dem Weg von der Politverdrossenheit zur Demokratieverdrossenheit befinden. Politiker sollten stets ihr Augenmerk darauf legen, diesen Prozess möglichst zu vermeiden oder aber ganz erheblich zu verlangsamen. Deswegen will auch ich vor allem unter politischen Aspekten über den Antrag der SPD-Fraktion reden, denn es sind gerade Politiker

und meistens sind es sogar Innenpolitiker, die ein schwindendes Unrechtsbewusstsein bei Bürgerinnen und Bürgern beklagen.

(Unruhe bei der CDU)

Der Vorwurf lautet häufig, der Bürger nimmt es angeblich mit Angaben bei Behörden oder Ämtern oder mit den Gesetzen nicht so genau, Drohungen jedweder Art zeigten zunehmend keine Wirkung mehr. Der Bürger pfeift angeblich auf das Motto „ehrlich währt am längsten“ und die neue Maxime sei „der Ehrliche ist eigentlich der Dumme“. So würde nun auch gehandelt, immer wieder mit dem Ziel, nicht der Dumme zu sein und nicht erwischt zu werden. Ob Bußgelder, Strafandrohungen oder der moralische Zeigefinger, so richtig wirkungsvoll konnte dem Trend bisher nicht begegnet werden. Da wäre es dann wahrlich gut, wenn Politikerinnen und Politiker mit gutem Beispiel vorangingen und die Worte „Ehrlichkeit“ und „Anstand“ nicht nur im Mund führten oder zu Wahlkampfzeiten in Programme schrieben, sondern diese Werte auch vorleben würden.

Doch wohin Bürger auch schauen, sie sehen, sie lesen und sie hören meist das Gegenteil. In den letzten Jahren jagte ein Skandal den anderen - Parteispendenaffäre, Kölner Müllskandal, Sexvergnügungen von Aufsichtsräten auf Konzernrechnung und vieles mehr. Thüringen scheint nur von den ganz großen und bundesweiten Schlagzeilen verschont. Denn auch im Freistaat kamen in den letzten Jahren eine Reihe von Ungereimtheiten an das Tageslicht, die auch hier bei vielen Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl aufkommen lassen, dass die Großen ungestraft Gaunereien begehen dürften, für die der kleine Mann bestimmt zur Rechenschaft gezogen würde. Da wurden staatliche Gelder in Millionenhöhe in den Sand gesetzt, dubiosen Geschäftsleuten, trotz Bedenken, Kredite gewährt, unsauberen Abrechnungen nicht richtig nachgegangen, private Vorteile genutzt, wo immer sie sich boten. Obwohl diverse Strafverfahren letztlich zum Teil ergebnislos blieben, fragt sich der Bürger zu Recht, warum Pilz, Baumhögger und ihre Wegbereiter in der Regel so glimpflich davonkommen, während man bei ALG-II-Empfängern die letzten Ersparnisse ausfindig macht und unter die Bettdecken in den Schlafzimmern schaut.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie schweifen ein bisschen ab.)

Warum, Frau Groß, bietet der Staat eigentlich nicht den gleichen Verfolgungsdruck und die gleiche Energie auf, wenn es um zweifelhafte Amtsführung und sonstige ungerechtfertigte Vergünstigungen von Politikerinnen und Politikern geht?

(Zwischenruf Abg. Schröter, CDU: Zum Antrag.)

Diesen gesellschaftspolitischen Hintergrund, meine Damen und Herren, und nicht erst damit, Herr Schröter, bin ich beim Antrag, sollten alle - mit mir müssen Sie halt Geduld haben - immer im Auge haben, wenn wir Themen wie dieses behandeln. Deshalb ringen wir um Transparenz der Politik, um Selbstbegrenzung im Abgeordnetengesetz. Darum haben wir uns in der Vergangenheit um parlamentarische Aufarbeitung solcher Vorgänge in Untersuchungsausschüssen bemüht und wir werden es auch weiterhin tun. Über das Ansehen der Politik scheinen sich andere weitaus weniger Gedanken zu machen.

Ein Name wird in diesem Zusammenhang bedauerlicherweise in letzter Zeit wieder häufiger genannt: Ex-Innenminister Christian Köckert - deshalb heute dieser Antrag der SPD, leider verfrüht und einseitig. Aber wenn das Parlament gefragt ist, werden wir uns der Debatte nicht entziehen. Besser wäre es gewesen, den Ausgang des Verfahrens gegen den ehemaligen Pressesprecher des ehemaligen Ministers vor dem Landgericht wegen Geheimnisverrats abzuwarten und die Fragestellung dann zu präzisieren. Aber anscheinend drängt es nach Öffentlichkeit und außerdem drängt das politische Geschäft.

