Wo Politik Bildung nicht genug ausstattet, kann man nicht Bildung immer mehr privatisieren und Studierende zur Kasse bitten.
Auf einen Punkt möchte ich noch aufmerksam machen: Aus unserer Sicht macht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch bisherige Regelungen und Institutionen fragwürdig. Für uns steht vor allen Dingen die Frage nach der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze für die Numerus-clausus-Studiengänge. Diese ist eigentlich in Zukunft überflüssig, denn ihre Funktion zur zentralen Lenkung von Studierenden wird durch unterschiedliche Gebührenregelungen unterlaufen. Sie müssen dann auch noch entscheiden, geht der jetzt an eine gebührenfreie Universität oder geht der an eine gebührenpflichtige Universität. Ich glaube, das ist nicht möglich. Demzufolge hat die ZVS damit endgültig ihre Funktion verloren.
Zum Schluss: Ich bitte Sie, dieser Gesetzesänderung zuzustimmen, weil ich glaube, dass Thüringen damit auch ein Signal setzen würde, und zwar ein positives Signal auch an die anderen Bundesländer und dass man nicht nur sagt, bis 2009 ist der Zugang zum Studium gebührenfrei, sondern wir wollen den Zugang gebührenfrei und sozial gerecht für alle gestalten. Dieses Signal kann positiv auf alle Bundesländer wirken und auch das Land Thüringen attraktiv für zukünftige Studierende machen und damit auch für die Zukunft Thüringens einen Baustein legen. Ich bitte Sie also um Zustimmung. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, erneut, ich finde richtigerweise, reden wir über die Zukunft unserer jungen Menschen. Auch wenn ich das Thema falsch angefasst empfinde von der PDS, denn das, was Sie hier vorhat, dient nicht dazu, die Zukunftsfähigkeit unserer jungen Thüringer und der Gäste, die hier studieren wollen, tatsächlich zu verbessern.
In der vorigen Woche hat es eine Tagung in Berlin gegeben seitens der KFW zur Bildungsfinanzierung/Studienfinanzierung. Immerhin waren zwei Vertreter der PDS - eine Abgeordnete und ein Mitarbeiter - zugegen. Von der SPD hat sich das niemand angehört, zumindest waren sie nicht angemeldet; auf der Liste gesehen habe ich auch niemanden. Es hätte sich aber gelohnt. Dass die PDS nur begrenzt lernfähig ist, hat man schon häufiger gehört. Ich darf es heute ein weiteres Mal feststellen. Frau Hennig, was haben Sie eigentlich mitgenommen von dieser Reise? - ich sehe sie jetzt gar nicht.
Aha, Pardon! Was haben Sie eigentlich mitgenommen? Nun muss man deutschen Experten möglicherweise nicht glauben. Wenn aber Erfahrungsberichte aus Australien und den Niederlanden vorgebracht werden, wo die Spezialisten die Situation in den verschiedenen Ländern vergleichen und wenn man das alles so konsequent ignoriert, dann bleibt einem schon gelegentlich die Luft weg. Wir dürfen also feststellen, dass insbesondere die soziale Zusammensetzung, die wir gemeinsam beklagen können, eben nicht durch die Frage "Studiengebühren oder nicht" an unseren Hochschulen verändert oder verbessert werden kann. Hier darf nochmal festgestellt werden, dass die Prägung, ob jemand zu einem Studium neigt oder nicht, in sehr, sehr frühen Jahren gesetzt wird. Es kommt wesentlich darauf an, ob es ein bildungsinteressiertes Elternhaus gibt, ob in der ganz frühen Phase der Zugang zu Büchern und zu Erkenntnisgewinnen geweckt wird und dass man in späteren Entwicklungsphasen so etwas nur noch ganz schwer korrigieren kann. Wenn schon immer wieder die Schule feststellt, dass sie nicht Reparaturstation für Versäumnisse im Elternhaus sein kann, kann das die Hochschule erst recht nicht. Und es darf - und wenn man zugehört hätte, Frau Hennig, oder wenigstens die Zahlen mitgenommen hätte, die Berichte lagen ja am Ende aus - festgestellt werden, dass gerade Deutschland eine sehr schlechte soziale Struktur unter den Studierenden hat, wenn wir gemeinsam beklagen, dass die bildungsfernen Schichten dort zu wenig vertreten sind und dass trotz der Gebührenfreiheit, die derzeit noch existiert, es nicht dazu geführt hat, dass gerade bildungsferne Schichten besonders stark an den Hochschulen vertreten sind. Es hat also in dem Sinne nichts gebracht und es
