Protocol of the Session on April 2, 2019

(Zustimmung bei der SPD und von Doro- thea Frederking, GRÜNE)

Zugleich genießt die EU aber weiterhin eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Genau das ist der

Punkt, der mir Mut macht. Die Bürgerinnen und Bürger wollen ein gemeinsames Europa und sie wollen, dass die europäische Integration fortgesetzt wird und dass für alle gemeinsame Regeln gelten.

Das ist auch absolut nachvollziehbar. Denn egal aus welcher Perspektive man es betrachtet, eines ist klar: Die europäische Integration ist das größte Friedensprojekt, das es jemals auf unserem Kontinent gegeben hat. Wir leben in Frieden.

Im nächsten Jahr begehen wir den 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Es war das Ende der schlimmsten Barbarei, die dieser Kontinent je gesehen hat. Es war die europäische Idee, die mit dazu beigetragen hat, aus diesem zerstörten und zerrissenen Kontinent einen Ort des Friedens zu machen. Nicht umsonst hat die Europäische Union im Jahr 2012 den Friedensnobelpreis bekommen.

Ein Großteil der Europäerinnen und Europäer, die heute auf dem Kontinent leben, musste nie erfahren, wie es ist, Krieg im eigenen Land zu haben. Sie kennen nur den Frieden und das soll auch so bleiben. Dieses Europa des Friedens war und ist auch ein sozialdemokratisches Projekt.

(Mario Lehmann, AfD: Ach ja!)

Wir haben bereits aus den Wirren des Ersten Weltkrieges unsere Schlussfolgerungen gezogen und im Jahr 1925 die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa gefordert. Wir stehen heute dafür, dass Europa auch als Europäische Union erhalten bleibt.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir lassen uns Europa nicht von den Populisten, Nationalisten und Rechtsextremisten kaputt machen. Wir werden nicht dabei zusehen, wenn Politiker wie Salvini, Orbán und Meuthen das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. Wir werden nicht akzeptieren, dass Europa durch Lügen und Unterstellungen in ein schlechtes Licht gerückt wird, so wie es Boris Johnson von der Konservativen Partei und Nigel Farage von der Ukip gemacht haben. Sie haben mit falschen Zahlen und falschen Versprechen agiert.

350 Millionen Pfund pro Woche, das sind ungefähr 410 Millionen €, sollten nicht mehr an die EU überwiesen, sondern in das Gesundheitssystem investiert werden. Von dieser Forderung wollten aber selbst diejenigen, die die Kampagne losgetreten haben, später nichts mehr wissen; sicherlich auch, weil es die Summe von 350 Millionen Pfund, die Großbritannien wöchentlich an die EU überwiesen hat, nie gegeben hat.

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie mit falschen Zahlen Stimmung gemacht wird. Darauf müssen

wir uns vielleicht auch bei der vor uns liegenden Europawahl gefasst machen. Wir sollten gewappnet sein und, Herr Tillschneider, Sie haben meine Vermutung bestätigt.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir wollen eine engagierte, eine mutige Debatte über die Zukunft Europas führen. Aber das kann nur eine Debatte sein, die auf den europäischen Werten beruht, auf den Werten der Freiheit, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Solidarität, und nicht auf Hass, Abgrenzung und Nationalismus.

Emmanuel Macron hat viele wichtige Vorschläge gemacht und wichtige Denkanstöße gegeben. Umso bedauerlicher ist es, dass seine Gesprächseinladung bisher aus Berlin mit Schweigen beantwortet wurde. So kann man Europa und die europäische Idee auch schwächen.

Wenn man Begeisterung für Europa schaffen will, dann muss man den Bürgerinnen und Bürgern sagen, warum sie am 26. Mai zur Wahl gehen sollen und warum sie ihre Verantwortung und ihr Stimmrecht wahrnehmen sollen. Denn als überzeugte Demokratin und Europäerin wünsche ich mir, dass möglichst viele erkennen, wie wichtig diese Wahl für Europas Zukunft ist, und sie das durch die Abgabe ihrer Stimme auch beweisen.