Die Vorwürfe stehen im Raum und konnten bisher nicht vollständig entkräftet werden. Im Kern geht es um den Verdacht, der ehemalige Innenminister hätte sein Amt und sein Mandat für private gewerbliche Zwecke ausgenutzt. Dabei ist für die rechtliche Bewertung sicherlich entscheidend, ab wann Christian Köckert offiziell ins Immobiliengeschäft eingestiegen war. Für die moralische Bewertung spielt das Datum des Wechsels vom Minister zum Geschäftsmann eher eine untergeordnete Rolle - erstens, weil so ein formales Datum relativ wenig aussagt über Kontakte, die bereits im Vorfeld bestanden haben. Zweitens wirken die Macht des Amtes, die Kontakte, die Beziehungen und nach der Aufgabe des Amtes natürlich alles das nach. Nach bis jetzt bekannten Informationen geht es vielleicht gar nicht um die Frage anmeldepflichtiger Nebentätigkeiten im Ministeramt.

Christian Köckert sagt aber nach Medienäußerungen selbst, dass er zeitnah nach Ende der Ministertätigkeit in die Immobilienbranche bzw. zu den betreffenden Firmen gewechselt ist. An diesem Punkt entsteht ein Problem unabhängig von Artikel 72 der Landesverfassung und des Ministergesetzes. Wenn ehemalige Regierungsmitglieder ihr Insiderwissen zu ihren Gunsten in wirtschaftlich ausgerichteten Tätigkeiten nutzen oder zumindest auf diesem Wissen ihre Aktivitäten aufbauen, ist das juristisch umstritten und moralisch fragwürdig. Für ehemalige Regie

rungsmitglieder, die später im juristischen Bereich tätig sind, gibt es sozusagen standesrechtliche Vorgaben. Für einen Zeitraum von mehreren Jahren dürfen sie ihren Kanzleisitz nicht dort haben, wo sie als Minister oder Staatssekretär tätig waren. Sie sollen ihr Amtswissen zum Beispiel nicht zum Aufbau eines Mandantenstammes nutzen können. Der Grundsatz, dass Insiderwissen aus der früheren Beschäftigung oder Wissen aus früheren Funktionen im späteren Berufsleben nicht zu eigenen Gunsten oder zu Gunsten des neuen Arbeitgebers genutzt werden darf, ist eigentlich weit verbreitet. Und was für juristisch tätige ehemalige Regierungsmitglieder gilt, sollte auch auf andere Sparten und Branchen übertragen werden. In diesem Sinne ist der prompte Wechsel eines Ex-Ministers ins Immobiliengeschäft mehr als problematisch. In der freien Wirtschaft müssen viele Beschäftigte, selbst Handelsvertreter, arbeitsvertragliche Regelungen oder gar gesetzliche Normen hinnehmen, die ihnen das so genannte nachwirkende Wettbewerbsverbot auferlegen. Was für normal sterbliche Arbeitgeber gilt, sollte für ehemalige Minister auch gelten, und das auch in dem Umfang, der in der freien Wirtschaft üblich ist, meist mehrere Jahre.

Das Problem bei den Regierungsmitgliedern ist nur, dass ihr Insiderwissen in vielen Branchen nutzbar sein kann. Eine einfache Übernahme dieser nachwirkenden Wettbewerbsverbote aus der freien Wirtschaft dürfte daher Schwierigkeiten bereiten. Solche Regelungen sind immer auf bestimmte Branchen zugeschnitten. Trotzdem sollte ein solches nachwirkendes Wettbewerbsverbot für ehemalige Minister ins Auge gefasst werden. Es könnte so ähnlich ausgestaltet sein wie Artikel 72 der Landesverfassung und ein solches nachwirkendes Wettbewerbsverbot sollte auf mindestens fünf Jahre befristet sein und insbesondere für Tätigkeiten und Funktionen bestehen, die eine sachliche Nähe zum Minister- und Staatssekretärsamt aufweisen.

Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, sind wir auch mit den bisherigen Erklärungen schwer abzuspeisen oder zu beruhigen. Natürlich können und wollen auch wir uns nicht vorstellen, dass ein Innenminister Christian Köckert mit der einen Hand Fördermittel für den Stadtumbau Ost ausgereicht hat und mit der anderen Hand als Beteiligter einer Firma eingesteckt haben soll, dieses nicht. Verdächtig an der gegenwärtig in Rede stehenden Angelegenheit ist aber typischerweise ein undurchsichtiges Firmengeflecht. Man bedient sich mehrerer Partner und Angestellter, auf deren Loyalität man bauen kann. Das ist ja meistens so, wenn der eine über den anderen so vieles zu berichten wüsste, dass keiner aus der Abhängigkeit aussteigen kann. Kein Wunder also, wenn sich solche Firmen gerade Mitarbeiter wie jenen Entlastungszeugen suchen. Arbeit für die

Stasi, kleinkriminelle Vergangenheit, Tätigkeit für den Verfassungsschutz prädestinieren ihn wohl nicht nur für die Kundenbeschaffung, sondern auch in die Presche zu springen, wenn die Luft dünn wird für ehemalige Innenminister und ihre einstigen Pressesprecher.

Nicht anders ist die Frage von Richter Norbert Hückelheim zu verstehen, der sich mittlerweile fragt - Zitat -, „auf wessen Idee die eidesstattliche Erklärung fußt und wer sie bezahlt hat“. Christian Köckert bekommt anscheinend vor dem Landgericht eine neue Chance, mehr als bisher zu sagen. Bisher wurde das Gericht entweder mit vagen Aussagen oder kleinen Ungenauigkeiten abgespeist, aber das scheint eine Eigenart dieses Prozesses insgesamt zu sein.

Damit wären wir wieder beim Thema Ehrlichkeit. Das Verfahren vor dem Landgericht bringt vermutlich kein Licht in die Frage nach besorgten, kopierten und in aller Welt verteilten CDs mit geheimen und vertraulichen Daten. Aber das Verfahren wirft ein Licht auf den Umgang mit der Wahrheit. Die Wahrheit wird nicht so genau genommen. Alte Bekannte kennen sich plötzlich nicht mehr, Beziehungen sind entweder nur politischer oder nur geschäftlicher Art, aber nie beides. Geld wurde angeblich nie angeboten, Versprechungen angeblich nie gemacht. Gremien des Landtags gegenüber wurde, wenn schon nicht gelogen, dann wenigstens sehr Wichtiges verschwiegen und so weiter und so fort. Kein Wunder, dass ein Gericht die Akten zuklappen möchte. Es hat wohl mittlerweile das Gefühl, in einem Sumpf zu wühlen, wo man an dem einen Ende ein Bröckchen Wahrheit aus dem Morast zieht, während an der anderen Stelle gerade ein Batzen wieder versinkt.

Meine Damen und Herren, Licht in die undurchsichtigen Immobiliengeschäfte zu bringen, ist ein Auftrag, den das Gericht wohl nicht erfüllen wird. Ob nach Abschluss des Verfahrens ein Untersuchungsausschuss diesen Landtag beschäftigen wird, wird zu entscheiden sein. Ich glaube es nicht und ich sage ausdrücklich, die Fragen nach Vermengung von Amt und Geschäft, die muss sich auch ein ehemaliger wohnungspolitischer Sprecher gefallen lassen. Dafür wird es ganz bestimmt keinen Untersuchungsausschuss geben, damit wird er zurande kommen müssen.

Wenn überhaupt, meine Damen und Herren, dann müsste man ein Ministerium unter die Lupe nehmen, über das ein ehemaliger hoher Angestellter urteilt - Zitat: „Wer einmal im Innenministerium gearbeitet hat, hält nichts mehr für unmöglich.“ Bei dem, was wir im Verfahren über das Landesamt für Verfassungsschutz erfahren haben, dürfte das Urteil über diese Behörde kaum besser ausfallen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist eine Frechheit.)

Der Herr Minister Gasser scheint sich mit dem Eigenleben dieser Behörde mehr schlecht als recht abzuplagen, zumal er eigentlich angetreten war, Ordnung in dieses Haus und alle seine Nebengelasse zu bringen. Das ist allerdings ein Unterfangen, mit dem alle seine bisherigen Vorgänger mehr oder weniger baden gegangen sind

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Was, schon wieder frech?)

oder über kurz oder lang vor den Zuständen kapitulieren mussten. Es ist sicherlich kein Zufall, dass der Herr Kollege Fiedler vorgestern Abend in einer Veranstaltung der GdP den Amtsstuhl von Herrn Gasser als einen „Schleudersitz“ bezeichnet hat.

