Protocol of the Session on April 5, 2019

(Beifall bei der AfD)

Ich weise einmal dezent darauf hin, dass der Begriff „solche Irrlichter“ sich jetzt personifiziert zumindest auf einen Redebeitrag bezogen hat.

(Oliver Kirchner, AfD, und André Poggen- burg, fraktionslos: Politische Irrlichter!)

- Na ja, politische Irrlichter, sage ich jetzt einmal. Inhaltlich geht es mir um den Begriff „Irrlichter“. Ich sage nur: Jeder von uns ist dafür verantwortlich, welche Tonalität hier angeschlagen wird.

Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass entsprechende Empfindlichkeiten proportional zur Verwendung solcher Begriffe stehen müssen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht)

Ich hoffe, es ist jetzt klar, was ich damit gemeint habe.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Mit Sicher- heit!)

An dieser Stelle rufe ich einmal dazu auf, sich dessen bewusst zu werden, dass alles, was wir uns hier gegenseitig erzählen, meist eins zu eins zurückkommt. Das betrifft alle Fraktionen in diesem Haus und die Art und Weise, wie wir uns heute zum Beispiel gegenüber den Besucherinnen und Besuchern darstellen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Jetzt können wir aber in die Debatte einsteigen. Das ist eine Fünfminutendebatte. Als Erster spricht für die Landesregierung der Minister Herr Tullner. Herr Tullner, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Eine Anmerkung vorab: Vielleicht kann der Ältestenrat demnächst auch Zehnminutendebatten zu Themen beschließen, die das Hohe Haus offenbar mehr interessieren als andere Themen. Damit würde dann auch mehr Raum für die Debatte bestehen.

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD, und von der AfD: Das liegt an Ihnen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu diesem Thema - das hat, glaube ich, die bisherige Debatte schon gezeigt - gibt es eine emotionsgeladene und auch eine sehr intensive Debatte, weil das Thema schon an sich die Leute umtreibt.

Bevor ich zu ein paar inhaltlichen Aussagen kommen, die sich auf den Schulbereich beziehen - denn ich bin weder Klimaschutz- noch Wirtschaftsminister und werde mich deshalb auf meinen bescheidenen Kompetenzbereich beschränken -

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Jeder muss Klimaschutz machen! - Siegfried Borgwardt, CDU: Ja, ja!)

- auch darauf komme ich noch zu sprechen, lieber Kollege Striegel -, muss ich Ihnen eines sagen: Herr Lippmann, ich finde es immer schön und interessant, wenn Sie große Reden über Themen halten, die relevant sind. Wenn man aber zu Themen, bei denen politische Akteure Ihrer Partei Verantwortung tragen, nachfragt, wie es denn da läuft, dann muss ich mich manchmal wundern, weil dazwischen Welten liegen. Mein Kollege Holter in Thüringen vertritt dieselbe Position wie

ich, nämlich die, dass wir eine Schulpflicht haben, die wir einzuhalten haben und für die es bestimmte Regeln gibt.

(Beifall bei der CDU - Ulrich Thomas, CDU: Hört, hört!)

Deshalb verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht, dass Sie sich hier hinstellen und nonchalant eine Regel durchbrechen. Welches Bild geben wir denn ab, wenn dieses Hohe Haus Gesetze beschließt und wir bei anderer Gelegenheit sagen, die gelten aber eigentlich gar nicht? Wollen wir so vor unsere Wählerinnen und Wähler treten? Wollen wir so vor die Leute da draußen treten, was wir selbst ernst nehmen? Ich glaube, Sie sollten wirklich noch einmal über das nachdenken, Kollege Lippmann, was Sie hier zum Thema Schulpflicht gesagt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Für mich - darin bin ich mir mit meinen Kollegen in der Kultusministerkonferenz, egal welcher politischen Couleur, einig - heißt das: Schulpflicht ist Schulpflicht, und diese sollten wir einhalten! Daran gibt es auch nichts zu deuteln.

(Beifall bei der CDU - Ulrich Thomas, CDU: Richtig!)

Wenn man sich einmal den Kollegen Kretschmann aus Baden-Württemberg anhört, dann sagt dieser doch auch: Liebe Leute, es ist nun mal gut; nun haben wir die Themen auf dem Tisch. Es ist ja - jetzt komme ich mal auf einen anderen Punkt der Debatte zu sprechen - ein relevantes Thema, und die jungen Leute treibt ja etwas um. Wir sollten uns nicht lustig über das machen, was sie machen, sondern wir sollten es ernst nehmen und die Debatte aufgreifen. Das machen wir doch nun.

(Beifall bei der CDU)

An einer Stelle will ich aber doch noch einmal einen Punkt setzen: Warum bedarf es eines Regelverstoßes, damit sich die Medien und die Öffentlichkeit für Themen interessieren?

(Zuruf von der AfD: Genau! - Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Tho- mas Lippmann, DIE LINKE)

Diese Debatte sollten wir an der Stelle auch einmal führen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen sage ich ganz eindeutig: Mein Verständnis von Schule ist, dass sich Schule auch relevanten - nicht modischen - Themen widmet. Das macht Schule auch. Wir haben eine Menge Projekte, die sich mit dem Klimaschutz befassen. Es gab unlängst eine Sendung des MDR dazu. - Übrigens, Herr Lippmann, so schwer ist es nicht, die jungen Leute zu erreichen. Einer von ihnen

sitzt dort oben. Zu dem können Sie gleich gehen und einen Termin mit ihm machen, wenn Sie das wirklich wollten.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau!)

