Protocol of the Session on August 30, 2019

Das Zweite: Na ja, Sie haben jetzt halt auf die pädagogischen Erkenntnisse abgestellt, die eben so en vogue sind. Diese Kuschelpädagogik wirkt aber nicht; denn wir sehen es ja in Berlin und wir sehen es in den anderen Großstädten. Wir haben Schulen, die gekippt sind, wo Disziplinlosigkeit herrscht und wo Verhältnisse herrschen, die wir uns in Sachsen-Anhalt nicht wünschen. SachsenAnhalt war davon bislang noch relativ verschont.

Aber gerade das, was jetzt in Bad Lauchstädt passiert ist, ist ja ein erstes Warnzeichen, das uns dazu gebracht hat, diesen Antrag zu stellen. Wir müssen einen anderen Weg beschreiten; denn wenn wir den Weg gehen mit der Pädagogik, wie sie in den anderen Bundesländern praktiziert wurde, dann wird es hier in 20 Jahren genauso sein wie in Berlin und in Köln. Genau das wollen wir verhindern.

(Beifall bei der AfD)

Lieber Herr Tillschneider, Sie haben sozusagen auf der Grundlage eines Einzelfalls in Bad Lauchstädt eine Verallgemeinerungsthese beschlossen. Ich sage Ihnen noch einmal, die Erkenntnisse, die ich habe, sind so, dass im Hort - das haben Sie ja beschrieben - ein Kind wie auch immer auffällig wurde. In der Schule war das nicht so. Die Schule hat ausdrücklich bestätigt, dass die Kinder dort vielleicht ein bisschen lebendig

(Zuruf: Ah!)

waren, aber es zumindest keine Auffälligkeiten gab. Ich sage Ihnen eines: Meine Vorstellung von Schule in diesem Land, für die ich die Verantwortung trage, ist nicht die, dass die Schüler dort alle uniformiert sitzen und immer „Jawohl, Herr Lehrer!“ rufen. Wir wollen eine offene, demokratische Gesellschaft mit unseren Jugendlichen gemeinsam erzielen. Dazu gehört Lebendigkeit,

(Zustimmung bei der LINKEN und bei der SPD)

dazu gehört Vielfalt und dazu gehört auch Pluralität. Wenn Sie die nicht wollen, zeigt das wieder mal einen grundsätzlichen Unterschied, den wir und Sie haben. Den sollten wir dann auch so thematisieren. - Vielen Dank.

(Alexander Raue, AfD: Sie haben Ihre Kin- der auf der Privatschule, Herr Tullner! Das ist wohl ein Unterschied, oder? Ihrem Sys- tem trauen Sie nicht!)

Ich sehe in den anderen Fraktionen - Herr Raue, es ist gut - keine Wortmeldungen mehr. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Dann lassen wir im Normalfall zwei Fragen pro Fraktion zu. Die hat die AfD-Fraktion jetzt schon in Anspruch genommen.

Deswegen gehen wir jetzt in der Debatte der Fraktionen weiter. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Prof. Kolb-Janssen. Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abg. Herr Dr. Tillschneider hat uns ja bereits mit einigen seiner abstrusen Ideen im Bildungsbereich erfreut. Dieser Antrag ist aus meiner Sicht ein neuerlicher Tiefpunkt seiner ausgrenzenden autoritären Fantasien, diesmal gegen Schulkinder oder - da er es an einem Einzelfall festmacht - gegen Hortkinder gerichtet.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Der Minister hat ausführlich Stellung genommen. Deshalb kann ich mich auf wenige Punkte beschränken. Das ist ein Antrag, der nach dem üblichen AfD-Schema funktioniert: Aus einem Einzelfall wird ein scheinbar generelles Problem gemacht und es werden Ängste geschürt. Wir haben es eben noch mal gehört. Uns wird hier eine Vision, wie möglicherweise in 20 Jahren in Sachsen-Anhalt Schulen aussehen könnten, vorgegaukelt.

Die AfD bietet eine scheinbare Lösung, die schlicht untauglich und - was noch schlimmer ist - verfassungswidrig ist. Deshalb möchte ich abschließend nur daran erinnern, dass auch unser Bundesland schlimme Erfahrungen mit speziellen Bildungsanstalten gemacht hat. In Ballenstedt stehen noch die Reste der ehemaligen Napola, einer Erziehungsanstalt der Nationalsozialisten, die Kinder vormilitärisch gedrillt und elitär-ideologisch geschult hat.