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Das ist auch eine Frechheit.)

Ein grundlegendes Übel allerdings wurde bisher noch nicht angesprochen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Und wer sitzt am Knopf?)

Auch wenn bisher der Beteiligung an Privatisierungen im Bereich der kommunalen Wohnungswirtschaft durch Firmen mit direkter oder indirekter Beteiligung des Ex-Ministers widersprochen wurde, so deuten doch Indizien darauf hin, dass den Verlockungen, die dieser Markt bietet, kaum jemand aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft widerstehen kann. Dafür spricht bedauerlicherweise das persönliche Auftreten des Abgeordneten, das sage ich ganz deutlich, des Abgeordneten Köckert vor dem Oberhofer Stadtrat, bei dem er für den Verkauf des kommunalen Wohnungsunternehmens an eine bestimmte Erfurter Firma warb. Dafür spricht das Agieren der Immoprimat in Blankenhain, das wohl mehr Schaden als Nutzen für die Kommune brachte. In dem Zusammenhang muss auch, so glaube ich jedenfalls, die Bespitzelung der Kommunalpolitiker Schneider und Peiko durch den Verfassungsschutz und das überlange Disziplinarverfahren gegen diese einer ganz neuen Betrachtung unterzogen werden. Die Firma Primat hat zwar vordergründig Wohnungen verwaltet und Abrechnungen bearbeitet, gleichzeitig agierte ein PrimatMitarbeiter als Geschäftsführer des kommunalen Wohnungsunternehmens und hat in dieser Funktion auch Liegenschaften verkauft. Deshalb gehört nicht nur das Thema „Rolle und Tätigkeiten von Innenminister Köckert“ auf die Tagesordnung, sondern eigentlich auch das Thema „Privatisierung des kommunalen Wohnungsbestandes“. Wir brauchen hierzu dringend eine politische Verständigung, damit

Glücksritter und Freibeuter jeder Couleur sich nicht mehr am Eigentum der Kommunen vergreifen können.

Die Privatisierung kommunalen Wohnraums ist die Preisgabe eines Teils sozialer Daseinsvorsorge der Kommunen. Soziale Verwerfungen werden riskiert und Handlungsspielräume aufgegeben. Aktiver Stadtumbau und auch Stadtentwicklung werden weitgehend verspielt. Ein nachhaltiges Konzept zur Lösung finanzieller Probleme von Kommunen ist der gegenwärtige Trend auch nicht. Kein gesamtgesellschaftliches Problem wird damit gelöst, nur die Gewinninteressen der künftigen Wohnungseigentümer werden bedient. Von sozialer Idee keine Spur! Wenn sich ein ehemaliger Innenminister ausgerechnet auf dieses Gebiet verlegt, darf man das kritisch sehen und man muss dann auch sagen, dass man es kritisch sieht. Daran ändert auch die Antwort auf die diesbezügliche Mündliche Anfrage von gestern Mittag nichts.

Meine Damen und Herren, Mitglieder meiner Fraktion haben sicherlich das große Glück und den großen Vorzug, bisher nicht in die Nähe der Verlockungen gekommen zu sein, der Regierende offenbar eher erliegen. Hoffentlich werden wir unseren Ansprüchen auch dann gerecht, wenn die Zeichen einmal auf Regierungsverantwortung stehen sollten. Der moralische Maßstab muss aber für alle der Gleiche sein. Wir wissen genau, wie zersetzend ein System aus Bevorzugung, Begünstigung und Korruption ist. Überall scheint der Boden sehr ertragreich, wenn es darum geht, das Politische privat und das Private politisch zu nutzen. Deshalb ist der, der das Problem anspricht, kein Heuchler, wenn er sich des Kritisierten nicht selbst schuldig gemacht hat und sofern die Debatte politisch und nicht persönlich geführt wird. Das Thema ist ein politisches, es geht im Kern nicht um Christian Köckert, sondern es geht um das Ansehen der Politik, es geht um die Wiedergewinnung enttäuschter Bürger, es geht um Ehrlichkeit und Anstand. In diesem Fall kann sogar ich mich für konservative Werte begeistern. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen nicht vor. Möchte die Landesregierung noch das Wort ergreifen? Das ist nicht der Fall. Dann frage ich: Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, oder gibt es Widerspruch?

