Protocol of the Session on April 5, 2019

Ich bitte Sie, das zu relativieren, damit draußen nicht der Eindruck entsteht, der Landtag würde sagen, das sei kein Schulschwänzen. Das empfände ich als sehr bedenklich und als sehr bedrohlich; denn es besteht die Möglichkeit, auch außerhalb der Schulzeit seine Meinung durch Demonstrationen kundzutun. Das erleben wir leider nicht, das erleben wir nicht mehr in den Ferien. Deswegen haben Sie jetzt die Möglichkeit, das zu relativieren.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie haben das Wort, Herr Lippmann.

Danke. - Ich werde die Gelegenheit nicht wahrnehmen, es zu relativieren, sondern ich werde das, was ich gesagt habe, noch einmal bekräftigen. Das können Sie ja dann auch noch einmal nachlesen.

Ich habe über die Abwägung der Grundrechtsgüter Demonstrationsrecht und Recht auf Bildung gesprochen.

(Zuruf von André Poggenburg, fraktionslos)

Ich habe ausgeführt, dass das Recht auf Demonstration auch Schülerinnen und Schülern zusteht und dass dies zeitlich nicht eingegrenzt ist. Wie an anderen Stellen im Leben gibt es hier natürlich einen Konflikt. Es gibt den Konflikt der jungen Leute, die nicht einfach mal so billig nicht zur Schule gehen - das ist ja die Unterstellung -, um sich draußen herumzutreiben, sondern jetzt genau aus diesem Grund im Gegenteil die Entscheidung getroffen haben - das verstehe ich auch -, dies nur vierzehntägig zu machen, weil sie natürlich für sich merken, dass sie etwas dafür opfern müssen, dass sie das auf die Straße tragen. Ihnen ist ja ihre Bildung auch wichtig, und es sind natürlich - das wissen Sie vermutlich ebenso gut wie ich - überwiegend Schülerinnen und Schüler aus den weiterführenden Schulen, insbesondere auch aus der gymnasialen Oberstufe. Hier gibt es durchaus einen Unterschied gegenüber denen,

die einfach mal ganz billig nicht zur Schule gehen, oder denen, die zum Beispiel von den Eltern zu Hause davon abgehalten werden, zur Schule zu gehen, oder die einfach im Bett liegen bleiben oder sich lieber auf der Straße herumtreiben.

Im Übrigen sage ich Ihnen jetzt auch noch etwas zur zweiten Frage, die hier im Raum steht - ich war ja nicht nur Lehrer, sondern ich war auch Schulleiter -: Die Klimaschutzdemonstrationen

sind einfach der Anlass für schulische Projekte.

(Zuruf von der AfD: Dann hätten Sie entlas- sen werden müssen, wenn Sie solche The- sen vertreten!)

Man muss sich in der Schule um diesen Sachverhalt kümmern, er muss in der Schule aufgearbeitet werden, man macht ein schulisches Projekt daraus.

(Robert Farle, AfD: Sie rufen zum offenen Rechtsbruch auf, und das in einem Parla- ment, pfui Deibel!)

- Woraus ein Schulleiter ein schulisches Projekt macht, davon haben Sie keine Ahnung.

Man kann diese beiden Rechtsgüter nicht gegeneinander aufwiegen. Die Demonstrationen hören möglicherweise dann auf, wenn die jungen Leute merken - - Wenn wir ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie keinen Erfolg haben, dann bricht es irgendwann aus Resignation zusammen - das hielte ich für schlecht -, oder wir suchen den Dialog mit den Schülerinnen und Schülern mit dem Ziel, dass sie sich darauf einlassen und sagen, mit uns könne man reden. - Das sind die Alternativen.

(Starker Beifall bei der LINKEN - Robert Farle, AfD: Das ist eine Europawahlkampf- Show, die Sie steuern, sonst gar nichts!)