Am 26. Mai werden in Europa die Weichen gestellt. Wir werden uns entscheiden müssen: Wollen wir Nationalismus oder wollen gemeinsam mehr erreichen? Wollen wir zurück in die Kleinstaaterei oder wollen wir auf Augenhöhe mit den USA und China verhandeln? Wollen wir einen Wettbewerb um den niedrigsten Sozialstandard oder wollen wir eine Europäisierung der Sozialsysteme und des Mindestlohns? Wollen wir ein Europa der Egoismen oder wollen wir ein Europa der Solidarität, in dem Lasten gemeinsam geschultert werden? Wollen wir ein schwaches EUParlament voller Europaskeptiker oder wollen wir eine starke Bürgervertretung mit Abgeordneten, die für Europa brennen und es besser machen wollen?

Für uns ist die Antwort auf diese Fragen klar: Europa ist kein Auslaufmodell, sondern ein Zukunftsgarant. Wenn wir die gewaltigen Herausforderungen, vor denen wir regional, national und international stehen, bewältigen wollen, dann brauchen wir mehr Europa und nicht weniger. Wir brauchen eine stärkere Integration und nicht ein Zurück in die Spaltung. Wir brauchen aber vor allem mehr demokratische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass Europa auch ein Wohlstandsversprechen einlöst und mehr Anstrengungen unternimmt, um die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten auszugleichen. Der Schutz Europas nach innen und nach außen muss gestärkt werden und wir brauchen eine Reform der EU-Strukturen und -Institutionen. Die Bürger erwarten eine Europäisierung des Handelns und sie erwarten endlich einen wirksamen Schutz gegen die Steuerflucht internationaler Unternehmen.

Es gibt also sehr viel zu tun, um eine zügige Reform der Wirtschafts- und Währungsunion anzustrengen, damit alle davon profitieren können. Ich glaube, mit dieser Debatte können wir dazu beitragen, klar zu zeigen, für welchen Punkt die demokratischen Parteien bei der Europawahl stehen und wer dagegen steht. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. Sie haben schon angekündigt, Fragen nicht beantworten zu wollen. Aber der Abg. Herr Dr. Tillschneider hat natürlich die Möglichkeit, eine Kurzintervention zu tätigen. Das gilt auch für Herrn Kirchner. - Bitte.

Wir wollen natürlich in das Europäische Parlament, um es von innen heraus abzuschaffen. So abwegig ist das doch gar nicht. Platz 19 ist überhaupt nicht aussichtsreich. Aber sollte es mir gelingen einzuziehen, dann wäre meine erste Handlung im Europarlament, den Nigel Farage zu machen und öffentlich zu erklären: I want you all fired! - Das ist das Eine.

(Unruhe)

Zweitens zu ihrer indiskreten und ordinären Bemerkung bezüglich der Diäten. Erlauben Sie mir bitte, dass ich aus „Also sprach Zarathustra“ von Friedrich Nietzsche zitiere:

„‚Dem Reinen ist alles rein‘ - so spricht das Volk. Ich aber sage euch: den Schweinen wird alles Schwein!“

(Heiterkeit und Zustimmung bei der AfD)

Herr Kirchner, bitte.

Ich bitte auch hierzu noch einmal dringend um sinnerfassendes Zuhören. Das, was Hans-Thomas Tillschneider gesagt, stimmt natürlich. Dass

Sie sich als SPD hier vorn hinstellen und Populismus betreiben, was die Diäten betrifft, und das mit einem Parlamentspräsidenten, der sich 111 000 € erschlichen hat, das grenzt schon an Hohn. - Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Gallert. Sie haben das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bisher hat die Debatte ziemlich genau den erwarteten Verlauf genommen. Herr Robra hat alle in ihn gesetzten Erwartungen voll erfüllt und Herr Tillschneider auch.