Ich bin mit den jungen Leuten im Gespräch; wir treffen uns demnächst. Meine Vorstellung ist zum Beispiel auch, dass wir gemeinsam reflektieren: Was findet im Unterricht schon statt? Was kann man besser machen? Dazu bin ich bereit. Das ist überhaupt nicht das Thema. Schule ist nicht der Gegner dieser Debatte.

Auf der anderen Seite stelle ich auch fest, dass die jungen Leute sehr wohl hinschauen - heute ist der letzte Schultag an den Gymnasien und an den Schulen, an denen das Abitur gemacht wird - und dass wir eine reflektierte Jugend haben, die sehr wohl weiß, was hier abgeht. Alle Demos, die jetzt laufen, werden nach der Schulzeit durchgeführt. Wir müssen diese Debatte in der Form gar nicht mehr führen. Die jungen Leute wissen das doch.

(Zustimmung bei der CDU)

An der Stelle sage ich: Das Ziel ist erreicht; es ist öffentliche Aufmerksamkeit hergestellt. Jetzt lassen Sie uns inhaltlich über Themen reden, die wichtig sind. Das kann man in der Schule tun - dazu bin ich ausdrücklich bereit -, man kann es vor allem aber auch nach der Schule tun und muss keinen Zielkonflikt schaffen.

Mein Ziel ist es, dass wir am Ende gemeinsam mit Kollegen Willingmann und Kollegin Dalbert zu einem Veranstaltungsformat kommen, bei dem wir uns dieser Debatte politisch stellen. Diese Verabredung möchte ich mit den jungen Leuten durchaus treffen, damit wir am Ende wertschätzen, dass es Engagement gibt, und wir von vielen jungen Leuten draußen nicht mehr sagen: Die interessieren sich nur noch für Kosmetiktipps bei YouTube und nicht für Themen, die wirklich wichtig sind. Wir sollten diesen Impuls aufnehmen und das nicht lächerlich machen.

Aber, liebe Leute, wir sollten das nicht politisch ausnutzen und am Ende nicht als diejenigen dastehen, die hinterherhecheln und rufen: „Die Regeln, die wir uns geben, halten wir selber überhaupt nicht ein.“ Das ist keine verantwortungsvolle Politik, und die ist mit mir auch nicht zu machen. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der AfD)

Danke. Ich halte fest, Herr Minister, dass Sie sich an die fünf Minuten Redezeit gehalten haben, obwohl Sie der Einzige gewesen wären, dem es erlaubt gewesen wäre, diese Redezeit zu über

schreiten. Dann hätten Sie daraus nämlich eine Zehnminutendebatte gemacht.

(Zustimmung bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD spricht nun der Abg. Herr Dr. Grube. Bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer sich die letzten Jahrzehnte politischer Debatte in diesem Land über den Zustand der Jugend vor Augen führt, der wird noch Schlagworte wie „überangepasst“, „konsumorientiert“, „spaßorientiert“, „hedonistisch“ oder „unpolitisch“ im Hinterkopf haben.

Diesen oder einen ähnlich benannten Zustand bescheinigen Jugendstudien wie Sinus oder Shell seit zwei Jahrzehnten der Jugend dieses Landes. Die Fridays-for-Future-Demonstrationen zeigen, dass das ein Zerrbild ist, dass Jugendlichen ihr Umfeld nicht scheißegal ist, dass sie auf die Straße gehen, weil sie ihre Zukunft gefährdet sehen, dass sie sich gesellschaftlich engagieren und dass sie sehr wohl politisch sind. Deshalb bin ich froh, dass es die Fridays-for-Future-Demonstrationen gibt. Wir haben eine politische, eine kritische Jugend, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ja, die Fridays-for-Future-Demonstrationen verdienen Wertschätzung. Wir haben dieses Thema heute als Antrag der LINKEN auf dem Tisch. Wir haben Ähnliches im Stadtrat von Magdeburg mit den Stimmen von SPD, LINKEN und GRÜNEN beschlossen. Meine Fraktion könnte auch dem heutigen Antrag der LINKEN im Landtag zustimmen. Aber es wird Sie nicht ganz überraschen, dass wir in der Koalition unterschiedlicher Meinung darüber sind. Deswegen die Formalie am Anfang meiner Rede. Wir werden den Antrag der LINKEN überweisen.

Für mich sind in dem Antrag neben der Wertschätzung für das Engagement der Demonstrierenden drei Aspekte besonders wichtig:

Erstens. Ich finde, das Thema Schulschwänzen im Zusammenhang mit den Demonstrationen ist deutlich überdimensioniert. Es ist schon eine besondere Form von Respektlosigkeit, wenn einige den Dialog mit den Schülerinnen und Schülern verweigern und auf den Nebenkriegsschauplatz Schulpflicht ablenken.

(Zustimmung bei der SPD)

Es ist der Klassiker im politischen Diskurs, über Geschäftsordnungsangelegenheiten zu reden,

wenn einem das Thema unangenehm ist. Wir als SPD-Fraktion kritisieren das. Wir finden das Anliegen der Schülerinnen und Schüler berechtigt.