hat sich vielmehr aus den australischen Erfahrungen gezeigt, dass der Zugang bildungsferner Schichten und des Mittelstandes gerade nach Einführung einer Studienfinanzierung, wo es jungen Menschen möglich gemacht wurde, dann auch im Nachgang ihre Beiträge noch zu refinanzieren, diesen Anteil erhöht hat. Wenn Sie das so schlichtweg ignorieren und die falschen Argumente weiterhin hochhalten, dann kann man nicht mehr allzu viel dazu sagen, die PDS qualifiziert sich da selber ab. Uns geht es darum, unsere Hochschulen in naher Zukunft in eine bessere Wettbewerbssituation zu bringen, auch die Studierenden, die hier studieren. Wenn sie feststellen, dass die Länder dieses Geld nur kassieren würden, um allgemeine Haushaltslöcher zu stopfen, dann ist das schlicht falsch, gelegentlich werde ich den Eindruck nicht los
ihre Argumentation ist auch böswillig, denn es diskreditiert ein sinnvolles Instrument, um das Engagement junger Menschen für ihre eigene zukünftige Entwicklung zu forcieren. Was hier völlig außer Acht gelassen wird, was aber in allen Ländern ähnlich stark ausgeprägt ist, wer ein Studium auf sich nimmt, verbessert regelmäßig seine Chancen am Arbeitsmarkt und hat genauso regelmäßig ein deutlich höheres Lebenseinkommen. Es gibt also eine Bildungsrendite, die unbestritten ist, die ist in Deutschland ob der langen Studiendauer etwas geringer als in anderen Ländern, aber von China bis Australien, Neuseeland, USA ist diese Bildungsrendite unbestritten. Deshalb lohnt es sich, in bessere Studienbedingungen zu investieren. Es lohnt sich auch, einen Eigenbeitrag zu bringen.
Wenn Ihre Kollegin Hennig hier vom Pult aus erzählt, in Deutschland hätte es noch nie Studienbeiträge gegeben,
das ist eben schlicht falsch, bis 1970 hießen die nur anders. Insoweit hat sich auch die Sozialstruktur seit damals nicht verbessert in Deutschland und in den anderen Ländern sieht sie besser aus. Das müssen Sie schlicht erstmal zu Kenntnis nehmen. Da bin ich schon erstaunt, dass es durch den Vertreter der SPD, Herrn Bausewein, immerhin eine Anerkennung gab, dass Langzeitstudiengebühren so eine schlechte Sache offensichtlich nicht sind.
Erstens, Sie haben vorhin deutlich gemacht, dass Sie dieses Instrument nicht ablehnen, oder ich habe Sie falsch verstanden. Da haben Sie bewusst differenziert, allgemeine Studiengebühren wollten Sie nicht, Langzeitstudiengebühren, na ja, das kann man ja machen.
Da ist zumindest bei ihnen - und Ihre Fraktion hat nicht widersprochen - ein Erkenntnisgewinn festzustellen. Denn als wir das Gesetz hier eingeführt haben, gab es von beiden Oppositionsparteien da noch heftigen Widerstand. Nun kann man aber feststellen, dass fast alle Länder es jetzt eingeführt haben, auch sozialdemokratisch regierte. Wir können genauso feststellen, dass etwa die Hälfte der so genannten Langzeitstudierenden sich von den
Hochschulen abgemeldet hat, offensichtlich weil sie gar nicht mehr studiert haben. Offensichtlich ist damit auch ein Stück Sozialmissbrauch beendet worden. Damit haben diese Gebühren den einen Zweck schon einmal erfüllt. Dass Sie jetzt die allgemeinen Studiengebühren kategorisch ablehnen, verwundert mich, weil ich mich noch ganz gut erinnern kann, dass es mal so ein Aufflattern von Mut bei einem Parlamentarischen Staatssekretär im Bund gab, der dann aber recht schnell von seiner zuständigen Ministerin oder vielleicht auch vom Bundeskanzler auf seine natürliche Größe zurechtgestutzt wurde.