Ich wiederhole meine Worte von vorhin: Herr Farle, Kollege Thomas hat den Kollegen Lippmann gefragt. Der Kollege Thomas muss die Chance haben, die Antwort des Kollegen Lippmann zu verstehen. Zwischenrufe kann man immer mal machen, aber sie dürfen nicht so sein, dass sich nachher die gesamte Kommunikation zwischen Herrn Thomas und Herrn Farle abspielt. Das geht nicht, weil derjenige gefragt wird, der hier vorn steht.

Jetzt entnehme ich Ihrer Körperhaltung, Herr Thomas, dass Sie noch eine kurze Nachfrage haben. Dann gebe ich Ihnen die Gelegenheit dazu, eine kurze Nachfrage zu stellen.

Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - Ich habe in der Tat sehr genau zugehört.

Herr Lippmann, das heißt also, dass wir angesichts Ihrer Einstellung, Schülern müsse man das zugestehen, in Zukunft mit Folgendem rechnen müssen:

Wenn Schüler für einen vermeintlich guten Zweck, den Sie vielleicht anders definieren als wir, mit dem Argument kommen, dafür jetzt an einem Montag oder an einem Dienstag demonstrieren zu gehen, dann würden Sie das getreu Ihren Worten auch für gut befinden, weil es ja der Bildung der Schüler dient und Sie die Bildung bei einer Demonstration über die Schulpflicht stellen.

Ich will das hier nur einmal für die Hygiene sagen. Es kann ja sein, dass wir in Zukunft auch noch andere Themen haben, für die von den Schülern demonstriert wird.

(André Poggenburg, fraktionslos: Gegen Multikulti zum Beispiel!)

Es wird also nicht so sein, dass Sie dann sagen - wie auch immer -, das gehe gar nicht, weil das kein gutes Thema sei? Ich frage nur deshalb nach, damit wir uns für zukünftige Diskussionen im Klaren sind, damit wir auch Ihre Position richtig verstehen.

(Zuruf von der CDU: Wer entscheidet das?)

Weder ich noch Sie. - Also, die Antwort ist klar: Es ist nicht unser Beritt, darüber zu entscheiden, ob die Schülerinnen und Schüler für etwas Gutes oder für etwas Schlechtes demonstrieren.

(Robert Farle, AfD: Das tun Sie aber!)

- Nein. Dass wir Klimaschutz für ein vernünftiges Ziel halten, das steht auf der einen Seite der Medaille. Aber hier geht es erst einmal darum, sein Demonstrationsrecht wahrzunehmen, und das ist zeitlich nicht eingeschränkt.

Im Übrigen, wenn Sie einmal nachschauen - nicht in der DDR, aber insgesamt -, stellen Sie fest, Schulstreiks haben durchaus eine lange Geschichte. Es ist also nicht etwas, was wir jetzt erfinden. Es ist ein Thema, das die jungen Leute bewegt und das authentisch vorgetragen wird. Ich sage es einmal so: Die Debatte ist spannend. Wir haben sie ja auch lange nicht geführt, weil wir lange kein Beispiel dafür hatten.

Es spricht auch überhaupt nichts dafür, dass wir jetzt eine Inflation von Demonstrationen bekommen; es sei denn, dass wir den jungen Leuten die Themen liefern, die wir politisch nicht bearbeiten. Insofern entspricht das auch dem, was der Bildungsminister gesagt hat: Was ist denn, wenn sie montags dafür, dienstags dafür und mittwochs dafür auf die Straße gehen? - Ja, da ist doch immer der Hintergrund, dass wir ihnen vorher die The

men geliefert haben und unsere Arbeit nicht richtig gemacht haben, sodass sie auf die Straße gehen.

(Beifall bei der LINKEN - Ulrich Thomas, CDU, meldet sich zu Wort)

Herr Thomas, das war eine Nachfrage, die ich noch zugelassen habe. Aber jetzt ist Schluss.

(Ulrich Thomas, CDU: Das ist jetzt eine Kurzintervention!)

