Sie geraten völlig aus den Fugen und die Zusammenhänge werden nicht mehr sichtbar. Diese Bündelung muss da sein und dafür soll dieser Bericht dienen, und das Ganze möglichst schnell. Es reicht eben nicht, auf den Bundesarmutsbericht zu verweisen. Wenn es Ihnen gelungen ist, die 370 oder 380 Seiten zu lesen, werden Sie feststellen, dass relativ wenig an konkreten Aussagen zu Thüringen enthalten ist, dass es sehr viel Allgemeinsätze, die allerdings dramatisch sind, zu dem Problem der neuen Bundesländer gibt. Um nur eins deutlich zu machen: Das durchschnittliche Vermögen der Haushalte in den neuen Ländern umfasste 2003 mit knapp 60.000 € nur 40 Prozent des Betrags der westdeutschen Haushalte. Allein dieser Satz - übrigens Seite 48 in der Zusammenfassung zur Vermögensverteilung - macht deutlich, dass die Zahlen und Fakten im Bundesbericht nur unzureichend zur Bewertung und zur Beurteilung der Lage in Thüringen brauchbar sind. Auch das war ein Grund und ein Hintergrund für diese Antragstellung und macht deutlich, wie dringend und notwendig dieser Bericht hier gebraucht wird.
Ein Letztes - und das will ich noch mal ganz klar und deutlich sagen, ich habe es schon mal genannt, aber ich will es hier noch mal herausstellen -: Wenn ein Vertreter einer Partei glaubt, dass sie die Weis
heit gepachtet hätten, den Stein der Weisen gefunden hätten und die Experten aus den eigenen Reihen die Heilsbringer sind, die die Entscheidungen zu treffen haben und dem Land erklären können, was wahr ist, Realitäten außer Acht lassen, wissenschaftliche Hintergrundinformationen ignorieren bzw. ausgrenzen wollen, Herr Panse, da sage ich Ihnen, ich bin ein paar Jahre älter als Sie, das geht in der Regel schief. Das lässt sich das Volk nicht gefallen. Sie sind auf dem besten Weg dazu. Danke.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Ich erteile Herrn Minister Zeh das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch ich sehe zurzeit keine Notwendigkeit zur Vorlage von zwei solchen Berichten in den von Ihnen genannten Zeiträumen. Über den richtigen Zeitraum, denke ich, müssen wir uns noch unterhalten. Ich möchte das wie folgt begründen:
Erster Grund: Wir haben einen solchen Bericht. Gerade erst Anfang des Jahres 2003, also vor knapp zwei Jahren, wurde der 3. Thüringer Sozialbericht vorgelegt. Auf nahezu alle relevanten Probleme mit sozialem Bezug wurde eingegangen, unter anderem auf das Einkommen, das Vermögen, die Schulden der Thüringer. Es wurde die finanzielle Lage von Familien bewertet, von allein Erziehenden und auch die Lage von Seniorenhaushalten wurde systematisch analysiert. Er enthält Angaben zur sozialen Infrastruktur in unserem Freistaat. Deswegen, Herr Gerstenberger, es hat eben nichts mit Wegschauen zu tun. Dieser Bericht ist eine Bündelung, ist eine Fokussierung auf die Probleme, die wir im Sozialen besonders benötigen. Mit diesem 3. Thüringer Sozialbericht verfügen wir über eine sehr aktuelle und vor allen Dingen über eine objektive Datenbasis. Deswegen, Herr Pilger, ich verwahre mich genauso gegen diese Unterstellung, das wäre Hofberichterstattung. Dieser Bericht wurde ausgeschrieben, es wurde eine Agentur ausgewählt, die nun gerade nicht in dem Verdacht steht, sehr CDU-nah zu sein. Ich denke, die Daten sind ehrlich, sie sind genau und sie sind sehr detailliert. Wir können auch heute noch gut von diesen Daten des Berichts schöpfen, wir können sie nutzen. Wir werden anhand der verfügbaren Sozialdaten die Entwicklung selbst weiterverfolgen und analysieren. Dazu bedarf es zurzeit keiner weiteren externen Begutachtung und kei
nes aufwändigen Sachverständigengremiums und schon gleich gar nicht eines Armuts- und eines Reichtumsberichts für Thüringen.
Ich möchte einen zweiten Grund nennen, nämlich der, den Sie selbst genannt haben, Frau Dr. Fuchs. Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wurde gerade erst vorgelegt. Dieser Bericht kommt zu Aussagen, die natürlich und selbstverständlich für unseren Freistaat Thüringen genauso Gültigkeit haben. Sie haben es ja selbst dargestellt, Frau Dr. Fuchs. Dieser Bericht trifft auf uns zu. Warum sollen wir denn noch mal Geld rausschmeißen, wenn die Daten hier für uns zur Verfügung stehen?