Ich glaube, das Gesicht heute in diesem Saal wiederzuerkennen und bin deshalb etwas verwundert, dass das jetzt so einmütig dargestellt wird. Herr Matschie, haben Sie Ihre Meinung, die damals begründet vorgetragen wurde, so schnell beiseite gelegt, können Sie sich nicht durchsetzen oder können wir demnächst von Ihnen einen Meinungswandel erwarten. Also wir können festhalten, es wird wie in den meisten
europäischen Ländern darüber hinaus auch in Deutschland in naher Zukunft - Studiengebühren ist vielleicht falsch - Beiträge von Studierenden zu den Studienkosten geben. Frau Dr. Kaschuba, es ist wieder eine typische, von Ihnen sozialistisch vorgetragene Milchmädchenrechnung: genügend Studenten und die Einnahmen der Städte und des Freistaats quellen über.
Sie sollten doch mal nachschauen, was ein Studium kostet. Das ist ein Vielfaches dessen, was die Studenten in den Kneipen an Umsatz machen. Das kostet unser aller Geld, es ist das Geld des Steuerzahlers, und so schön es ist, wenn möglichst viele studieren, aber Sie sollten nicht ökonomischen Unsinn erzählen, das stimmt einfach nicht. Weil dieses Studium so wertvoll ist, sollte sich das auch jeder bewusst machen. Dass es aus der allgemeinen Steuerkasse
vielen kleinen Steuerzahler sind, die selber nicht studieren, das sollte man sich auch bewusst machen.
Da haben wir eine Schieflage in der Gesellschaft, wenn im frühkindlichen Bereich Finanzierungsbeiträge von den Eltern erbracht werden und im Hochschulbereich vermeintlich das Studium kostenfrei sei. Das passt nicht zueinander. Was in diesem Haus und darüber hinaus unbestritten ist, dass die Hochschulen in Deutschland finanziell besser ausgestattet werden müssen. Dass man damit von Ihnen - ich sage wieder - böswillig dem Minister unterstellt, dass er sich aus dem nötigen Finanzierungsanteil des Freistaats zurückziehen möchte, dem muss widersprochen werden. Wir können aber feststellen, dass sich die Ausbildungsbedingungen verbessern, wenn sich Studenten beteiligen. Wir haben bereits an privaten Hochschulen diesen Effekt, dass Studierende sehr wohl eine verbesserte Mitsprache erwirken, dass sie sich ganz gezielt dort einbringen. Wenn wir allgemein beklagen, die Studienbedingungen sind zu verbessern, und auf der anderen Seite nach dem gestrigen Abend erst recht feststellen müssen, dass die öffentlichen Kassen ziemlich angestrengt sind, so ist auch in Zukunft nicht zu erwarten, dass der Anteil dessen, was für Hochschulen aus den öffentlichen Haushalten geleistet werden kann, sich dramatisch steigern lässt. Dass Sie da einfach mehr verlangen, ist bekannt; dass wir aber die Gesamtsituation im Blick haben müssen, das gehört auch dazu. So werden wir ganz bestimmt auch in Thüringen dazu kommen - über den Zeitraum werden wir uns noch zu unterhalten haben -, dass sich unsere Studierenden an den Ausbildungskosten in welcher Form auch immer beteiligen.