(Oliver Kirchner, AfD: Jetzt sind Sie dran!)

Am Anfang der Debatte möchte ich Folgendes sagen: Wer auch nur annähernd Herrn Tillschneider zugehört hat - das richtet sich jetzt vor allem an die Kollegen der CDU -, der muss wissen: Eine Diskussion mit der AfD über europapolitische Themen ist so überflüssig wie ein Kropf.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Zielstellung ist ganz klar: abschaffen; erst das Europaparlament und dann die restlichen Institutionen.

(Oliver Kirchner, AfD: Reformieren!)

Es soll irgendetwas beibehalten werden, was aber in der heutigen Situation nur eine Perversion, sozusagen ein selbstzerstörendes Objekt wäre. Wer dazu Brücken sucht, der wird ins tiefe Wasser fallen, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Nun gut.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Da haben wir sie also, die Regierungserklärung „Für Sachsen-Anhalt: Europa wählen!“ Das ist ein ziemlich indifferenter Titel. Er lässt ein paar Wochen vor der Europawahl ziemlich viele Spielräume dafür offen, worüber man diskutieren will. Man kann das in zwei Richtungen tun. Man kann sich die Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und Brüssel vornehmen, man kann sich Abflusslisten zu EU-Mitteln in Sachsen-Anhalt ansehen und man kann darüber reden, warum sie so schlecht aussehen, und die Verantwortung dafür natürlich auf Brüssel schieben.

Genauso wie hier, wenn irgendetwas schief läuft, liegt die Verantwortung natürlich immer in Brüssel,

ob bei der Agrarförderung, der Energiepolitik oder beim Dieselauto. Das sind gewohnte Optionen, das sind gewohnte Debatten, die wir allerdings nicht unbedingt hier fortführen müssen.

Es ist heute schon mehrfach gesagt worden - sogar von Herrn Robra -: Ja, es gibt eine fast inflationäre Verwendung des Begriffes Schicksalswahl für diese Europawahl. Deswegen, glaube ich, steht es uns an, keine bürokratische Debatte zu führen, die Zahlen einmal zu Hause zu lassen sowie zu dieser Frage eine Grundwerte- und eine Grundsatzdebatte zu führen.

Ich sage allerdings auch ganz klar: Auch diese Option ist mit Risiken behaftet, weil sie nämlich in Allgemeinplätzen enden kann. Wir sind alle irgendwie für Europa. Wir finden das alle - nicht alle, okay - irgendwie gar nicht so schlecht mit der Europäischen Union, aber wir sind auch alle irgendwie für das Subsidiaritätsprinzip - das habe ich heute gehört - und für die nationale Selbstbestimmung usw. usf.

Wenn wir das machen, dann sagen wir eigentlich gar nichts. Dann können wir uns die Debatte sparen und vor allem hätten wir ein riesiges Problem: Wir kämen nicht an die wirklichen Probleme heran. Wir haben in dieser Europäischen Union substanzielle Probleme, wie es uns der Brexit gerade sehr deutlich zeigt.

Wir brauchen eine solche Debatte, um diese Probleme zu analysieren und um sie einzudämmen. Denn eines ist klar: Eine vernünftige Perspektive für diesen Kontinent, eine vernünftige Perspektive für dieses Land Sachsen-Anhalt gibt es nur mit einer richtig gut entwickelten Europäischen Union und nicht gegen sie, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Die eigentliche Frage, über die wir diskutieren müssen, ist nicht die, die die AfD uns hier auftischen will. Die AfD hat ein Nationenverständnis aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, das mit all den Katastrophen verbunden ist, die dabei herausgekommen sind. Wir müssen darüber diskutieren - das ist unsere Aufgabe -, welche Zielrichtung denn diese Vertiefung der Europäischen Union haben soll. Was sind die Entwicklungsziele? Was wollen wir genau umsetzen? Worin besteht die Notwendigkeit, dass wir diese Dinge miteinander realisieren?