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Ja, es gibt Widerspruch.)

Es gibt Widerspruch. Dann werden wir darüber abstimmen. Wer davon ausgeht, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es keine - Entschuldigung, 2 Enthaltungen, dann ist die Mehrheit der Meinung, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 9

Sicherstellung der hausärztli- chen Versorgung und des Not- falldienstes in Thüringen unter den gegenwärtigen Rahmenbe- dingungen Antrag der Fraktion der Linkspar- tei.PDS - Drucksache 4/1793 -

Begründung ist nicht angekündigt - richtig. Dann ist angekündigt, dass die Landesregierung einen Sofortbericht gibt zu Nummer 1 des Antrags und damit hat Minister Dr. Zeh das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Namen der Landesregierung erstatte ich zu dem Antrag der Linkspartei.PDS den folgenden Sofortbericht.

Der Thüringer Landtag hat in den letzten Monaten bereits mehrfach über die hausärztliche Situation in unserem Freistaat debattiert. Dabei haben auch die Gründe für den sich abzeichnenden Mangel an Hausärzten sowie mögliche Gegenmaßnahmen eine Rolle gespielt. So hat die Landesregierung zum Beispiel in der letzten Sitzung die Anfrage der Abgeordneten Dr. Fuchs zur Änderung der Bedarfsplanungsrichtlinie beantwortet. Derzeit können sich im gesamten Freistaat Thüringen rund 120 Hausärzte niederlassen, das heißt, im umgekehrten Sinne sind 120 Praxen nicht besetzt. Die Gefahr, dass dadurch die Obergrenze für eine Überversorgung überschritten werden könnte, wenn diese Hausarztstellen besetzt würden, besteht nicht. Ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent aufwärts spricht man von Überversorgung. Dies ist die Grenze, ab der der Zulassungsausschuss Beschränkungen der Niederlassung aussprechen müsste.

Die Versorgung durch Hausärzte stellt sich in Thüringen recht unterschiedlich dar. So gibt es einzelne Planungsbereiche, die einen Versorgungsgrad von 110 Prozent aufweisen. Dies sind mit Stand Ende Januar 2006 die Bereiche Gera, Saalfeld-Rudolstadt, Sonneberg und Weimar, Weimarer Land. In anderen

Bereichen liegt der hausärztliche Versorgungsgrad deutlich niedriger; im Bereich Erfurt bei rund 98 Prozent, im Bereich Gotha bei rund 96 Prozent, im Eichsfeld bei rund 91 Prozent und im Bereich Nordhausen sogar nur bei 87 Prozent - Tendenz allerdings im Allgemeinen ist fallend.

Die Gründe für den steigenden Hausarztmangel sind vielfältig. Die wesentlichen Aspekte sind die ungünstige Altersstruktur mit einem hohen Anteil an Hausärzten, die demnächst 65 Jahre alt werden und ihre Praxis aufgeben wollen. Der zahlenmäßig unzureichende Nachwuchs an Hausärzten, die höhere Attraktivität einer ärztlichen Tätigkeit in den alten Ländern oder im Ausland aufgrund der schlechteren Honorierung in Thüringen und der deutlich höheren Arbeitsbelastung hier bei uns. Was die Auswirkungen der Arbeitsmarktreform Hartz IV anbelangt, hat die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen den Budgetverlust für das I. Quartal 2005 auf 3 Mio. € - das entspricht etwa 2,5 Prozent des Gesamtbudgets - beziffert. Durch Hartz IV beziehen deutlich weniger Bürger Leistungen, die eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung begründen. Die Krankenkassen zahlen aber an die Kassenärztliche Vereinigung eine Gesamtvergütung, die nur für Mitglieder eine Pauschale betrifft. Das heißt also, weniger Mitglieder bedeutet weniger Geld für die Kassenärztliche Vereinigung, weniger Mitglieder kann aber mehr Versicherte bedeuten, mehr Versorgende, aber weniger Geld. So ist die Bilanz. Das Problem betrifft im Übrigen alle Länder. Deshalb sinken überall die Budgets für niedergelassene Ärzte und damit natürlich auch das Einkommen. In den jungen Ländern wirkt sich Hartz IV allerdings stärker aus, weil die Quote der Arbeitslosengeld-II-Bezieher deutlich höher als in den alten Ländern ist. Damit sind im Durchschnitt hier weniger Kassenmitglieder, damit auch weniger Geld im Budget.