Was passiert jetzt? Wir werden zu einem veränderten Bild der Wettbewerbssituation kommen. In Ländern, auch in Deutschland, wo das eingeführt wird, werden sich die Studienbedingungen kurzfristig deutlich verbessern. Wozu führt das? Dass die besten Studenten dorthin drängen, wo die besten Studienbedingungen sind. Das führt dazu, dass ein Wettbewerb unter den Hochschulen entsteht, dass er sich verstärkt - es gibt ihn ja schon. Die vermeintliche Gleichheit unserer Hochschulen ist ja de facto schon gar nicht mehr gegeben. Es spielt immer mehr eine Rolle wo man studiert hat, je nach Fachrichtung unterschiedlich, was ich gut finde.
Herr Kollege, wenn man Ihnen so zuhört, dann hat man den Eindruck, als wenn wir in Deutschland so eine Art gebührenfreie Oase in Europa wären. Ist Ihnen bekannt, dass der weitaus größte Teil der west- und nordeuropäischen Staaten keine Studiengebühren eingeführt hat und dass zum Beispiel Finnland als PISA-Musterknabe das Gebührenverbot 1997 gesetzlich festgeschrieben hat.
Sie sollten sich mal an England erinnern, als Tony Blair Wahlkampf gemacht hat mit dem Slogan wir führen es nicht ein. Das Erste, was er gemacht hat, er hat es eingeführt. Jetzt ist er dabei sie zu erhöhen. Die Studierendenzahl in England hat sich nicht verringert, sie hat sich eher steigern lassen. 10 Prozent der jungen Deutschen geht ins Ausland, um an gebührenpflichtigen Hochschulen zu studieren. Wir dürfen feststellen, dass zwei Drittel derer, die eine Promotion abgeschlossen haben, dieses Land verlassen. Das können wir weiterhin beklagen oder wir tun etwas dagegen - darum geht es uns.
Herr Abgeordneter Schwäblein, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage von Frau Dr. ScheringerWright?
Ich weiß, dass es einige Länder gibt, die noch keine Studiengebühren eingeführt haben, die Mehrheit ist das nicht und es ist auch nicht das Zukunftsmodell, Sie werden das erleben.
Herr Schwäblein, o.k. Eine Frage zu Mitspracherecht und Gebühren, gerade Großbritannien, weil Sie das Stichwort England gegeben haben. Ich habe ein Jahr ein Masterstudium in Großbritannien abgelegt, hab dafür 6.000 der Universität of Edinburgh hatten wir Masterstudenten überhaupt kein Mitspracherecht, das ist überhaupt nicht vorgesehen und es gibt auch keine Strukturen dafür. Ist Ihnen das bekannt?
Wenn Sie bezahlen, haben Sie ein Recht Forderungen zu stellen. Und dann gehen Sie in eine andere Hochschule und die Finanzierungssituation an der,
wo man Sie nicht erhört und die Bedingungen nicht verbessert, die werden sich dadurch verschlechtern. Das ist ein Regelmechanismus, den Sie schlicht nicht akzeptieren wollen. Bei Ihnen unterstelle ich auch nichts anderes, aber bei der SPD hatte ich etwas mehr Verständnis vorausgesetzt. Wir werden erleben, dass es diese Ausdifferenzierung in Deutschland gibt. Wir werden erleben, dass am Anfang Hochschulen überlaufen werden, wo die Gebühren noch nicht eingeführt wurden. Deshalb denkt Herr Beck in Rheinland-Pfalz über eine Landeskinderregelung nach, um diese Schwemme von Studenten, die sich dem nicht stellen wollen, abzuwehren. Ich weiß nicht, wie das verfassungsrechtlich dann überhaupt gestaltet werden kann. Ich glaube kaum, dass das Bestand haben wird.
Wir werden auf Dauer nicht umhin können, auch unseren Hochschulen und den Studierenden die Möglichkeit zu geben, um eindeutig die Lehrbedingungen zu verbessern. In der Verbesserung muss man auch die Chance erkennen und einfach mal schauen, wie ist es gelaufen in Österreich, wie ist es gelaufen in Australien, als das System eingeführt wurde.