Ich nenne nur einige Zahlen, einige Daten - Sie haben sie genannt -, ich ergänze noch Daten zu Zahlen und Fakten, zur Einkommenssituation, zur Sozialhilfe oder zur Arbeitsmarktsituation. Diese Zahlen belegen natürlich genauso eindrücklich, Herr Pilger, das, was wir natürlich ohnehin schon wussten, aber ich sage es noch einmal, dass in den letzten sieben Jahren der rotgrünen Bundesregierung der Lebensstandard in der Bundesrepublik Deutschland und so natürlich auch in Thüringen deutlich gesunken ist. Insbesondere ist unter der Regierung Schröder/Fischer der Abstand zwischen Arm und Reich erheblich gestiegen. Das, was die SPD immer als das Markenzeichen von CDU-Politik gebrandmarkt hat, nämlich dass der Abstand zwischen Arm und Reich immer weiter steigt, genau das hat sich in der SPD-Politik in einer dramatischen Weise verstärkt. Es ist genau Ihr Markenzeichen, dass in den letzten sieben Jahren der Abstand zwischen Arm und Reich so erheblich angestiegen ist.
Meine Damen und Herren, Deutschland ist im Bereich der Wirtschaft, aber auch auf sozialem Gebiet eben nicht mehr in der ersten, auch nicht mehr in einer mittelmäßigen Liga, sondern wir sind Schlusslicht in Europa. Herr Pilger, auch Ihre Anmerkungen zur Familienpolitik sind abenteuerlich. Renate Schmidt plant genau das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben. Sie will einkommensbezogen das Bundeserziehungsgeld ausrichten. Das heißt, derjenige, der ein hohes Einkommen hat, soll auch ein hohes Erziehungsgeld bekommen, und wer ein niedriges Einkommen hat, soll ein niedriges Erziehungsgeld bekommen.
Das ist das, was Renate Schmidt will. Was ist denn das anderes, als den Reichen noch mehr Geld hinterher zu geben als den Armen.
Das entspricht natürlich nicht genau der Linie, die wir bisher schon verfolgt haben mit dem Bundeserziehungsgeld. Herr Panse hat das dargestellt.
In den letzten Jahren der Gewährung von Bundeserziehungsgeld haben wir Thüringer am Anfang über 90 Prozent Bezieher gehabt. Ich glaube, es waren knapp 94 Prozent. In den letzten Jahren ist sowohl der Betrag als auch die Einkommensgrenze gesenkt worden, nämlich von 307 € auf 300 € und die Einkommensgrenze ist gesunken, so dass wir gegenwärtig nicht einmal mehr 60 Prozent haben, die Bundeserziehungsgeld und jetzt demzufolge auch Landeserziehungsgeld erhalten können. Genau das wollen wir eben in Zukunft ändern. Wir wollen nicht mehr in Abhängigkeit von Bundesregelungen eine weitere Senkung dieses Geldes sehen, sondern wir wollen es unabhängig machen und deswegen auch unabhängig von den Leistungen des Bundes.
Ein dritter Grund, weswegen ich zurzeit keine Notwendigkeit sehe, einen solchen Bericht zu erstellen, ich denke, da sind wir uns einig: Sie haben das auch gesagt, dass der nächste Sozialbericht auf jeden Fall die Folgen des seit Jahrzehnten gravierendsten Umbruchs in unserem Sozialsystem in der Bundesrepublik Deutschland beinhalten soll, nämlich die Folgen des Sozialgesetzbuchs II oder Sozialgesetzbuch XII - kurz immer Hartz IV genannt. Die Folgen von Hartz IV werden aber meines Erachtens nach erst in den Jahren 2006 und 2007 statistisch zuverlässige Entwicklungen zeigen. Wir können nach einem Vierteljahr meines Erachtens noch keine zuverlässigen Entwicklungen ausmachen. Statistisch signifikante Zeiträume sind immer wichtig, um zu den richtigen Schlussfolgerungen zu kommen. Ich denke, erst mit den frühestens 2008/2009 verfügbaren Daten können Analysen und Bewertungen erfolgen, können auch gesicherte Erkenntnisse und Schlussfolgerungen gezogen werden.
Einen vierten Grund möchte ich nennen: Ich denke, es wäre unverantwortlich, wenn wir gerade jetzt angesichts der knappen Haushaltsmittel noch einmal ca. 300.000 bis 400.000 € für ein wissenschaftliches Institut oder für ein Sachverständigengremium ausgeben wollen, die einen solchen Armuts- und Reichtumsbericht erarbeiten würden. Meine Damen und Herren, für diese Summe könnte man 100 Kinderspielplätze in Thüringen bauen oder man könnte 20 Frauenhäuser besser und ordentlicher fördern. Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass wir in Zeiten knapper Kassen, der den Sozialhaushalt auch nicht verschont hat, nun das Geld mit vollen Händen für externe Gutachten ausgeben wollen.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Aussage am Anfang zurück. Ein solcher Bericht ist zurzeit entbehrlich. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass wir bei so einem Thema, wo es ausschließlich um die Frage geht, dass wir den Antrag auf Erstellung eines Berichts an einen Ausschuss überweisen, eine solche Debatte erleben. Das hätte ich nicht erwartet, aber wir haben sie. Herr Minister Zeh, dass Sie hier hingehen und genau sachlich falsch herum darstellen, was die Bundesministerin Schmidt zum Thema Erziehungsgeld macht, und das zur Begründung für Ihre Ablehnung nehmen, hätte ich Ihnen auch an der Stelle nicht zugetraut.