- Nein, Herr Thomas, das war doch wohl klar! - Übrigens, Herr Thomas, hier vorne sitzt ein Präsident und kein Vorsitzender. Dies nur nebenbei.

Frau Frederking - -

(Ulrich Siegmund, AfD: Antworten Sie doch mal auf die Frage! - Robert Farle, AfD: Wir müssen Sie mal hier zur Ordnung rufen! Hier wird im Landtag zum offenen Rechts- bruch aufgerufen!)

- Hier wird dazu aufgerufen, sich vernünftig zu benehmen. Und Sie sind jetzt nicht dran, Herr Farle.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Übrigens, bevor Frau Frederking ihre Frage stellt, begrüßen wir ganz herzlich - sie sind Zeuge einer lebhaften Debatte - Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Wilhelm Weitling Magdeburg bei uns. Herzlich willkommen!

(Lebhafter Beifall im ganzen Hause)

Jetzt Frau Frederking. Bitte.

Herr Lippmann, Sie sagten, der Klimawandel erfordere eine schnelle Reduzierung der CO2-Emissionen. Sie haben die großen politischen Linien gezeichnet, konkret ausgeführt auch zum Kohleausstieg. Ich gehe davon aus - so viel Zeit hatten Sie ja nicht -, dass Sie sicherlich auch meinen, dass wir die erneuerbaren Energien viel schneller ausbauen müssen, um zu 100 % erneuerbaren Energien zu kommen.

Aber ich habe in Ihrer Rede auch gehört, dass Sie das als ein Sowohl-als-auch bezeichnet haben, dass Sie sowohl die großen politischen Linien als auch die konkreten Schritte vor Ort gemeint haben. Sie haben davon gesprochen, dass alle etwas tun müssten.

Meine Frage an Sie ist: Sehen Sie wirklich alle in der Pflicht, auch CO2 einzusparen? Wenn ja, trifft das auch auf uns Abgeordnete zu, und wie äußert sich das konkret?

(Ulrich Siegmund, AfD: Und die Chinesen und die Inder!)

Die Frage ist kurz zu beantworten: Wir wissen ja, wie hochgesteckt die Klimaziele sind. Wir sehen die gesellschaftlichen Widerstände. Ich habe dafür geworben, einfach jede Gelegenheit zu nutzen, eben auch den Aufhänger, der Aktivität von Fridays for Future, in die notwendigen Dialoge zu kommen, um sowohl die großen als auch die kleinen Schritte gehen zu können. Es gibt eben kein Entweder-oder, sondern es gibt nur ein Sowohlals-auch, wenn wir den gesteckten Klimazielen in dem von uns und vor allem von den jungen Leuten erwarteten Sinne nahekommen wollen. Da ist einfach jeder gefordert. Jeder Schritt in die richtige Richtung ist einfach ein richtiger, und jeder, der unterbleibt, ist Folge einer falschen Entscheidung.

Ich sehe noch eine ganze Reihe von Fragen aus der CDU- und der AfD-Fraktion. Aber wir haben eine Fünfminutendebatte, zwei Fragesteller pro Fraktion. Das haben wir jetzt organisiert. Ich sehe keinen Fragesteller aus der SPD-Fraktion und auch keinen mehr aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Deswegen sind wir jetzt am Ende dieses Redebeitrages angelangt und fahren in der Debatte fort.

Wenn ich das richtig sehe, Herr Kirchner, wollen Sie als Fraktionsvorsitzender sprechen. - Herr Kirchner, dann kommen Sie nach vorn und sprechen Sie als Fraktionsvorsitzender.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte mich noch einmal für diese wirklich eindrucksvolle Einbringungsrede bei Herrn Lippmann bedanken. Ich denke, das führt uns eindrucksvoll vor Augen, warum wir 1989 auf die Straße gegangen sind, nämlich um solche politischen Irrlichter aus den Parlamenten zu entfernen. Ich denke, es ist Zeit dafür, das wieder zu tun. - Vielen Dank.