Und bei dem Wort „Spezialanstalten“ werden natürlich bei mir auch ungute Erinnerungen an die Jugendwerkhöfe zu DDR-Zeiten wach.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Diese Jugendwerkhöfe waren nichts anderes als staatliche Erziehungsheime, in denen Kinder und Jugendliche als angeblich psychisch auffällig und schwer erziehbar - das sind also genau die gleichen Worte, die Sie verwenden - eingestuft und in geschlossenen Anstalten des Staates, also in Gefängnissen untergebracht worden

sind. Solche Einrichtungen darf es nie wieder geben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Deshalb sagt meine Fraktion, auch wenn Sie es nicht hören wollen, Kinder gehören in die Schule und nicht in den Knast.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Und auch wenn Sie es nicht hören wollen: Schulsozialarbeit wirkt durchaus. Wenn Sie sich mit den Ergebnissen der letzten Jahre beschäftigen, werden Sie feststellen - das ist regional unterschiedlich -, dass wir durchaus Erfolge, gerade was Schulabstinenz betrifft, feststellen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Es gibt eine Wortmeldung von Herrn Raue. Die kann er jetzt realisieren.

Frau Prof. Kolb-Janssen, wären Sie denn genauso tolerant, wenn Ihre eigenen Kinder regelmäßig in der Schule verletzt würden,

(Zurufe von der AfD)

weinend nach Hause kämen und gar nicht mehr zur Schule gehen wollten, weil sie eben regelmäßig irgendeinem kleinen Tyrannen ausgesetzt sind, der sich nicht belehren lassen will?

(Zurufe von der AfD)

Wären Sie dann genauso tolerant, Frau KolbJanssen?

(Dr. Katja Pähle, SPD: Da muss man ande- re Lösungen bieten!)

Natürlich bin ich nicht tolerant, wenn Kinder in der Schule terrorisiert werden oder wenn da Gewalt herrscht. Aber das, was Sie darstellen, ist nicht die Realität in den Schulen.

Wir haben im Bildungsausschuss mehrfach das Thema „Gewalt an Schulen“ aufgerufen, wir haben konkrete Lösungsvorschläge gemacht und der Minister hat darauf hingewiesen, dass wir dabei sind, auch den Krisenordner immer wieder zu verändern und - was aus meiner Sicht noch wichtiger ist - vor allen Dingen den Lehrerinnen und Lehrern das Instrumentarium an die Hand zu geben, damit sie in schwierigen Situationen tatsächlich in der Lage sind, entsprechend zu reagieren.

Deshalb wird der Antrag auch in den Ausschuss überwiesen. Wir werden natürlich bereit sein, uns über dieses Thema weiterhin Gedanken zu machen, um gerade für die Lehrerinnen, die im Moment in einer schwierigen Situation sind, weil das alles auch etwas mit Ressourcen zu tun hat - da machen wir uns nichts vor -, Lösungen zu finden.

Herr Raue, noch eine Nachfrage? - Bitte.

Frau Kolb-Janssen, Sie stellen jetzt nur auf das Beispiel ab, das Ihnen mein Kollege Tillschneider geliefert hat. Das ist nur ein exemplarisches Beispiel gewesen. Wir haben das in Halle auch gehabt, dass ein Lehrer angegriffen wurde. Wir haben in der Kastanien-Schule in Halle ebenfalls die Situation, dass dort Kriminalität herrscht, dass dort Zustände sind, die einfach untragbar sind. Da wollen Sie nicht eingreifen. Das, was Sie hier tun, ist eine Relativierung und eine Verniedlichung der Zustände, die wir haben.

Uns geht es ja nicht nur darum, die Zustände, die jetzt da sind, zu ändern, sondern uns geht es darum, perspektivisch ein Mittel in die Hand zu bekommen, um diese Zustände, wie mein Kollege sie für Berlin, Köln und das Ruhrgebiet beschrieben hat, in Sachsen-Anhalt gar nicht erst Realität werden zu lassen. Aber dem verschließen Sie sich vollständig.

Erstens. Wir verschließen uns nicht. Zweitens haben Sie das an diesem Einzelfall festgemacht. Drittens haben wir gerade über das Beispiel Kastanien-Schule mehrfach gesprochen und konkrete Lösungsvorschläge angeboten. Die Situation ist dort deutlich verbessert worden.

Sie sind es, die die Ängste schüren, dass wir in 20 Jahren Verhältnisse haben, von denen Sie heute in der Glaskugel feststellen müssten, ob das wirklich so kommt.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Lydia Fun- ke, AfD)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Lippmann. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag ist wieder so eine von diesen fachlichen und intellektuellen Zu

mutungen, wie wir sie hier von der AfD immer wieder ertragen müssen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es schüttelt einen, wenn man hört, wie hier über Schüler und natürlich bestehende pädagogische Probleme gegeifert wird und welches Zerrbild von unseren Schulen und von unserem Schulsystem hier gezeichnet wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es ist schlicht unmöglich, sich damit fachlich auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn im Kern ist es ein Angriff auf die Seele von Kindern und Heranwachsenden, die gebrochen und diszipliniert werden sollen. Das weisen wir in aller Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei der LINKEN)

Die AfD will uns allen Ernstes eine Diskussion darüber aufzwingen, dass Grundschüler, wenn sie in der Schule stören, von der Schulleitung ohne Beteiligung der Klassenkonferenzen, sozusagen stehenden Fußes, bis zu 14 Tage von der Schule entfernt werden sollen