Sie als Fachminister müssten wissen, dass die Senkung einer Einkommensgrenze genau das Gegenteil von dem bewirkt, was Sie hier in dem Haus dargestellt haben.
Ich möchte auch noch mal was zu Herrn Panse sagen. Herr Panse, ich entschuldige mich dafür: Ich war nicht dabei, als das letzte Mal hier im Haus diskutiert worden ist, und ich war nicht dabei, als hier Sozialberichterstattung im Sozialausschuss diskutiert wurde. Ich habe zu der Zeit, bevor ich mein Mandat aufgenommen habe, in einer beruflichen Tätigkeit außerhalb der Politik gestanden. Das tut mir wirklich Leid, dass man sich hier dafür entschuldigen muss. Ich habe davor in einer Kreisverwaltung gearbeitet in einem sozialen Bereich und ich kann Ihnen sagen, als in der Kommunalverwaltung Tätiger im Bereich Jugend- und Sozialhilfe habe ich durchaus mitbekommen, welche Diskussionslinien um Sozialberichte gelaufen sind. In Ihrer Fraktion sitzen auch Abgeordnete, die in der letzten Wahlperiode noch nicht dabei waren und betroffen waren von dem,
was gekommen ist, und die würden Ihnen zumindest unter vier Augen auch bestätigen, dass aus den Landesämtern in Thüringen, die sich damit befassen mussten, durchaus Kritik in der Form gekommen ist, wie es angeblich Frau Bechthum hier in diesen Debatten gesagt hat und wie ich es gerade in meiner Rede dargestellt habe. Diese Aussagen sind nicht allein von der kommunalen Ebene gekommen, sondern auch von Mitarbeitern, die sich fachlich und sachlich im Landesamt für Soziales und Familie mit diesen Fragen beschäftigen mussten.
Ich will auch noch mal, weil Sie es ja doch dann noch mal zum Aufhänger gemacht haben, über Ihr familienpolitisches Konzept reden. Herr Panse, es ist schon richtig, Sie wollen den Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte auf zwei Jahre senken. So steht es da drin. Ich frage mich aber bei den Finanzierungen, die Sie auch auf der Internetseite und in Ihrer ersten Veröffentlichung aus der Landesregierung dargestellt haben, wie Sie überhaupt noch begründen wollen, welche Familien diesen Anspruch noch wahrnehmen können. Und das war die Aussage, die ich hier getroffen habe. Sie verteilen das Geld aus der Strukturunterstützung heraus und geben es in die Portemonnaies aller. Und dann wissen Sie, und das habe ich auch hier nur gesagt, dass bei den sozial schwachen Familien durchaus zu befürchten ist, dass der eine oder andere den Euro für seinen allgemeinen Lebensunterhalt benutzen muss und sich das mit dem Kindergarten nicht mehr leisten kann. Ich will daran erinnern, dass Sie im „Freien Wort“ genau so zitiert worden sind. Sie haben hier eine Kehrtwende um 180 Grad gemacht. Danke schön.
Ich würde Sie aber herzlich bitten, bevor Sie sich hier dazu äußern, warten Sie ab, bis wir diese Konzeption hier im Thüringer Landtag diskutieren, dann auch beschließen werden. Das, was Sie daraus le
sen, was Sie daraus verstehen, hat ein Stück weit etwas mit Bösartigkeit zu tun, genau das, was Sie in den letzten paar Wochen betreiben, dass Sie nämlich Familienpolitik an dieser Stelle schlechtreden wollen.
Ich kann Sie nur herzlich einladen, wenn der Punkt ist, dass wir über das Familienfördergesetz hier im Thüringer Landtag reden, dann beschäftigen Sie sich inhaltlich damit, dann kommen Sie aber nicht mit diesen Vorwürfen, wie Sie sie momentan darstellen, die schlichtweg nicht haltbar sind. Vielen Dank.
Es gibt jetzt keine weiteren Redewünsche mehr, so dass ich die Aussprache schließen kann. Es ist beantragt worden, den Antrag im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit fortzuberaten. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Danke schön. Gibt es Stimmenthaltungen? Dann stelle ich fest: Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist die Ausschussüberweisung abgelehnt. Ich schließe den... Nein, Moment. Dann stimmen wir direkt über den Antrag der PDS-Fraktion in der Drucksache 4/778 ab. Herr Abgeordneter Buse - namentliche Abstimmung?
Es hatte offensichtlich jeder die Gelegenheit, seine Stimmkarte abzugeben. Ich bitte jetzt um das Auszählen.
Mir liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der PDS-Fraktion in der Drucksache 4/778 vor. Es wurden 83 Stimmen abgegeben, mit Ja haben gestimmt 38, mit Nein 45, damit ist der Antrag abgelehnt (namentliche Abstimmung siehe Anlage).
Grundlagen und Auswirkungen der Behördenstrukturreform der Landesregierung Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/783 -